Senator Film Verleih
Mads Mikkelsen
Böse Menschen halten sich nicht für böse
Interview: Mads Mikkelsen lebt den Moment
Als Bösewicht Le Chiffre in "James Bond 007: Casino Royale" schafft der Däne Mads Mikkelsen den Durchbruch. Tatsächlich umgibt ihn eine Aura des Mysteriösen und Unnahbaren, als wir ihn im Berliner Hotelzimmer über seine erste deutsche Produktion "Die Tür" befragen. Seine graumelierten, strähnigen Haare fallen ihm immer wieder ins Gesicht. Anfangs streicht er sie hektisch beiseite, doch dann entspannt sich der 1,83 große Mime zunehmend. Er spricht mit uns über den Film und sein Privatleben.
erschienen am 25. 11. 2009
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Mads Mikkelsen
Ricore: Sie haben auf Deutsch gedreht. Wie war das für Sie?

Mads Mikkelsen: Die Alternative war, eine deutsche Stimme über mein Englisch zu legen, und das wäre lächerlich gewesen. Anno hat gesagt, wir machen das so in Deutschland, das ist kein Problem. Ich dachte nur, in Dänemark machen wir sowas nicht. Also habe ich gesagt, ok, ich mache es auf Deutsch, dann könnt ihr eine Stimme drüberlegen. Natürlich war es schwierig, es ist ja nicht Dänisch. Wir haben ein paar Takes gemacht, wo ich Englisch und Jessica Deutsch gesprochen hat, aber das war noch schwieriger. Das waren in zwei verschiedene Welten. Es hat sich seltsam angefühlt. Auf Deutsch war es von der Sprache her schwierig, aber wir haben das zwischen den Takes geübt. Als Kind hatte ich Deutschunterricht in der Schule, aber das ist natürlich ganz anders.

Ricore: Wie lange haben Sie Deutsch gelernt?

Mikkelsen: Ich glaube zwei Jahre. Es war kein Hauptfach.

Ricore: Wie viele Sprachen sprechen Sie?

Mikkelsen: Nur Dänisch und Englisch. Und Schwedisch. Und jetzt auch ein bisschen Deutsch. Und ganz wenig Französisch. Und sehr wenig Russisch.

Ricore: Sie waren in vielen internationalen Produktionen. Was war das Besondere an diesem Film?

Mikkelsen: Ich fand die Geschichte von Anfang an sehr schön. Als ich sie gelesen habe, wurde ich sehr emotional. Sie war schön, einfach zauberhaft, Thriller, Drama. Es war schwierig, ein Etikett zu setzen, weil es ständig wechselt. Ich traf mich mit Anno Saul, den ich sehr mag, und habe Ja gesagt.
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Mads Mikkelsen beim Versuch, eine Leiche zu beseitigen
Ricore: Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?

Mikkelsen: Anno hat mich angesprochen. Er hat ein paar dänische Filme gesehen. Wir haben viel darüber geredet. Ich liebe das Skript, aber ich habe gefragt, ob er sich denn sicher sei, dass er nicht einen deutschen Schauspieler dafür finden würde? Dann hätte es die Sprachprobleme nicht gegeben. Aber er hat gesagt, er will nur mich. Dann habe ich gesagt, ok, dann mache ich es auf Deutsch.

Ricore: Glauben Sie an mysteriöse Dinge oder an Geister?

Mikkelsen: Wenn ich ein paar Bier getrunken habe und meine Freunde solche Geschichten erzählen, finde ich das sehr faszinierend. Wie viele hoffe ich, dass da noch mehr ist. Aber wir hoffen so viel, dass wir Religionen, Götter und auch Geister erschaffen. Vielleicht ist das auch ok so.

Ricore: Glauben Sie denn an etwas?

Mikkelsen: Manchmal hoffe ich, dass da mehr ist, aber ich bin mir nicht sicher. Ich habe nie etwas gesehen. Ich finde das Leben an sich schon magisch. Es ist unglaublich, dass man Babys zeugen kann. Das ist Magie genug. Das Leben ist einfach schön, wenn es irgendwo noch mehr gibt, ist das großartig.

Ricore: Gibt es etwas in Ihrer Vergangenheit, das Sie gerne ändern würden?

Mikkelsen: Nein. Wir haben darüber auch während der Dreharbeiten gesprochen. Aber zum Glück gab es keine tragischen Situationen in meinem Leben wie bei dieser Familie. In dieser Situation würde man vielleicht alles tun, um das zu ändern. Aber ich würde nicht zurück gehen, um ein paar dumme Entscheidungen in der Karriere oder meinem Privatleben zu ändern. Das gehört zum Leben. Man trifft falsche Entscheidungen und lernt daraus.
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Heike Makatsch
Ricore: Glauben Sie, dass wir besser werden, je älter wir werden?

Mikkelsen: Nicht unbedingt. Ich bin mir sicher, dass Hitler mit 17 ein netterer Mensch war. Es kommt darauf an, was man im Leben dazulernt. Wie viel Hass man erleben muss, wie viel Liebe man geben kann. Ich denke, das ist der Schlüssel um ein besserer Mensch zu werden.

Ricore: Wie kommen Sie damit voran?

Mikkelsen: Ich bin mir nicht sicher. Ich bin jetzt 43. Ich habe noch nicht oft zurück geblickt. Ich lebe einfach. Wenn ich mein Leben planen würde, bin ich sicher, dass ich versuchen würde, ein besserer Mensch zu werden. Ich bin mir aber auch dessen bewusst, dass ich ein gutes Leben führe und ein guter Mensch bin. Aber wenn man es richtig planen würde, könnte man sicher noch mehr erreichen.

Ricore: Aber Sie halten sich für gut genug?

Mikkelsen: Ich bin zufrieden, so wie es ist. So ist das Leben. Leben ist, was man in dem Moment ist. Die Dinge die man tut, machen die Person aus, die man ist. Aus irgendwelchen Gründen mache ich jetzt das hier und nicht etwas anderes. Ich könnte jetzt auch in Indien sein und viele arme Menschen retten. Aber aus irgendeinem Grund bin ich das nicht. Wenn ich darüber nachdenke, sollte ich das aber sein. Das sollten wir alle. Aber ich helfe vielleicht auf eine andere Art.

Ricore: Sie sind also ein Mensch, der den Moment lebt?

Mikkelsen: Ja, das würde ich sagen. Die Zukunft war immer etwas, das irgendwann kommt. Die Vergangenheit ist voll von guten und schlechten Erinnerungen, die man nutzen kann, wenn man will. Aber ich lebe sehr im Hier und Jetzt.
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Mads Mikkelsen rettet seine Tochter
Ricore: Planen Sie Dinge genau oder sind Sie ein spontaner Mensch?

Mikkelsen: Ich glaube, ich bin sehr spontan. Ich habe das Skript gelesen, habe Anno getroffen und gleich gesagt, lass es uns machen. Normalerweise redet man mit Leuten darüber, ob das eine gute Idee ist. Man schaut sich seine Filme vorher an. Aber ich mochte Anno und das Skript so sehr, dass ich spontan zugesagt habe. Ich bin nicht nur beruflich, sondern auch privat spontan.

Ricore: Sie machen viele internationale Filme. Ist das für Sie auch ein Kriterium, Rollen auszuwählen?

Mikkelsen: Ich mag es. Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee wäre, einen deutschen Film zu drehen. Ich mache die Dinge, die ich gerne mag. Es ist ein reiner Zufall, dass ich einen deutschen und einen französischen Film gedreht habe.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Jessica Schwarz? Sie haben im Film eine sehr enge Beziehung.

Mikkelsen: Wir hatten Glück. Mit Jessica war es sehr einfach. Es ist nicht immer so, manchmal muss man mehr schauspielern. Man kann nicht voraussetzen, dass es einfach wird, immerhin ist es ein Job. Aber die Chemie war extrem gut. Sie ist eine fantastische Frau. An diesem Punkt ihrer Karriere war es sehr wichtig, dass sie eine Mutter spielt. Das hat sie zuvor noch nicht gemacht. Ich bin auch nur etwas älter als sie. Es war ganz natürlich, in die Rolle zu schlüpfen.

Ricore: Es gibt sehr explizite Sexszenen im Film. Ist es für Sie schwierig, solche Szenen zu drehen?

Mikkelsen: Für mich ist es nicht schwierig. Aber es kann schwierig werden, wenn einer der beiden nervös ist. Dann wird es ein bisschen peinlich. Wenn man so etwas dreht, darf man sich nicht auf den Sex konzentrieren, sondern auf die Emotionen der Szene. Ist es heiße Leidenschaft oder sehr einfühlsam. Wenn man sich darauf konzentriert, vergisst man den Sex dabei. Man spielt die Emotionen wie in jeder anderen Szene. Man ist einfach nur nackt (lacht). Aber es hilft, wenn beide sich wohl dabei fühlen.
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Mads Mikkelsen
Ricore: War es in diesem Fall einfach?

Mikkelsen: Ja, mit beiden Mädchen. Es war sehr unterschiedlich. Heike war nur zwei Tage da und wurde direkt hineingeschmissen. Aber sie war sehr cool und hat die Szene gleich verstanden. Es war sehr einfach mit ihr zu arbeiten. Jessica und ich kannten uns da schon eine Weile und haben es gut hingekriegt. Wir fanden die Szene sehr schön, deshalb war es nicht schwierig.

Ricore: Haben Sie zuvor darüber gesprochen und alles geplant?

Mikkelsen: Ja, bis ins Detail. Wenn man bei sowas anfängt zu improvisieren, wird es sehr schwierig. Man überlegt dann immer, wie's jetzt weiter geht. Wir haben festgelegt, wo es anfängt und wo es aufhört. Man hat gewisse Einstellungen und Einzelheiten, mit denen man arbeiten kann, damit sich jeder wohl fühlt. Damit man nicht den Regisseur neben sich stehen hat, der sagt, los, mach weiter.

Ricore: Gab es im Film die Möglichkeit zu improvisieren?

Mikkelsen: Ja, gab es. In meinem Fall war die Improvisation vor allem körperlich. Es war für mich nicht gerade einfach, auf Deutsch zu improvisieren. Wenn ich das hätte tun wollen, hätte ich Jessica vorher fragen müssen, wie man das grammatikalisch sagt. Der, die oder das (lacht). Aber bei den körperlichen Sachen konnte ich viel improvisieren.

Ricore: Improvisieren Sie gerne?

Mikkelsen: Ja, Improvisation ist eine interessante Sache. Ich mag es aber nur, wenn man weiß, worum es in der Szene geht. Wenn man weiß, wo sie anfängt und wo sie aufhört. Dann kann man improvisieren und mit schönen Ideen kommen. Aber wenn man nicht weiß, worum es in der Szene geht, dann endet das meistens mit Leuten, die herumschreien und weinen. Das ist dann wie im Schauspielunterricht. Das finde ich langweilig. Aber wenn man weiß, wo die Improvisation hinführen soll, ist das sehr schön.
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Der böse Bube im Spiel: Mads Mikkelsen in Casino Royale
Ricore: Gab es Unterschiede zwischen deutschen Filmen und anderen Projekten?

Mikkelsen: Außer der Sprache, die für mich extra Arbeit bedeutete, war nichts anders. Alles wird genauso gemacht wie bei mir zu Hause. Die Crew ist genauso groß, die Arbeitsweise ist gleich. Die Deutschen waren sehr gastfreundlich und herzlich. Es war sehr schön.

Ricore: Gibt es schon neue Pläne?

Mikkelsen: Ich werde einen Film mit einem Schweizer drehen. "Clean Out" ist ein Mafia-Film.

Ricore: Sind Sie darin böse?

Mikkelsen: Das würden Sie vielleicht so sehen, aber ich glaube nicht, dass er sich selbst als böse bezeichnen würde. Das ist ja das Problem mit bösen Menschen, sie halten sich gar nicht für böse. Aber er ist ein Mafia-Typ.

Ricore: Haben Sie Angst davor, immer für dieselben Rollen besetzt zu werden?

Mikkelsen: Nein. Ich hatte das Glück, schon Väter, Priester, Homosexuelle, Bösewichte und gute Helden spielen zu können. Ich habe gar keine Angst davor. Jeder sieht mich mit anderen Augen.
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Was soll ich bloß tun? fragt sich Mads Mikkelsen
Ricore: Haben Sie ein Lieblingsgenre?

Mikkelsen: Ich würde sagen Drama. Realistische Dramen mag ich am liebsten. Aber ich mag auch schwarze Komödien oder David Lynch und die Coen-Brüder. Jedes Genre ist fantastisch, wenn man es richtig macht. Ich bevorzuge nichts, aber wenn, dann Drama.

Ricore: Wenn Sie viel unterwegs sind, können Sie das mit Ihrem Familienleben verbinden?

Mikkelsen: Das ist absolut unmöglich. Es war zwei Jahre lang sehr schwierig, weil ich viel zu oft weit weg gearbeitet habe. Wir müssen das jetzt anders planen. Es hat zwar Spaß gemacht, aber so kann ich nicht weiter machen.

Ricore: Dann haben Sie definitiv beschlossen, kürzer zu treten?

Mikkelsen: Ja. Gerade passiert sehr viel und ich muss statt zwei Projekte anzunehmen, mich nur für eins entscheiden. Aber das ist ok. So ist das Leben.

Ricore: Manche sagen ja, die Familie kann einen am Set besuchen.

Mikkelsen: Sie kommt ja auch vorbei, aber das ist nicht das gleiche. Das sind nur Besuche und kein miteinander Leben. Wir müssen für die nächsten Jahre einen Plan schmieden.

Ricore: Schade, dass Sie gerade jetzt kürzer treten müssen.

Mikkelsen: Aber wenn ich es nicht tun würde, würde ich immer mehr arbeiten und immer weniger vom Leben haben. Deshalb müssen wir eine Lösung finden. Wir werden es kombinieren, sodass alle damit glücklich sind.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. November 2009
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2024