Salzgeber & Co. Medien
Catrin Striebeck in "Unter Strom"
Dixie-Klos und fließendes Wasser
Interview: Catrin Striebeck: Zwischen Liebe und Hass
Die Bedingungen am Set von "Unter Strom" waren alles andere als gut. Es gab weder fließend Wasser noch funktionierende Toiletten. Und so standen mitten im Wald Dixie-Klos. Catrin Striebeck verriet allerdings nicht, wie oft diese gewechselt wurden. Sie wollte mir wahrscheinlich die unschöne Vorstellung ersparen. Umso angenehmer war unser Gespräch. Einige Monate nach den Dreharbeiten kann die vielbeschäftigte Theater- und Filmdarstellerin darüber lachen. "Unter Strom" ist eine unterhaltsame schwarze Komödie.
erschienen am 10. 12. 2009
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Catrin Striebeck in der Gewalt ihres Entführers
Ricore: Ihre Figur lebt in einer Art Hassliebe zu Ihrem Gatten. Reizt Sie der Gegensatz?

Catrin Striebeck: Ich würde es nicht unbedingt als Hass bezeichnen. Das Ehepaar hat in all den Jahren einfach unterschiedliche Vorstellungen entwickelt, wie das Leben auszusehen hat. So hat sich das hochgeschaukelt - bis zu dem Punkt, an dem man nicht mehr normal miteinander kommunizieren kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass keine Liebe mehr vorhanden ist. Ob mich dieser Gegensatz reizt, kann ich nicht sagen. Das ist privat. Natürlich finde ich es schöner, wenn mehr Liebe als Hass vorhanden ist (lacht).

Ricore: Sie verkörpern immer wieder starke Frauen. Was reizt Sie besonders an solchen Frauenfiguren?

Striebeck: Bei "Unter Strom" war es nicht die Frau, sondern das Buch, das mich gereizt hat. Jede einzelne Figur. Wäre mir eine andere Rolle angeboten worden, hätte ich die auch gespielt. Alle Figuren haben Ihren Platz, dadurch entsteht das Ganze.

Ricore: "Unter Strom" hat einen ganz eigenen Humor. Liegt Ihnen dieser?

Striebeck: Natürlich liegt mir diese Art von Humor. Wenn man so einen Film spielt, verstellt man sich ja auch nicht so sehr wie bei einem anderen Film. Hier hatte ich das Gefühl, dass die Schauspieler jene Rollen ausgesucht haben, die ihnen nahe standen. Trotz des Drehbuchs hat jeder etwas von sich eingebracht. Regisseur Zoltan Paul hat seine Rollen dementsprechend gut besetzt.

Ricore: Es hat Schwierigkeiten bei der Produktion und der Finanzierung des Films gegeben.

Striebeck: Ja, wir haben diese Probleme alle hautnah miterlebt.

Ricore: Inwiefern?

Striebeck: Nun ja, ich habe einen lächerlichen Betrag überwiesen bekommen. Die Bedingungen waren sehr krass. Aber man vermutet ja immer das Beste, vor allem wenn das Buch gut ist. Man hofft darauf, dass es eine schöne Zeit wird. Man bedenkt nicht, dass das Hotel schrecklich ist, oder dass die Dixie-Klos nicht funktionieren könnten.
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Catrin Striebeck
Ricore: Das ist hart.

Striebeck: Der Drehort und das Haus waren wunderschön, mitten im Wald, aber eben ohne fließend Wasser und ohne Toiletten. Die Frage war, wie oft die Dixie-Klos gewechselt werden. Das möchte man lieber nicht wissen.

Ricore: Haben Sie nun Ihr Gehalt bekommen?

Striebeck: Nun ja, bei solchen Filmen unterschreibt man sogenannte Rückstellungsverträge. Ob man jemals wieder etwas von dem Geld, was man am Film hätte verdienen sollen oder was zurückgestellt wird, sehen wird, ist fraglich. Wenn er gut läuft, natürlich, aber wenn nicht, eben nicht.

Ricore: Bereuen Sie dies?

Striebeck: Nein, im Moment der Unterschrift ist die Sache erledigt. Alles was nachher kommt, ist eine positive Überraschung.

Ricore: Kann Sie noch viel überraschen?

Striebeck: Ich finde, wenn man am Punkt angelangt ist, wo man nicht mehr neugierig auf ein Buch, einen Regisseur oder ein Projekt ist, braucht man den Beruf nicht mehr ausüben. Ich arbeite noch sehr viel am Theater, habe viele Jahre lang mit René Pollesch zusammengearbeitet. Nach einer fünfjährigen Pause haben wir uns wieder neu überrascht. Manchmal braucht man eine solche Auszeit, vor allem wenn man mit Menschen sehr eng, beinahe schon familiär zusammenarbeitet. Danach kann man sich neu betrachten, da sich jeder weiterentwickelt. Man benötigt auch die Chance, sich unabhängig voneinander weiterzuentwickeln.

Ricore: Das klingt, als sprächen Sie nicht nur von beruflichen, sondern auch von privaten Beziehungen?

Striebeck: Ja, und genau so meine ich das auch. Das ist wichtig, im Beruflichen, wie im Privaten.
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Catrin Striebeck in "Unter Strom"
Ricore: Auf die Gefahr hin, dass es abgedroschen klingt: Was nehmen Sie aus dem Theater mit in den Filmbereich?

Striebeck: Man nimmt immer überall was mit. Egal ob vom Leben, aus einer Drehzeit oder vom Theater. Für mich wäre es undenkbar, nur zu drehen. Das kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen. Ich brauche die Abwechslung mit dem Theater. Früher war es umgekehrt. Und so unterschiedlich, wie manche sagen, ist es gar nicht.

Ricore: Sie meinen?

Striebeck: Nun ja, es ist mein Beruf, mein Vergnügen, sich immer wieder mit neuen Konstellationen, neuen Themen, neuen Stoffen oder Situationen auseinandersetzt.

Ricore: Liegt darin die Spannung Ihres Berufs?

Striebeck: Ich bin überzeugt, man kann nicht aus sich selbst heraus. Aber in dem Moment, wo man eine Figur spielt, kann man neue Seiten an sich entdecken. Vorausgesetzt, sie sind facettenreich, interessant, tiefgründig. Mir gefallen aber auch oberflächliche Komödien. Ich finde, darin kann man ganz viel Interessantes entdecken. Ich bin nun in einem Alter, wo ich häufiger große, griechische Tragödienrollen spiele. Das konnte ich mir bis letztes Jahr überhaupt nicht vorstellen. Ich dachte immer, das ist so weit weg von mir. Ich wusste gar nicht, woher ich dieses Ausmaß an Tragödie holen soll. Man fängt dann mit den Proben an und findet bestimmte Punkte, wo man andocken und wie man das für sich übersetzen kann. Manchmal ist es auch so, dass einem mit der Zeit Figuren sehr viel näher kommen, wo man sich das anfangs gar nicht vorstellen konnte.

Ricore: Haben Sie bei diesem Film eine neue Seite an sich entdeckt?

Striebeck: Meine Figur ist relativ uneinsichtig. Das Tolle an "Unter Strom" ist die Vielschichtigkeit der Figuren. Es wird nicht eine psychologisch auseinander genommen und die andere links liegen gelassen. Es ist mehr wie ein Gemälde, in dem jeder für einen bestimmten Farbklecks zuständig ist. Und daraus entsteht das Gesamtbild. Wir sind jetzt nicht hergegangen und haben unsere Figuren psychologisch aufgedröselt. Wir haben sie eher mit groben Stiften gezeichnet.
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Catrin Striebeck wird entführt
Ricore: Ihre Figur ist ja etwas streitsüchtig...

Striebeck: Nein, streitsüchtig würde ich nicht sagen. Sie hat kein Harmoniebedürfnis, ich hingegen schon (lacht). Ich denke sogar, es ist ganz gesund, wenn man die Sachen auch mal raus lässt und nicht immer und krampfhaft versucht, harmonisch zu sein. Und schließlich heißt der Film ja auch "Unter Strom". Alle Figuren darin stehen permanent unter Strom.

Ricore: Stehen Sie manchmal unter Strom?

Striebeck: Dauernd! Egal, woher die Energie kommt. Ob man sich nun in die Arbeit oder in eine Liebe hineinsteigert, es hat immer etwas mit einer Art Eigenlust zu tun. Man ist selbst immer dafür verantwortlich, in welche Situation man gerade gerät.

Ricore: Bereiten Sie sich auf Rollen oder Theaterengagements vor?

Striebeck: Nein, für Vorbereitungen habe ich keine Zeit, dafür mache ich zu viel. Dies ist der einzige Unterschied zwischen Film und Theater. Beim Theater hat man mehr Zeit, sich mit Themen und Figuren zu beschäftigen. Beim Film ist man allein. Man hat vielleicht ein Gespräch mit dem Regisseur vor den Dreharbeiten, das ist alles. Es kann sein, dass du ans Set kommst, und deinen Filmgatten, deiner besten Freundin oder deinem Liebhaber zum ersten Mal die Hand schüttelst, und dann geht es schon los.

Ricore: Beim Film haben Sie weniger Verantwortung.

Striebeck: Klar, beim Film trägt die Verantwortung der Regisseur. Im Theater ist man jeden Abend selbst auf der Bühne für das verantwortlich, was man zeigt und spielt. Man kann die Vorstellung selbst bestimmen.

Ricore: Haben Sie noch Lampenfieber?

Striebeck: Am Theater habe ich immer Lampenfieber. Beim Drehen nicht.

Ricore: Auch nicht, wenn Sie sich selbst im Kino sehen?

Striebeck: Das hat eher etwas damit zu tun, ob man sich selbst erträgt. Und dem bin ich am Theater zum Glück nicht ausgesetzt. Im Kino finde ich es schwierig, mich selbst zu betrachten. Ich höre mir beispielsweise auch nicht die Hörspiele an, die ich mache.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 10. Dezember 2009
Zum Thema
1966 in Wien geboren, lebt Catrin Striebeck heute in Hamburg. Sie arbeitet hauptsächlich fürs Theater. Lässt es ihre Zeit zu, steht sie auch für Kinoproduktionen vor der Kamera. Mit Fatih Akin drehte sie etwa "Gegen die Wand" und "Soul Kitchen". 2009 ist sie in der kleinen, schwarzen Komödie "Unter Strom" zu sehen. Striebeck ist auch in Fernsehserien wie "Tatort" oder "Polizeiruf 110" zu sehen.
Unter Strom (Kinofilm)
Regisseur Zoltan Paul inszeniert mit "Unter Strom" eine solide deutsche Komödie, die an die Screwball-Komödien der 1960er Jahre angelehnt ist. Das namhafte Schauspielensemble merzt einige Schwächen des Drehbuchs gekonnt aus. Der Film lebt vor allem von seinen pointierten Dialogen und der teilweise schwarzen Komik. "Unter Strom" reicht zwar nicht an die Großen des Genres heran, liefert dennoch passable Unterhaltung.
2024