Universal Pictures International (UPI)
Anja Kling
Zurück im Internat
Interview: Anja Kling mit viel Elan
Sitzt man Anja Kling gegenüber, fällt einem sofort ihr jugendlicher Elan auf. Von Selbstzweifeln ist keine Spur zu erkennen. Kaum zu glauben, dass sie früher mit Selbstzweifeln zu kämpfen hatte. Im Gespräch verrät uns die 40-jährige Schwester von Kollegin Gerit Kling, wie sie ihre Unsicherheit überwunden hat. Zudem berichtet die Schauspielerin anlässlich ihres aktuellen Kinofilmes "Hanni & Nanni" von ihrer eigenen Kindheit im Internat, schief gegangenen Partys und den Tücken des Älterwerdens.
erschienen am 15. 06. 2010
Universal Pictures International (UPI)
Anja Kling bei der Premiere von "Hanni & Nanni" in München
Ricore: Haben Sie den Eurovision Song Contest gesehen?

Anja Kling: Ja, ich war auf einer Party und habe gegen halb elf eingeschaltet. In dem Moment wurde gerade Lena angesagt.

Ricore: Das Konzept von Stefan Raab ist voll aufgegangen.

Kling: Ja, er hat das Ganze entstaubt. Der Mann kann wirklich was. Ich wollte jedoch nie in seine Sendung, weil ich immer ein bisschen Angst vor ihm habe. [lacht]

Ricore: Hat er Sie mal eingeladen?

Kling: Er hat mich mal privat gefragt. Er ist übrigens sehr nett. Als ich sagte, ich hätte Angst, zu ihm ihn die Sendung zu kommen, meinte er nur: 'Neeein.' [lacht]

Ricore: Sie waren ja auch sehr jung, als Ihre Karriere mit "Grüne Hochzeit" losging.

Kling: Das stimmt, aber da herrschte nicht so ein Hype wie jetzt bei Lena. Bei so einem jungen Mädchen habe ich immer etwas Angst. Die ist ja innerhalb von vier Wochen an die absolute Spitze geschossen. Das kann definitiv nicht so bleiben. Da hat man Angst, dass sie irgendwann in ein Loch fällt. Aber ich glaube, sie ist sehr tough und mit sich selbst zufrieden. Und sie kann ja auch gut singen, also wird sie sich hoffentlich halten können.
Universal Pictures (UPI)
Hanni & Nanni
Ricore: Waren Sie damals auch tough?

Kling: Nein, ich war ganz schüchtern. Deshalb wollte ich auch nicht in dem Beruf bleiben. Ich habe "Grüne Hochzeit" gedreht und dachte mir, es sei eine schöne Erfahrung, die man aber nicht zum Beruf machen müsste. Anschließend habe ich viele Jahre herum probiert, bis ich mich schließlich doch für den Beruf entschieden habe. Aber da musste ich erst ein bisschen tougher werden.

Ricore: Wie wird man tougher?

Kling: Ich glaube, das das bei mir durch tolle Kollegen funktioniert hat. Die haben mich an die Hand genommen und gesagt, dass ich mich trauen soll. Im Laufe der Zeit kam das durch learning by doing - ganz klassisch. Wenn man das öfter macht, stellt man fest, dass die Kollegen auch nur mit Wasser kochen und dass man nicht perfekt geboren sein muss. Bei mir kam dazu, dass ich durch die Geburt meiner Kinder sehr viel selbstsicherer geworden bin. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber da ist wirklich was dran. Vorher dachte ich immer darüber nach, was man tun muss, um gemocht und geliebt zu werden. Wenn man Kinder hat, erfährt man bedingungslose Liebe. Denen ist völlig Wurst, was ich drehe oder wie ich morgens aussehe. Die finden mich toll, weil ich die Mama bin. [lacht]

Ricore: Hat das damit zu tun, Verantwortung zu übernehmen?

Kling: Ja, aber in erster Linie war es nicht einfach die Verantwortung, die man übernimmt, sondern mit sich selbst im Reinen zu sein. Vorher habe ich immer an mir rumgemeckert, den ganzen Tag. Ich dachte, ich bluffe und irgendwann kommt raus, dass ich das gar nicht kann. Das hat sich im Laufe der Jahre verändert, nicht nur, aber auch durch meine Kinder.

Ricore: Die beiden Hauptdarstellerinnen aus "Hanni & Nanni" sind noch jünger, als sie damals. Haben Sie sich um die beiden Sorgen gemacht?

Kling: Nun ja, man muss jetzt auf sie aufpassen. Beim Dreh sind sie ja nicht wie Superstars behandelt worden. Doch wenn der Film jetzt anläuft und erfolgreich werden sollte, muss man schon aufpassen, dass sie auf dem Teppich bleiben, wie meine Mutter sagen würde. Sie sollten auch weiterhin zur Schule gehen und Normalität erfahren.
Ralf Hake/Ricore Text
Anja Kling in München auf dem roten Teppich
Ricore: Sie selbst waren auf einem Internat. Wie war das für Sie?

Kling: Das ist schon toll, wobei das bei mir schon wahnsinnig lange her ist. Ich glaube, mit jedem Jahr, das vergeht, wird meine Internatszeit schöner. Wenn ich ehrlich bin, fand ich es die ersten drei Wochen furchtbar. Alles war neu und auf einmal muss man sich ein Zimmer mit Mädchen teilen, die man nicht kennt. Am Anfang glaubt man, die werden nie zu Freundinnen. Ich habe jeden Tag zu Hause angerufen und ins Telefon geschrien, dass ich viel zu früh aus dem Haus gegangen sei und einen bleibenden Schaden davon tragen würde. [lacht] Nach drei Wochen fand ich es plötzlich besser, nach drei Monaten fand ich es toll und nach einem Jahr dachte ich, ich will nie wieder weg. Dabei war mein Internat äußerlich betrachtet alles andere als schön. Es war kein Schloss, sondern ein vierstöckiger, hässlicher Neubau in einer Betonwüste. Aber der Inhalt war toll. In der untersten Etage waren die Kunststudenten, dann kamen Artisten und Ballettschüler. Ich selbst gehörte damals zum Ballett. Im dritten Stock waren die Schauspieler und oben die Musikstudenten. Da war natürlich immer was geboten, es herrschte Remmidemmi. Es gab sogenannte offene Clubräume. Abends ging man immer durch das Internat und guckte, wo gerade was los war. Wir haben da wirklich tolle Partys gefeiert.

Ricore: Das klingt nach einem sehr künstlerischen und freigeistigen Internat.

Kling: Wir hatten auch normalen Unterricht. Ich war damals 16. Mathematik hatte ich nicht mehr, aber Ästhetik, Theater- und Kunstgeschichte und Russisch.

Ricore: Sind Sie mit "Hanni & Nanni" groß geworden?

Kling: Nein, gar nicht. Ich habe davon zum ersten Mal durch das Drehbuch gehört. Im Osten kannte man das nicht.
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Anja Kling in "Hanni & Nanni"
Ricore: Wollten Sie damals freiwillig ins Internat?

Kling: Ja, das war meine freie Entscheidung. Das lag daran, dass ich mit 16 Tänzerin werden wollte, was nur an der staatlichen Ballettschule in Berlin möglich war. Da Berlin damals durch die Mauer wahnsinnig weit weg von Potsdam war, musste ich ins Internat. Das fand mein Vater total blöd. Aber ich wollte das, obwohl ich dann geheult habe, wie schlimm es sei.

Ricore: War Ihre Schwester Gerit auch im Internat?

Kling: Meine Schwester war zu dem Zeitpunkt schon in Berlin. Da sie Schauspielstudentin war, hat sie im selben Internat gewohnt. Doch sie ist in dem Jahr ausgezogen, in dem ich eingezogen bin. Sie kannte sich dort aus. Sie hat sich meinen Koffer geschnappt, ist in das Zimmer rein und hat mir sofort das Einzelbett reserviert. Sie sagte, ich würde es ihr danken, wenn ich ein paar Wochen da wäre und nicht immer jemand unter mir oder über mir schlafe.

Ricore: Gab es Situationen, in der Sie und Ihre Schwester fest zusammengehalten haben?

Kling: Die gibt es heute noch. Wir wohnen zusammen, wo gibt es das schon? Wir sind keine Zwillinge, sondern fünf Jahre auseinander. Trotzdem haben wir anscheinend so ein komisches Zwillings-Gen. Man sagt ja bei Zwillingen, dass die eine spürt, wenn es der anderen nicht gut geht und dass man weiß, was die andere denkt. Das haben wir auch, obwohl wir keine Zwillinge sind. Bei allem Mist, den wir auch mal zusammen erleben und trotz Streit und Heulerei, haben wir ein sehr enges Verhältnis zueinander.

Ricore: Wohnen Sie alle in einem großen Haus?

Kling: Wir wohnen in einem Zweifamilienhaus, ich mit meiner Familie und sie mit ihrer Familie. Ich bin oben und sie unten.
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Anja Kling in "Hanni & Nanni"
Ricore: Haben Sie wie Hanni und Nanni eine Mitternachtsparty im Internat gefeiert?

Kling: Das haben wir zu Hause gemacht. Eine heimliche Party muss jeder mal in seiner Kindheit machen und auch dabei erwischt werden. Meine Eltern kamen früher als geplant zurück und haben uns das ganze Haus putzen lassen. Das war schlimm.

Ricore: Warum war das schlimm?

Kling: Nun ja, es gab Alkohol und Zigaretten, was im Hause meiner Eltern extrem verboten war. Auf der Party haben alle wie die Wahnsinnigen geraucht. Wir dachten einfach, wir lüften bis zum nächsten Tag und dann ist alles gut [lacht]. Aber die haben beschlossen, doch nicht im Hotel zu schlafen, sondern nach Hause zu kommen, was man als Eltern wirklich nicht machen sollte. Ich werde das meinen Kindern nicht antun. Ich werde vorher anrufen, damit die noch eine Stunde Zeit haben [lacht]. Meine Eltern waren einfach wieder da und wir mussten die Gäste aus der Hintertür rausschmeißen. Meine Schwester hat sämtliche Flaschen in einen Schrank und ich die Kippen in einen Papierkorb geschmissen. Es stank überall und meine Eltern waren entsetzt, wobei sie cool reagiert und nicht rumgemeckert haben. Sie schauten sich um, dann rümpfte meine Mutter die Nase und sagte: 'Okay, wir schlafen doch nicht hier.'

Ricore: Wie alt waren Sie da?

Kling: Ich war 14 oder 15 und meine Schwester 19. Meine Eltern sagten dann, dass sie bei Freunden schlafen würden. Sie sagten das sehr ernst und traurig. Enttäuschung ist bei Eltern ja viel schlimmer als Geschrei. Man kriegt dadurch ein total schlechtes Gewissen. Sie sagten: 'Wir sind am nächsten Tag um sechs wieder da und dann blitzt das Haus.' Also haben wir von zwölf Uhr nachts bis etwa drei Uhr morgens das Haus geschrubbt. Meine Eltern haben aber schön ausgeschlafen und sind erst irgendwann gegen Mittag gekommen. Das war dann die Rache [lacht]. Und wir haben es nie wieder gemacht.

Ricore: Wie ist das bei Ihnen, sind Sie eine strenge Mutter?

Kling: Ich glaube schon, dass ich sehr konsequent bin. Bestimmte Regeln müssen bei mir eingehalten werden. Von der ganz antiautoritären Erziehung halte ich gar nichts, wenn die Kinder alles machen können, was sie wollen, gar keine Grenzen kennen und sich nicht benehmen können. Ich möchte mit meinen Kindern irgendwohin gehen können und mich nicht schämen müssen, weil sie nicht 'Guten Tag' sagen und Dinge anfassen, die ihnen nicht gehören. Letztendlich macht man es intuitiv so, wie man es zu Hause erfahren hat. Entscheidend ist, wie man es vorlebt. Wenn ich zum Beispiel selbst immer mit beiden Ellbogen beim Essen sitze und schmatze, kann ich meinen Kindern keine Tischmanieren beibringen. Das ist bei vielen Dingen so.
Constantin Film
Anja Kling (Premiere "Männersache")
Ricore: Welche Erfahrungen haben Sie während Ihrer Internatszeit gemacht, die ihnen heute nützlich sind?

Kling: In der Ballettschule war es die Disziplin. Was wir da erlebt haben, war schon ziemlich militant. Das ist heute nicht mehr so streng, aber zu DDR-Zeiten war das wirklich eine ganz harte und strenge Ausbildung. Wenn ich irgendwo Disziplin gelernt habe, dann dort. Ansonsten habe ich aus der Internatszeit etwas über Toleranz gelernt, dass man nicht immer nur auf sich sieht, sondern auch die Leute links und rechts von sich beachtet. Das Wort klingt immer ein bisschen sozialistisch, aber es ist ein ganz schönes Wort: Solidarität. Die lernt man dort.

Ricore: Hat sich Ihre Tochter gefreut, dass Sie in "Hanni & Nanni" dabei sind?

Kling: Meine Tochter wird sechs. Sie liest noch nicht selbst und da ich es nicht kannte, habe ich es ihr nie vorgelesen. Die kann damit gar nichts anfangen. Sie kann sich aber jetzt den Film angucken und wenn sie selber lesen kann, kriegt sie die Bücher.

Ricore: Und Ihr Sohn?

Kling: Na, der ist ein richtiger Junge. Er guckt zwar den Film, aber auch nur weil Mama mitspielt.

Ricore: Wie reagieren Ihre Kinder, wenn sie Sie auf der Leinwand oder im Fernsehen sehen?

Kling: Ganz lange konnten wir das praktisch geheim halten. Ich bin immer ganz erstaunt, wenn ich in den Kindergarten gehe. Meine Kinder liegen um acht im Bett und gucken die Filme gar nicht. Die Kinderfilme schauen sie schon, aber die für Erwachsene nicht. Daher denken sie wahrscheinlich auch, dass ich nur Kinderfilme mache [lacht]. Im Kindergarten staune ich dann, wenn lauter Fünf- und Sechsjährige auf mich zukommen und sagen: 'Wir haben dich gestern gesehen.' Dann guckt meine Tochter mich immer an und fragt sich: 'Warum haben die denn meine Mutter gestern Abend gesehen? Die war doch bei mir.' Mit sechs und neun fangen meine Kinder langsam an zu registrieren, welchen Beruf ich habe. Mein Sohn ist neuerdings ganz stolz, wenn jemand ein Autogramm haben will. Meine Tochter stört es eher. Sie denkt: 'Das ist doch Mama, was wollen die Leute von ihr?' Aber das ist zu Hause kein Thema. Und mein Freundeskreis besteht aus lauter Nicht-Schauspielern.

Ricore: Wie finden Ihre Kinder die Filme, die Sie von Ihnen gesehen haben?

Kling: Die finden sie toll. Es sind ja auch schöne Filme. "Es ist ein Elch entsprungen" finden sie super. Komischerweise ist meine Synchronisation von "Anastasia" ein bisschen nach hinten losgegangen. Das fanden sie ganz seltsam, da Anastasia plötzlich keine eigene Stimme mehr hatte. Ich sollte auch mal im Kindergarten über meinen Beruf reden und sprach über diesen Film. Die Kinder waren total enttäuscht, weil sie dachten: 'Ach so, das ist ein normaler Mensch und auch noch die Mutter.' [lacht] Und ich dachte: 'Scheiße, daran hatte ich nicht gedacht.' Ich versuchte dann zurück zu rudern und sagte, dass wir ja nur so tun, doch ich konnte nichts mehr retten. Bei meinen Kindern war das ähnlich. Doch auf die Filme sind sie jetzt schon stolz.
Ralf Hake/Ricore Text
Anja Kling in München auf dem roten Teppich
Ricore: Sie sind dieses Jahr 40 geworden.

Kling: Sie sind ganz gemein. [lacht]

Ricore: Wie war der runde Geburtstag für Sie?

Kling: Ich kann damit locker umgehen und habe nicht eine Sekunde in mein Kissen geweint. Stattdessen habe ich eine große Party gefeiert. Wobei ich bei meinem 30. Geburtstag dachte: 'Ja, endlich dreißig!' Dieses Mal dachte ich mir nicht: 'Ja, endlich vierzig!' [lacht] Aber es ist auch nicht so schlimm. Mein Trost ist, dass meine Freunde alle brav mitaltern. Ich war gestern kurz auf einer Party, auf der mein bester Freund war, den ich seit 40 Jahren kenne. Er hat seine Geburtstagsparty mit sieben Kumpels nachgeholt, die alle in diesem Jahr 40 geworden sind. Und da waren wir dann zusammen mit unseren 40 Jahren und ich fand uns alle ziemlich großartig.

Ricore: Clint Eastwood wird jetzt 80 und ist immer noch großartig...

Kling: Ja, es gibt auch viele Beispiele von Frauen, die toll gealtert sind.

Ricore: Zum Beispiel?

Kling: Senta Berger, um hier bei uns zu bleiben und vor allem bei denen, die nicht bereits drei Mal unterm Messer lagen - ohne das zu verurteilen.

Ricore: Gibt es denn Dinge, die Sie bisher noch nicht gemacht haben und noch unbedingt nachholen wollen?

Kling: Nein, gar nicht. Man weiß, wie schwierig es für viele Schauspielerinnen ab diesem Alter werden kann und wie plötzlich die Angebote weniger werden. Wenn ich mich also weiterhin halten, qualitativ immer noch ein wenig verbessern kann und mit tollen, neuen Regisseuren und Schauspielern arbeiten darf, bin ich sehr zufrieden.
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Anja Kling mit ihren Filmtöchtern Jana Münster, Sophia Münster
Ricore: Wie hat sich das Muttersein auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Kling: Wie ich vorhin schon sagte, bin ich dadurch selbstsicherer geworden. Mich treffen die Dinge nicht mehr so tief. Das liegt auch daran, dass ich nach Hause komme und gar keine Zeit habe, in irgendein Loch zu fallen. Ich bin auch selbstkritischer geworden. Ich habe durchaus Filme gemacht, die nicht so toll sind. Das lässt mich aber nicht mehr in ein so tiefes Loch fallen. Bevor ich die Kinder hatte, kam ich oft nach Hause und dachte, ich könnte ohne das Filmteam gar nicht existieren, mit dem ich gerade fünf Wochen zusammen war. Man arbeitet in der Zeit sehr intensiv zusammen. Doch jetzt komme ich zurück und bin sofort wieder im Alltag. Man hat einfach keine Zeit mehr, sich ewig in irgendwelche künstlerischen Löcher fallen zu lassen und das tut mir gut. Das genieße ich auch sehr.

Ricore: Da wir ja gerade vom Altern gesprochen haben. Wie stehen Sie zu Schönheitsoperationen?

Kling: Bislang habe ich nichts machen lassen müssen. Aber ich möchte das gar nicht verurteilen. Es heißt ja immer, man dürfe sein Gesicht nicht verändern, doch ich glaube, es kommt aufs Maß an. Ein Voll-Facelifting, bei dem man hinterher sein eigenes Gesicht nicht mehr erkennen kann, mag ich persönlich nicht. Doch das muss jeder für sich entscheiden. Sollten aber eines Tages meine Augenlieder so hängen, dass ich die Augen kaum noch auf kriege, fände ich es gar nicht schlimm, etwas dagegen machen zu lassen.

Ricore: Wie Sie vorhin sagten, bleiben bei vielen Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter die Rollenangebote aus. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Kling: Offensichtlich hat man das Gefühl, dass schöne Menschen vor schönem Hintergrund mehr Zuspruch bekommen und für höhere Einschaltquoten sorgen. Wenn man es geschafft hat, als Charakterdarsteller angesehen zu werden, hat man es ein bisschen leichter. Doch wenn man viele Sachen gemacht hat, bei denen es darauf ankommt, jung und frisch zu sein, steht man eines Tages dann da.

Ricore: Verspüren Sie auch Angst, dass die interessanten Rollen eines Tages ausbleiben könnten?

Kling: Zum Glück noch nicht, doch wer weiß, was nächstes Jahr ist. Im Moment geht es mir super, auch mit 40. Aber ich weiß nicht, ob das mit 50 immer noch so ist.

Ricore: Glauben Sie, dass sich diese Situation für Schauspielerinnen verändern wird?

Kling: Es bleibt ein Problem. Ich sehe das ja in meiner Branche. Ab einem gewissen Alter wird es für die Frauen schwerer. Wie viele 50- oder 60-jährige Schauspielerinnen können wir aufzählen, die gut zu tun haben? Vielleicht zehn, fünfzehn? Und der Rest? Wo sind die anderen? Es gab doch sehr viel mehr. Es ist wirklich schwierig, wenn man als junge Frau anspruchsvolle Rollen gespielt hat und plötzlich um drei Drehtage betteln muss. Der Beruf ist wirklich nur so lange schön, solange man gut zu tun hat.

Ricore: Was wäre denn eine berufliche Alternative für Sie?

Kling: Ich wollte immer Medizin studieren und ich bereue es bis heute, dass ich es nicht gemacht habe. Wenn meine Kinder älter sind, setze ich mich vielleicht doch noch mal auf die Schulbank. Ich wäre gerne Ärztin geworden. Doch nach dem ersten Film dachte ich, ich müsste unbedingt weiter etwas mit dem Medium zu tun haben, wenn auch nicht vor der Kamera. Also habe ich mit dem Studium der Filmwissenschaft, Publizistik und Musikwissenschaft angefangen, nur um dann festzustellen, dass ich das doch nicht machen will.

Ricore: Wie halten Sie sich körperlich fit?

Kling: Nachdem ich viele Jahre gar keinen Sport gemacht habe, dachte ich mir, dass es so nicht weitergeht. Das Problem ist, dass ich nie einen Sport gefunden habe, der mir wirklich Spaß gemacht hat. Ich war immer relativ schnell passives Mitglied in einem Fitnessstudio. Jetzt habe ich aber einen Sport gefunden, nach dem ich lechze und zwar Tennis. Mein Sohn hat mit fünf damit angefangen und ich dachte mir immer wie toll das ist. Für mich hat das etwas Meditatives. Ich bin danach nicht nur durchgeschwitzt und konditionell fertig, sondern starre eine Stunde auf diesen kleinen, gelben Ball und denke an nichts anderes. Ich bin dann ganz weit weg von jedem anderen Problem. Außerdem mache ich Pilates. Das macht keinen Spaß.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 15. Juni 2010
Zum Thema
Anja Kling spielt ihre erste Hauptrolle in "Grüne Hochzeit" noch vor ihrem Abitur und ohne Schauspielausbildung. Diese holt sie jedoch direkt nach Schulabschluss an der Tödliche Wahl". 2004 überzeugt sie in Michael 'Bully' Herbigs Komödie "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1" auch das Kinopublikum. Die Schauspielerin lebt mit Mann, zwei Kindern, der Familie ihrer Schwester Gerit Kling sowie ihren Eltern in einem Mehrgenerationenhaus.
Hanni & Nanni (Kinofilm)
Nach dem Schulverweis werden Hanni (Sophia Münster) und Nanni (Jana Münster) von ihren Eltern aufs Internat geschickt. Dort finden sich die Zwillinge nur schwer zurecht. Das gilt vor allem für die hitzköpfige Hanni, die immer wieder Streit mit anderen Schülerinnen hat. Als die Schulmeisterschaft im Hockey bevorsteht, müssen die Mädchen jedoch wohl oder übel an einem Strang ziehen. Mit "Hanni & Nanni" ist Christine Hartmann ein Kinderfilm mit einer klaren Botschaft gelungen: Finde heraus, was..
2024