Constantin Film
Christiane Paul böse
"Männer haben keine Angst vor mir"
Interview: Frauenpower pur: Christiane Paul
Christiane Paul gehört zu den vielseitigen Schauspielerinnen. Kaum jemand verkörpert überzeichnete Figuren mit derart viel Charme und verleiht profunden Charakteren ebenso viel Elan, wie die ausgebildete Ärztin. In der Satire "Jerry Cotton" spielt sie an der Seite der spanischen Schönheit Mónica Cruz. Unterstützung bekam das Frauenduo von Christian Ulmen und dessen Kompagnon Christian Tramitz. Geblödelt wurde am Set wenig, wie uns eine selbstsicher auftretende Schauspielerin in einer angenehmen Gesprächsatmosphäre versicherte.
erschienen am 13. 03. 2010
Constantin Film
Christiane Paul als toughe Agentin
Ricore: Sie wirken tough und etwas Angst einflößend. Sind Sie in Wirklichkeit auch so?

Christiane Paul: Keine Ahnung. Das müssen Sie die Männer fragen. Das kann schon sein, dass ich manchen ungewollt Angst einjage. Ich glaube nicht, dass mich mit Daryl Zanuck viel verbindet.

Ricore: Wann setzen Sie Ihre weiblichen Reize ein?

Paul: Ehrlich gesagt, gar nicht. Was meinen Sie mit weiblichen Reizen?

Ricore: Manches wirkt bei Männern besser, als anderes.

Paul: Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen. Da kenne ich mich nicht aus und ich mag es auch nicht. Ich finde es doof. Dementsprechend verhalte ich mich auch.

Ricore: Sie spielen in "Jerry Cotton" einen furchtlosen, coolen Charakter. Sind Sie auch furchtlos? Wovor haben Sie Angst?

Paul: Auf eine Art bin ich furchtlos. Es gibt Dinge, vor denen man Respekt hat. Angst kann lähmen. Ich gehe auf Dinge zu und stelle mich ihnen. Aber es gibt natürlich auch Situationen, vor denen ich Angst habe.

Ricore: Was wären das für Situationen?

Paul: Das sage ich nicht (lacht). Es gibt Konfliktsituationen und man muss halt wissen, wie man mit denen umgeht und ob man sich einschüchtern lässt oder nicht. Es gibt auch Momente, wo ich lieber zurückhaltend wäre. Aber wenn es eine Motivation für mich gibt, für eine Sache einzustehen, kämpfe ich dafür. Daryl hingegen ist getrieben und hat ein Ziel. Sie ist im weitesten Sinne das Böse. Sie verfügt über ein Potenzial an Macht und gewisse Fähigkeiten, die es ihr erlauben, angstfrei zu sein. Sie kann gut einschätzen, wie ihre Position ist. Darüber bin ich mir oft nicht bewusst. Das muss ich auch nicht sein.
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Christiane Paul und Kollegin Mónica Cruz
Ricore: Sie sagten Sie wären ein Action-Fan und würden gerne mehr Actionfilme drehen. Was wäre eine spannende Herausforderung?

Paul: Das kann ich ohne Geschichte, ohne Drehbuch nicht sagen. Ich führte mit dem Regisseur ein Gespräch, gegen Ende des Films physisch mehr mit meiner Rolle zu machen. Es gibt einen Moment, wo ich von oben nach unten springe. Alles was Bewegung ist, hätte man verstärkt einbauen können, um zu zeigen, dass meine Figur eine starke, physische Präsenz und Gewalt hat. Und darauf hätte ich noch mehr Lust gehabt. Ich hätte gerne ihr Aggressionspotenzial nach außen getragen.

Ricore: Sind Sie Extremsportlerin?

Paul: Nein, obwohl ich schon Sport mache. Letztes Jahr zum Beispiel musste ich für einen Film Tai Chi und Yoga machen. Aber ich bin niemand, der klettert oder Bungee Jumping macht. Das interessiert mich nicht.

Ricore: Sie sagten bereits, dass ihre Figur Daryl Zanuck böse ist. So ganz böse ist sie ja nicht, wenn man ihre Beweggründe bedenkt. Hat sie diese Vielschichtigkeit an der Rolle gereizt?

Paul: Schön, dass Sie das so sehen. Mich hat tatsächlich gereizt, das Böse zu sein. Ich finde das sehr schwierig. Daryl Zanuck ist der Antagonist zu Jerry Cotton und bekämpft ihn. Sie hat keine tiefgreifende emotionale Motivation. Sie will das Geld. Haben Sie das anders gesehen?

Ricore: Sie legen sämtliche weiblichen Eigenschaften ab, sind knallhart, und wollen ein Ziel erreichen. Ist dies typisch Frau, um etwas zu erreichen?

Paul: Zum Teil schon, da viele Machtpositionen in der Gesellschaft mit Männern besetzt sind. Frauen dachten früher, besser sein zu müssen als Männer, um solche Positionen jemals zu erreichen. Man kennt ja die typischen Businessladies, die kalt und ehrgeizig ihrem Ziel nachlaufen. Andererseits zeigt die Rolle von Mónica Cruz, wie Frau auch sein kann. Sie ist weiblich, sexy und charmant und wickelt die Männer um den Finger. Da gibt es viele Spielarten. Wenn man das gesellschaftlich betrachten will, können Frauen heutzutage entspannter und mehr Frau sein, ihre Vorteile gegenüber dem Mann locker ausspielen. Sie müssen nicht mehr maskulin hart sein.
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Jerry Cotton
Ricore: Was war es für ein Gefühl, die Rolle zu bekommen?

Paul: Ich dachte, toll, Jerry Cotton wird verfilmt. Christian Tramitz und Christian Ulmen sind dabei. Dann liest man das Drehbuch, erfährt etwas vom Konzept. Dass Jerry Cotton in New York spielt, hat mit der Grundidee der Figur zu tun. Dass man als Schauspieler in ein Setting hineinkommt, ist nicht wichtig. Man darf nicht vergessen: wir hatten einen Tag Außenaufnahmen in New York, der Rest wurde in Hamburg und Berlin gedreht. Wenn du dann siehst, wie Kostüm, Maske und Szenenbild es schaffen, das amerikanische Flair herzustellen und es wie New York aussehen zu lassen, ist das toll. Ich fand den Film und das Konzept klasse. Deswegen habe ich mitgemacht.

Ricore: Gehen Sie an eine Satire anders heran, als an ein Drama oder eine Komödie?

Paul: Ja und Nein. Man muss auch in einer Satire seine Figur ernstnehmen, sich vorbereiten und letztendlich spielen. Alles andere passiert über äußere Umstände, über Figuren, Schnitt, Szenenbild und Maske. Natürlich kann man sich ein wenig ausleben, weil es "comic" ist, und sein eigenes Spiel überzeichnen. Das ist der Unterschied. Die Art der Vorbereitung ist genauso wichtig und tiefgreifend wie bei einer normalen, dramatischen Figur. So wie Daryl Zanuck aussieht, könnte sie nicht in einem normalen Fernsehmoment aussehen. Aber es macht natürlich Riesenspaß, wenn man sich ein wenig ausspinnen kann.

Ricore: Es heißt, dass Sets bei Komödien ernster sind, als bei Dramen. Können Sie das bestätigen?

Paul: Die Dreharbeiten waren zum Teil sehr aufwendig. Es gibt unglaublich viele Actionsequenzen. Wir hatten lange Arbeitstage und mussten hochkonzentriert arbeiten. Es gab es wenig Spielraum, den Tag zu vergackern. Ich hatte eine Szene mit Christian Ulmen, in der er einen Asiaten mimt und im Hotel am Klavier sitzt und singt. Da konnte ich auch nicht mehr und musste abbrechen, weil es so lustig war.

Ricore: Wie war es, mit Christian Ulmen und Christian Tramitz zusammenzuarbeiten? Ist das Team nach Drehschluss noch was trinken gegangen?

Paul: Nein, dieses Mal nicht. Das hat damit zu tun, dass wir in Berlin, meiner Heimatstadt, gedreht haben. Da gehst du nach der Arbeit einfach nach Hause. Bei den Dreharbeiten zu "Neues vom Wixxer" sind wir mit Bastian Pastewka und Oliver Kalkofe sehr oft ausgegangen. Wenn du in einer fremden Stadt arbeitest, hängt das Team aufeinander. Das waren zwei tolle Leute, mit denen man abends gerne unterwegs war. Das wäre bei "Jerry Cotton" auch der Fall gewesen, wäre Berlin nicht meine Heimatstadt gewesen.
Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Christiane Paul und Moritz Bleibtreu
Ricore: Sie leben jetzt in Hamburg. In Berlin gibt es viele Filmpremieren und die Berlinale. Vermissen Sie das Umfeld?

Paul: Ja schon ein wenig. Ich fahre aber oft hin. Und Hamburg ist auch eine sehr schöne Stadt, in der man sich wohl fühlen kann.

Ricore: Sind Sie pedantisch, was die Erziehung Ihrer Kinder betrifft?

Paul: In einem normalen Maß. Wenn man zwei Kinder hat und in der Weltgeschichte unterwegs ist, muss man schon straff organisiert sein.

Ricore: Wann werden Sie böse?

Paul: Keine Ahnung. Wenn man böse zu mir oder meinen Kindern ist, werde ich ziemlich wild.

Ricore: Wie äußert sich das?

Paul: Ich kann schon sehr direkt werden.

Ricore: Gibt es Dinge, die Sie an sich selber nicht mögen?

Paul: Ich wäre gern geduldiger. Das kommt vielleicht mit dem Alter (lacht).
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Christiane Paul: vor ihr haben Männer Angst
Ricore: Wann haben Sie den Film das erste Mal komplett gesehen?

Paul: Ich habe natürlich beim Synchronisieren Teile des Films gesehen. Ab und zu wurden auf Presseveranstaltungen Ausschnitte gezeigt. Es gab leider vorher kein Screening. Vor der Premiere habe mir ich allerdings die DVD angesehen. Ich wollte wissen, was auf mich zukommt. Christian Tramitz und Christian Ulmen haben wie die meisten Schauspielkollegen den Film auf der Premiere in München das erste Mal gesehen. Das wäre mir zu nervenaufreibend.

Ricore: Wie war es für das Team?

Paul: Es war gut. Ich glaube, alle mochten das Ergebnis. Ich auch. Natürlich ist mein kleiner DVD-Monitor nichts im Vergleich zur großen Leinwand. Ich habe es genossen, den Film nochmal im Kino zu sehen.

Ricore: Es gibt mehr als 2.500 Jerry-Cotton-Hefte. Haben Sie sich vor Drehbeginn damit vertraut gemacht oder recherchiert?

Paul: Damit habe ich mich überhaupt nicht beschäftigt. Die Heftchen haben mich ehrlich gesagt nicht interessiert und waren für meine Rolle auch unwichtig. Damit hätte sich Christian Tramitz auseinandersetzen können. Ich weiß nicht, ob er es getan hat. Ich habe etwas über die Filme gelesen und zum Teil Ausschnitte gesehen. Da Cyrill Boss und Philipp Stennert konzeptionell in eine ganz andere Richtung gegangen sind, habe ich mich mit meiner Rolle beschäftigt und mit dem, was sie wollten.

Ricore: Sie sind nicht neugierig gewesen?

Paul: Nicht wirklich. Das ist auch nicht die Art von Literatur, die mich interessiert.

Ricore: Lesen Sie Filmkritiken?

Paul: Ich lese Filmkritiken und bin auch traurig oder verstimmt, wenn sie nicht positiv ausfallen. Damit muss man leben. Es freut mich natürlich, wenn die Zuschauer den Film sehen und mögen. Denn für das Publikum machen wir ja Kino. Es wäre schade, wenn die Leute den Film nicht sehen wollten.
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Christiane Paul beherrscht das Schießeisen
Ricore: Kritik oder Zuschauer, was ist Ihnen wichtiger?

Paul: Beides freut mich. Gute Kritiken und gleichzeitig hohe Zuschauerzahlen passieren eher selten. Gerade in Deutschland gehen die Kritiker- und Zuschauermeinungen extrem auseinander. "Jerry Cotton" ist kein Kritikerfilm, kein Feuilletonfilm, und das ist auch OK. Ich glaube nicht, dass die Kritiker den Film lobhudeln werden.

Ricore: Sie erwähnten, dass Sie, ohne den Film nicht gesehen zu haben, nicht auf die Premiere gehen. Sind Sie tatsächlich so aufgeregt trotz Ihrer Erfahrung?

Paul: Ja, klar. Mit jeder Filmrolle hat man das Gefühl, man fängt von vorne an. Es gibt Phasen in denen ich Zeit brauche, bevor ich mir den Film auf DVD ansehen kann, weil ich befürchte, er könnte mir nicht gefallen. Das ist das Verrückte an diesem Beruf.

Ricore: Sind Schauspieler selbstkritischere Menschen?

Paul: Keine Ahnung. Man muss einen Abstand zu sich gewinnen, um sich halbwegs objektiv beurteilen zu können.

Ricore: Ist die Leidenschaft für Ihren Beruf noch die Gleiche wie am Anfang Ihrer Karriere?

Paul: Die Leidenschaft ist stärker geworden. Wenn man die Kunstform Schauspiel immer mehr begreift, weiß man auch, was man noch alles machen kann und wo man hin will. Es wird immer spannender. Je älter man wird, desto mehr begreift man, wie komplex Rollen wirklich sind.

Ricore: Haben Sie die Jerry-Cotton-DVD mit ihren Kindern gesehen?

Paul: Nein. Dafür sind sie noch zu klein.
3L Filmverleih
Christiane Paul
Ricore: Versuchen Sie, Ihren Medienkonsum und den ihrer Kinder zu steuern?

Paul: Ja, absolut. Man kann aber nicht alles unter Kontrolle haben, aber ab einem gewissen Alter muss man schon selektieren.

Ricore: Legen Sie bei Männern Wert auf Stil, Coolness und Charme?

Paul: Charme ist prinzipiell hilfreich im Leben. Am Ende kommt es aber auf andere Dinge an als auf Persönlichkeit. Für die Figur des Inspektors Jerry Cotton ist die von Ihnen angesprochene Kombination klasse. Christian Tramitz macht das auch sehr gut. Coolness ist für mich kein entscheidendes Kriterium.

Ricore: Sondern?

Paul: Offenheit, Dinge zu wagen. Sich zu zeigen, finde ich wichtiger.

Ricore: Haben Sie einen Ausgleich zur Arbeit?

Paul: Ich gehe laufen, um den Kopf frei zu bekommen und lese gerne. Natürlich habe ich meine Familie. Da hat man eigentlich nicht viel Zeit für Ausgleich. Das klingt total banal und langweilig (lacht), aber ich habe genügend Abwechslung in meinem Beruf. Wenn ich nicht arbeite, bin ich bei meiner Familie.

Ricore: Was lesen Sie gerade?

Paul: "Zeiten des Aufruhrs", Kate Winslet spielte in der Verfilmung, und "Ruhm", das kann ich sehr empfehlen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. März 2010
Zum Thema
Schauspielerin Christiane Paul ist die Tochter eines Arztehepaares aus Berlin-Pankow. Ende der 1990er Jahre gelingt ihr durch Hauptrollen in den Erfolgsproduktionen "Das Leben ist eine Baustelle" und "Im Juli" der Durchbruch auf der Kinoleinwand. Parallel zur Schauspielkarriere arbeitet sie zunächst auch als Ärztin in Berlin. Erst ab 2004 widmet sie sich ausschließlich der Kunst und kehrt der Heilkunde wieder den Rücken. Die Vampirschwestern" die Rolle der Elvira, Frau eines Vampirs und Mutter..
Jerry Cotton (Kinofilm)
Es ist wieder Zeit für ein Remake, dachten sich die Produzenten und brachten den wohl listigsten FBI-Agenten aller Zeiten wieder auf die Leinwand. Und wer wäre wohl besser geeignet, Jerry Cotton zu spielen, als Christian Tramitz? Im Duett mit Christian Ulmen gelingt Tramitz ein Feuerwerk aus Gags, gemischt mit der nötigen Portion Spannung. Zum besonderen Kinoerlebnis wird es allerdings erst durch das Stelldichein des Who's Who des deutschen Films. Mit dabei: Christiane Paul, Moritz Bleibtreu,..
2024