Barbara Mayr/Ricore Text
Michaela May
"Auch meine Seele wird älter"
Interview: Michaela Mays Seelen-Lifting
Michaela May blickt auf eine lange und erfolgreiche Fernseh- und Theaterkarriere zurück. Klar, dass es auch mal schlechte Zeiten gibt. Die 58-jährige Schauspielerin ärgert vor allem, dass Fernsehsender und Produzenten durch leichtfertige Titeländerungen den intelligenten Zuschauer entmündigen. So geschehen auch bei ihrem neuen Projekt, "Utta Danella - Eine Nonne zum Verlieben". Ursprünglich trug der Film den Titel "Louisas Lächeln", der besser zu Thema und dem ernsten Inhalt gepasst hätte.
erschienen am 24. 04. 2010
ARD Degeto/Erika Hauri
Michaela May im ARD-Film "Eine Nonne zum Verlieben"
Ricore: Sie verkörpern mit Vorliebe Frauenfiguren, die Kämpferinnen sind. Ist Schwester Barbara auch so eine Frauenfigur?

Michaela May: Ich glaube, jeder Mensch kämpft sich irgendwie durchs Leben. Diese Aussage gilt generell. Meine Großmutter hat immer gesagt, das Leben ist eines der Schwersten. Es ist ein stetes Auf und Ab. Man kämpft darum, dass man auftaucht. So verhält es sich auch mit Filmen. Eine geradlinige Geschichte ist keine Geschichte. Um interessant zu werden, muss jede Figur etwas durchleben. Schwester Barbara hat eine schwere Entscheidung hinter sich. Warum hat sie sich fürs kirchliche Leben entschieden? Ist sie mit dieser Entscheidung immer noch glücklich? Schließlich trifft sie wieder auf den Mann, der sie damals überhaupt erst in diese Entscheidungsnot gebracht hat.

Ricore: Schwester Barbara erlebt 20 Jahre später dasselbe Schicksal nochmal - durch Louisa, ihr Ziehkind.

May: Genau. Nur leider wird durch den Titel "Eine Nonne zum Verlieben" gar nicht klar, dass es eigentlich um ein ernstes Thema geht. Der ursprüngliche Titel lautete "Louisas Lächeln". Ich bin traurig, dass man den Titel im Nachhinein ausgetauscht hat. Das hat es wesentlich besser getroffen. Denn im Film geht es nicht um ein bisschen Liebe, Blumen oder Herzchen. Es geht vielmehr um den ernsthaften Konflikt einer Frau, die sich zwischen einem weltlichen oder religiösen Leben entscheiden muss.

Ricore: Hatten Sie im Kloster Kontakt zu Novizinnen?

May: Es gab dort nur zwei Novizinnen, mit denen ich sprechen konnte. Sie haben mir erzählt, wie schwer das ist, welchen Prüfungen sie sich stellen mussten und noch immer müssen. Es ist nicht so, dass man sich denkt, ach ich geh jetzt mal ins Kloster, da werde ich aufgefangen und muss mich um nichts mehr kümmern. Man muss sich harten äußeren und inneren Prüfungen stellen, damit die Entscheidung von Dauer ist.
ARD Degeto/Erika Hauri
Michaela May im ARD-Film "Die göttliche Sophie"
Ricore: Fällt es schwer, eine solche Entscheidung nachzuvollziehen, warum junge Menschen ins Kloster gehen?

May: Ich habe sehr großen Respekt vor dieser Wahl. Könnte sie aber für mich nicht treffen.

Ricore: Müssen Sie Ihre Filmfiguren verstehen, um sie spielen zu können?

May: Ich muss ihr Leben nicht leben, um die Figur spielen zu können. Ich muss nicht im Koster leben, um eine Nonne zu spielen. Dennoch habe ich mich im Vorfeld der Dreharbeiten zu "Eine Nonne zum Verlieben" lange mit einer Schwester unterhalten, um Riten, Gebräuche und Verhaltensweisen kennen zu lernen. Ich war beim Essen dabei, um zu erfahren, wann sie sprechen und wann nicht. Ich wollte wissen, wie das alltägliche Leben im Kloster, das Leben einer Nonne aussieht. Es hat mir geholfen zu verstehen, wie Nonnen miteinander umgehen. Es hilft natürlich, sich mit den Figuren und ihrem Leben auseinander zu setzen. Zum Glück liegt es in der Natur des Schauspielers, sich in verschiedene Figuren hinein versetzen zu können. Man kann viele Leben leben. Man schaut in verschiedene Schubladen hinein und wird mit vielen Facetten intensiv konfrontiert. Das ist jedes Mal hochinteressant.

Ricore: Wenn Sie ein Drehbuch bekommen, wissen Sie von der ersten Seite, dass Sie den Film machen wollen?

May: Das kommt natürlich auf die Qualität des Drehbuchs an. Bei vielen Büchern weiß ich nach dem ersten Satz, dass ich den Film nicht machen will (lacht).

Ricore: Können Sie ein Beispiel nennen?

May: Nun ja, es gibt Drehbücher, die sichtlich oberflächlich geschrieben sind, schon von der ersten Zeile an, dass einem das Weiterlesen gar nicht mehr interessiert.
ARD Degeto/Erika Hauri
Michaela May im ARD-Film "Die göttliche Sophie"
Ricore: Wie war es im Fall von "Eine Nonne zum Verlieben"?

May: Nun ja, hier wusste ich schon von Beginn an, um was es geht. Ich kannte schon das Exposé. Die Figur hat mich sehr interessiert. Ich habe noch nie eine Nonne gespielt und wollte mich einmal in einem Ornat bewegen. Ich wollte das Thema nicht in einer Komödie, wie bei "Um Himmels Willen" aufarbeiten, sondern in einem ernstzunehmenden Film. Daher finde ich es auch schade, dass der Film mit diesem Titel so locker leicht daher kommt. Das Thema ist nämlich sehr ernst. Und der Titel verändert die Sicht auf den Film. Das ist sehr ärgerlich.

Ricore: Wann haben Sie davon erfahren, dass der Titel geändert werden soll?

May: Erst vor kurzem. Es nivelliert den Film auf das Niveau eines Liebesfilms. Tatsächlich aber geht es um einen ernsthaften Konflikt. Bei so einem Titel glaubt man immer schon zu wissen was sich dahinter verbirgt. Das ist schade. Die Sender tun sich damit keinen Gefallen. Sie glauben, dass sich der Film dadurch besser verkaufen lässt. Das entmündigt aber den ernsthaften Zuschauer. Wenn ich das Drehbuch mit diesem Titel erhalten hätte, hätte ich das Buch erst gar nicht gelesen. Da hätte ich dann gesagt, dass ich mich geniere, in einem solchen Film mitzumachen. Als Schauspielerin hat man aber keinen Einfluss darauf. Alle Filme, die ich gemacht habe, hatten gute Titel. Viele wurden dann aber auf eine banale Ebene geändert. Denn es muss anscheinend immer Liebe, Traum oder Afrika dabei sein.

Ricore: Wie erklären sich den Erfolg von Filmen und Serien, in denen es um Glaube, Nonnen oder Geistliche geht?

May: Menschen brauchen etwas zum festhalten. Der Glaube bietet ihnen diese Sicherheit. Das Leben ist nun mal endlich. Menschen, die sich entschieden haben, mit dem Gott ihrer Wahl ein Leben zu leben, üben eine bestimmte Faszination auf andere aus. Man hat das Gefühl, dass sie Halt geben können, weil sie selbst Halt haben. Ich zumindest habe sehr großen Respekt vor solchen Menschen, die sich diesem Leben verschreiben.

Ricore: Sind Sie selbst gläubig?

May: Ich glaube nicht konfessionell, glaube aber, dass es eine große Überordnung gibt, die das Universum zusammenhält. Begriffe wie Universum oder Unendlichkeit ist für uns Ameisen Menschen oft nur schwer vorstellbar und begreifbar. Es muss also was geben, was höher ist. Ich versuche gegenwärtig zu leben und mir meine Kraft aus meinem Umfeld zu nehmen.
ARD Degeto/Erika Hauri
Michaela May im ARD-Film "Eine Nonne zum Verlieben"
Ricore: Sie haben eine Form gefunden, wie Sie Ihren Geist und Ihre Seele in Einklang bringen…

May: Genau, Yoga.

Ricore: Wie sind Sie dazu gekommen?

May: Ich wollte erst etwas für meinen Körper tun. Nach meinem zweiten Kind musste ich ein paar Pfunde loswerden und habe Sport betrieben: Tennis, Skifahren und so. Aber ich habe was gesucht, was mich dauerhaft beweglich hält. Ich habe einfach gemerkt, meine Beweglichkeit kommt zu kurz. Ich kam mit meinen Händen nicht mehr zum Boden beispielsweise. Ich habe dann ein bisschen Aerobic gemacht, das war damals gerade in Mode. Das war aber nicht meins, das war mir zu laut und zu hüpfig...

Ricore: Dann haben Sie sogar Taekwondo gemacht...

May: Ja, aber auch das war nicht meins. Ich wollte weniger Sport und mehr Beweglichkeit. Über eine Freundin bin ich dann zu Yoga gekommen. Natürlich hat das auch eine Weile gedauert, bis ich hineingekommen bin. Yoga wirkt nicht sofort. Es braucht Zeit, dann aber erfährt man eine Zentrierung von Körper, Geist und Seele, man wird geerdet. Nicht zuletzt durch die Dehnung, durch das lange Anhalten in einer Stellung wird unter anderem der Atem, die Lunge frei. Das gibt einem halt, Konzentration und Beweglichkeit. Das betrifft eben nicht nur den Körper, sondern auch die Seele und den Geist, denn es macht einem klar und fest.

Ricore: Hat Ihnen Yoga auch beruflich geholfen, dass Sie beispielsweise gelassener an manche Dinge heran gehen?

May: Für die Konzentrationsfähigkeit sicherlich. Wenn rundherum viel los ist, kann ich mich zur Seite setzen und mit einer Wechselatmung abschalten vom Gewusel und der Aufregung.
ARD Degeto/Erika Hauri
Michaela May im ARD-Film "Eine Nonne zum Verlieben"
Ricore: Sie haben eine DVD und ein Buch über Yoga auf den Markt gebracht. Haben Sie heute noch Zeit, Yoga selbst zu praktizieren?

May: Ich habe mir angewöhnt, jeden Morgen den Sonnengruß zu machen. Das wird dann so selbstverständlich wie das Zähneputzen. Ich mache das zwölf Mal. Diese zehn Minuten schafft man immer. Man muss sich nur den Wecker früher stellen. Das bringt auch den Kreislauf in Schwung, vor allem bei mir, ich habe ja einen niedrigen Blutdruck. Der Sonnengruß ist eine Abfolge von Bewegungen, die alle Körperteile, Wirbelsäule und Muskeln ansprechen. Das ist eine Übung, die sehr komplex ist. Wenn man diese mehrmals am Tag hintereinander macht, hat man ein Grundmuster für Beweglichkeit schon inne. Darüber hinaus habe ich mir eine Gruppe von Freundinnen geschaffen, in der wir unter anderem unsere Wehwehs beklagen und uns einmal die Woche treffen. Wir betreiben im Nachhinein quasi unser eigenes Seelen-Yoga. Man erzählt sich Dinge untereinander und öffnet sich gegenseitig. Das ist eine ganz starke Gruppe geworden.

Ricore: Gibt es außer Yoga noch eine Form, wie Sie sich fit halten?

May: Ich gehe wahnsinnig gerne in die Berge und halte mich viel in der Natur und der frischen Luft auf. Ich trinke viel Wasser und versuche mich ausgewogen zu ernähren. Das ist alles.

Ricore: Wie halten Sie es sonst mit der Schönheit? Könnten Sie sich vorstellen, sich auch mal unters Messer zu legen?

May: Ich will nicht sagen, dass ich das generell verdamme. Wenn ein Mensch mit seiner Nase oder seinen Falten wirklich unglücklich ist und meint, er sei glücklicher ohne, dass soll er sich bitte einer Operation unterziehen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich mit einer Falte mehr unglücklicher werde. Im Gegenteil. Ich denke, das ist mein Alter. Das will ich spielen und das bin ich. Noch ist es nicht so, dass es mich unglücklich macht. Ich habe auch den Verdacht, dass die Wurzel des Unglücks in einem anderen Bereich liegt, als in der Äußerlichkeit. Die Schönheit kommt immer auch von innen. Es gibt ja auch wunderschöne alte, faltige Menschen, die Schönheit ausstrahlen und solche, die Hässlichkeit ausstrahlen. Aber das ist meistens eine innere Einstellung zum Alter. Das was man ausstrahlt, hat nichts mit makelloser Glätte zu tun. Ich glaube auch, dass das langweilig ist. Bis jetzt glaube ich das (lacht).

Ricore: Grad die Schauspielbranche lebt gewissermaßen auch von dieser Äußerlichkeit.

May: Klar. Ich erlebe rundherum wer das alles macht und tut. Ich denke mir, wenn es sie glücklich macht, sollen sie es tun. Das kann ich als Außenstehende nicht beurteilen. Ich glaube halt, dass manchmal etwas anderes geliftet und gestrafft werden müsste, als die Haut. Vielleicht würde ihnen eine Zielrichtung im Leben mehr helfen als eine OP. Beispielsweise eine Liebe oder Menschen, mit denen man sich umgeben will. Man muss ja schließlich auch etwas dafür tun. Man muss selbst etwas tun, damit man glücklich ist, und nicht nur andere dafür verantwortlich machen. Der Onkel Doktor kann das innere Glück mit ein paar Schnitten auch nicht wieder herstellen.
Barbara Mayr/Ricore Text
Alexandra Schiffer und Michaela May beim Dreh zu "Die Sennerin"
Ricore: Wie beurteilen Sie die Oberflächlichkeit in Ihrem Beruf?

May: Ich glaube, dass die Oberflächlichkeit wieder chwindet. Ich habe zumindest den Eindruck, dass immer mehr der Charakter zählt. Grad auch im Schauspielberuf. Ich denke schon, dass auch jene, die ein Charaktergesicht haben und toll spielen können, sich immer mehr durchsetzen. Nicht nur blondierte Frauen mit Schlauchbootlippen. Ich denke, dass dieses Angleichen langweilt. Dasselbe geschieht mit den Titeln. Warum nimmt man Titel, die austauschbar sind? Ich verwehre mich dagegen. Ich finde es schrecklich, dass wir nicht beim alten Titel "Louisas Lächeln" geblieben sind. Das führt irre und verleitet zur Annahme, dass das Thema nicht ernst genommen wird.

Ricore: Der Einheitslook hält in allen Bereichen Einzug.

May: Ja, dasselbe geschieht ja nicht nur bei Gesichtern, sondern auch bei der Kleidung. Man kann ja heute alles tragen, warum aber soll man immer gleich jung ausschauen? Meine Seele ist ja auch nicht jung. Meine Seele wächst ja mit mir mit. Ich glaube, ich könnte die Naivität einer 20-Jährigen gar nicht mehr an den Tag legen.

Ricore: Hat sich Ihre Leidenschaft für den Beruf im Laufe der Jahre verändert?

May: Alles befindet sich stets in Veränderung. Auch die Begeisterung für den Beruf. Man macht ja eine große Entwicklung durch: Man befindet sich eine Zeit im Ausland, macht Theater, Komödie, Tragödien, Krimis. Ich habe immer versucht, mich möglichst nicht eine Schublade stecken zu lassen. Ich denke, dass ich inzwischen genauer weiß, wo ich hin will und was ich nicht möchte. Die Auswahl wird klarer, sofern sie angeboten wird. Ich würde gerne mal wieder etwas Historisches oder etwas Politisches machen. Das habe ich länger nicht mehr gemacht. Auch gesellschaftsrelevante Sachen. Dazu hätte ich wieder mal Lust. Auch im Gegensatz zu solchen Geschichten wie "Eine Nonne zum Verlieben".

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 24. April 2010
Zum Thema
Obwohl Michaela May die Leinwand- und Theaterkarriere schon früh einschlägt, absolviert sie nach dem Fachabitur zunächst eine Lehre als Kindergärtnerin. Zu Beginn der 1970er Jahre setzt sie ihre Schauspielkarriere fort. Sie ist vor allem in diversen Fernsehkomödien zu sehen. Gelegentlich macht sie auch Spielfilme, so ist sie 1998 in Marc Rothemunds "Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" zu sehen. Bis 2005 führt Michaela May eine mustergültige und..
Kirchliche Themen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, zumindest im Fernsehen. Wie es scheint, haben es vor allem Nonnengeschichten dem Publikum angetan. Dieses Mal schlüpft Newcomer Anna Brüggemann in die Rolle einer Novizin, die sich allerdings schon bald zwischen ihren irdischen Gefühlen und ihrer göttlichen Berufung entscheiden muss. In weiteren Rollen sind Michaela May und Michael Mendl zu sehen.
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