Constantin
Alexandra Maria Lara in Der Untergang
Gespenstische Momente und die Facetten von Hitlers Sekretärin
Interview: Alexandra Maria Lara über ihr Gefühls-Chaos
Die in Bukarest geborene Schauspielerin Alexandra Maria Lara blickt mit ihren erst 25 Jahren auf ein hochkarätiges Rollenrepertoire zurück: Nachdem sie in den Roland Suso Richters viel beachteten Filmen "Die Bubi Scholz Story" und "Der Tunnel" überzeugte, in Doris Dörries "Nackt" die Hüllen fallen ließ und mit "Napoléon" und "Doktor Schiwago" auch in internationalen Projekten für Aufsehen sorgte, wagte sie sich an Bernd Eichingers 14-Mio.-Euro-Projekt "Der Untergang - Hitler und das Ende des 3. Reichs". Als Hitlers Sekretärin Traudl Junge erlebt sie darin die letzten Tage des Regimes in unmittelbarer Nähe des grausamen Machthabers. Zum Interview in München erschien mit Lara eine Frau, die sich selbst ständig hinterfragt und trotzdem eine charmante Leichtigkeit besitzt.
erschienen am 17. 09. 2004
Constantin
Alexandra Maria Lara als Hitlers letzte Sekretärin
Interessante historische Rollen
Ricore: Frau Lara, nach Ihrer Rolle in Joseph Vilsmaiers "Leo und Claire" beschäftigen Sie sich in "Der Untergang - Hitler und das Ende des 3. Reichs" erneut mit der Thematik des Dritten Reichs. Wie kommt's?

Alexandra Maria Lara: Es war reiner Zufall. Obwohl historische Rollen schon interessanter sein können als rein fiktive Figuren, habe ich dazu keine besondere Affinität.

Ricore: Nun ist Traudl Junge aber nicht irgendeine beliebige historische Rolle, sondern Hitlers Sekretärin.

Lara: Diese Rolle war natürlich um einiges schwieriger als alles andere, was ich bisher gedreht habe. Sich in die Rolle hineinzufühlen war nicht einfach und brachte große Verantwortung mit sich.

Ricore: Welche Vorkenntnisse hatten Sie, als Ihnen die Rolle angeboten wurde?

Lara: Ich hatte André Hellers Dokumentation "Im toten Winkel - Hitlers Sekretärin" gesehen, natürlich ohne zu wissen, dass ich irgendwann mal etwas mit der Thematik zu tun haben würde. Trotzdem war ich damals schon enorm beeindruckt, mit welchem Mut sich Traudl Junge ihrer Vergangenheit stellt. Als ich dann zum Casting eingeladen wurde, besorgte ich mir das Buch "Bis zur letzten Stunde", in dem sie 1947 die Erlebnisse ihrer zweijährigen Arbeit mit Adolf Hitler zusammengefasst hatte. Während der Dreharbeiten entpuppte sich diese Lektüre als mein ganz persönlicher Schatz. Die meisten der 98 Sprechrollen in diesem Film hatten wesentlich weniger Material, mit dem sie ihre Rolle erarbeiten konnten.

Ricore: Traudl Junge starb 2002. Hätten Sie sie gerne kennen gelernt?

Lara: Doch, schon. Ein paar Fragen hätte ich ihr schon gerne gestellt. Ich finde es interessant, dass sie unmittelbar nach der ersten Vorführung ihrer Dokumentation verstarb. Es war wie ein letztes Loslassen.

Ricore: Sind Sie während des Drehs auf neue Facetten gestoßen, die Sie überrascht haben?

Lara: Sobald das eigentliche Spielen an so seltsamen Drehorten wie dem Führerbunker begann, hatte die Rolle eine intensivere Wirkung auf mich, als ich es je für möglich gehalten hätte. Es gibt viele Szenen, für die wir stundenlang schweigend am Tisch sitzen mussten. Da hat es mir oft die Kehle zugeschnürt. Manchmal konnte ich Traudl Junge sehr gut verstehen, dann war ich wieder so erschüttert und angeekelt, dass ich mich selbst nicht mehr auskannte. Die Dreharbeiten waren so speziell, dass die Eindrücke immer wieder in mir hochkommen. Von Gefühls- und Kopfchaos kann ich mittlerweile ein Lied singen.
Constantin
Donevan Gunia, Alexandra Maria Lara
Väterlichen Freund Hitler?
Ricore: Was hat Sie besonders beschäftigt?

Lara: Dass Hitler ganz offensichtlich auch freundliche und aufmerksame Momente gehabt haben muss. Traudl Junge zumindest sah in ihm eine Art väterlichen Freund. Für mich ist das unvorstellbar, mir fällt es schon schwer, solche Worte im Zusammenhang mit Hitler zu verwenden. Mir ist aufgefallen, dass ich bei Gesprächen über den Film jeden meiner Sätze dreimal hinterfrage.

Ricore: Was hat sie zu dieser Einstellung bewegt? Sie wusste doch von Hitlers Gräueltaten!

Lara: Offenbar wusste sie es nicht, oder sie wollte es nicht wahrhaben. Als sie ihm, dem gefürchteten Machthaber, damals zum ersten Mal gegenüberstand, war er anscheinend extrem höflich und zuvorkommend. In diesem Moment konnte sie nicht widerstehen, obwohl sicher leise Zweifel in ihr aufkamen. Offenbar spürte sie während dieser zwei Jahre sogar eine gewisse Geborgenheit. Diese Zeit war der Höhepunkt ihres Lebens, das ist abartig und kaum vorstellbar. Im Gegensatz zu anderen, die sich schnell zu Opfern stilisiert haben, konnte sie sich danach nie wieder unschuldig fühlen. Ich habe ziemlichen Respekt, dass sie sich so mit sich selbst konfrontieren konnte.

Ricore: Wie war Ihre Zusammenarbeit mit Hitler-Darsteller Bruno Ganz?

Lara: Obwohl ich in ihm immer einen Schauspieler gesehen habe, gab es schon gespenstische Momente. Es ist unvorstellbar, was in ihm während der Dreharbeiten vorgegangen sein muss. Wie viel Mut er für die Rolle aufbringen musste, kann keiner von uns nachvollziehen.

Ricore: Sie wurden 1978 in Bukarest geboren und sind erst mit viereinhalb Jahren nach Deutschland gekommen. Wie kommen Sie mit der deutschen Mentalität klar?

Lara: Eigentlich fühle ich mich wie eine Deutsche. Natürlich stellt man sich manchmal die Frage, warum Deutsche manchmal so verschlossen sind und Probleme haben, Gefühle zu zeigen, vor allem, weil ich aus einem sehr offenherzigen Land komme. Aber im Großen und Ganzen liebe ich die Deutschen. (lacht) Meine Eltern und ich sind damals nach unserem Asylantrag auch wunderbar aufgenommen worden und haben eine faire Chance bekommen, eine neue Existenz aufzubauen. Ich persönlich verbinde mit Deutschland ein extrem gutes Gefühl.

Ricore: Die Deutschen dagegen empfinden die zwölf Jahre Nationalsozialismus noch immer als große Belastung, können noch immer keinen Nationalstolz aufbauen.

Lara: Erstaunlicherweise habe ich bei den Dreharbeiten festgestellt, dass mich die Thematik genauso betrifft wie jeden anderen Deutschen auch, und das, obwohl ich nicht hier geboren und familiär betroffen bin. Ich habe gemerkt, dass mich das Thema trotzdem sehr bedrückt. Man kann natürlich sagen, dass alles zwar schon sechzig Jahre zurückliegt, andererseits sind es in Anbetracht der Tatsachen aber auch erst sechzig Jahre. Die Aktualität bleibt also nach wie vor erhalten.
erschienen am 17. September 2004
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