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Paul Greengrass in Berlin zur Präsentation von "Green Zone"
"Überzeugungen in Fragen stellen"
Interview: Paul Greengrass auf Wahrheitssuche
Paul Greengrass hat sich mit den "Bourne"-Fortsetzungen einen Namen bei Action-Fans gemacht. Mit rasanten Schnitten und dem dokumentarischen Stil zieht er den Zuschauer ins Geschehen seiner Thriller. Das gilt auch für "Green Zone", bei dem er Matt Damon als US-Soldaten auf die vergebliche Suche nach Massenvernichtungswaffen in den Irak schickt. Im Interview erzählt uns der britische Regisseur, warum er der damaligen Regierung vertraute und was er mit seinem "Green Zone"-Protagonisten gemeinsam hat.
erschienen am 19. 03. 2010
Universal Pictures (UPI)
Green Zone
Ricore: Haben Sie 2003 geglaubt, dass es im Irak Massenvernichtungswaffen gibt?

Paul Greengrass: Ich habe dem britischen Premierminister Tony Blair geglaubt. Auch wenn ich nicht einer von denen war, die gesagt haben: "Ja, kommt! Lasst uns in den Irak einmarschieren!" Ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, als Tony Blair seine brillante Rede gehalten hat. Ich kann mich nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern, aber seine Botschaft war klar: Es gibt keinen Zweifel daran, dass es dort Waffen gibt. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt in meinem Büro und die jüngeren Leute gingen zur Demo gegen den Krieg. Das war die größte Massendemonstration in unserem Land. Ich bin aber nicht hingegangen. Denn was bringt es uns, Staatsoberhäupter zu haben, denen wir nicht vertrauen können, wenn sie uns etwas so deutlich mitteilen?

Ricore: Wie war das für Sie, als keine Waffen gefunden wurden?

Greengrass: Ich war sehr überrascht. Ich ging davon aus, dass irgendwelche Waffen gefunden werden. Mit der Zeit realisierte ich aber, dass rein gar nichts gefunden werden würde. Dann versuchte ich wie jeder andere Bürger, die Dinge, die man uns erzählte hatte, mit den Fakten unter einen Hut zu bringen. Für Matt war das anders. Matt und ich drehten hier in Berlin "Die Bourne Verschwörung", als das Ganze geschah und unterhielten uns darüber. Ich denke, die Situation für uns Briten war in vielerlei Hinsicht schwieriger. Denn Blair war ein sehr effektiver, charismatischer und intelligenter Premierminister. Er hat außergewöhnliche Arbeit in Bezug auf Nordirland geleistet. Zudem kam er nach einer langen Regierungszeit der Konservativen. Leute wie ich wollten, dass er Erfolg hat. Und lange Zeit schien es auch außerordentlich gut zu laufen. Für die Amerikaner war es in Bezug auf George W. Bush anders, denke ich.
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Paul Greengrass am Set zu "Green Zone"
Ricore: Haben Sie also aus Frustration "Green Zone" gedreht?

Greengrass: Nein, ich wollte einen Film machen, der im Grunde meinen Weg beschreibt. Vom Glauben zum Zweifel. Auf dieser Reise musste ich meine Überzeugungen in Frage stellen. So steht Matt Damons Figur Miller für mich. Wenn man auf der Suche nach einer Figur und einer Story ist, dann sucht man etwas, das die eigenen Leidenschaften und Instinkte widerspiegelt. Wenn Miller also auf der Suche nach den Massenvernichtungswaffen die Grenze überschreitet und dann verwundert darüber ist, dass er keine findet, dann bin ich das. Seine Suche nach der Wahrheit ist meine Suche. Darum geht es in den besten Filmen: Die Geschichte spiegelt dich selbst wider.

Ricore: Trifft das auch auf Jason Bourne zu?

Greengrass: Irgendwie schon. [lacht] In gewisser Weise fing Bourne die Paranoia zu der Zeit perfekt ein. Es hieß "Wir gegen sie". Sie haben etwas vor und ich will herausfinden, was es ist. Das entsprach meiner Sichtweise in jener Zeit. Ich mochte nicht, was sie taten, aber sie taten es.

Ricore: Wie sind Sie an die Geschichte von "Green Zone" herangegangen?

Greengrass: Zunächst begannen wir mit Miller, der sich die Frage stellt, die wir uns alle stellten und auf die Reise ging, auf die wir alle gingen. Die große Frage für uns war: Wohin wird ihn die Reise führen? Als ich das Buch von Rajiv Chandrasekaran las, fiel mir schon nach wenigen Seiten das lebendige Bild der "Green Zone" auf, der kleinen Oase inmitten der Palastruinen von Bagdad. Es war wie ein Stück Amerika mitten in Bagdad, mit den Burger-King-Restaurants, den Swimming Pools und den sechs Wochen währenden Kämpfen für eine Zukunft, die noch kommen sollte. In erster Linie war es ein Kampf zwischen Idealisten und Pragmatikern. Das war ein großer Moment. Dann mussten wir Miller mit bestimmten Figuren konfrontieren, die auf dramatische Weise die großen Bewegungen dieser Zeit verkörperten. Wie die Journalistin, die CIA und das Pentagon. Und Freddy, der die Hoffnungen und Ängste vieler zum Ausdruck bringt. Oder die dunkle und charismatische Figur des Generals, mit seinem Nationalismus und persönlichen Ehrgeiz.
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Paul Greengrass und Matt Damon in Berlin zur Präsentation von "Green Zone"
Ricore: Was erwies sich bei der Umsetzung als besonders schwierig?

Greengrass: Die Herausforderung lag darin, die Teile zu einer Einheit zusammenzufügen Matt und ich glauben beide, dass man den Leuten einen großen Action-Film geben kann, der zugleich eine intelligente Geschichte bietet und aktuelle Themen behandelt. Ich denke uns ist ein lebendiger Actionfilm gelungen, der zeigt, was da draußen los ist. Darauf sind wir stolz. Die Zuschauer fühlen sich von solchen Filmen angesprochen.

Ricore: Haben Sie jemals daran gedacht, den Film nicht mit Matt Damon zu machen, damit es sich nicht wieder wie ein Jason Bourne-Film anfühlt?

Greengrass: Nein, niemals. Ganz im Gegenteil, ich wollte unbedingt mit Matt zusammenarbeiten. Die letzten beiden Filme, die wir zusammen machten, entstanden zu einer Zeit, als diese Ereignisse stattfanden. Als es dann zu "Das Bourne Ultimatum" kam, wollte ich unbedingt, dass dieser Film möglichst nah an die Realität herankommt. Immer wenn ich auf "Das Bourne Ultimatum" zurückblicke, denke ich daran, dass die Realität an die Tür dieses Filmes anklopft, um herein gelassen zu werden. Dennoch liebte das Publikum den Film. Es ist eine Frage der populären Kultur: Was genau gefällt den Zuschauern an solchen Filmen? Es ist offensichtlich, dass sie vor allem das Action-Element darin mochten. Doch darüber hinaus liebten sie das darin erzeugte Gefühl der Paranoia. Die Leute konnten sich damit identifizieren. Denn sie durchlebten dieses Gefühl auch in der realen Welt. Also wollten wir noch einen Schritt weitergehen. Wir gaben dem Publikum einen Verschwörungs-Thriller, der in der realen Welt spielt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. März 2010
Zum Thema
Paul Greengrass ist ein britischer Regisseur, Drehbuch- und Romanautor. Er wird am 13. August 1955 in Surrey, England geboren und beginnt seine Karriere als Journalist und Regisseur für U2 und IRA-Gefangene während dem Hungerstreik. 1989 erscheint Greengrass' erster Kinofilm "Resurrected", der ihm viel Aufmerksamkeit beschert. Fast ein Jahrzehnt arbeitet er für das britische Fernsehen und als Buchautor, bis er 1998 "Vom Fliegen und anderen Träumen" mit Helena Bonham Carter und Kenneth Branagh..
Green Zone (Kinofilm)
Schon bei den Thrillern "Die Bourne Verschwörung" und "Das Bourne Ultimatum" bewiesen Matt Damon und Regisseur Paul Greengrass, dass sie ein gutes Team sind. Ihre dritte Zusammenarbeit führt sie in den Irak. Offizier Roy Miller erhält den Auftrag im Kriegsgebiet nach Massenvernichtungswaffen zu suchen. Dabei gerät er in ein Netz aus Intrigen, in die auch Agenten der CIA verwickelt sind. Schon bald muss er sich fragen, wem er überhaupt trauen kann.
2024