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Emma Thompson
"Die Kinder sind nicht das Problem"
Interview: Emma Thompson magisch
Emma Thompson ist eine der renommiertesten britischen Darstellerinnen. Neben der Schauspielerei hat sie aber noch andere Talente. Eines ist das Schreiben. Im Jahre 1996 gewann sie einen Oscar für ihr Drehbuch zu "Sinn und Sinnlichkeit". Bei "Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer" hat sie sowohl die Hauptrolle des magischen Kindermädchens übernommen, als auch die Geschichte verfasst. Was der Kinderfilm mit einem Western zu tun hat, ob sie als Kind artig war und wer am Set allen Frauen den Kopf verdreht hat, verrät uns Thompson im Interview.
erschienen am 30. 03. 2010
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Als Nanny weiß Emma Thompson, wie sie mit Kindern umzugehen hat
Ricore: In "Eine Zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer" geht es um Erziehung. Waren Sie ein braves Kind?

Emma Thompson: Ja, das war ich. Ich war das älteste Kind und so hatte sich bei mir ein übertriebenes Verantwortungsgefühl gebildet. Mein Vater ist schon früh erkrankt. Mit 37 hatte er seinen ersten Herzinfarkt, seinen letzten, als er mit 51 Jahren starb. Das war eine Phase in meiner Kindheit, in der ich dachte, dass das Leben untrennbar mit Gefahr verbunden ist. Meine Mutter war bemüht, die Krankheit meines Vaters von uns Kindern fernzuhalten. Ich wuchs in einem Umfeld auf, in dem ich nicht die Möglichkeit hatte, den angestauten Ärger zum Ausdruck zu bringen. Damit habe ich noch heute ein Problem, weil ich die damalige Situation mit dem Ende der Welt assoziiere. Das war eine interessante Reise.

Ricore: Sie sind sehr selbstironisch.

Thompson: Selbstironie ist der ultimative Schutzschild. Damit verteidige ich mich, indem ich mir selbst gegenüber unverschämt bin, bevor es andere sind. Damit ist der Wunsch verbunden, Menschen zum Lachen zu bringen. Ich habe einen Drang zum Lachen.

Ricore: Bei "Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer" hat man den Eindruck, dass es weniger um die Kinder geht, als vielmehr um die Erwachsenen, die nicht in der Lage sind, Kinder zu erziehen.

Thompson: Ja, das stimmt. "Eine zauberhafte Nanny" ist kein Kinderfilm im eigentlichen Sinne. Eine gute Freundin von mir ist Schulpsychologin. Sie spricht oft über sogenannte Problemkinder. Wie sie sagt, sind nicht die Kinder das eigentliche Problem. Das Problem sind entweder ihre Eltern oder Lehrer. Sie tun sich schwer, einen Weg zu finden, die Situation des Problemkindes zu verbessern. Das tut Nanny McPhee in gewisser Weise. Sie ist Vermittler zwischen Kindern und Erwachsenen. Die Lektionen, die für die Kinder gelten, gelten oft auch für die Erwachsenen. Schließlich lernt auch Nanny McPhee die wichtige Lektion, dass auch sie vertrauen muss.
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Emma Thompson bringt Kinder zum Schweigen
Ricore: In Deutschland ist Kinderkriegen und Erziehung zurzeit ein großes Thema. Ist das in Großbritannien auch so?

Thompson: Ja, es ist ein großes Thema. Diesbezüglich herrscht im Augenblick ein großes Durcheinander in Großbritannien. Wir waren nicht sehr phantasievoll was dieses Thema anbelangt. Wir dachten nicht daran, welche Auswirkungen die berufliche Karriere der Frauen auf Familie und Kindererziehung haben könnte. Diese Beziehung müssen wir noch genauer durchdenken. Und wir müssen die Arbeit umstrukturieren. Die Arbeit muss sich ändern - nicht die Frauen. Von diesen wird erwartet, dass sie zur selben Zeit viele Aufgaben lösen müssen. Das geht aber nicht. Aus diesem Grund müssen wir die Arbeitsstrukturen reorganisieren. Warum sollten wir nicht die Arbeit verändern können?

Ricore: Welche Lösungen könnte es geben?

Thompson: Ein Ausweg könnte sein, dass wir über die Produktionsstätten nachdenken.

Ricore: Wie bringen Sie diese zwei Welten unter einen Hut?

Thompson: Ich bleibe zu Hause und schreibe. Ich verdiene meine Brötchen auch mit dem Schreiben. Dadurch habe ich genug Freizeit. Ich stehe auf, mache Frühstück, gehe Joggen, setze mich ans Schreiben. Kein Telefon, keine Arbeiten, die mich ablenken. Das funktioniert sehr gut.

Ricore: Ist das der Grund, wieso Sie bei Ihren Rollen so wählerisch sind?

Thompson: Ja. Bei "An Education" habe ich nicht mehr als einen Tag gebraucht, um mich für die Rolle zu entscheiden. Das sind oft einfache Entscheidungen. Ich bekomme immer noch einen Kick durch das Schauspielen.
Universal Pictures (UPI)
Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Zurück zu "Eine zauberhafte Nanny". Wie war das, als Sie sich als hässliche Nanny McPhee zum ersten Mal im Spiegel betrachteten?

Thompson: Wenn man monatelang jeden Tag dieses Make-up auftragen muss, ist das ein klein wenig deprimierend [lacht]. Ich habe viele negative Eigenschaften, aber Eitelkeit gehört nicht dazu. Ich mag es, gut auszusehen, wenn ich mich etwa zu einem Interview begebe [lacht]. Andererseits würde ich es bevorzugen, nicht immer diese Kleider und das Make-up tragen zu müssen. Als dann der umwerfend aussehende Ewan McGregor an den Set kam, wurden alle Frauen hysterisch. Wir waren müde vom Dreh und dachten nicht weiter über unser Aussehen nach. Und dann kam Ewan und auf einmal trugen alle Lippenstift auf, sogar die Männer. Ich war auch aufgeregt und wollte mit ihm flirten. Doch Maggie Gyllenhaal kam zu mir und sagte: "Du bist Nanny McPhee. Denk nicht mal dran, es zu versuchen, es wird nicht klappen." Da wurde mir klar, dass es nicht funktionieren kann.

Ricore: Wird es eine weitere Fortsetzung von "Eine zauberhafte Nanny" geben?

Thompson: Das kommt auf den Erfolg an. Wenn er an der Kasse scheitert, wird es keine Fortsetzung geben, so einfach ist das. [lacht].

Ricore: Haben Sie als Kind die "Krankenschwester Matilda"-Bücher gelesen, die dem ersten Teils von "Eine zauberhafte Nanny" als Vorlage dienten?

Thompson: Nein, habe ich nicht. Ich habe sie erst viel später gelesen. Ich liebte die Geschichten und ihre Illustrationen. Sie haben ein ausgeprägtes filmisches Konzept. Sie sind sehr visuell. Als Kind liebte ich vor allem Westen, die ich mir mit meinem Vater angeschaut habe. Heute gibt es im Fernsehen fast ausschließlich Krimiserien. Damals gab es im Fernsehen viele Western. Ich liebte diese und identifizierte mich sehr stark mit Clint Eastwoods Charakteren. Während der Arbeit an "Eine zauberhafte Nanny" stellte ich fest, dass es sich um einen Western handelt. Es ist viel von Clint Eastwood darin und von "Mein großer Freund Shane". Eine Fremde kommt in die Stadt. Es herrscht ein Ausnahmezustand, der gelöst werden muss. Das wird von der Fremden mit Hilfe der Stadtbevölkerung erledigt. Anschließend muss die Fremde die Stadt verlassen oder sterben. Es ist ein Western [lacht].
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Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Und der Stock ist ihr Revolver.

Thompson: Genau. In einer Szene, die aus dem Film herausgeschnitten wurde, trägt die Nanny ihren Stock beim Motorradfahren um die Hüfte. Einmal vollführt sie die Gestik des Schießens und führt den Stock an ihre Lippen, um damit den Rauch wegzublasen. Ganz so wie ein Westernheld. Damit haben Sie Recht, der Stock ist ihr 45er Colt.

Ricore: Regisseurin Susanna White war von den Schweinen beim Wasserballett zunächst nicht begeistert, oder?

Thompson: Als ich das Drehbuch schrieb, war ich davon sehr überzeugt. Susanna kennt sich mit CGI-Technik aus. Sie meinte, dass sie für diese Szene lieber echte Schweine haben möchte. Erst bei der Ballettszene sollte die Computer-Animation eingesetzt werden. Bis dahin sollten die Schweine real sein. Was den Tanz des Esels angeht, so hatte ich ursprünglich die Idee, dass er Stepptanz macht. Doch das hat sich als zu teuer herausgestellt. Dann haben wir uns für einen irischen Tanz entschieden. Das war für die Techniker machbarer. Wir hatten dieses fantastische Team von Computer-Experten. Das ist definitiv meine Lieblingsszene.

Ricore: Betrachten sie es als ein Glück, gleichzeitig als Schauspielerin und als Drehbuchautorin arbeiten zu können?

Thompson: Ja, das macht mich glücklich. Es ist eine große Freude, das eigene Drehbuch als fertigen Film auf der Leinwand zu sehen. Vor allem, wenn der Entstehungsprozess so lange dauert. Es ist ein befriedigendes Gefühl.
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Szene aus dem Kinderabenteuer: Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Hat ihre Familie "Eine zauberhafte Nanny" gesehen?

Thompson: Nein, noch nicht.

Ricore: Was glauben Sie, wie sie reagieren werden, wenn sie ihn sehen?

Thompson: Ich glaube, mein Mann wird sagen: Gut gemacht. [lacht] Meine Tochter Gaia wird sicher Spaß daran haben.

Ricore: Wieso haben Sie sich für eine Kriegsgeschichte als Hintergrund von "Eine zauberhafte Nanny" entschieden?

Thompson: Weil ich wollte, dass der Vater abwesend ist. Im ersten Teil war die Mutter abwesend, weil sie bei der Geburt gestorben ist. Der Krieg ermöglichte die Abwesenheit des Vaters sowie das Gefühl einer latenten Gefahr. Leider ist dieses Gefühl auch heute noch aktuell, wenn man sich die Konflikte in Afghanistan oder Irak ansieht. Wir waren uns aber einig, dass es kein Kriegsfilm werden sollte. Als wir auf der Suche nach dem passenden Regisseur waren, gab es einige, die aus London einen Kriegsschauplatz machen wollten. Doch der Film handelt nicht von Krieg, sondern von der Abwesenheit, die durch den Krieg bedingt ist.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 30. März 2010
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