Rodene Ronquillo
Duncan Jones
Man on the Moon
Interview: Duncan Jones' Zukunftsvision
Duncan Jones ist der Sohn der Pop-Legende David Bowie. Während dieser bereits in zahlreichen Kino-Rollen zu sehen war, zieht Jones die Arbeit hinter der Kamera vor. In seinem gelungenen Regiedebüt "Moon" schickt er Sam Rockwell auf eine Mond-Mission, die dessen Leben für immer verändert. Im Gespräch erzählt uns der Science-Fiction-Fan über die Entstehung seines preisgekrönten Spielfilmdebüts. Zudem spricht Jones über die Beziehung zu seinem Vater und wirft mit uns einen Blick in die Zukunft.
erschienen am 19. 07. 2010
Koch Media
Moon
Ricore: Wie sind Sie auf die Idee zu "Moon" gekommen?

Duncan Jones: Das war merkwürdig, als ob ich ein Puzzle zusammenstellen würde. Ich traf mich mit Sam Rockwell, um mit ihm über einen anderen Film zu reden. Aber es wurde schnell klar, dass dieser zu aufwendig für ein Regiedebüt werden würde. Zudem wollte ich, dass Sam einen Bösewicht spielt und er hatte genug davon, Schurken darzustellen. Doch wir kamen sehr gut miteinander klar und er mochte das Drehbuch. Er wollte mit mir arbeiten und ich mit ihm. Also sprachen wir über die Filme, die wir beide mögen. Wir sind beide an Science-Fiction interessiert, insbesondere an die aus den späten 1970er, frühen 1980er Jahren. Filme, wie Ridley Scotts "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt", "Outland - Planet der Verdammten" und "Lautlos im Weltraum". Was er an diesen Filmen mochte, war, dass es darin um Arbeiter im All ging, statt um traditionelle Heldentypen. Also fragte ich ihn, ob er ein Drehbuch, das diese Ära widerspiegelt, lesen würde und er stimmte zu. Neun Monate später gab ich ihm mein Drehbuch und kurz darauf drehten wir "Moon".

Ricore: Was reizte Sie als Geschichtenerzähler am Mond?

Jones: In diesem Fall hielt ich ihn für eine interessante Kulisse für einen Science-Fiction. Ich wollte einen glaubwürdigen Film machen. Es gibt die Unterscheidung zwischen softer und harter Science-Fiction. Die softe ist phantastischer, wohingegen die harte realistischer ist und sich auf wissenschaftliche Ideen stützt. So sollte auch "Moon" sein. Die Geschichte auf dem Mond spielen zu lassen, sollte das Ganze greifbarer machen. Der Mond ist uns sehr nahe, so dass jeder damit etwas anfangen kann. Man sieht ihn und fragt sich, wie es dort wohl ist. Zudem hat der Mond etwas Romantisches an sich. Gleichzeitig gibt es die Isolation auf der dunklen Seite des Mondes. Diese Dinge passten für mich gut zusammen. In praktischer Hinsicht war es naheliegend. Ich hatte ein Buch namens "Entering Space" gelesen, in dem es um den Abbau von Helium-3 geht. Hier auf der Erde ist es selten, doch auf der Mondoberfläche gibt es reichlich davon.

Ricore: Wie schwierig war es für Sie, die Geschichte zu schreiben?

Jones: Es fügte sich alles unglaublich schnell zusammen. Nachdem ich mich mit Sam getroffen hatte, dauerte es etwa zwei Monate, bis ich die Geschichte ausgearbeitet hatte. Zum Teil hat mich "Entering Space" inspiriert. Zudem brachte ich eigene Erfahrungen ein. Bevor ich zurück nach London auf die Filmschule ging, besuchte ich drei Jahre lang die Hochschule in Nashville, Tennessee und fühlte mich dort sehr isoliert. Mein Produzent und ich wussten durch unsere Erfahrungen bei Werbefilmen und durch unsere Kontakte, dass wir etwa fünf Millionen Dollar zusammenkriegen würden, um unsere Vorstellungen zu verwirklichen. Also stand zunächst das Budget fest, was eher ungewöhnlich ist. Von dem Punkt aus überlegten wir uns, was wir mit dem Geld erreichen konnten.
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Duncan Jones
Ricore: Was machte Sam Rockwell zur richtigen Wahl für die Hauptrolle?

Jones: Er war nicht nur die richtige Wahl, sondern die einzige. Ich habe den Film für ihn geschrieben. Ansonsten hatte ich niemand anderen in Betracht gezogen. Wobei, nein, das gab es eine kurze Phase, nachdem das Drehbuch fertig war, während der wir bereits an den Sets arbeiteten, aber noch nicht wussten, ob Sam mitmachen würde. Während der Zeit wurden wir etwas nervös und schauten uns nach anderen Darstellern um. Aber für mich war die Rolle immer für Sam gedacht.

Ricore: Wie spiegelt die Story von "Moon" unsere Gesellschaft?

Jones: Ich denke, der Film reflektiert weniger die Gesellschaft, als vielmehr die menschliche Natur. Denn der Großteil unserer Geschichte spielt in der isolierten Mondstation. Es gibt nur wenige Hinweise darauf, wie die gesellschaftliche Situation ist. Der Film beschäftigt sich damit, wie Firmen ihre Angestellten behandeln. Zudem geht es darum, ohne zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, wie es für einen Menschen ist, mit sich selbst konfrontiert zu werden. Die beiden Sams betrachten sich selbst aus verschiedenen Perspektiven. Der eine ist schon seit drei Jahren auf dem Mond, während der andere glaubt, gerade angekommen zu sein. Diese Perspektiven wurden ebenfalls durch meine persönlichen Erfahrungen beeinflusst. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn ich in der jetzigen Phase meines Lebens meinem 20-jährigen Ich begegnen würde. Ich denke, dass das für jeden ein interessantes Gedankenexperiment ist. Würde man mit seinem eigenen Ich aus einer anderen Phase seines Lebens zurecht kommen?

Ricore: Würden Sie mit sich selbst zurechtkommen?

Jones: Mit Mitte 20 kam ich mir ziemlich verloren vor und war frustriert. Mein jetziges Ich hätte es wohl schwer, mein jüngeres Ich zu beruhigen und ihn davon zu überzeugen, dass alles gut werden wird. Das Leben findet einen Weg, das ist eine Zeile aus "Jurassic Park" [lacht]. Man findet zu sich selbst und findet heraus, was man im Leben machen will. Manchmal dauert es länger, als man glaubt. Doch man muss das etwas gelassener sehen. Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch, als der frustrierte 20-Jährige von damals.
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Sam Rockwell in "Moon"
Ricore: Ihr Film übt auf clevere Weise Kritik am Kapitalismus. Wie beurteilen Sie unsere kapitalistische Gesellschaft?

Jones: Das ist eine schwierige Frage, denn ich bin absolut kein Anti-Kapitalist. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Menschen einen verdienten Lohn für ihre Arbeit bekommen. In der Hinsicht kann ich unsere kapitalistische Gesellschaft akzeptieren und gut verstehen. Der Film sagt etwas über unsere Unternehmenskultur aus. Je weiter der Angestellte entfernt ist, desto weniger muss man sich mit ihm auseinandersetzen, so dass man die menschliche Perspektive aus den Augen verliert. Wenn man Angestellte in verschiedenen Ländern hat und man nicht täglich mit ihnen zu tun hat, betrachtet man sie nicht mehr als menschliche Wesen. "Moon" ist ein extremes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen mit seinen Angestellten umgeht.

Ricore: Was halten Sie von der Klon-Technik?

Jones: Ich glaube nicht, dass es allzu viele Situationen gibt, in denen das Klonen von Menschen sinnvoll ist. In ethischer Hinsicht denke ich, dass man mit dem Klonen eines Menschen automatisch ein menschliches Wesen erschafft. Denn ich glaube daran, dass man durch persönliche Erfahrungen zu einem Individuum wird und weniger durch das genetische Erbgut. Zwillinge betrachtet man ja auch nicht als weniger menschlich, nur weil sie genetisch identisch sind. Man betrachtet sie als Individuen. Bei Klonen wäre das - denke ich - genauso. Sobald sie geboren sind, werden sie durch ihre Erfahrungen zu Individuen.

Ricore: Für wie realistisch halten Sie das Szenario Ihres Filmes?

Jones: Durch unser Budget unterlagen wir Einschränkungen. Wir hatten nur fünf Millionen Dollar zur Verfügung, so dass sich einige Dinge falsch anfühlen, da wir sie nicht anders umsetzen konnten. Ein Beispiel ist die Schwerkraft auf der Mondstation. Wir dachten lange darüber nach, ob wir im Film erklären sollten, warum es auf der Basis Schwerkraft gibt. Doch der Film beschäftigt sich vor allem mit Menschen, der technologische Aspekt war zweitrangig. Aber es gibt eine Reihe von authentischen Elementen, wie die Funktionalität der Mondstation, die Beschaffenheit der Wände und die Maschinen zum Abbau von Helium-3. All diese Dinge stützen sich auf meinen Recherchen im Buch "Entering Space".
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Sam Rockwell in "Moon"
Ricore: Sie sind ein Science-Fiction-Fan?

Jones: Ja, neben anderen Genres bin ich auch Science-Fiction-Fan. Ich bin mit den Werken von George Orwell, britischen Comics und vielen anderen Geschichten aufgewachsen. Ich kenne das Genre gut genug, um mir im Klaren zu sein, was zuvor gemacht wurde. Aber es gibt auch viele andere Genres, die ich eines Tages gerne ausprobieren würde.

Ricore: Warum wird das Science-Fiction-Genre nicht ernst genommen?

Jones: Ich denke, in den letzten Jahren gab es eine kleine Renaissance, sei es nun mein kleiner Film oder etwa "District 9", der tolle Kritiken bekommen hat. Es gab einige Science-Fiction-Filme, die einen ernsthafteren Ansatz hatten. Aber in den letzten fünf oder sechs Jahren davor durchlebte das Genre einen Tiefpunkt, weil es eben nicht allzu ernst genommen wurde. Ich denke, das Schöne an Science-Fiction ist, dass man Gedankenexperimente machen kann. Man kann über ernste Themen sprechen, ohne dass sich die Leute kritisiert fühlen. Man kann die Moral hinterfragen, ohne die Überzeugungen der Menschen anzugreifen.

Ricore: Welche Science-Fiction-Werke haben "Moon" am meisten beeinflusst?

Jones: Vor allem die aus den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. Was die Geschichte und den Ton angeht, sind es vor allem zwei Filme, Peter Hyams' "Outland - Planet der Verdammten" und "Lautlos im Weltraum". In beiden ging es um die Arbeit im Weltraum. In ästhetischer Hinsicht war es besonders Ridley Scotts "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt", vor allem die erste Hälfte. Zudem gibt es hier und da Anleihen an "Der Blade Runner", "2001 - Odyssee im Weltraum" und "Solaris". Letzterer ist ein interessanter Film, den ich erst zu schätzen lernte, als ich älter wurde.

Ricore: Ihr Vater David Bowie hat bereits in mehreren Filmen gespielt. Wie hat ihm "Moon" gefallen?

Jones: Es war toll für mich, denn unsere erste Vorführung war auf dem Sundance Film Festival. Es gab viele Zuschauer und ich war unglaublich nervös. Zu dem Zeitpunkt wurde über den Film schon viel geschrieben. Wir wussten da noch nicht, ob der Film überhaupt in die Kinos kommen würde. Wir waren also sehr nervös, doch mein Vater erschien überraschend, um den Film zu sehen und war ebenso nervös wie ich. Wir waren beide so erleichtert, als das Publikum nach der Vorführung positiv reagierte. Ich wusste nicht, was er von dem Film halten würde, doch er liebt ihn.
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Duncan Jones
Ricore: Wie wichtig war Ihr Vater für Sie als Künstler?

Jones: Ich wurde sehr dadurch inspiriert, dass er so hart gearbeitet hat und einen solchen Erfolg mit seinen Werken hat, die die Leute zu schätzen wissen. Als ich aufwuchs, fand ich seine Werke irgendwie albern [lacht]. Das lag aber daran, dass ich ein Kind war und Kinder halten das, was ihre Eltern machen, immer für das Uninteressanteste auf der Welt. Wichtig war, dass er als Vater immer unglaublich engagiert war und mir Sachen zeigte. Ich erinnere mich, wie er mir eine Zeit lang alle Filme von Stanley Kubrick zeigte. Er spielte mir Musik vor, von der ich noch nie zuvor gehört hatte, zeigte mir Autoren und Bücher. Er hatte als Vater einen großen Einfluss auf mich, indem er mir interessante Dinge zeigte.

Ricore: Wie war es für Sie, als Sohn einer Popikone aufzuwachsen?

Jones: Es war toll [lacht]. Er ist ein großartiger, liebenswerter Mensch. Wir sind ständig in Kontakt und ich besuche ihn so oft ich kann. Es war für mich so, wie für jedes Kind. Man liebt seine Eltern und will sie stolz machen.

Ricore: Wie wirkte sich die Berühmtheit Ihres Vater auf Ihr Leben aus?

Jones: Das war nie Teil meines Lebens und ich wollte auch keinen Vorteil daraus ziehen. Ich habe immer versucht, eine Karriere durch meine eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Es gibt vielleicht Kinder, die die Berühmtheit ihrer Familie dazu nutzen, ihr Leben zu verbessern. Aber das war nie der Weg, den ich gehen wollte.
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Sam Rockwell in "Moon"
Ricore: Wie sind Sie Regisseur geworden?

Jones: Als ich in Nashville, Tenessee an meinem Abschluss in Philosophie arbeitete, hatte ich erst mal genug davon. Ich hatte Glück, dass mein Vater zu der Zeit in Montreal mit Tony Scott an der Fernseh-Serie "The Hunger" arbeitete. Tony lud mich ein, um ein paar Wochen mit ihnen zu arbeiten und ich übernahm eine der Kameras. Ich hatte so eine fantastische Zeit. Tony nahm sich sehr viel Zeit, um mit mir über seinen Hintergrund und seine Arbeit an Werbefilmen zu reden. Ich war schon immer an Filmen interessiert. Mein Vater wusste das. Als ich ein kleines Kind war, machten wir Kurzfilme zusammen. Jeder wusste, dass ich schließlich Regisseur werden würde, nur ich nicht [lacht]. Es war immer Teil meines Lebens, doch es dauerte sehr lange, bis ich an diesen Punkt kam. Die Arbeit mit Tony gab schließlich den Ausschlag. Also verließ ich daraufhin die Hochschule und ging nach London an die Filmschule. Zunächst arbeitete ich an Low-Budget-Musikvideos und Werbefilmen. Es dauerte acht oder neun Jahre, bis wir dann "Moon" realisierten.

Ricore: Was können Sie über Ihren nächsten Film "Source Code" erzählen?

Jones: Wir haben gerade den Director's Cut abgeschlossen. "Source Code" ist ein Thriller, der in der Nähe von Chicago in einem Zug spielt. Die Hauptdarsteller sind Jake Gyllenhaal, Michelle Monaghan, Vera Farmiga und Jeffrey Wright. Es ist ein zeitgenössischer Film, aber er beinhaltet auch ein paar Science-Fiction-Ideen und Action. Er hat ein anderes Budget, da es ein Film ist, der mehr dem Hollywood-Stil entspricht. Die Erfahrung, im Hollywood-System zu arbeiten, war für mich unglaublich lehrreich. Ich bin sehr glücklich darüber. Wir arbeiten nun an den Spezial-Effekten, so dass der Film hoffentlich im Frühjahr 2011 kommen wird.

Ricore: Was denken Sie, wie die Welt in der Zukunft sein wird?

Jones: Ich habe einen anderen Film, der herauskommen wird und "Mute" heißt. Er spielt in Berlin und ist eine Art Liebeserklärung an "Der Blade Runner", der einer meiner Lieblingsfilme ist. So wie "Der Blade Runner" uns damals eine Vorstellung davon gab, wie die Welt in der Zukunft sein könnte, wird man in "Mute" meine Vorstellung von der Zukunft sowie das zukünftige Berlin sehen können.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. Juli 2010
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Moon (Kinofilm)
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2024