ARD Degeto/Barbara Bauriedl
Leonard Lansink in "Gräfliches Roulette"
Wilsberg: "bisschen Krimi, bisschen lustig"
Interview: Leonard Lansink bleibt bürgerlich
Die Karriere von Leonard Lansink beginnt beim Theater. Nach dem Studium an der Essener Folkwangschule hat er Engagements an den Bühnen von Essen, Bochum und Oberhausen. Anfang der neunziger Jahre verlegt sich der Schauspieler seine Karriere ins Fernsehen. Er spielte in mehreren Krimiserien, darunter "Ein Fall für Zwei", "Der Letzte Zeuge" und "Tatort". Zu seinen bekanntesten Figuren gehört jedoch Georg Wilsberg aus der gleichnamigen ZDF-Serie. Mit uns sprach der Schauspieler über den Fernsehfilm "Gräfliches Roulette", über die Rolle des Adels in unserer Zeit und seine anhaltende Passion für den Schauspielberuf.
erschienen am 25. 05. 2010
ARD Degeto/Barbara Bauriedl
Leonard Lansink übt sein Gleichgewicht
Ricore: Herr Lansink, "Grafliches Roulette" spielt in der Welt des Adels. Sind Sie mit jemandem aus dem Adelsgeschlecht bekannt?

Leonard Lansink: Ja, ich kenne einige. Ich war früher Münchner. Hier verkehrte ich öfters in der Schumanns Bar, wo es einen Adelsstammtisch gab. Darüber hinaus kenne ich Frau Gräfin Lambsdorff und den einen oder anderen Adeligen. Aber ich war noch nie auf den Schlössern oder Burgen. Das ist auch nicht mein Ehrgeiz.

Ricore: In "Gräfliches Roulette" lassen Sie sich von Graf Emanuel adoptieren. Würden Sie selbst für einen Adelstitel bezahlen?

Lansink: Nein, das wäre auch unsinnig. Wenn man die Zeit zurückrechnet, stammen eh schon zehn Prozent der deutschen Bevölkerung von Karl dem Großen ab. Nur man weiß nicht, wer alles dazu gehört. Mein Lieblingshobby wäre ja folgende Klage zu führen. Der Adelstitel ist ja Teil des Namens. Wenn nun jemand einen Adel heiratet, sagen wir: Gräfin Lambsdorff, dann müsste der betreffende Mann eigentlich Gräfin Lambsdorff heißen und nicht Graf Lambsdorff. Das fände ich super (lacht).

Ricore: Gräfliches Roulette kommt ein wenig märchenhaft und weltentrückt rüber. Anders als die Krimiserie "Wilsberg", in der Sie den Titelhelden spielen. Hier ist man mit der Wirklichkeit wesentlich stärker konfrontiert. War das eine bewusste Entscheidung von Ihnen, mal etwas Beschwingteres zu spielen?

Lansink: Ja, ich habe das gerne gemacht. Es ist ein tolles Konzept. Der Graf lebt in seinem Barock-Schloss sehr weltentrückt. Und der Proll mit den bunten Hemden will diesen Teil der Welt auch haben. Er denkt, man kann das alles mit Geld kaufen, was natürlich nicht geht. Es ist schon ein sehr märchenhafter Film. Meine Figur ist eine Art männliche Prinzessin. Ein bisschen dick, dafür herzlich.

Ricore: Im Film nehmen die Meiers von Graf Emanuel Unterricht in Sachen royalen Umgangsformen. Ist ihm das gelungen?

Lansink: Ja, durchaus. Zum Schluss haben sie eine Menge gelernt. Ebenso wie übrigens der Graf. Beide sind aufeinander zugekommen.
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Leonard Lansink
Ricore: Halten Sie persönlich solche Verhaltensformen in anderen sozialen Kreisen für ebenso wichtig?

Lansink: Im richtigen Leben hilft es schon. Freundlich, nett und zuvorkommend sein ist schon ganz nett. Etwa in der U-Bahn, im Zug oder im Flugzeug. Aber es gibt Dinge, die ich nicht für so wichtig halte. Ob man beim Essen die Hand unter oder auf dem Tisch hat, finde ich nicht so wichtig.

Ricore: Haben Sie vom Film etwas gelernt, was das angeht?

Lansink: Ja, ich habe gelernt, dass man sich das Sakko zuknöpfen muss, sobald man aufsteht. Außerdem hat Fritz Wepper mir erzählt, dass man ab sechs Beteiligten nicht mehr die Gläser klingen lassen muss. Man prostet sich einfach so zu.

Ricore: In "Gräfliches Roulette" ist die Adelsfamilie verarmt. Wenn man diesen Umstand auf die Realität bezieht. Hat der Adel heute noch eine Daseinsberechtigung?

Lansink: Die Besitztümer der Adeligen, ihre Schlösser, Burgen und Parks, sind für sie heute oft eine Last. Das zu verwalten kostet eine Menge. Das ist die Berechtigung. Es ist ein lebendiges Museum. Aber ihr Titel berechtigt sie nicht dazu, politisch Einfluss zu nehmen. Sie sind keine gesellschaftliche Klasse, sondern einfach nur ein Teil des kulturellen Erbes.

Ricore: Hat der Adel heute nicht eher die Funktion, den Medien als Futter zu dienen?

Lansink: Ich glaube, den Medien fehlt der Stoff. Sie haben wenig über richtige Leute zu schreiben und da suchen sie sich langweiligen Adel, der Polo spielt. Ich persönlich finde das nicht so spannend.

Ricore: Wir leben in einer Welt des schönen Scheins und der Oberflächenreize. Vielleicht ist das der Grund, wieso der Adel heute noch immer so präsent ist.

Lansink: Ja, es ist eine Art Flucht in eine Vergangenheit, die es so nie gab. Zu der Zeit, als der Adel wichtig war, gab es keine Presse. Nun da es die Presse gibt, suchen sie sich Objekte, die sich nicht oder selten wehren und die von außen nett anzuschauen sind. Mich persönlich interessiert Königin Silvia nicht wirklich. Die Schweden soll es interessieren, ich finde es langweilig.
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Leonard Lansink in "Gräfliches Roulette"
Ricore: "Gräfliches Roulette" gibt viel von diesem Glanz wieder. Trotz der Probleme und Konflikte zeichnet der Film eine harmonische Welt. Könnte das den Erfolg von "Gräfliches Roulette" ausmachen?

Lansink: Ich glaube, es ist eher der Gegensatz, der hier zum Vorschein kommt. Eine Chaosfamilie bricht in die Welt des dezenten, schüchternen und weltfremden Grafen hinein. Es prallen quasi zwei Welten aufeinander. Das macht den Charme des Films aus. Die Meiers sind wie Fische in fremden Gewässern.

Ricore: Der Zusammenprall zweier Kulturen ist ein gängiges Motiv in Komödien.

Lansink: Hoffentlich wird das auch sichtbar. Wir sehen nämlich übertrieben bunt aus. Ich kann mich an meinen Lederanzug erinnern mit dem lustigen Gitarrenhemd. Ich hoffe, dass man das auch so sieht. Ich selbst hab das Ergebnis bis jetzt nicht gesehen.

Ricore: Die Charaktere des Films sind sehr plastisch und lebendig. Haben Sie das während der Dreharbeiten auch so empfunden?

Lansink: Ja, mit Fritz, Karin Thaler und Anja Schüte zu spielen ist einfach klasse. Es hat Spaß gemacht, das zu spielen. Auch das Schloss kam uns sehr entgegen. Man konnte sowohl draußen als auch innen filmen. Es war das Schloss Sandizell in Schrobenhausen. Für den Fall, dass Sie das erwähnen möchten. Sie freuen sich über jeden Besuch (lacht).

Ricore: In der Figur Georg Wilsberg steckt viel von Ihnen. Gilt das auch für Otto Meier?

Lansink: Ja, ich konnte ein bisschen in meiner Ruhrgebiets-Vergangenheit rumwühlen. Dabei bin ich auch auf die unangenehmen Eigenschaften gestoßen, die man so im Ruhrgebiet hat. Zum Beispiel mit einem komischen Akzent zu sprechen.

Ricore: Otto Meier spielt leidenschaftlich gerne Golf. Sind Sie Golfer?

Lansink: Nein, ich musste richtig üben, um auch nur einen Abschlag hinzukriegen. Es ist eine schwierige Sportart. Es sieht leicht aus, aber vieles, was leicht aussieht, ist schwer. Es ist jedenfalls nicht reizlos, aber ich glaube dafür wäre ich zu faul. Ich würde wahrscheinlich den ganzen Tag mit dem Elektrowagen rumfahren.
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Leonard Lansink
Ricore: Welche Sportarten betreiben Sie?

Lansink: Ich war mal Handball-Torwart, als ich noch fitter war.

Ricore: Da steht man auch eher rum.

Lansink: Ja, man macht sich ziemlich zum Affen. Und es tut weh, denn die Jungs können schon ziemlich hart werfen. Außerdem bin ich eine Weile geritten. Nur leider bringt es mein Beruf mit sich, dass sich das nicht so richtig lohnt. Ich würde schon reiten können, wenn man mir ein Pferd geben würde. Aber heute macht es einfach keinen Sinn mehr zu reiten, weil ich viel unterwegs bin.

Ricore: Sie üben den Schauspieler-Beruf nun seit einigen Jahren aus. Betrachten Sie die Schauspielerei als Berufung oder als Beruf? Wie ist das Verhältnis zwischen Leidenschaft und Routine nach so vielen Jahren?

Lansink: Ich kann dazu keine allgemeingültigen Aussagen machen. Bei mir ist es so, dass es immer dann gut ist, wenn man es macht. Die Augenblicke, wo es stattfindet, in denen man spielt, sind prima. Es macht immer noch Spaß. Daran hat sich nichts geändert, man teilt sich den Beruf nur ein bisschen vernünftiger ein als früher.

Ricore: Sind sie selbstkritisch, wenn Sie mit ihrer Arbeit konfrontiert werden?

Lansink: Ja, sehr. Ich gefalle mir immer nur sekundenweise. Es gibt immer Augenblicke, wo ich denke: Ja, das war ganz gut. Und dann gibt es Momente, wo ich kritischer bin. Oft erkennt man verpasste Gelegenheiten, wenn man sich das Ergebnis anschaut und merkt, was man hätte besser machen können. Ich sehe schon genau hin, aber ich gefalle mir nicht generell. Ich bin kein Fan von mir.
ZDF/Thomas Kost
Leonard Lansink in "Wilsberg - Das Jubiläum"
Ricore: Während Sie sich zuschauen, lernen Sie noch dazu, oder geht der Beruf mittlerweile wie aus dem FF.

Lansink: Nein, ich lerne schon dazu. Ich sehe mir die Arbeit an und bemühe mich, Fehler zu vermeiden. Ich bin ein bisschen bieder und manchmal fehlt mir der Mut. Ich stelle immer wieder fest, dass man manchmal etwas mutiger an die Sache herangehen gehen sollte. Aber letzten Endes ist Filme machen auch Teamarbeit. Das heißt, es gibt einen vorgeschriebenen Rahmen, innerhalb dessen die Arbeit stattfindet, so dass man sich nicht ganz verausgaben muss.

Ricore: Wenn Sie mit einem erfahrenen Schauspieler wie Fritz Wepper zusammenarbeiten, ist das ein Prozess des Gebens und Nehmens?

Lansink: Ja, so ist es. Es war großartig, mit Fritz zu spielen. Er war ein sehr lebendiges Gegenüber. Je besser die Kollegen sind, mit denen man spielt, desto leichter fällt es einem selber zu arbeiten. Die Künstlichkeit ist weg, es wird lebendig. Schauspielerei ist wie Ballett. Man muss aufeinander eingespielt sein - genau wissen, wer wann welchen Satz sagt. Das sind alles Verabredungen.

Ricore: Liegt Ihnen Komödien oder spielen Sie lieber ernstere Charaktere?

Lansink: Mir machen die Mischformen Spaß. "Wilsberg" liegt mir, weil es so eine Mischform ist. Ein bisschen Krimi, ein bisschen lustig. Aber richtige Komödien - ich weiß nicht, ob sie mir liegen. Wenn das Drehbuch komisch ist, dann kann ich es auch komisch spielen. Aber ich bin nicht wie Heinrich Schafmeister, der nur zur Tür reinkommen braucht, um schon lustig zu sein. Solche Kollegen gibt es, aber ich gehöre nicht dazu.

Ricore: Komödien werden oft unterschätzt, weil man glaubt, dass man in diesem Genre die Charaktere nicht tief genug ausloten kann. Empfinden Sie das auch so?

Lansink: Nein, gar nicht. Komödien leben davon, dass es darin Menschen gibt, die eine bestimmte Fallhöhe haben. Dadurch haben sie auch eine gewisse Tiefe. Sie müssen ihr Dasein irgendwie erklären und die Leute müssen auf irgendwas warten. Bei Komödien gibt es ein Kriterium: Entweder die Leute lachen, dann ist es eine Komödie. Oder sie lachen nicht, dann ist es keine Komödie.
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Szene aus "Gräfliches Roulette"
Ricore: Abgesehen von "Wilsberg", was sind Ihre nächsten Projekte?

Lansink: Zunächst einmal bin ich im Frühling und im Herbst mit jeweils zwei Folgen von "Wilsberg" beschäftigt. Im Sommer habe ich Zeit, aber ich hätte auch nichts dagegen, den ganzen Sommer rumzusitzen und mir die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Berlin ist im Sommer ja auch ganz schön, da kann man auch mal gut einen Monat frei haben. Ab Dezember 2011 mache ich mit Heinrich Schafmeister Theater, und zwar das Stück "The Odd Couple" von Neil Simon, das schon mit Walter Matthau und Jack Lemmon verfilmt wurde. Eigentlich ist mein Jahr voll.

Ricore: Sie sind also auch weiter regelmäßig auf der Bühne?

Lansink: Regelmäßig nicht, aber ich fange wieder an. Mal sehen, was daraus wird. Ich bin auch gespannt. Das Stück ist aber so gut, dass selbst wir das nicht versauen können (lächelt).

Ricore: Am Anfang ihrer Theaterkarriere führten Sie auch Regie.

Lansink: Ja, so fing das an. Ich habe mal den "Urfaust" inszeniert. Das fiel mir damals ganz leicht. Ich kann gut dasitzen und zugucken. Das ist das Schlimme: Ich sehe mehr, als ich selber machen kann. Das ist so eine dämliche Eigenschaft, die man nicht los wird. Oder besser gesagt, ich müsste mehr Talent haben, dann wäre es vielleicht angenehmer. Aus diesem Grund bin ich auch ganz glücklich ohne Regie.

Ricore: Herr Lansink, vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Mai 2010
Zum Thema
Der vornehme Graf Emanuel (Fritz Wepper) ist pleite. Um seine finanzielle Situation aufzubessern, adoptiert er die wohlhabende Familie Meier. Diese erhoffen sich durch die Adoption die ersehnte Aufnahme in der High-Society. Zwei Welten prallen aufeinander, doch allmählich finden die unterschiedlichen Charaktere zusammen. Als Otto Meier (Leonard Lansink) durch eine Fehlspekulation sein Vermögen verliert, muss ein neuer Plan her, um den Verlust des gräflichen Anwesens abzuwenden. Temporeiche..
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