20th Century Fox
Robert Stadlober auf "Wächter des Tages"-Premiere (Berlin 2006)
Mit 20 den ersten Herzinfarkt?
Interview: Robert Stadlober über Frauen, Feindbilder und Teenie-Magazine
Für sein Alter hat der Junge viel erreicht: Robert Stadlober (20) gilt seit "Sonnenallee" und "Crazy" als einer der Hoffnungsträger des deutschen Films, ist Sänger und Gitarrist der Band "Gary" und synchronisierte kürzlich die Hauptrolle im neuen Disney-Zeichentrickfilm "Der Schatzplanet", der im Dezember in die deutschen Kinos kommt. Beim Interview in Stadlobers derzeitigem Wohnort Hamburg redete der Schauspieler wie immer Klartext - und outete sich als ein dem Tode naher Hypochonder.
erschienen am 25. 11. 2002
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore Medien: Hallo Robert, du siehst aber nicht besonders fit aus...

Robert Stadlober: Ich bin krank. Ich war in den letzten drei Wochen mit meiner Band "Gary" auf Tournee und fühle mich gar nicht gut. Ich glaub', ich sterbe. Leider bin ich auch ein starker Hypochonder, das verschlimmert die Sache zusätzlich.

Ricore: Wir kennen trotzdem keine Gnade. Wie bereitet man sich darauf vor, einen Disney-Film zu synchronisieren?

Stadlober: Ich hab' nicht viel darüber nachgedacht. Ich achte auf Verständlichkeit und Sprechtechnik. Rollenarbeit ist bei der Synchronisation nicht so wichtig.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Bist du mit deiner Arbeit zufrieden?

Stadlober: Ja, schon. Eigentlich bin ich kein wirklicher Zeichentrickfilm-Fan, aber ich kann mir vorstellen, dass viele Leute begeistert sein werden.

Ricore: Wie kam es überhaupt zu deinem Disney-Engagement?

Stadlober: Ich synchronisiere schon seit meiner Jugend Filme. Für "Der Schatzplanet" wurde ich zu einem Vorsprechen eingeladen, meine Stimmproben wurden daraufhin nach Hollywood geschickt und irgendwann kam schließlich die Zusage. Oh Mann! Ich kriege gleich einen Kreislaufzusammenbruch. Drei Wochen Tour waren einfach zu viel.

Ricore: War die Tour wenigstens erfolgreich?

Stadlober: Ja, aber unsere Band ist nicht so bekannt. Manchmal hatten wir bis zu 200 Zuschauer. Die Musik, die wir spielen, ist wie ein Querschnitt durch mein Plattenregal. Genau mein Geschmack. Sag' mal, seh' ich eigentlich schon total tot aus?

Ricore: Es geht so.

Stadlober: (fasst sich an die Brust) Mein Herz schlägt noch. Ich bekomme ständig Schweißausbrüche und Hitzewallungen. Hoffentlich überlebe ich das. Wenigstens kann ich nach unserem Gespräch nach Hause gehen und muss nicht erst in eine andere Stadt zurück.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Wie denken deine Eltern über dein ungeregeltes Künstlerleben ohne Schulabschluss?

Stadlober: Am Anfang waren sie natürlich nicht begeistert. Meine Mutter wollte mir das Schauspielen früher sogar verbieten, weil ich in der Schule immer schlechter geworden bin. Irgendwann habe ich dann meine schulische Karriere frühzeitig beendet - damit war das Thema für mich erledigt. Seit dem Erfolg von "Sonnenallee" akzeptieren meine Eltern die Schauspielerei und sind stolz auf mich und auf das, was ich tue.

Ricore: Du bist aus der österreichischen Provinz in die Großstadt Berlin gezogen. Bist du ein Stadtkind oder von ganzem Herzen Landei?

Stadlober: Oh, mein Herz hört gerade auf zu schlagen! (lacht) Im Ernst, ich bin irgendwie beides. Mit acht Jahren bin ich mit meiner Mutter in die Stadt gezogen, weil meine Eltern sich getrennt haben. Meiner Meinung nach war das genau der richtige Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel. Beides hat eben seine Vor- und Nachteile. Eine gesunde Mischung ist gerade richtig! (fasst sich an die Stirn) Sag mal, kann man mit zwanzig Jahren einen Herzinfarkt bekommen?
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Ich fürchte ja. Wir müssen uns also beeilen. Du bist Schauspieler und Musiker. Was hat deiner Meinung nach mehr Einfluss auf das Publikum: der Film oder die Musik?

Stadlober: Definitiv die Musik. Was Musik vermag, kann kein Film leisten. Zur Musik kann man sich seine eigenen Bilder erschaffen. Bestimmte Mainstream-Filme sind für mich dagegen manipulierender Müll. Einige finde ich sehr gut, aber eigentlich mag ich Filme nicht besonders. Zu Musik kann ich auch viel besser heulen. Bei "Der Schatzplanet" musste ich am Ende zum Beispiel auch weinen - aber nicht wegen der Story, sondern wegen der herzzerreißenden Geigenmusik.

Ricore: Dein Lieblingsfilm?

Stadlober: "Before Sunrise" von Richard Linklater. Er erzählt ehrliche Dinge, die ich nachvollziehen kann. Eine ungeschminkte, schöne Geschichte, die ich selber gerne mal erleben möchte. Mit einer fremden Frau eine Nacht in Wien und sich verlieben - das ist doch der Hammer! In dem Film steckt wahnsinnig viel Information, ohne dass sie dir mit der Keule eingehämmert wird. Für mich ist "Before Sunrise" der beste Film aller Zeiten. Linklaters neuen Film "Waking Life" habe ich übrigens synchronisiert.
The Walt Disney Company (Germany)
"Der Schatzplanet"
Ricore: Apropos Frauen: Sprichst du sie an, oder müssen sie auf dich zukommen?

Stadlober: Ich spreche nur sehr selten Frauen an. Meine Freunde müssen mich schon hinprügeln, dass ich so etwas mache. Ich traue mich einfach nicht. Meistens geht so etwas sowieso in die Hose.

Ricore: Hilft es dir nicht, dass du Schauspieler bist?

Stadlober: Bei komischen Frauen funktioniert das schon. Aber um ein richtiges Mädchen ohne Macken kennen zu lernen, ist mein Beruf eher hinderlich. Die meisten denken, dass ich meine Bekanntheit ausnütze und eine Frau nach der anderen abschleppe.

Ricore: Du bist Filmschauspieler und Musiker. Vielleicht bald auch am Theater?

Stadlober: Ich würde gern Theater spielen, aber die Leute dort wollen mich nicht haben. Die halten mich für einen blöden Teeniestar. Früher, während meiner Schulzeit, habe ich in Berlin Theater gespielt. Das war aber wohl der Anfang und das Ende meiner Theaterkarriere.
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Stört es dich mit zunehmendem Alter, in Teenie-Zeitschriften wie Bravo, Jam oder Young Miss zu erscheinen?

Stadlober: Ich fand es noch nie gut, in diesen Magazinen zu erscheinen. Aber es hält sich in Grenzen. Ich weigere mich nämlich, ihnen Interviews zu geben, also haben sie über mich nicht allzu viel zu schreiben. Was dort zu lesen ist, haben sie sich meistens irgendwie aus den Fingern gesogen oder abgeschrieben. Aber egal, diese Zeitschriften liest doch eh kein Mensch, oder?

Ricore: Bravo hat über eine Millionen Leser, also nicht der Rede wert...

Stadlober: (lacht) Oh, gut. Ich gebe zu, dass ich sie mir auch manchmal kaufe, wenn wir mit unserem Bus auf Tour sind. Leider bin ich nach fünf Minuten schon wieder fertig mit Lesen. In der Zeitschrift steht einfach nichts drin. Einmal war ein kleiner Artikel über unsere Band in der Bravo. Die Überschrift: "Robert rockt mit 'Gary' die Charts." Was für ein Schwachsinn!
The Walt Disney Company (Germany)
Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Stört es dich denn, dass viele Menschen eure Band mit deinem Beruf als Schauspieler verbinden?

Stadlober: Ja, ich finde es deprimierend. Noch schlimmer wäre es für mich aber, gar keine Musik zu machen. Wir tun alles, damit mein Name möglichst nicht erwähnt wird. Aber das ist gar nicht so einfach. Andererseits hätten wir vermutlich ohne meinen Bekanntheitsgrad gar keinen Plattenvertrag bekommen.

Ricore: Wo nützt dir deine Bekanntheit noch?

Stadlober: Eigentlich finde ich es total bescheuert, berühmt zu sein. Wenn man das einmal erlebt hat, möchte man es nie wieder haben. Ständig werde ich auf der Straße oder in Bars von irgendwelchen Leuten angesprochen und muss mich für Dinge rechtfertigen, für die ich eigentlich gar nichts kann. Dieses Gesülze ist echt anstrengend. Leider sind diese Menschen meist total bescheuert, sonst würden sie mich ja in Ruhe lassen. Ich spreche doch auch nicht einfach jemanden Wildfremden auf der Straße an, nur weil ich ihn einmal im Fernsehen gesehen habe. Eigentlich wollte ich ja auch nie Schauspieler werden. Ich bin da einfach reingerutscht, und es macht mir auch großen Spaß. Nur diese nervigen Zwischenfälle stören mich eben!
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Szene aus: Der Schatzplanet
Ricore: Anlässlich deines letzten Films "Engel und Joe" warst du in Stefan Raabs Sendung "TV Total". Gerüchten zufolge gab es nach der Show einigen Ärger...

Stadlober: Ich kann Stefan Raab einfach nicht ausstehen und bekomme Aggressionen, wenn ich ihn nur sehe. Trotzdem wurde ich vom Verleih gezwungen, in seine Show zu gehen, um Werbung für den Film zu machen. Als ich dann einfach nicht über seine Witze gelacht habe, hat das Publikum angefangen, mich auszubuhen. Nach der Sendung kam der Produzent schimpfend auf mich zu, und Stefan Raab wollte mir Tipps geben, wie ich mit meinen Fans umzugehen hätte. Sie meinten, ich würde niemals wieder in die Sendung eingeladen werden. Und mal ganz ehrlich: Darüber bin ich wirklich froh.

Ricore: Was für Projekte stehen bei dir in nächster Zeit an?

Stadlober: Solange ich finanziell weit gehend unabhängig bin, achte ich darauf, möglichst nur Kinofilme zu drehen. Gute Fernsehdrehbücher sind sehr selten. Mein nächster Film heißt "Egoshooter". Ich spiele da einen sozial gestörten Jungen, der Videotagebuch über sein verkorkstes Leben führt. Außerdem drehe ich gerade "Felix Ende", einen Kurzfilm über einen Jungen, der im Alter von vier Jahren den Tod seiner Oma miterlebt und sich daraufhin in den Tod verliebt.

Ricore: Was wünscht du dir für die Zukunft?

Stadlober: Ich denke sehr wenig über die Zukunft nach. Es kommt ohnehin immer anders. In meinen jungen Jahren habe ich feststellen müssen, dass alles, was man sich vornimmt, sowieso nicht funktioniert. Bei mir zumindest.

Ricore: Zum Beispiel?

Stadlober: Zum Beispiel wollte ich ein ernst zu nehmender Schauspieler werden, der in guten Filmen mitspielt und nicht die ganze Zeit Schwachsinn erzählt. Das hat leider nicht so ganz geklappt. Ich bin sehr kritisch und denke viel über alles Mögliche nach - vielleicht zu viel. Ich bin einfach schwer zufrieden zu stellen.
erschienen am 25. November 2002
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Disneys Trickfilmabenteuer schindet mit zahlreichen Effekten Eindruck. Doch der in seine Optik verliebte Film hat Schwächen, die man von den erfahrenen Machern nicht erwartet hätte. Grundlage ist Robert Louis Stevensons "Schatzinsel", die Story wurde jedoch in die Weiten des Raumes in eine ferne Zeit transferiert.
Robert Stadlober, 1982 im österreichischen Frisach geboren, ist ein geschätzter Schauspieler, Mitbegründer des kleinen Musiklabels Sonnenallee" (1999) und dem Coming-of-Age-Drama "Crazy" (2000).
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