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Regisseurin Susanna White
Hilflose Eltern
Interview: Kindermädchen für Susanna White
Bislang drehte Susanna White Fernsehproduktionen. Unter anderem inszenierte die britische Regisseurin "Generation Kill", eine Serie über den Einmarsch der US-Truppen in den Irak. Für ihr Kinodebüt wählte White einen leichteren Stoff und inszenierte "Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer", das zweite Leinwandabenteuer des magischen Kindermädchens Nanny McPhee. Im Interview spricht White über Kindererziehung sowie ein Schlüsselerlebnis ihrer eigenen Kindheit.
erschienen am 1. 04. 2010
Universal Pictures (UPI)
Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Ich habe gelesen, dass Sie schon sehr früh wussten, was Sie später mal werden wollen... Susanna

White: Ja, mit acht Jahren habe ich begonnen, Filme zu machen. Ich habe meinen Vater damals gebeten, mir eine Kamera zu kaufen.

Ricore: Was war der Auslöser für Ihre Faszination für den Film?

White: Ich war sehr jung, als ich mit meinem Vater 1967 das Original von "Doctor Dolittle" angesehen haben. Das war eine unvergessliche Erfahrung. Ich saß in diesem großen Kino mit der riesigen Leinwand. Ich erinnere mich noch gut an die Magie, die der Film damals auf mich ausgeübt hat. Das war unglaublich. Später habe ich bei einer Fernsehshow für Kinder mitgemacht. Ich erinnere mich, dass alle Kinder auf die Bühne und ins Fernsehen wollten. Ich saß nur da und beobachtete die roten Lichter der Kamera. Ich überlegte mir, welche Einstellungen der Kameramann jetzt wohl macht. Alles was mit Film zu tun hatte, war für mich Magie. Ich wollte seit damals nichts anderes tun. Ich war also sehr glücklich, denn ich wusste schon mit acht Jahren, was ich später mal werden wollte [lacht].

Ricore: Übt der Film auch heute noch diese Magie auf Sie aus, oder ist es jetzt nur mehr Arbeit?

White: Ich bin auch heute noch aufgeregt, wenn ich zur Arbeit gehe. Irgendwie habe ich es geschafft, dass ich auch noch bezahlt werde für etwas, was mir wirklich Spaß macht und was ich liebe. Filme zu drehen ist aber natürlich auch harte Arbeit.

Ricore: Schauen Sie sich Filme mit einer kindlichen Naivität oder doch aus professioneller Sicht an?

White: Ich schaue mir Filme vor allem aus technischer Sicht an. Es ist ziemlich schwierig, sich voll und ganz fallen zu lassen und Filme naiv zu genießen. Manchmal aber geschieht es trotzdem. Bei "Avatar - Aufbruch nach Pandora" beispielsweise konnte ich mich fallenlassen.
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Regisseurin Susanna White
Ricore: Lastete bei "Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer" Druck auf Ihren Schultern?

White: Es ist natürlich etwas anderes, wenn man die Fortsetzung dreht. Man will die Erwartungen des Publikums nicht enttäuschen, gleichzeitig aber etwas eigenes machen. Das Drehbuch unterscheidet sich vom ersten Teil, das hat mir Sicherheit gegeben. Es war schon eine großartige emotionale Reise, auf die ich mich begeben habe. Ich konnte mich ausprobieren und habe die Möglichkeiten des CGI ausgetestet, so auch bei der Szene mit den Schweinen. Die Kinder liebten den Affen aus dem ersten Film, aber es war nur ein Modell [lacht]. Ich wollte, dass die Schweine real aussehen und dass man später darüber diskutiert, ob es echte oder computeranimierte waren.

Ricore: War dies Ihr erster Ausflug in die Welt der neuen visuellen Effekte?

White: Ich haben für den Sender HBO eine Mini-Serie über die amerikanische Invasion in den Irak gemacht, darin kamen viele Effekte vor. Allerdings waren diese versteckt, so dass die Zuschauer es oft gar nicht bemerkten. Dass wir damals CGI eingesetzt haben, lag vor allem an unseren finanziellen Mitteln. In diesem Film setzte ich diese Effekte auf eine magischere Weise ein.

Ricore: In "Eine zauberhafte Nanny" befindet sich der Ehemann von Mrs. Green im Krieg. Ist dies ein Thema, das Sie interessiert?

White: Nein, diese Überschneidungen sind rein zufällig. Ich habe Zeit mit US-Marines verbracht und von diesen weiß ich, dass es ihnen nach ihren Kriegserfahrungen schwer gefallen ist, zu ihren Familien zurückzukehren. Tatsache ist, dass ich einen Film für meine Kinder und die gesamte Familie machen wollte, da ich aufgrund meiner Arbeit oft von zu Hause weg bin. Familienfilme sind im Kino derzeit eine Seltenheit. Das hat mich gereizt. Mir hat auch der Charakter von Mrs. Green gefallen. Obwohl die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist, ist sie eine moderne Frau. Sie arbeitet, zieht gleichzeitig ihre Kinder groß und hat kaum Zeit für sich. Sie kämpft darum, ihre Familie zusammenzuhalten und braucht dabei dringend Hilfe, obwohl sie das nie zugeben würde. Hinzu kommt die emotionale Seite.

Ricore: Was hat Sie am Drehbuch fasziniert?

White: Es nimmt dich auf eine gigantische Reise mit. Du weinst und du lachst, vorausgesetzt ich habe meinen Job richtig gemacht.
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Szene aus dem Kinderabenteuer: Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Emma Thompson ist eine der Produzenten des Films und spielt ihre Rolle zum zweiten Mal. Hat sie Einfluss auf Sie genommen?

White: Wir haben sehr viel am Drehbuch gearbeitet und es war wichtig für Emma Thompson, dass sie mir vertrauen konnte. Wir hatten dieselbe Vision. Wir wollten beide, dass die Emotionen im Film real rüberkommen. Der Film soll sich für jeden Zuschauer wie eine große Reise anfühlen. Es war eine enge Zusammenarbeit, in der jeder von uns Tipps und Ratschläge eingebracht hat. Ein Film ist immer Teamarbeit. Für mich war es interessant zu sehen, wie sie als Schauspielerin arbeitet. Es ist ja nun auch einige Jahre her, dass sie den Charakter zum letzten Mal verkörperte. Sie war daher in manchen Dingen unsicher und fragte mich um Rat. Wir haben uns gegenseitig geholfen.

Ricore: Hat sich die Kindererziehung geändert?

White: Ja, ich denke schon. Heute genießen Kinder viel mehr Freiheiten als früher. Die Grenzen haben sich verschoben. Die Botschaft unseres Films ist nicht, dass man Regeln und Grenzen ziehen soll, sondern dass wir Erwachsene uns ein bisschen mehr Zeit nehmen sollen. Wir müssen unseren Kindern mehr zuhören, auf ihre Bedürfnisse achten.

Ricore: Kennen Sie die Originalbücher?

White: Als Kind war ich ein großer "Mary Poppins"-Fan. Tatsächlich aber basiert nur der erste Teil - also "Eine zauberhafte Nanny" aus dem Jahr 2005 auf den Büchern. Unser Film hat ein Originaldrehbuch.

Ricore: Kennen Kinder und Jugendliche heute noch Grundwerte?

White: Ich denke, dass Grenzen und Regeln unseren Kindern durchaus Sicherheit bieten. In den letzten Jahren ging der Trend - zumindest in England - aber meist dahin, dass man Kindern mehr Freiheit als Grenzen gibt. Und dann gibt es natürlich Erwachsene, die gar nicht wissen, wie man Kinder in ihre Schranken weist. Ich weiß beispielsweise, dass meine eigenen Kinder die Sicherheit zu Hause sehr schätzen. Sie wissen, wo sie stehen und worauf sie sich verlassen können. Wir leben heute in einer sehr materiellen Welt und gewissermaßen vermitteln wir in unserem Film altmodische Werte. Es ist kein Zufall, dass in einer Szene der Song "The Best Things in Life Are Free" von Janet Jackson und Luther Vandross gespielt wird. Denn das trifft die Aussage ziemlich genau.
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Emma Thompson als zauberhafte Nanny
Ricore: Mary Poppins vertritt eigentlich die Position: Geht und lebt eure Phantasie, es gibt keine Grenzen, keine Regeln. Also eine ganz andere Sichtweise.

White: Ja. Das stimmt. In unserem Film dreht sich alles um Regeln und Grenzen und um gegenseitigen Respekt.

Ricore: Hat das mit dem "Zeitgeist" zu tun?

White: Ja, ganz genau. Ich denke schon. Für jede Generation gibt es magische Nannys. Diese hier denkt sich eben, dass Kinder durchaus Grenzen benötigen. Sie bringt ihnen bei, sich gegenseitig zu respektieren und zu teilen. Eine Lektion ist aber auch, sich Zeit zu nehmen.

Ricore: Hatten Sie eine Nanny, als Sie klein waren?

White: Nein, ich wurde von meiner Mutter erzogen. Ich hatte nie eine Nanny. Aber natürlich hatte ich die Hilfe vieler Nannys bei der Erziehung meiner eigenen Kinder.

Ricore: Können Sie sich noch an einen Ratschlag Ihrer Mutter erinnern?

White: Ja, sie sagte mir immer wieder, ich solle an mich selbst glauben und stolz auf mich sein. Sie brachte mir bei, alle Menschen zu respektieren, egal ob es der Premierminister oder ein Müllmann war. Ich muss dazusagen, meine Familie war nicht unbedingt konventionell. Mein Vater stammte aus Ungarn. Wir sind viel gereist.

Ricore: Haben Sie darüber nachgedacht, den Film in 3D zu drehen?

White: Wir haben tatsächlich darüber diskutiert. Ich war aber überzeugt davon, dass es für diesen Film nicht das Richtige war. Ich wollte einen klassischen Film drehen und Landschaftsaufnahmen im Stile von "Brokeback Mountain" verwenden. Ich würde sehr gerne mal einen 3D-Film drehen, aber es muss die Geschichte dazu passen. Wir haben auch erst darüber gesprochen, nachdem wir bereits mit den Dreharbeiten begonnen haben. Wenn, dann muss das 3D-Prinzip schon in die Konzeption des Films mit aufgenommen werden. "Kampf der Titanen" wird nun auch in 3D produziert, gedreht wurde er aber in 2D.
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Maggie Gyllenhaal als verzweifelte Mutter
Ricore: Vielleicht wird der dritte Teil der "Nanny"-Reihe in 3D gedreht?

White: Ja, vielleicht. Ich denke aber, dass es für mich als Filmemacherin ganz gut wäre, demnächst ein Projekt für Erwachsene zu realisieren. Immerhin ist "Eine Zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer" mein erster Kinofilm.

Ricore: Habe Ihre Kinder den Film bereits gesehen?

White: Ja. Sie waren auch während der Dreharbeiten oft am Set. Sie haben ihn tatsächlich schon mehrmals gesehen und haben mir auch Tipps gegeben, was wir besser machen könnten [lacht]. Es war lustig, dass sie so mitgewirkt haben.

Ricore: Kinder sind in der Regel sehr ehrlich.

White: Ja, das waren sie wirklich.

Ricore: Können Sie sich mit der Figur von Maggie Gyllenhaal identifizieren, die versucht, Arbeit, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen?

White: Oh ja, sehr sogar. Und manchmal wünsche ich mir, dass auch ich eine Nanny McPhee hätte, die mein Leben ein bisschen aufräumt, so dass alles ruhiger wird.

Ricore: Wie waren die Dreharbeiten mit den Kindern?

White: Tatsächlich war meine große Angst die Arbeit mit den Kindern. Ich wusste, dass wir großartige erwachsene Schauspieler haben, aber ich wusste auch, dass es viele schlechte Kinderfilme gibt und wie schwierig es ist, einen guten Kinderfilm zu drehen. Ich habe mich wirklich davor gefürchtet. Wir haben Hunderte Kinder gecastet. Mit Asa Butterfield und Eros Vlahos haben wir zwei Kinder gefunden, die viel Sinn für Humor haben. Am schwierigsten war es, die Rolle der Celia angemessen zu besetzen. Wir haben viele Kinder angesehen, und in der allerletzten Sekunde kam dann Rosie Taylor-Ritson ins Zimmer. Sie ist ein sehr spezielles Mädchen.
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Susanna White
Ricore: Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit mit Kindern?

White: Mit Kindern arbeitet man grundlegend anders. Man muss ihnen vieles anders erklären, als Erwachsenen. Wir haben viel über ihre Figuren gesprochen, über die Idee hinter dem Film und über die Geschichte an sich. Kinder haben viel Energie und man muss einen Weg finden, wie man effektiv mit ihnen arbeiten kann. Es spielt sich viel in der Phantasie ab. Man muss sich spielerisch an die Sache heranwagen. Sie verstehen Dinge viel schneller, als wir das erwarten.

Ricore: Wie haben Sie den Kindern erklärt, dass manche böser und gemeiner sind, als andere?

White: Tatsächlich haben wir die Kinder so gecastet, dass sie viele Ähnlichkeiten mit ihren Figuren haben. Rosie Taylor-Ritson hasste es beispielsweise, dreckig zu werden, sie musste das gar nicht spielen. Lil Woods stammt vom Land und ist äußerst praktisch veranlagt, sie hatte keine Berührungsängste mit Schweinen oder anderen Tieren.

Ricore: Warum erscheint Ewan McGregor nicht im Cast?

White: Wir sind sehr froh, dass wir ihn als Schauspieler gewonnen haben. Ich denke, es stand im Vertrag, dass er nicht gelistet wird.

Ricore: Ist "Eine zauberhafte Nanny" ein traditioneller Kinderfilm?

White: Ich würde eher sagen, unser Film ist ein Familienfilm. Es war mir wichtig, dass er auch für die Eltern funktioniert. In Großbritannien gibt es eine Tradition der Familienunterhaltung, wo die gesamte Familie mit ihren Kindern ins Kino geht. Ich wollte reale Emotionen auf die Leinwand bringen und nicht auf Kinder herabsehen, sondern sie mit Respekt behandeln. Das war mir und den Schauspielern sehr wichtig.
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Eine zauberhafte Nanny - Knall auf Fall in ein neues Abenteuer
Ricore: Im deutschen und sicherlich auch im englischen Fernsehen gibt es zahlreiche Reality-Nanny-Shows. Was halten Sie davon?

White: Ich habe tatsächlich nur einmal eine Folge davon gesehen. Ich glaube, dass es ganz einfach ein Schrei nach Hilfe ist. Wir alle brauchen in einem Moment unseres Lebens mal Hilfe. Manche Menschen kommen als Eltern einfach nicht so zurecht, wie andere. Heutzutage lastet auf Kindern viel mehr Druck, als früher. In England gehen Kinder schon sehr früh ins Fitnessstudio, sie müssen Musikinstrumente spielen, besuchen Computerkurse. Sie werden sehr früh in allen Bereichen gefordert. Das liegt daran, dass Eltern einfach alles wollen und dadurch sich selbst und ihre Kinder unter Druck setzen.

Ricore: Manchmal benötigen die Eltern eher eine Nanny, als die Kinder.

White: Das ist die eigentliche Botschaft unseres Films: Die Mutter braucht die Hilfe der Nanny mehr als ihre Kinder.

Ricore: Im Film sympathisieren Sie mit der Armee. Ist das gewollt?

White: Das war Zufall, das Drehbuch wurde über einen langen Zeitraum entwickelt. Emma Thompson ist Pazifistin und ich denke, sie macht sich eher über all die Regeln und Instruktionen der Armee lustig. Das alles sollte man eher satirisch sehen.

Ricore: Es ist nur so, dass es wie eine Option scheint, zur Armee gehen zu können.

White: Das ist eher eine Frage für Emma Thompson, sie hat das Drehbuch geschrieben.

Ricore: Heutzutage werden viele Filme mit Spezialeffekten bestückt und per CGI gemacht. Bedeutet dies mehr Druck für die Filmemacher?

White: Nein, heute sind Spezialeffekte einfach Teil der Filmproduktion. "Avatar" spielte für mich hierbei eine neue und wichtige Rolle, da der Film eine komplett fremde Welt eingeführt hat. Es ist allerdings gefährlich, 3D-Filme nur zu machen, damit es sie gibt. Es muss immer auch eine Geschichte geben, die dazu passt.

Ricore: Welche Projekte stehen bei Ihnen an?

White: Ich bin gerade dabei, einen großen Actionthriller zu entwickeln, aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen. [lacht]

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 1. April 2010
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Mit magischen Kräften steht Nanny McPhee (Emma Thompson) der überforderten Mrs. Green (Maggie Gyllenhaal) bei. Die junge Mutter muss sich während des Zweiten Weltkrieges nicht nur um vier Kinder kümmern, die sich dauernd streiten. Sie muss auch die Farm alleine bewirtschaften, da ihr Mann im Krieg verschollen ist. Als sie die Farm an den selbstsüchtigen Onkel Phil (Rhys Ifans) zu verlieren droht, sind Nanny McPhees Zauberkünste gefragt. Zunächst wirken die Witze des Films albern und die Story..
2024