Jean-François Martin/Ricore Text
Barbet Schroeder
Verschroben bis kauzig!
Interview: Barbet Schroeders Verrücktheiten
Barbet Schroeder ist ein Unikum. Er lässt sich nur schwer in eine Schublade einordnen, weder als Regisseur, noch als Drehbuchautor noch als Schauspieler. Als wir uns während des Filmfestivals in München 2009 trafen, um über seinen neuen Erotikthriller "Das Geheimnis der Geisha" zu reden, schien es, als würde er sich mehr für andere Dinge interessieren, als für seinen Film. Dennoch gelang es uns, einige interessante Details aus dem leicht verschroben wirkenden, gebürtigen iranischen Filmemacher herauszuholen.
erschienen am 28. 09. 2009
Sunfilm
Das Geheimnis der Geisha
Ricore: Ihr Film basiert auf dem Roman des japanischen Schriftstellers Rampo Edogawa. Die Figur der Geisha haben Sie jedoch hinzugefügt. Warum?

Barbet Schroeder: Es hat sich so ergeben. Im Laufe der Drehbucharbeit hat sich herausgestellt, dass die Geisha Teil der Struktur wurde. Sie konstruiert ihre eigene Realität. Sie zieht die Menschen in ihre fiktionale Welt, was sich als stärkere Bindung herausstellt als der Sex. Das Thema wurde im Laufe der Zeit für unsere Geschichte wichtig. Also entschieden wir uns, sie als eigenständige Figur aufzunehmen, ansonsten wäre die Geisha nur eine masochistisch veranlagte Frau gewesen, die mit einem japanischen Autor zusammenlebt. Den masochistischen Aspekt behielten wir bei.

Ricore: In ihrem Film geht es also um die Vermischung aus realer und fiktionaler Welt?

Schroeder: Genau. Im Grunde ist mein Film eine Meditation über fiktionale Filme und Genrefilme.

Ricore: Durften Sie einen Blick hinter die Welt der Geishas werfen, die ja eigentlich hermetisch abgeriegelt sind?

Schroeder: Natürlich. Das Treffen mit Geishas war eine außergewöhnliche Erfahrung und sehr wichtig für den Film. Die meisten von ihnen sind noch sehr jung, 16 Jahre alt oder so. Sie sind beinahe wie buddhistische Mönche, sehr intelligent und sagen weise Dinge. Ich hatte die Möglichkeit mit einer von ihnen zu reden und sie gab mir bereitwillig Auskunft über das Leben von Geishas. So erhielt ich einen umfangreichen Einblick, was zugegebenermaßen selten ist. Ich habe sie beispielsweise auch nach dem weißen Make-up gefragt und was es damit auf sich hat.
Jean-François Martin/Ricore Text
Barbet Schroeder
Ricore: Was hat sie geantwortet?

Schroeder: Sie meinte, das weiße Make-up sei dumm, es wurde erst später erfunden und eingeführt. Zuerst gab es nur warmes Kerzenlicht, welches das Gesicht der Geishas umspielt hat. Als die Elektrizität kam, wollte man diese Tradition in Japan nicht aufgeben und so wurden die Gesichter der Geishas eingefärbt.

Ricore: In Ihrem Film geht es auch um das Äußere der Geishas…

Schroeder: Ja, ich habe mich exakt an das Make-up der Geishas gehalten, denn ohne diese genaue Wiedergabe wäre der Film sinnlos gewesen. Ein großer Teil der Arbeit hat sich um die Geishas, ihr Aussehen und ihre Geschichte gedreht. Dank meiner langen Diskussionen mit Geishas, konnte ich sie, ihre Arbeit und ihre Kunst besser verstehen.

Ricore: Sie sagten einmal, dieses Projekt sei das verrückteste Projekt seit "Die Madonna der Mörder"…

Schroeder: Nun ja, "Die Madonna der Mörder" war deshalb verrückt, weil keine Versicherungsgesellschaft den Film versichern wollte, wir benötigten Bodyguards für mich und für das Material, wussten aber nie, ob der Film fertiggestellt werden würde. Das war schon verrückt. In diesem Film wusste ich auch nicht, ob der Film je zu Ende gestellt wird.

Ricore: Warum?

Schroeder: Es ist sehr schwierig, in Japan zu drehen. Wir mussten immer damit rechnen, samt Material von einem Drehort zum anderen umzuziehen, da wir nie sicher waren, ob wir hier drehen durften oder ob in letzter Sekunde etwas dazwischen kommt. Dann hätten wir mindestens eine Woche verloren und das wäre bei unserm straffen Zeitplan fatal gewesen. Zumal es ein Low-Budget-Film war, obwohl er aussieht, als hätte er 20 Millionen Dollar gekostet. Für einen Filmemacher gibt es nichts Schlimmeres, als der Gedanke, dass dein Film gestoppt wird. Das war schon ziemlich verrückt.
Sunfilm
Lika Minamoto in "Das Geheimnis der Geisha"
Ricore: Aber es ist gut gegangen...

Schroeder: Ja, das ist fast schon ein Wunder (lacht). In beiden Fällen, auch bei "Die Madonna der Mörder".

Ricore: Haben Sie den kompletten Film in Japan gedreht?

Schroeder: Ja, mit einer ausnahmslos japanischen Crew, ausgenommen mein Kameramann Luciano Tovoli, mit dem ich immer zusammenarbeite. Sogar jene Leute, die für ihn gearbeitet haben, kamen aus Japan. Eine solche Arbeitsweise ist eher selten.

Ricore: Auch in diesem Film steht eine Art Monster im Zentrum der Geschichte. Was hat Sie daran so fasziniert?

Schroeder: Ich weiß es nicht. Ich finde unkonventionelle Personen und Dinge interessanter als normale, langweilige Menschen. Ich mag aber auch das Genre des Thrillers, und ein erotischer Thriller ist noch besser. Aber es ist natürlich die Kombination, welche die Attraktion eines bestimmtes Themas oder Films ausmacht.

Ricore: Sie bewegen sich zwischen Erotikthriller, Dokumentationen, Komödien…

Schroeder: Komödien?

Ricore: Als Schauspieler…

Schroeder: Ja, aber wenn ich als Schauspieler auftrete, lerne ich für meine Arbeit als Regisseur. Das genehmige ich mir einmal im Jahr. Ich sehe das als Praxis. Ich finde das eine wichtige Erfahrung und bin der Meinung, dass dies jeder Regisseur zumindest einmal im Leben machen sollte. Das ist gesund. Aber ich bin kein wirklich guter Schauspieler und möchte auch nicht mehr als einen Monat dafür hergeben. Ich sehe das lediglich als Erfahrung.
Rufus F. Folkks/Ricore Text
Barbet Schroeder mit Lika Minamoto in Venedig 2008
Ricore: Aber auch als Regisseur bewegen Sie sich zwischen vielen Genres…

Schroeder: Ja, ich folge meinen Instinkten. Ich habe keinen Plan oder versuche, mein Image nach irgendwelchen Kriterien aufzubauen. Ich mache einfach das, was mich gerade anspricht.

Ricore: Fühlen Sie sich in einem Genre wohler, als in einem anderen?

Schroeder: Nein, ich fühle mich wohl mit dem, was ich gerade mache. Ansonsten würde ich es nicht tun. Denn wenn ich einen Film drehe, kostet mich das zwei Jahre meines Lebens. Und wenn ich mich dabei nicht wohl fühle, würde ich niemals umsonst zwei Jahre opfern.

Ricore: Was erwarten Sie sich vom Publikum für diesen Film?

Schroeder: "Das Geheimnis der Geisha" wurde während des Filmfests München 2009 erstmals im Kino gezeigt. Das Publikum war sehr ernst und aufmerksam und ist dem Film gefolgt. Das hat mir gut gefallen. Natürlich gab es auch negative Kritiken, das ist immer so. Damit muss man leben. Aber der Großteil hat den Film ernst genommen, und ist nicht auf dem Sitz hin- und her gerutscht (lacht).

Ricore: Erwarten Sie das von Ihren Filmen?

Schroeder: Nein, man kann nicht erwarten, dass jede einzelne Szene aufgesaugt wir, vor allem nicht bei einem solchen Film. Aber es ist die Aufgabe des Regisseurs, das Publikum so lange wie möglich an den Film zu binden und immer wieder aufs Neue Spannung aufzubauen. Geht allerdings ein Zuschauer währenddessen aufs Klo, verpasst er vielleicht eine wichtige Szene oder einen Satz. Ich denke, dadurch verliert man einen Teil des Puzzles. Das ist schade.
Sunfilm
Szene aus "Das Geheimnis der Geisha"
Ricore: Haben Sie den Film auch in Japan gezeigt?

Schroeder: Noch nicht, aber ich hoffe, dass dies klappt. Das entscheidet sich erst Anfang 2010. Wenn es klappt, reise ich definitiv hin, denn die Reaktionen auf meinen Film lasse ich mir nicht entgehen.

Ricore: Man sagt von Ihnen, dass Sie auch auf Grundlage eines schlechten Buches einen guten Film machen können...

Schroeder: Das Geheimnis guter Filme liegt oft darin, dass ihnen ein schlechtes Buch zu Grunde liegt (lacht).

Ricore: Das müssen Sie erklären!

Schroeder: Manchmal entstehen gute Ideen, wenn man ein schlechtes Drehbuch liest. Ich möchte hier keine Titel oder Namen nennen, aber es ist so. Es kommt auf die Basis an. Wenn die interessant genug ist, kann man viel damit machen.

Ricore: War das im Fall von "Das Geheimnis der Geisha" auch so?

Schroeder: (lacht) Nun ja, es war zumindest ähnlich. Die Ausgangssituation des Buches ist sehr spannend und erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, das anders als andere ist, aber gleich sein möchte. Das ist spannend und war eine gute Basis für unseren Film. Wir haben dann etwas Eigenständiges daraus gemacht. Wenn Sie eine Kopie von Edogawa Rampos Roman "Beast in the Shadows" finden und lesen, werden Sie sehen, dass sich unserer Film sehr von seiner Buchvorlage unterscheidet.
Sunfilm
Szene aus "Das Geheimnis der Geisha"
Ricore: Können Sie sich vorstellen, auch mal einen Film über gewöhnliche Leute zu machen?

Schroeder: Klar, das hängt immer davon ab, welche Ausgangssituation die Geschichte hat. Ich habe immer schon Filme über normale Menschen gemacht, da sich das Publikum ja auch mit den Figuren identifizieren soll.

Ricore: Ihre Filme spielen meist in unterschiedlichen Regionen: Japan, Südamerika um nur zwei zu nennen. Sehen Sie sich als globalen Filmemacher?

Schroeder: Ja. Ich fühle mich überall zu Hause, da wo ich gerade einen Film drehe.

Ricore: Was bedeutet Heimat für Sie?

Schroeder: Heimat ist für mich da, wo ich gerade arbeite und wo ich längere Zeit lebe.

Ricore: Im Moment fühlen Sie sich also hier in München zu Hause?

Schroeder: (lacht) Nein, das sehe ich eher als kurzen Aufenthalt. Ich reise ja gleich wieder ab.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. September 2009
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Der gebürtige Iraner Barbet Schroeder bewegt sich mit unglaublicher Leichtigkeit zwischen den Genres. Ob Krimi, Erotikthriller, Familiendrama, oder Dokumentation, es scheint, dass Barbet Schroeder einfach alles gelingt. Aber nicht nur das. Einmal im Jahr gönnt er sich eine einmonatige Auszeit vom Leben als Regisseur und Drehbuchautor und mutiert zum Schauspieler. Diese Zeit sieht er als Erfahrung, um zu lernen, wie man als Regisseur mit seinen Leuten umzugehen hat. In seinen Filmen..
Mit "Das Geheimnis der Geisha" versucht sich Barbet Schroeder an der Verfilmung von Edogawa Rampos Romans "Beast in the Shadows". Allerdings verfehlt der französische Regisseur das Ziel. In seinem Film stecken zu viele Ungereimtheiten und die Lösung des Falls ist zu früh ersichtlich. Seine Intention, das Leben einer Geisha einer westlichen Welt näher zu bringen, gelingt jedenfalls nicht. Schade, denn die Vorlage bietet Stoff für eine ansprechendere Verfilmung.
2024