Senator Film Verleih
Brenner (Josef Hader) blickt in die Abgründer der Salzburger Gesellschaft
Josef Hader über den österreichischen Schmäh
Interview: Ich bin ein skeptischer Mensch
"Silentium" ist nach "Komm, süßer Tod" die zweite Verfilmung eines Wolf Haas-Krimis. Wieder kämpft der abgehalfterte Privatdetektiv Simon Brenner alias Josef Hader in sozialen Abgründen. Wolfgang Murnberger zieht das System kirchlicher Gymnasien und anderer Institutionen kräftig durch den Kakao. Schwarzhumorige Komödie und Thriller bilden dabei eine geniale Mischung. Josef Hader, erfolgreicher Kabarettist und Kultfigur Heinzi Bösel aus der satirischen Komödie "Indien", brilliert in seiner Rolle als illusionsloser und abgebrühter Schnüffler in der verschwiegenen Welt des Konvikts. Ricore Medien befragte Josef Hader zum Katholizismus, den gesellschaftlichen Werten und dem morbiden österreichischen Schmäh.
erschienen am 2. 03. 2005
Ricore: Das ist nach "Komm, süßer Tod" ihre zweite Zusammenarbeit mit Wolf Haas und Wolfgang Murnberger. Wo liegt für Sie bei "Silentium" der große Unterschied zum Vorgänger?

Josef Hader: Wir hatten das Gefühl, dass diese Geschichte einen anderen Stil erfordert. Eine Geschichte über eine Rettungsorganisation, die Patienten umbringen, kann ruhig ein bisschen trashig sein. Der Zuschauer braucht nichts wirklich ernst nehmen. Bei dieser Geschichte hatten wir das Gefühl, dass es schon ein Film sein muss, bei dem sich der Zuschauer zwischen dem Lachen auch ein bisschen fürchtet. Es sollte zumindest unangenehm sein. Unsere Intension war das Thrillerelement ernster zu nehmen als beim Vorläufer.

Ricore: Wie hat das funktioniert einen Thriller und eine schwarze Komödie miteinander zu verbinden?

Hader: Das wichtigste war, das wir es hintereinander gemacht haben. Gleichzeitig geht das nicht. Wenn man lacht kann man nicht gleichzeitig Angst haben. Wir haben versucht es in Blöcke zu gießen, so dass sich die zwei Formen abwechseln ohne sich zu behindern und beide glaubwürdig bleiben. Das war der Ansatzpunkt der Arbeit und das war das Hauptproblem, dem wir uns auch von Anfang an bewusst waren. Man kann eine Geschichte über Missbrauch an Kindern nicht nur trashig abhandeln.

Ricore: Was sagen Sie denn zu der Bildsprache? Manche Szenen sind sehr überzogen und die Kamera hält bei manchen Gewaltszenen extrem lang drauf...

Hader: Der Regisseur ist der Auffassung, dass die ganzen Kinocenter voll sind von Filmen, bei denen pro Film 500 Menschen sterben. Die Filme sind meist ab zwölf Jahren. Es wird gestorben quasi ballettartig wie beim Schwanensee. Der Tod ist nichts Schlimmes und Gewalt ist nichts Schlimmes. Ich weiß vom Regisseur, dass er dazu eine Gegenposition einnehmen möchte. Es ist eine schwierige Frage, ob diese Mischung wie sie in "Silentium" auftritt, flüssig ist oder nicht. Die Antwort darauf muss letztendlich jeder Zuschauer selbst finden. Man kann den Film von zwei Seiten betrachten. Er versucht sehr viel Verschiedenes zu sein. Dass kann man entweder kritisieren oder loben.
Ricore: Finden Sie den Film realistisch?

Hader: Der Film versucht nicht die Realität zu schildern, er erzählt vielmehr ein Gruselmärchen, aber mit realen Hintergründen auf denen das Gruselmärchen aufbaut. Das Märchen denkt den realen Hintergrund weiter. Deswegen ist es letztendlich doch in gewisser Weise eine Satire, wenn natürlich heillos überzogen. Bei dieser Kirchengeschichte muss das mythische Element drinnen sein. Ansonsten ist es für jemanden der streng katholisch ist nicht spannend, sondern bestenfalls schockierend und die anderen betrifft das Thema Kirche erst gar nicht. Also mussten wir es mythisch machen - ein Gruselmärchen eben.

Ricore: Wie stehen sie selbst zum Katholizismus?

Hader: Ich bin religiös erzogen worden und heute bin ich eher ein Mitläufer. Ich kenne aus meiner Jugend zu viele tolle Menschen innerhalb der Kirche, dass ich nicht austreten möchte. Aber ich bin sozusagen nicht praktizierend.

Ricore: Was verbinden Sie mit dem Katholizismus ihrer Jugend?

Hader: Ich bin mit zehn in ein katholisches Internat gekommen. Aber das waren die 70er Jahr und die waren auch innerhalb der Kirche eine sehr freie Zeit. Ich bin nicht so streng erzogen worden.

Ricore: Wie stehen sie zu der boshaften Darstellung der Kirche in "Silentium"?

Hader: Die habe ich durch das Drehbuch natürlich mitzuverantworten. Sowohl Wolf Haas als auch ich haben gewusst, welche Ansatzpunkte wir für boshaftere Scherze aufgreifen müssen. Aber letztendlich richtet es sich ja, wenn es sich gegen die katholische Kirche richtet, gegen einen sehr konservativen Teil. So ist das auch in Österreich verstanden worden.
Ricore: In Österreich läuft der Film bereits. Welches Publikum wird von dem Film angesprochen?

Hader: Mehr erwachsene Zuschauer. Bei der Jugend ist es schwierig. In Österreich ist es durch das Kabarett und dadurch, dass die jungen Leute mein Programm kennen, nicht ganz so schwierig. Aber grundsätzlich spricht der Film das junge Publikum eher nicht an.

Ricore: Warum haben sie im Jahr 2000 die Rolle des Simon Brenner angenommen?

Hader: Jetzt könnte ich sagen, ich hab dringend Geld gebraucht. (lacht). Nein, die Figur war interessant. Dieser a bisserl verschlossene, in die Jahre gekommenen Typ, der glaubt er hat das ganze Leben noch vor sich. Aber er realisiert langsam, dass dem nicht so ist, dass langsam alles gegessen ist. Für jeden Mann, der langsam in die Jahre kommt, ist das eine interessante Thematik. Man kann im Brenner seine eigenen Probleme mit dem Älterwerden wieder finden. Der Brenner hat zudem die Tendenz, nicht immer dazu zugehören zu wollen. Er ist eher der Einzelgänger - und er ist stolz darauf. Er funktioniert über Dinge, die er nicht raus lässt. Das war schön zu spielen.

Ricore: Wie hat sich Simon Brenner seit "Komm, süßer Tod" verändert?

Hader: Er nistet sich bei "Silentium" nicht irgendwo ein und versucht wie die Made im Speck zu leben, wie bei der Rettung. Er ist jetzt ein Ausgesetzter, wird mit dem Verteilungskampf in unserer Gesellschaft stärker konfrontiert. Er ist ein bisserl weiter außerhalb der etablierten Gesellschaft als in "Komm, süßer Tod". Dieser Eindruck wird natürlich noch dadurch bestärkt, dass er in Salzburg mit sehr vielen schönen und reichen Menschen konfrontiert wird.

Ricore: Warum nimmt er den Job als Privatdetektiv an?

Hader: Ein sehr starker Motivationsgrund für den Brenner ist, dass er grade nichts anderes zu tun hat und zum anderen natürlich diese Frau, die ja auch sehr interessant ist. Der Brenner ist ein Romantiker mit eingezogen Kopf, der gleich die nächste Watschen erwartet. Ein Romantiker der nicht an die Romantik glaubt, so könnte man sagen.
Ricore: Er glaubt im Grunde an gar nichts. An was glauben Sie oder haben Sie eine ähnliche Einstellung wie der Brenner?

Hader: Ich bin auch ein sehr skeptischer Mensch. Ich bin in ein humanistisches Gymnasium gegangen in einer katholischen Schule. Wir haben die altgriechischen Philosophen gelesen, so quasi Sokrates mit dem berühmten Satz "Ich weiß, dass ich nichts weiß". Er spricht mit allen etablierten Leuten und weist nebenbei im Gespräch nach, dass sie eigentlich nichts wissen. Sie glauben, dass sie es wissen aber sie wissen es nicht. Und das war so Ausdruck meines bisherigen Lebensgefühls, das Gefühl zu haben, dass es nichts gibt was man wirklich weiß und worauf man sich verlassen kann. Und das ist heut nicht viel anders. Ich meine damit nicht, dass es für mich wirklich nichts gibt, was Bestand hat und woran ich glaube, das gibt es mittlerweile schon, aber dieses grundsätzliche Lebensgefühl immer damit zu rechnen, dass gleich etwas furchtbares passiert und alles vorbei ist, das krieg ich nicht weg.

Ricore: Ist das auch das was sie den Leuten vermitteln wollen?

Hader: Wenn man Kabarettprogramme macht, ist eine skeptische Haltung natürlich sehr schön. Es gibt ja im Grunde keine Tabus mehr, aber man kann zumindest die Menschen mit etwas konfrontieren. Man kann ihre Werte hinterfragen. Was sind die Werte heutzutage: Jugendlichkeit, Schönheit, Hedonismus, Sportlichkeit, Gesundheit... alle diese positiven Werte, an die die Menschen glauben, die sie quasi zu ihrer Religion machen. Diese Werte überzeugend in den Dreck zu hauen, dass ist der Tabubruch, der möglich ist. Insofern war Sokrates ein guter Lehrmeister. Und dazu kriegt man noch viele Kleinkunstpreise und verdient im Allgemeinen sehr gut. (lacht)

Ricore: Wie sehen sie den österreichischen Film? Der österreichische Humor ist auf eine gewisse Art und Weise viel drastischer als beispielsweise der deutsche ...

Hader: Man müsste sich fragen warum die Engländer so drastisch sind. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass die Drastik in meinem Programm am besten in Norddeutschland verstanden wird, weil die Leute dort schon wieder a bisserl englisch sind und oft einen sehr trockenen und zynischen Humor haben. Das ist total witzig. Da lachen sie lauthals. Wohingegen in Köln die Leute nur staunen, dass man über so etwas einen Witz machen kann. In Hamburg, Bremen haben die Leute eine innere Beziehung zum schwarzen Humor. Warum das so ist sehr schwer zu sagen. Das hat etwas zu tun mit Geographie und Geschichte. Man müsste da eine lange Untersuchung machen.

Ricore: Stehen sie lieber auf der Bühne oder vor der Kamera?

Hader: Die Abwechslung ist sehr schön. Auf der Bühne ist man allein und der Kick ist, dass man völlig auf sich angewiesen ist. Da ist die Arbeit beim Film ein wunderbarer Gegenpart. Man muss als Filmschauspieler viel kooperativer arbeiten als beim Theater. Wobei ich nicht weiß, ob ich es beim Film so lange aushalte wie beim Kabarett.
erschienen am 2. März 2005
Zum Thema
Der österreichische Kabarettist ist als Filmschauspieler fest mit der Figur des abgehalfterten Detektivs Simon Brenner verbunden, die er mehrfach verkörperte. 1962 im erzkatholischen Oberösterreich geboren, trat er ab Mitte der 1980er Jahre erfolgreich als Kabarettist auf. Sein Dauerbrenner war sechs Jahre sein Programm "Privat". Auch das tragikomische Theaterstück "Indien", das Hader 1991 mit Alfred Dorfer verfasste und spielte, war ein großer Erfolg und wurde 1993 auch in dieser Kombination..
Silentium (Kinofilm)
Am Fuße des Salzburger Mönchsbergs wird die Leiche des Schwiegersohnes von Festspielpräsidenten, Gottlieb Dornhelm gefunden. Seine Witwe (Maria Köstlinger) glaubt an Mord, hatte der Gatte doch vor seinem Tod den Erzbischof öffentlich beschuldigt, ihn als Kind im katholischen Knabeninternat sexuell belästigt zu haben. Frau Dornhelm engagiert den arbeitslosen Privatdetektiv Brenner (Josef Hader), den Tod aufzuklären. Nach "Komm, süßer Tod" ein weiterer satirischer Krimi von Wolfgang Murnberger,..
2024