FR Entertainment, Barbara Bauriedl
Wolfgang Menardi
"Ich weiß, wo ich herkomme!"
Interview: Wolfgang Menardi mag's mutig
Wolfgang Menardi ist gebürtiger Österreicher, lebt aber seit vielen Jahren in Deutschland. Für "Bergblut" musste der charmante Dunkelhaarige einige Sprachprobleme überwinden. Obwohl ihm das Tirolerische nicht fremd ist, hatte er durchaus seine Probleme mit dem eigenartigen Passeirer Akzent. Die Dreharbeiten zu Philipp J. Pamers Drama fanden auf einem entlegenen Hof in Südtirol statt. In einem Hotel in München gesteht uns Menardi außerdem, dass er von Technik herzlich wenig versteht und setzt dabei er einen unwiderstehlichen Hundeblick auf.
erschienen am 14. 01. 2011
FR Entertainment, Barbara Bauriedl
Philipp J. Pamer mit Darstellern am Set von "Bergblut"
Ricore: Sie sind in Innsbruck geboren. Wie schwer war es für Sie, während der Dreharbeiten den Südtiroler Dialekt anzunehmen?

Wolfgang Menardi: Es war nicht so einfach, weil ich auch schon lange Zeit in Deutschland lebe. Regisseur Philipp J. Pamer wollte den original Dialekt haben. Ist ja auch klar. Einfacher hätte ich mich mit dem Nordtirolerischen getan. Aber das ist dann schon wieder was ganz anderes. Im Film haben wir es dann so erklärt, dass ich ein wenig außerhalb des Passeiertals wohne und deshalb keinen sehr starken Dialekt spreche. Philipp hat mir jeden Satz auf Tonband aufgenommen und ich saß dann da und habe geübt. Es gibt schon einige Wörter, die sehr schwierig sind.

Ricore: Wie sind Sie mit der Einsamkeit auf dem Hof umgegangen?

Menardi: Das war eine tolle Erfahrung. Obwohl ich aus Nordtirol komme, war mir eine solche Lebensweise bislang fremd. Die Hofbewohner leben im Winter vier bis sechs Monate wie in einem Gefängnis. Sie kommen einfach nicht ins Tal. Es ist auch ganz normal, dass die Eltern mit ihren Kindern unter einem Dach leben. Vom ältesten Sohn erwarten sie es sogar, da dieser ja irgendwann den Hof übernimmt. Bevor wir dort ankamen, hatten die Leute am Hof nicht einmal Strom. Mich hat das total beeindruckt.

Ricore: Waren Sie zum ersten Mal in Südtirol?

Menardi: Nicht ganz, ich war früher öfters dort und kenne auch Leute von dort. Aber so wie bei den Dreharbeiten habe ich die dortige Lebensweise noch nie mitbekommen. Das liegt wohl auch an der Dauer des Aufenthalts.
Thomas Dashuber
Wolfgang Menardi
Ricore: Die Geschichte Tirols ist Ihnen also geläufig?

Menardi: Klar, in der Schule nehmen wir die ganze Geschichte Tirols natürlich intensiv durch.

Ricore: Sie leben schon lange in Deutschland. War "Bergblut" für Sie eine Gelegenheit, zu Ihren Wurzeln zurückzukehren?

Menardi: In erster Linie habe ich mich über das Drehbuch deshalb so gefreut, da der Film ein sehr schönes Projekt ist. An die Heimat habe ich dabei gar nicht so gedacht. Die Rolle war einfach gut. Es hat auch Spaß gemacht, etwas Historisches zu machen. Dazu hat man im Film selten die Gelegenheit.

Ricore: Im Theater kommen Sie sicherlich öfters dazu?

Menardi: Das schon, aber das Problem ist, dass oft historische Geschichten nicht mehr historisch inszeniert werden. Ich habe schon viele Stücke gespielt, aber ich kann mich gerade an eines erinnern, in dem ich auch ein historisches Kostüm getragen habe. Ein Historienfilm ist in Bezug auf die Ausstattung natürlich einfacher. Man kann sich leichter vorstellen, sich tatsächlich in jener Zeit zu befinden. Im Theater ist das nicht so einfach.

Ricore: Kommen wir nochmal auf die Heimat zurück. Welche Bedeutung hat der Begriff Heimat für Sie?

Menardi: Da ich relativ früh weggegangen bin, hatte ich damals kein richtiges Heimatverständnis. Ich dachte immer nur, ich muss hier raus. Je länger ich aber weg bin - und das dürften mittlerweile an die zehn oder zwölf Jahre sein - desto mehr merke ich, wo ich herkomme. Das hat viel mit der Landschaft zu tun, mit den Bergen. Wenn ich zum Beispiel in Österreich oder in Tirol arbeite, fällt mir auf, dass wir die gleiche Sprache sprechen. Ich erkenne meine Wurzeln. So genau kann ich das nicht greifen, aber zumindest spüre ich, dass ich nicht aus dem Flachland komme.
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Wolfgang Menardi
Ricore: Können Sie mit Begriffen wie Heimweh etwas anfangen?

Menardi: Natürlich kenne ich Heimweh. Wobei ich nicht das Gefühl habe, immer in die Berge zu müssen, das wird durch regelmäßigen Aufenthalte kompensiert. Bei mir hat es eher mit Menschen zu tun, die ich lange nicht gesehen habe. Aber wie gesagt, je älter ich werde, desto lieber mag ich auch meine Heimat (lacht).

Ricore: Wenn Sie sich nun selbst auf der Leinwand sehen, kommen Sie sich da fremd vor?

Menardi: Ich fühle mich total fremd, aber ich glaube, das geht jedem so. Wenn man sich das erste Mal sieht, kann man sich auch nicht richtig auf den Film konzentrieren. Es gibt aber auch Stellen, an denen man sich erkennt oder feststellt, man ist es wirklich. Bei "Bergblut" war dies sogar öfter der Fall, als bei anderen Filmen. Ich finde aber, dass Andere das meist besser beurteilen können. Man selbst fragt sich manchmal, was man da eigentlich gemacht hat. Freunde oder Bekannte meinen dann, genau an der Stelle sei ich gut zu erkennen. Man hat oft ein anderes Bild von sich selbst. Auch in Bezug auf die Stimme.

Ricore: Wie schaut es mit Lampenfieber aus?

Menardi: Immer. Ich kenne aber auch niemanden, der kein Lampenfieber vor Bühnenauftritten oder Premieren hat. Wäre das anders, würde irgendwas falsch laufen. Auch am Set fühle ich manchmal ein Kribbeln im Bauch. Man ist konzentriert, will seinen Text merken und muss sich von allem, was um einen herum passiert, abgrenzen. Manchmal gelingt das nicht, dann wird man nervös.
Monique Ulrich
Wolfgang Menardi
Ricore: Mit "Bergblut" sind Sie für den Förderpreis des Deutschen Films nominiert. Welche Bedeutung haben Preise für Sie?

Menardi: Ein Preis ist natürlich deshalb etwas sehr schönes, weil die Arbeit anerkannt wird. Aber vor allem ist es dem Fortkommen dienlich. Ich glaube, dass man mit einem Preis in der Tasche leichter an einen neuen Job kommt. Natürlich nehme ich das Geld auch gerne mit. Viel darf man sich von Preisen und Auszeichnungen aber auch nicht erwarten, da Jurys immer sehr speziell und subjektiv sind. Ich spiele hier beispielsweise niemanden, der einen problematischen Migrationshintergrund hat, behindert oder sozial geschwächt ist. Ich denke Preise, werden eher in diesen Kategorien verliehen. Ich gehe immer davon aus, dass ich keinen Preis nicht kriege. Wenn es dann doch klappt, freue ich mich umso mehr (lacht).

Ricore: "Bergblut" läuft beim Filmfest München in der Sektion Neues Deutsches Kino. Wie bewerten Sie die Entwicklung des deutschen Films?

Menardi: Ich halte Generalisierungen für schwierig. Es gibt beispielsweise viele experimentale Filme, die möglicherweise gar nie in die Kinos kommen. Oder es gibt Regisseure wie Philipp J. Pamer, der versucht einer klassischen Erzählstruktur treu zu bleiben. Ich finde, das ist schwer zu beurteilen, weil es auf den Regisseur ankommt. Ich bin froh, dass sich die Tendenz des neuen deutschen Films von klassischen Beziehungskomödien wegzubewegen scheint. Das langweilt. Ich denke auch, dass viele Regisseure mutiger werden. "Bergblut" ist zwar weder von der Form her besonders mutig, noch ist die Geschichte besonders schräg oder intellektuell. Aber er ist mutig in seinem Größenwahn. Andere haben dafür den Mut zu etwas anderem. Mut ist immer gut, in welche Richtung er auch immer geht.

Ricore: Haben Sie Lieblingsfilme?

Menardi: Natürlich. Aber es ist immer lustig, wenn man danach gefragt wird. Man muss nachdenken, obwohl man es eigentlich weiß. Gewisse Sachen von David Lynch finde ich toll. Aber meinen Lieblingsfilm kann ich gerade nicht benennen, fällt mir aber vielleicht gleich wieder ein.
FR Entertainment, Barbara Bauriedl
Wolfgang Menardi, Inga Birkenfeld in "Bergblut"
Ricore: Sie haben im Theater bereits Regie geführt. Können Sie sich das auch für den Film vorstellen?

Menardi: Das fände ich total spannend, aber ich glaube, dass man im Film einfach viel mehr über technische Dinge wie Kamera und diverse Einstellungen wissen muss. Dieses Wissen habe ich nicht. Im Theater hat man die Proben, entwickelt die Inszenierung zusammen mit den Schauspielern. Wenn es aber wieder einmal eine Möglichkeit gibt, würde ich gerne wieder als Theaterregisseur arbeiten. Dennoch bin ich in erster Linie Schauspieler.

Ricore: Welche Filmprojekte stehen in Zukunft bei Ihnen an?

Menardi: "Bergblut" war das letzte große Filmprojekt. Im Moment drehe ich den ARD-Film "Alles, was recht ist". Und einen "Tatort" habe ich in der Zwischenzeit auch gemacht.

Ricore: Es scheint, als würden Sie mühelos zwischen Film und Theater wechseln?

Menardi: Beides hat seinen Reiz. Theater und Film sind jedoch sehr unterschiedlich. Im Theater ist der Entstehungsprozess lang, es wird neun bis zehn Wochen geprobt. Man kann den Entstehungsprozess richtig verfolgen. Man muss das Ganze im Blick haben. Beim Film ist die Arbeit hingegen auf den Moment konzentriert. Sind die Dreharbeiten beim Film vorbei, ist für einen Schauspieler das Projekt zu Ende. Im Theater lernt man von Aufführung zu Aufführung Neues dazu.
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Wolfgang Menardi
Ricore: Hilft Ihnen Ihre Theatererfahrung bei Dreharbeiten? Und umgekehrt?

Menardi: Ich glaube schon. Viele sagen, auf der Bühne zu spielen sei etwas ganz anderes als vor der Kamera zu agieren. Letztendlich kommt es aber auf die inneren Vorgänge an. Klar, die Technik ist anders. Im Theater zählt der Körper mehr. Im Film läuft das Ganze über die Augen oder kleine Bewegungen ab.

Ricore: Können Sie sich noch an den Moment erinnern, in dem Sie wussten, dass Sie Schauspieler werden wollen?

Menardi: Doch, schon. Ich dachte eigentlich immer, ich würde Kunst studieren. In der Schule war ich in Theatergruppen ziemlich aktiv, hab auch im "Sommernachtstraum" mitgemacht. Das war der totale Renner unter den Schülern. Ich kam mir dann immer so toll vor (lacht). Das war eine Art Initialzündung, wo ich mir dachte, das möchte ich machen.

Ricore: Gab es auch Momente, in denen Sie gezweifelt haben und alles hinschmeißen wollten? Nach mehr Sicherheit gestrebt haben?

Menardi: Mit der Sicherheit kennt das jeder Schauspieler. Klar gab es solche Momente. Ich habe mich oft gefragt, was mich noch interessieren könnte. So dachte ich einmal, ich sollte vielleicht Architektur studieren. Dann hat es mit dem Schauspiel wieder besser geklappt und ich habe das Studium wieder gelassen. Wenn ich mal gar nichts zu arbeiten hätte, könnte ich mir auch vorstellen, etwas anderes zu machen. Der Beruf hat viel mit Glück zu tun. Mal ist man super, dann wieder nicht, wird hochgelobt oder nicht. Im Theater ist es vielleicht ein bisschen konstanter als beim Film. Trotzdem kann jeder Moment derjenige sein, in dem sich keiner mehr für dich interessiert.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 14. Januar 2011
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Bergblut (Kinofilm)
Philipp J. Pamers Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film in München ist wahrlich episch. In "Bergblut" erzählt er die Geschichte einer jungen, Bayerin, die es 1809 während der Tiroler Aufstände nach Südtirol verschlägt. Zunächst konzentriert sich Pamer erfolgreich auf die kulturellen Unterschiede und das Gefühlsleben seiner Protagonisten. Im Verlauf der Handlung schweift er immer mehr ins Politische ab. Dies gipfelt in der Erschießungsszene Andreas Hofers, die recht überflüssig..
Wolfgang Menardi wird in Innsbruck geboren und wächst dort auf. Von 1997 bis 2000 erhält er eine Schauspielausbildung an der Münchner William Shakespeares "Cymbelin". Neben seiner Theaterkarriere ist er auch in Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. 2010 steht er etwa für Philipp J. Pamers "Bergblut" vor der Kamera.
2024