20th Century Fox
Alexander Fehling
Nicht im eigenen Saft schwimmen
Interview: Alexander Fehling mag Herausforderungen
Der deutsche Nachwuchsdarsteller Alexander Fehling kann das Kinojahr 2009 als Erfolg verbuchen. In Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" ist er als junger SS-Soldat Wilhelm zu sehen, der hartnäckig eine Gruppe von Widerstandskämpfern in den Wahnsinn treibt. Zudem ist Fehling in Frieder Wittichs "13 Semester" zu sehen, worin der Studentenalltag an einer deutschen Universität in all seinen Facetten beleuchtet wird. Mit uns sprach der Schauspieler über seine Studienzeit in Berlin und eine Begegnung die Spuren hinterlassen hat.
erschienen am 7. 01. 2010
X-Verleih
Alexander Fehling in "Am Ende kommen Touristen"
Ricore: Ist Ihnen Bernd sympathisch?

Alexander Fehling: Im Grunde schon. Es geht mir aber nicht darum, ob ich persönlich meinen Rollencharakter sympathisch finde oder nicht. Als Schauspieler biete ich etwas an, was ich mir ungefähr unter der vorgegebenen Figur vorstelle.

Ricore: Könnten Sie sich mit Bernd anfreunden, mit ihm zusammenziehen, wie Protagonist Momo?

Fehling: Natürlich. Ich versuche jedoch die Figur und die Privatperson Alexander Fehling weder krampfhaft zusammen zu schmeißen, noch beides vehement voneinander zu trennen. Mir ist es lieber die Zuschauer sehen hin und machen sich ihr eigenes Bild. Bernd ist ein intensiver Typ, der seinen eigenen Stil entwickelt hat, um durchs Leben zu gehen. In dieser Intensität ähneln wir uns.

Ricore: Haben Sie schon einmal jemandem die Freundin ausgespannt?

Fehling: Nein, noch nie.

Ricore: Wie haben Sie Ihre Studienzeit erlebt?

Fehling: Ich habe an der Ernst-Busch Schauspielschule in Berlin studiert, dort gibt es keinen Uni-Alltag im herkömmlichen Sinne. Das Studium ist sehr schulisch strukturiert. Es gibt einen Stundenplan an den man sich zu halten hat. Bei vielen Freunden die an einer Universität studieren, beobachte ich, dass man sich dort viel mehr selbst organisieren muss. Das Angebot ist groß und man braucht ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Man muss dort individuell herausfinden was man eigentlich will. Ein Schauspielstudium ist hingegen sehr konkret und durchorganisiert.
20th Century Fox
13 Semester
Ricore: Hatten Sie Schwierigkeiten mit der straffen Organisation des Studiums?

Fehling: In der Tat. Nach zwei Jahren intensiven Studiums wurde es für mich immer schwieriger, dem zu entsprechen. Es geht immer um den eigenen Körper und um einen selbst. Man hat eine Fünf- bis Sechstagewoche, die Kurse dauern von morgens bis abends, es entsteht ein Mikrokosmos in dem man viel ausprobieren kann, trotzdem hatte ich irgendwann das Bedürfnis nach einem Leben außerhalb des Studiums. Ich wollte nicht die ganze Zeit im eigenen Saft schwimmen, sondern sehnte mich nach externer Inspiration. Von irgendwoher muss man speisen, was man später auf der Bühne spielt. Diese Gradwanderung war für mich nicht einfach.

Ricore: Also hat das studentische Lotterleben wie in "13 Semester" ohne Sie stattgefunden?

Fehling: Nicht komplett, manchmal hat sich der Drang danach auch bei mir durchgesetzt. In der Praxis war es aber nicht unbedingt kompatibel. Man musste mich diesbezüglich allerdings auch nicht bitten, denn ich wollte es ja so und hab das Studium auch genossen. Irgendwann wollte ich mich jedoch nicht mehr durch einen Stundenplan fremd bestimmen lassen. Manchmal wollte ich einfach nur mal wieder atmen, um überhaupt wieder ein Wort laut sagen zu können.

Ricore: Sind Sie eher Streber oder Rebell?

Fehling: Ein Streber bin ich auf keinen Fall. Es ist die Frage, ob diejenigen die sich als Rebellen bezeichnen, es letztendlich auch sind. Ich habe es jedenfalls nicht auf meinem T-Shirt stehen.

Ricore: Haben Sie bei der Zusammenarbeit mit Quentin Tarantino für "Inglourious Basterds" etwas gelernt?

Fehling: Ich kann nicht konkret benennen, ob ich etwas gelernt habe. Manchmal weiß man erst sehr viel später, dass man sich Dinge unbewusst abgeguckt hat. Vielleicht habe ich diesbezüglich erst in der Zukunft wirklich Klarheit. Profitiert habe ich davon, dass dort jemand war, der unglaublich viel will, genau weiß, was er will und eine unglaubliche Neugier entwickelt für Dinge, die er nicht kennt. Tarantino gibt seinen Schauspielern einen großen Raum, den man selber füllen darf. Das ist zum einen eine große Herausforderung, zum anderen aber auch eine große Chance. Er ist immer interessiert und sehr sensibel. Ich hatte bei ihm immer das Gefühl, dass ich auch Fehler machen darf. Insgesamt war die Zusammenarbeit ein großes Geschenk.
Universal Picturess International
Inglourious Basterds
Ricore: Wie kam es dazu?

Fehling: Es gab ein ganz normales Casting, nachdem ich das Drehbuch geschickt bekommen habe. Eigentlich sollte ich eine andere Rolle spielen. Ich kam zum Casting und dann saß Tarantino neben seinem Produzenten Lawrence Bender. Vor Ort gab es keine Kamera, was ich vorher noch nie bei einem Casting erlebt habe. Es passiert alles von Auge in Auge und wird nicht aufgezeichnet. Tarantino sagte zu mir: "Ich weiß noch gar nichts. Ich kann mir bei dir verschiedene Sachen vorstellen!" Wir haben angefangen zu spielen und einiges ausprobiert, daraus hat sich dann die Rolle ergeben.

Ricore: Inwieweit unterscheidet sich Tarantino von deutschen Regisseuren?

Fehling: Es ist etwas Besonderes, dass beim Casting keine Kamera dabei ist. Tarantino muss niemanden fragen, wenn ihm ein Schauspieler gefällt, dann besetzt er ihn. Tarantino ist auch nicht typisch für die Hollywoodproduktionen, er orientiert sich eher in Richtung Arthaus. Insgesamt kann ich es nicht gut vergleichen, weil jeder Filmemacher anders ist. In dem Spielmoment ist es unerheblich ob es eine Riesenproduktion ist mit Millionenbudget oder Low-Budget, ob der Regisseur aus Deutschland oder den USA kommt. Über die jeweiligen Unterschiede mache ich mir keine Gedanken.

Ricore: Mögen Sie das Rampenlicht?

Fehling: Das ist unterschiedlich. Meine Erfahrung diesbezüglich ist relativ bescheiden. Manchmal ist es sehr schön, vor allem wenn man an ein Projekt glaubt. Natürlich schmeichelt einem auch die Aufmerksamkeit. Andererseits kann sich das auch ganz schnell verändern. Dann merkt man, dass die Leute Dinge von einem erwarten, denen man gar nicht gerecht werden kann oder entsprechen will. Oft entsteht dann das Bedürfnis, dass man etwas beschützen muss. Es hängt viel davon ab wie man selber gerade aufgelegt ist. An Tagen, an denen man sich klein fühlt und am liebsten zu Hause bleiben will, ist das Rampenlicht nicht der ideale Ort.

Ricore: Werden Sie auf der Straße erkannt?

Fehling: Nein, so gut wie nie.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Alexander Fehling auf dem Filmfest München 2007
Ricore: Haben Sie sich als Schauspielschüler den Beruf des Schauspielers so vorgestellt wie Sie ihn jetzt kennen lernen?

Fehling: Auf der Schule lernt man den Beruf nicht kennen. Man glaubt, dass man weiß wie es ist, aber wenn man die Schule beendet hat, gehe es erst richtig los. Auf einmal merkt man wie hoch die Treppe hinauf führt. Von der Berufsrealität kriegt man auf der Schule nichts mit, denn das ist ein geschützter Raum. An die Stelle zu kommen, an der man relativ frei arbeiten kann, ist purer Luxus. Ich lerne den reinen Berufsalltag als Schauspieler immer noch kennen.

Ricore: Mögen Sie Ihren Beruf noch?

Fehling: Im Grunde schon, natürlich muss man abwarten wie sich alles in Zukunft so entwickelt. Für mich ist Schauspielerei nicht nur ein Beruf, sondern es hat viel mit meinem Leben und mit mir zu tun. Beruf, Berufung, Drang. Von allem etwas. Es ist nicht so, dass ich es aus der Ferne betrachte und analysiere: Ja, ich mag meinen Beruf! Dafür hat es zu viel mit mir zu tun.

Ricore: Was hätten Sie gemacht wenn es mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte?

Fehling: Ich habe mein halbes Leben mit Fußball verbracht und hatte als kleiner Junge den Wunsch Berufsfußballer zu werden. Als ich zwölf, dreizehn Jahre alt war, hat sich das gewandelt und ich habe mich mehr in Richtung Schauspielerei orientiert.

Ricore: Haben Sie einen Lieblingsfußballer?

Fehling: Es gibt natürlich Spieler die mich beeindrucken. Zinedine Zidane war beispielsweise einer.

Ricore: Gab es ein Schlüsselerlebnis, welches sie animiert hat, den Schauspielberuf zu ergreifen?

Fehling: Es muss da etwas gegeben haben, aber ich kann es nicht benennen. Letztendlich interessiert es mich auch nicht, wo konkret der Punkt war, an dem das dann feststand. Ich will es nicht wissen. Es ist nicht so, dass ich davor Angst hätte, aber es ist für mich persönlich völlig unerheblich. Mit zwölf oder dreizehn Jahren muss ich irgendetwas gesehen haben, was mich neugierig gemacht hat. Fußball ist im Grunde auch ein Spiel und ich habe einfach immer gerne gespielt. Die Mischung aus Spontanität und ein Ziel zu haben fasziniert mich.
X-Verleih
Alexander Fehling mit Ryszard Ronczewski
Ricore: Präferieren Sie Theater oder Film?

Fehling: Das ist völlig unterschiedlich. Ich bin erst 28 Jahre alt und würde gerne beides machen. Das eine profitiert von dem anderen. Es befruchtet sich gegenseitig, ist aber auch nicht so leicht unter einen Hut zu bringen. Ich würde mich ungern festlegen müssen.

Ricore: Welche Filme mögen Sie selbst?

Fehling: Ich mag Epen. "Es war einmal in Amerika" oder "The Dear Hunter" finde ich toll. Generell schätze ich Filme, in denen es zur Sache geht, auch in zwischenmenschlichen Konflikten. Filme, die sein wollen was sie sind, faszinieren mich, das ist völlig losgelöst vom Genre. Natürlich richte ich mich auch nach Regisseuren. Andreas Dresen macht interessante und besondere Filme, auch Michael Haneke schätze ich sehr. Ich kenne den Mann überhaupt nicht, aber allein wenn man Interviews von ihm liest, macht einen das neugierig. Lange Zeit kannte ich keinen Film von Haneke, hatte aber zahlreiche Interviews mit ihm gelesen und war tief beeindruckt.

Ricore: Was erwarten Sie von der Zukunft?

Fehling: Ich wünsche mir, dass alles so kommt wie es kommen soll. Einfach Geradeaus! Es stehen einige Sachen im Raum, allerdings ist das alles noch recht unkonkret. Am Ende soll alles einen Sinn ergeben.

Ricore: Herr Fehling, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 7. Januar 2010
Zum Thema
Alexander Fehling wird 1981 in Berlin geboren. Nach der Schulzeit absolviert er ein Studium an der renommierten Am Ende kommen Touristen" erhält er 2007 den Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" als SS-Soldat Wilhelm zu sehen, der eine Widerstandsgruppe in den Wahnsinn treibt.
13 Semester (Kinofilm)
Der ereignisreiche Studentenalltag eines angehenden Jungakademikers. Moritz (Max Riemelt) fühlt sich von Lernstress, Wohnungssuche und unerfüllter Liebe geplagt. Zusammen mit Kerstin (Claudia Eisinger), Dirk (Robert Gwisdek) und Bernd (Alexander Fehling) stellt er sich dem Leben. Mit Situationskomik und überzeugender Schauspielleistung gelingt Regisseur Frieder Wittich ein gelungenes Spielfilmdebüt.
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