Colin Farrell in Oliver Stones: Alexander
Colin Farrell nicht zu bremsen
Interview: Alexander auf Abwegen
Seit Colin Farrell vor knapp fünf Jahren auf der filmischen Bildfläche auftauchte jagt ein Filmprojekt das nächste. Es scheint, die Welt kann nicht genug kriegen vom irischen Badboy, der neben privaten Schlagzeilen immer wieder mit neuen Talenten überrascht. Er macht gute Stoffe besser und ist oft das Beste eines schlechten Films. Er spielt epische Stoffe genauso gern wie zeitgenössische, ist als kalifornischer Cop ("S.W.A.T. - Die Spezialeinheit") genauso glaubwürdig wie als schleimiger Theateragent mit Brooklyn-Akzent ("Nicht auflegen!"), überzeugt als sexuell verwirrter Hippie aus den 1970er Jahren ("Ein Zuhause am Ende der Welt"). Jetzt will er die Filmwelt in seiner bisher größten Rolle in Oliver Stones "Alexander" erobern. Was noch fehlt zum Glück? Man sollte es kaum glauben:
erschienen am 22. 12. 2004
Am Set: Colin Farrell und Regisseur Oliver Stone
Farrell: Gibt's Bier? 40 Unzen Malz und mir geht's gut. Und könnte ich bitte einen Aschenbecher haben?

Ricore: Obwohl der Mann, den Sie in "Ein Zuhause am Ende der Welt" spielen nicht schwul ist, hat er doch viele homosexuelle Elemente, genau wie "Alexander". Was halten Sie von Hollywoods Einstellung zu Schauspielern, die Homosexuelle Charaktere spielen?

Farrell: Es passiert vermutlich nicht oft genug, so denke ich darüber.

Ricore: Wurden Sie von Ihrem Agenten gewarnt, gewisse Rollen anzunehmen, weil das Ihrem Image schaden könnte?

Farrell: Sie meinen, wurde ich davor gewarnt, mich in den Arsch f... zu lassen? (lacht) Die meinten, einmal im Jahr dürfte ich einen Homo spielen, das wäre okay. Hör mal, mein Bruder ist schwul, okay. Ich lernte sehr früh, dass sich Liebe nicht über deine verdammten Genitalien definieren lässt. Das einzige, was ich ihm nicht verzeihen kann sind Shirley Bassey und Bette Midler und dass ich mir mit acht "Yentl" ansehen musste! (lacht) Nein, nein, und die Leute, die mich beraten, waren von Anfang an dabei, sind mit mir nach Amerika gekommen, und verstehen vollkommen, was ich mit meiner Karriere tun will. Sie sind auch total unpuritanisch und lassen sich nicht von oberflächlichen Dingen beeinflussen.

Ricore: Hat sich Ihre Definition von Liebe geändert seit Sie ein Kind haben?

Farrell: Ich sollte Liebe überhaupt nicht definieren, schon gar nicht für meinen kleinen Jungen. Er wurde geboren, und ich blickte in seine Augen mit einem totalem Verständnis der Welt, wie sie funktioniert und Liebe und Vertrauen und all diese wunderbaren Dinge, die Kinder besitzen, und wir verloren haben. Und manchmal wird dieses kindliche Vertrauen zum Problem, wenn Kinder zu sehr vertrauen und Erwachsene dieses Vertrauen missbrauchen. Daher sollte ich Liebe für ihn nie definieren. Es gibt keine Definition von Liebe, sie ist überall. Zwischen Mann und Mann, zwischen Frau und Frau zwischen Mann und Frau, zwischen Mann und seinem verdammten Hund, zwischen Kamel und seinem Reiter. Die Möglichkeiten für Liebe sind endlos. Und so will ich ihn nicht in eine bestimmte Richtung drücken, sondern möchte, dass er so offen wie möglich aufwächst.
Bleibt sich auch als Vater treu: Colin Farrell
Ricore: Sind Sie bürgerlicher geworden?

Farrell: Die Leute reden einem ein, dass man durch Erfolg und Vaterschaft verändert wird. Ich sage, Vaterschaft ist der ultimative Erfolg, aber verändert hat sie mich nicht. Ich verbrenne die Kerze noch immer an beiden Enden, aber es ist eine sehr lange Kerze. Es ist selbstverständlich, dass ich jetzt einen stärkeren Lebenswillen habe, das ist eine natürliche Folge daraus. Natürlich will ich lange genug leben, um ihn aufwachsen zu sehen, ihn als Jungen und als Erwachsenen zu kennen. Ich möchte auch bessere Filme hinterlassen, ich denke über all das nach. Mein Sohn kam in mein Leben, als ich die erste Woche an "Alexander" arbeitete, und er ist spürbar in meiner Arbeit an diesem Film. Ich konnte nicht bei der Geburt dabei sein, war viele tausend Meilen von ihm entfernt, aber ich spürte ihn und mir brach das Herz. Ich will aktiv an seinem Leben teilhaben, und das wusste ich vom ersten Augenblick an.

Ricore: Wie gingen Sie an "Alexander" heran? Wie bereiteten Sie sich vor und was haben Sie mit ihm gemeinsam - wenn überhaupt?

Farrell: Ich bin ein 28jähriger aus Dublin und ich habe ein gutes Leben, aber verdammt noch mal., Alexander war extrem in allem, was er tat. In seinen Gefühlen, seinem Drang nach Wahrheit und dem Zwang, sein Schicksal zu erfüllen. Ich las viele Bücher, Ich lernte mit Schwertern fechten, reiten, meine Stimme musste stärker werden, ich musste muskulöser werden. Alles, was Männer damals konnten.

Ricore: Kann man mit Angelina Jolie arbeiten, ohne sich in sie zu verlieben?

Farrell: Unmöglich. Sie spielt ja meine Mutter und sie war fantastisch. Sie ist eine unglaubliche Frau. Wir hatten soviel Spaß. Sie ist warmherzig und großzügig und hat einen großartigen Sinn für Humor.

Ricore: Haben wir aus der Geschichte gelernt oder lernen Menschen prinzipiell nie aus der Geschichte?

Farrell: Es ist erschreckend. Amerika ist gefährlich. Es wird Zeit, dass dieses Land den guten Willen zu anderen Nationen wieder aufbaut. Ich bin kein Politiker, bin nicht mal besonders bewandert, was Politik betrifft, und ich bin kein Amerikaner, aber mein Sohn lebt in diesem Land, während ich Weltbürger bin. Bush ist gefährlich, weil er nicht smart genug ist, seine Macht in gute Bahnen zu lenken.
erschienen am 22. Dezember 2004
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2024