Walt Disney Studios Home Entertainment
Scott Hicks am Set von: The Boys Are Back - Zurück ins Leben
"Den Vaterstatus muss man sich erarbeiten"
Interview: Scott Hicks: Fehler sind wichtig
Mit "Shine - Der Weg ans Licht" gelang dem australischen Regisseur Scott Hicks im Jahr 1996 der Durchbruch. Davor machte er sich als Dokumentarfilmer einen Namen und wurde mit einem Emmy ausgezeichnet. Sein letzter Film, "The Boys Are Back - Zurück ins Leben" (2009) setzt sich mit der Problematik moderner Familienkonstellationen auseinander. Im Interview spricht Hicks über die Notwendigkeit Fehler zu machen, die Bedeutung von Erfolg und Clive Owens Charakter.
erschienen am 14. 04. 2010
Walt Disney Studios
The Boys Are Back - Zurück ins Leben
Ricore: Die Geschichte ist anrührend. Sind Alleinerziehende zum Normalzustand geworden?

Scott Hicks: Was mich besonders fasziniert hat als ich das Drehbuch las, war, dass mir eigentlich nie zuvor eine Rolle aufgefallen ist, in der ein Vater auf diese Art inszeniert wurde. Die Beziehung zwischen Joe und seinen beiden Söhnen hat sich sehr echt angefühlt, fast wie eine wahre Geschichte. Das Vatersein an sich wird gut beleuchtet. Joe versucht zu lernen, was einen guten Vater ausmacht, aber es gibt keinen Vater-Ratgeber. Er kann muss herausfinden, indem er Fehler macht, aus denen er lernt. Nachdem alles aus dem Ruder zu laufen scheint, merkt Joe dann am Ende worauf es ankommt.

Ricore: Glauben Sie, dass Männer, was die Kindererziehung angeht, in der Regel entspannter sind?

Hicks: Also ich glaube nicht, dass man das pauschal so sagen kann. Es ist für einen Vater immer noch ungewöhnlich, alleine die Kinder zu erziehen. Joe trifft im Film allerdings die Entscheidung, die volle Verantwortung zu übernehmen. Er hätte sein Leben ja auch einfach weiterleben können, die Großmutter um Hilfe bitten, und alles wäre für ihn unverändert weitergegangen. Seine Söhne wären trotzdem aufgewachsen, er hätte sie ab und an gesehen, ihnen Geschenke bringen können. Er wählt den schwierigeren Weg.

Ricore: Viele Männer fordern nach der Scheidung das gleiche Recht auf die Kinder. Glauben sie, dass sich durch den Film auch gesellschaftlich etwas ändern kann?

Hicks: Ich hoffe, dass der Film vielleicht eine Diskussion über das wichtige Thema anregt. Es ist ja nicht nur in Deutschland aktuell, die ganze westliche Welt ist davon betroffen. Männern, die von ihren Kindern getrennt werden, durchlaufen einen schwierigen Prozess. Sie müssen für ihre Rechte kämpfen, wollen Teil des Lebens ihrer Kinder bleiben. Ich halte diese Debatte für unglaublich wichtig. Es hat mich beeindruckt, wie viele Männer von dem Film gerührt waren, was sie sicher nicht erwartet hatten. Es ist eher ein Film, in dem Frauen die Initiative ergreifen und ihre Männer mit ins Kino nehmen. Die sind dann positiv überrascht. Sie fühlen sich von der Geschichte angesprochen.
Walt Disney Studios Home Entertainment
Clive Owen in: The Boys Are Back - Zurück ins Leben
Ricore: Wie verlief die Arbeit mit Clive Owen? Ist er eher stur oder fiel es ihnen leicht, mit ihm zu arbeiten?

Hicks: Es war wirklich ein Vergnügen mit ihm zu arbeiten. Wir lernten uns 2004 beim Casting kennen, hatten also genug Zeit uns aufeinander einzustellen. Wir sind das gesamte Script durchgegangen und es hat sich für mich die ganze Zeit so angefühlt, als wären wir beide absolut gleicher Meinung, wie der Film werden sollte. Clive hat eine sehr entspannte Einstellung. Es ist ihm wichtig, sich gut auf seine Rollen vorzubereiten, trotzdem genießt er die Arbeit. Das Gleiche sage ich über die Regie. Wir beide waren einfach ein gutes Paar und kamen hervorragend miteinander aus.

Ricore: Sie sind Australier - gedreht wurde in einer idyllischen Landschaft. Warum haben sie die Hauptrolle nicht mit einem australischen Darsteller besetzt?

Hicks: Klar, es gibt eine Vielzahl guter australischer Schauspieler. Bedingt war die Wahl dadurch, wer gerade was zu tun hat. Das die Wahl dann auf Clive gefallen ist, lag nicht zuletzt daran, dass der Charakter wie Clive ursprünglich aus England kommt. Es war mir wichtig, dass der Charakter das typisch britische in seinem Wesen trägt und sich auch der australischen Kultur anpassen kann. Clive war perfekt.

Ricore: Sind Sie ein Regisseur, der den Schauspielern in ihrer Rolle die Möglichkeit gibt, frei zu spielen, oder ein strenger Anweiser?

Hicks: Ich gebe den Darstellern gerne Raum, lasse sie improvisieren. Das Casting ist für mich hingegen immer sehr schwer. Es geht um die Angst, die richtige Entscheidung zutreffen. Deshalb versuche ich eine Art Umwelt für die Darsteller zu schaffen, an der sie sich orientieren. Ich gebe ihnen so die Möglichkeit zu spielen, wofür ich sie caste. Das bedeutet nicht, dass sie alles zeigen, was sie können. Vielmehr ist es ein Prozess, in dem ich ihnen Ideen gebe, die sie dann frei umsetzen können. Bei Clive war es auch so. Natürlich gab es Momente, in denen wir uns nicht einig waren, einer hat den anderen schließlich überzeugt. Vor allem bei einem Schauspieler wie Clive, muss man als Regisseur klar formulieren, was die Intension ist. Das stört mich auch nicht. Wäre ich nicht in der Lage, zu sagen, was ich meine, dann ist die Idee vielleicht gar nicht so gut.
Walt Disney Studios Motion Pictures
Seltene Unbeschwertheit in: The Boys Are Back - Zurück ins Leben
Ricore: Stimmt es, dass die Geschichte für Clive Owen eine persönliche Bedeutung hat?

Hicks: Da müssten Sie Clive fragen. In meinen Gesprächen mit ihm kam heraus, dass es wohl Idee und Praxis von Vaterschaft waren, die ihn so faszinierten. Er wuchs schließlich selbst ohne Vater auf. Vielleicht liegt es daran. Zudem hat er zwei Töchter, die er absolut bewundert, die einen großen Teil seines Lebens einnehmen. Er hat sicherlich viele persönliche Momente in den Film eingebracht, Gesichtsausdrücke, Gefühle. All das kommt sicher aus seinen eigenen Erfahrungen als Vater. Genauso hat er mir auch oft von Erfahrungen erzählt, die er selbst als Vater gemacht hat. Die habe ich oft in die Geschichte eingearbeitet.

Ricore: Kennen sie den deutschen Film? Gibt es einen Regisseur, den sie bewundern?

Hicks: Natürlich! Mag sein, dass das ein bisschen altmodisch rüberkommt, aber Fassbinder war ein Regisseur, dessen Filme ich mir mit Hingabe angesehen habe. Ich habe auch großartige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Armin Mueller-Stahl gemacht - ein toller deutscher Schauspieler. Von beiden habe ich sehr viel gelernt und in meine eigene Arbeit mit aufgenommen. Armin hat mir zum Beispiel erzählt, dass Fassbinder nie eine Aufnahme zweimal gemacht hat. Das setzte natürlich die Schauspieler unter einen unheimlichen Druck, weil sie wussten, es würde nicht nochmal gedreht. Für alles nur einen Take. Das habe ich zum Teil übernommen, um alle vorhandene Energie aus den Darstellern herauszuholen. Manchmal hat das ganz gut geklappt, zum Beispiel einmal mit Armin. Ich rief nur: Los, Fassbinder, nur eine Aufnahme!" Und Armin hat gespielt. Die Zusammenarbeit mit Armin war unglaublich. Seine Erfahrungen als ostdeutscher Theaterstar, als damalige Stimme der Opposition in Ostdeutschland, falls es überhaupt eine gab, dann seine Ankunft in Westdeutschland, wo er mit Fassbinder zum Filmstar wird und dann sein Weg nach Hollywood, wo er eine dritte Karriere macht. In diesem Kontext ist er wirklich ein beeindruckender Schauspieler. Und in Bezug auf Überraschungen ist Armin auch ein ganz besonderer Mann. Jedes Mal, wenn er seinen Mund öffnet, überrascht er dich. Obwohl im Script eine schreiende, laute Szene beschrieben ist, steht Armin da und flüstert ganz leise. Das war unglaublich beängstigend, aber auch unglaublich gut. Er gehört zu den ganz großen Ausdruckskünstlern.
Walt Disney Studios Home Entertainment
Scott Hicks am Set von: The Boys Are Back - Zurück ins Leben
Ricore: Sie haben schon so viele Preise gewonnen. Wie wichtig ist Ihnen Erfolg?

Hicks: Kein Zweifel, dass jeder von uns den Erfolg genießt. Aber viel wichtiger ist doch, dass man stolz darauf ist, was man getan hat, dass man es liebt. Klar hofft man, dass der eigene Film gut ankommt, dass das Publikum ihn liebt. Dennoch ist es am wichtigsten, sich selbst sagen zu können: "Ich habe das Beste aus dem Film gemacht, was ich konnte." So kann ich dann positiv bleiben, auch wenn die Leute nicht so auf den Film reagieren, wie ich es mir wünsche. Erfolg ist vielmehr nur ein Nebenprodukt von einer Sache die Man tut, weil man sie wirklich liebt. Es war nie mein Ziel ein Filmemacher mit vielen Auszeichnungen zu werden, dass kam halt dabei raus. Ich habe die Filme aus Liebe gemacht. Manchmal bin ich heute ein bisschen besorgt, wenn ich mir junge Filmemacher anschaue. Sie planen oft sensationelle Projekte, nur um damit Preise zu gewinnen. Man sollte den Fokus auf die Arbeit richten, nicht auf den erhofften Erfolg.

Ricore: Haben sie sich mal gefragt, was ohne den Erfolg von "Shine - Der Weg ans Licht" aus Ihnen geworden wäre?

Hicks: Als "Shine" rauskam, hatte ich eine ganz gute Position als Dokumentarfilmer. Ich war sehr erfolgreich, zum Beispiel wurde ich mit einem Emmy ausgezeichnet, oder einem P-Body, was einem Pulitzerpreis gleichkommt. "Shine" hat dann eine andere Tür aufgestoßen. Wäre das nicht passiert, würde ich eben heute noch Dokumentarfilme machen. Durch "Shine" war ich in der Lage, Clive Owen einfach zu fragen, ob er Lust hat, bei meinem neuen Film mit zu machen.

Ricore: Mit welchem Schauspieler würden sie bei ihrem nächsten Projekt gerne zusammen arbeiten?

Hicks: Ich weiß es wirklich nicht. Es gibt so viele tolle Darsteller. Judi Dench finde ich toll, oder Daniel Day-Lewis. In gewisser Weise ist es eine Art gegenseitiger Abhängigkeit. Selbst wenn ich jemanden haben will, er oder sie muss es auch wollen. Das war toll mit Clive. Ich wollte ihn und er wollte mitmachen. Großartig!

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 14. April 2010
Zum Thema
Der 1953 in Ostafrika geborene und aufgewachsene Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Scott Hicks kam eher durch Zufall zum Film. Während seines Studiums an der Shine - Der Weg ans Licht" der Durchbruch. Nach den Dramen "Schnee, der auf Zedern fällt" (1999) und "Hearts in Atlantis" (2001) stellt er auch "The Boys Are Back - Zurück ins Leben" (2010) in den Kontext eine Dramas.
Sportjournalist Joe Warr (Clive Owen) kümmert sich nach dem Krebstod seiner Frau Katy (Laura Fraser) alleine um seinen kleinen Sohn Artie (Nicholas McAnulty). Haushaltsführung und Erziehung unter einen Hut zu bringen, will ihm zunächst gar nicht gelingen. Kann die attraktive Laura (Emma Booth) dem Witwer helfen? Regisseur Scott Hicks liefert eine überzeugende Auseinandersetzung mit einem ernsten Sujet, ohne dass der Humor auf der Strecke bleibt.
2024