Concorde Filmverleih
Leonardo DiCaprio in "Shutter Island"
"Alle meine Träume übertroffen"
Interview: Scorsese mag Leonardo DiCaprio
Der Psychothriller "Shutter Island" markiert bereits die vierte Zusammenarbeit zwischen Regie-Legende Martin Scorsese und Hollywood-Star Leonardo DiCaprio. Der 35-Jährige spielt darin einen US-Marshal, der auf dem Gelände einer abgelegenen Irrenanstalt für Schwerverbrecher das mysteriöse Verschwinden einer Patientin aufdecken soll. Doch bald ist nichts, wie es scheint. Wir trafen Leonardo DiCaprio kurz nach der Weltpremiere des Films in einem abgeschotteten Zimmer des Berliner Luxushotels Regent.
erschienen am 5. 03. 2010
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Shutter Island
Ricore: Mr. DiCaprio, Sie kommen nach Berlin - und Deutschland steht Kopf. Wie nehmen Sie den Trubel um Ihre Person wahr?

Leonardo DiCaprio: Ich sehe die Fans, das freut mich. Aber ansonsten bekomme ich nicht so viel mit. Ich werfe absichtlich keinen Blick in die Zeitung.

Ricore: Sie feierten hier die Weltpremiere Ihres Films "Shutter Island", der zuvor etliche Male verschoben wurde.

DiCaprio: Es war das Warten wert. Ich bin sehr stolz auf den Film, nicht zuletzt deshalb, weil mich die Rolle viel Kraft gekostet hat.

Ricore: Sie verkörpern emotionale Extremzustände darin überraschend authentisch. Hatten Sie trotzdem Spaß?

DiCaprio: Ich bin mir nicht sicher, ob Spaß wirklich das richtige Wort dafür ist. Es war herausfordernd, intensiv und äußerst komplex. Eine Traumrolle. Wahrheit und Fiktion, Realität und Traumzustände - alles verschwimmt in diesem Film. Teilweise musste ich fünfseitige Dialoge am Stück sprechen, während Scorsese künstlich ein fürchterliches Gewitter mit überdimensionalen Windmaschinen und künstlichem Regen erzeugte. Kommt also drauf an, ob man das als Spaß definiert.
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Leonardo DiCaprio in "Shutter Island"
Ricore: Scorsese scheint sich an Ihnen nicht sattsehen zu können. Sind Sie inzwischen - nach vier Spielfilmen in Folge - so etwas wie seine Muse, eine Art zweiter Robert De Niro?

DiCaprio: Das müssen Sie wirklich ihn fragen, das kann ich beim besten Willen nicht beantworten.

Ricore: Wieso arbeiten Sie denn so gerne mit ihm? Sie können bei Ihren Rollenangeboten doch permanent zwischen Meisterregisseuren auswählen.

DiCaprio: Wenn du mit Scrosese arbeiten kannst, tust du es auch. Er ist das, was man einen absolut vollendeten Regisseur nennen kann. Durch ihn habe ich noch einmal sehr viel besser begriffen, was es bedeutet, Schauspieler zu sein. Und seine Liebe zur Geschichte des Kinos ist infektiös. Wir arbeiten jetzt seit zehn Jahren zusammen, spornten und gegenseitig immer wieder zu Höchstleistungen an - und vertrauen uns blind. Für mich ist das die ideale Form einer Zusammenarbeit.

Ricore: Was haben Sie mit Martin Scorsese gemeinsam?

DiCaprio: Wir mögen dieselben italienischen Nachspeisen und haben denselben Hang zu Perfektionismus. Darüber hinaus ist er für mich in erster Linie Inspiration: meine erste Hauptrolle hatte ich als Fünfzehnjähriger an der Seit von Robert de Niro. Und was tat ich, um mich auf ihn vorzubereiten? Ich sah mir Scorseses "Taxi Driver" an. Seitdem bin ich von seinem Stil beeindruckt.

Ricore: Hat Scorsese Sie zur Vorbereitung in eine psychiatrische Klinik geschickt?

DiCaprio: Nein, aber wir hatten medizinische Berater am Set. Der Film spielt in den 50er Jahren, als in den Irrenanstalten endlich Reformen umgesetzt wurden. Davor wurden Patienten ja regelrecht gefoltert, um ihnen ihre Psychosen auszutreiben.
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Leonardo DiCaprio in Berlin
Ricore: Sie gelten als akribischer Charakterschauspieler. Wie intensiv bereiten Sie sich generell auf Rollen vor?

DiCaprio: Ich tue mein Bestes. Durch die neuen Medien wird mir das ja auch sehr erleichtert. Statt irgendwo mühsam Informationen anzufragen, kann ich mir heute auf YouTube Videos zu allen möglichen Sachverhalten ansehen. Man findet durch das Internet sehr viel leichter brauchbares Material, das dich rein theoretisch zigtausend Stunden beschäftigen kann. Ich brauche - um mich ideal vorzubereiten - neben Büchern nämlich vor allem eine Form von visueller Stimulation.

Ricore: Sie sprechen in dem Film mehrere Sätze auf Deutsch. Ihre vor kurzem verstorbene deutsche Großmutter wäre stolz auf Sie.

DiCaprio: Oh ja, das wäre Sie. Dank ihr habe ich die deutsche Geschichte als Jugendlicher für mich entdeckt. Gemeinsam mit ihr besuchte ich das geteilte und später auch das wiedervereinigte Berlin, gemeinsam mit ihr erlebte ich gewaltige Momente. Es wäre zu schön gewesen, wenn Sie bei dieser Premiere auf der Berlinale im Publikum gesessen hätte.

Ricore: Seit Ihrem Durchbruch sind die Jahre ins Land gezogen, inzwischen zählen Sie zu Hollywoods renommiertesten Schauspielern. Haben Sie sich all das als kleiner Junge ausgemalt, als Sie sich "Taxi Driver" von Scorsese ansahen?

DiCaprio: Ich habe alle meine Träume übertroffen. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich auch nur einen einzigen Film mit Scorsese drehen würde - heute sind es bereits vier. Und so geht es mir in vielen Momenten meines Lebens. Ich bin noch oft genug sprachlos und unendlich dankbar, dass gerade mir all das passiert ist.

Ricore: Danke für das Gespräch.
erschienen am 5. März 2010
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2024