ARD Degeto Erika Hauri
Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
"Den Zuschauer kitzeln"
Interview: Charakter-Komiker Günther Maria Halmer
Günther Maria Halmers Schauspielkarriere beginnt auf der Bühne der Münchner Kammerspiele und reicht bis zu nationalen und internationalen Kino- und Fernsehproduktionen. Im Komödien-Fach fühlt sich der 1943 in Rosenheim geborene Schauspieler am wohlsten, bekennt er in unserem Interview. Außerdem spricht er über den Fernsehfilm "Eine Sennerin zum Verlieben", über die Verantwortung deutscher Schauspieler für den deutschen Film sowie seine Söhne, die beruflich nicht in seine Fußstapfen treten.
erschienen am 23. 09. 2010
ARD Degeto Erika Hauri
Michaela May und Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Das ist eine schöne Kulisse für einen Pressetermin. Wann begann der Dreh?

Günther Maria Halmer: Am 2. September 2009.

Ricore: Sind Sie schon ein bisschen Berg gewandert?

Halmer: Nein, dafür gibt es keine Zeit. Einmal habe ich Golf gespielt. Unten im Ort gibt es einen sehr schönen Golfplatz. Wir drehen ziemlich viel, für alles andere bleibt keine Zeit. Aber ich wohne nicht weit weg von hier, ca. 40 km vom Chiemsee entfernt. Deswegen fahr ich oft nach Hause. Das klappt nicht jeden Tag, aber immer wenn ich einen Tag frei habe.

Ricore: Sie kannten Frau May schon. Das muss ein nettes Wiedersehen gewesen sein.

Halmer: Ja, wir sind ja auch privat gut miteinander bekannt. Sie ist auch mit meiner Frau befreundet, insofern ist das keine neue Geschichte.

Ricore: Ist es ungewohnt, beruflich zusammenzuarbeiten und zusammen zu drehen?

Halmer: Nein, überhaupt nicht. Wir sind Profis und können sofort in die Rolle einzusteigen.

Ricore: Klappt die Logistik hier oben, es muss nicht sehr einfach sein, alles hier nach oben zu schaffen.

Halmer: Nein, hier gibt es breite Straßen. Selbst die Lastwagen haben keine Probleme, hier hoch zu kommen. Wie ich aber hörte, gab es hier um die Zeit schon mal Schnee. In dem Fall wäre es sicher schwieriger geworden. Aber danach sieht es im Moment nicht aus, es ist sehr angenehm.
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Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Empfinden Sie die Dreharbeiten hier als schwierig?

Halmer: Nein, es ist ja eine Komödie und Komödien mache ich immer gerne. Wenn es eine sentimentale Schnulze wäre, dann vielleicht. Aber das ist eine taffe und saftige Komödie, die ich gerne spiele. Wenn man dem Zuschauen mit der Naturlandschaft eine Freude macht, dann ist das in Ordnung. Höchstens wenn ich jodeln müsste, würde ich streiken.

Ricore: Sascha Hehn hat sich ja ein bisschen von seinem Musikteil distanziert. Können Sie das nachvollziehen?

Halmer: Na ja, man liest ja vorher das Drehbuch und man hat den Titel vorher gehört. Es gibt einige Dinge, die man im Vorfeld erwarten kann. Ich weiß nicht genau, was er gemacht hat. Ich weiß nur, dass er sich hinterher beschwert hat.

Ricore: Er schämt sich ein bisschen deswegen.

Halmer: Ich weiß nicht, ob das klug ist, etwas zu machen und danach Steine danach zu werfen. Es passiert immer wieder, dass man eine Produktion macht und dann merkt, das hätte man auch besser machen können.

Ricore: Als Schauspieler hat man nicht immer im Blick, wie die Arbeit am Ende aussieht.

Halmer: Meistens denkt man, es hätte anders werden können. Oft ist es aber auch so, dass man die Sache ein zweites und drittes Mal sieht und findet es dann nicht schlecht. Oft wird mir bei einer Komödie die Arbeit kurz nach dem Drehen auf DVD zugeschickt. Das finde ich schwierig. Ich kenne den Witz und die Pointe. Wenn ich das Ergebnis sehe, kann ich nicht lachen und bin enttäuscht. Das Problem bei einer Komödie ist, dass man nicht überrascht ist und Überraschungen sind bei Komödien wichtig. Wenn man den Film dann aber zwei, drei Jahre später wiedersieht, dann findet man ihn nicht mehr so schlecht. Man muss mit seinem Urteil sehr vorsichtig sein.
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Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Teilen Sie Ihre Unzufriedenheit jemandem mit oder behalten Sie sie für sich.

Halmer: Manchmal teil ich mich dem Regisseur mit, indem ich sage, dass man das oder das hätte anders machen sollen. Die Vorbehalte sage ich aber im privaten Rahmen, ich trage sie nicht an die Öffentlichkeit.

Ricore: Haben Sie das Gefühl, dass eine Übereinstimmung mit dem Regisseur vor allem bei Komödien wichtig ist?

Halmer: Ja, bei Komödien ist es ganz wichtig. Denn eine Komödie muss treffend und pointiert sein. Man muss den Zuschauer treffen wie beim Kitzeln. Wenn man nicht den richtigen Punkt trifft, dann lacht man nicht. Auch in einer Komödie muss man den richtigen Punkt treffen. Das Timing ist sehr wichtig. Von Loriot zum Beispiel weiß man, dass er wahnsinnig genau gearbeitet hat. Er hat Szenen etliche Male wiederholen lassen, nur um die Pointe zu treffen. Genauso ging Charlie Chaplin vor. Er hat einige Szenen wochenlang gedreht, nur damit an einem bestimmten Moment das Richtige passiert. Viele Gags sind schon bei einer Verspätung von einer Sekunde nicht mehr komisch. Das alles ist eine Sache der Genauigkeit, deswegen sind Komödien besonders schwierig.

Ricore: Haben Sie Komödien schon immer gerne gespielt?

Halmer: Eigentlich schon, ja. Ich mag besonders Charakter-Komödien. Keine Komödien an sich, wo ich blöd schaue oder seltsam gehe. Eher Komödien, wo ich eigentlich eine Charakterrolle spiele, die leicht verschoben ist.

Ricore: Sind sie nach so vielen Jahren vor einem Dreh noch aufgeregt?

Halmer: Nein.
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Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Macht es noch Spaß oder ist mittlerweile viel Routine im Spiel?

Halmer: Natürlich ist man noch neugierig und offen für neue Dinge. Das ist aber nicht mit Nervosität verbunden.

Ricore: Wie sehen sie Ihren Beruf heute im Rückblick der letzten Jahre.

Halmer: Im Alter bekommt man einen anderen Blickwinkel, das ist klar. Aber ich bin mit der gleichen Freude und dem gleichen Engagement bei der Arbeit, aber mit weniger Angst.

Ricore: Sind Sie mit sich zufrieden, wenn Sie auf ihre Karriere zurückschauen?

Halmer: Ob ich zufrieden bin, weiß ich nicht. Es läuft, wie es läuft. Im Herbst des Lebens kann ich nicht zurückschauen und feststellen: Es war alles falsch.

Ricore: Gibt es irgendwas, was Sie in den nächsten Jahren unbedingt machen wollen?

Halmer: Nein, eigentlich nicht. Schließlich muss man in dem Land spielen, an das man gebunden ist. Was wäre aus einem Marcello Mastroianni, einem Jean-Paul Belmondo, einem Alain Delon, einem Jean Gabin geworden, wenn Sie in Deutschland aufgewachsen wären? Jean Gabin wäre vielleicht "Der Alte" geworden. Alain Delon hätte vielleicht in "Das Traumschiff" mitgespielt. Das muss man mit berücksichtigen. Was hat man für Möglichkeiten im deutschen Film? Diese Schauspieler haben mit Regisseuren wie Luchino Visconti, Michelangelo Antonioni oder Federico Fellini arbeitet. Heute gibt es diese Filmemacher nicht und entsprechend gibt es in Italien nicht mehr Schauspieler mit solchem Profil. In Frankreich ist das ähnlich. Das heißt also, man muss sich in der kulturellen Landschaft einfinden.

Ricore: Sie haben ja schon in Amerika gedreht. Hätten Sie da nicht anknüpfen können?

Halmer: Ich glaube nicht, dass das geht. Was wollen die Amerikaner mit einem Deutschen in einer Hauptrolle. Arnold Schwarzenegger ist der Einzige, dem das gelungen ist.
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Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Dann lieber hier Hauptrollen spielen, als drüben mit Nebenrollen abgespeist zu werden?

Halmer: Sicher. viele Regisseure, die dort drüben leben, sagen, dass man bloß nicht rübergehen soll. Viele Deutsche sitzen dort nur rum und warten auf irgendwas. Und wenn man es in einen Hollywoodfilm geschafft hat, dann macht das einen auch nicht glücklicher. Der Film mit Meryl Streep war damals eine tolle Erfahrung. Aber es war auch nicht so, dass ich hinterher gesagt habe: Jawohl, da war ich dabei. Die Deutschen haben einen Komplex, auch die Journalisten. Sie haben immer so einen tiefen Wunsch, dass sie auch mal einen da drüben haben, anstatt auf den deutschen Film stolz zu sein. Immer kommt die Frage danach, wann man denn endlich nach Hollywood geht. Das ist lächerlich. Ich hatte nie das Bedürfnis, nach Hollywood zu gehen. Ich kann nicht verstehen, warum man immer da rüber schielt. Umgekehrt drehen alle durch, wenn mal ein Johnny Depp nach Deutschland kommt. Das ist doch bescheuert. Wir sind ein 80-Millionen-Volk und wir sollten für die Leute hier gute Filme machen. Allein das ist wichtig.

Ricore: Was ist für Sie das Schönste in Ihrem Beruf?

Halmer: Das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich immer gerne zur Arbeit gehe und immer an schönen Arbeitsplätzen arbeiten darf, wie Sie sehen können. Es ist niemals vorauszusehen, was auf einen zukommt. Aus diesem Grund mache ich niemals Verträge, durch die man längerfristig an eine Arbeit gebunden ist. Ich sehe das Leben wie eine Wunschtüte. Ich bin immer neugierig, was noch kommt.

Ricore: Das macht aber vielen Schauspielern auch Angst...

Halmer: Das darf man nicht haben. Man darf nicht Schauspieler werden und Existenzängste haben. Das ist meiner Meinung nach die bessere Art zu arbeiten. Wenn ich mir überlege, dass Leute bei Siemens, bei der Post oder der Telekom angestellt waren und glaubten, dass sie sich auf einem unsinkbaren Schiff befinden. Wenn dieses Schiff plötzlich untergeht, dann ist das viel schlimmer.
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Günther Maria Halmer, Eine Sennerin zum Verlieben
Ricore: Ihre Söhne sind einen ganz anderen Weg gegangen.

Halmer: Ja, Gott sei Dank.

Ricore: Sagen Sie als Elternteil "Gott sei Dank"?

Halmer: Nein, das sage ich nicht deswegen. Wenn sie Schauspieler geworden wären, hätte ich das sicher gut gefunden. Ich hätte dann aber sehen wollen, ob sie nur deswegen Schauspieler werden wollen, weil der Papa auch einer ist. Es gibt ja genügend Schauspieler, deren Kinder ebenfalls Schauspieler werden, aber extrem unbegabt sind. Wenn ich bei meinen Kindern festgestellt hätte, dass sie das Talent haben, wäre ich jederzeit damit einverstanden gewesen.

Ricore: Warum hat der Beruf ihre Kinder nie interessiert?

Halmer: Das weiß ich nicht. Der eine ist Wirtschaftsjurist, der andere ist Maler und hat ein ganz anderes Denken. Er war einmal bei einem Film dabei, aber er konnte sich mit der Atmosphäre nicht anfreunden. Er fand das alles falsch. Bei ihm hatte ich mal gehofft, dass er Regisseur wird. Ich glaube, er hätte dafür die Begabung. Er hat ein sehr gutes Auge. Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meinen Söhnen, aber ich lass sie ihnen ihren eigenen Weg gehen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 23. September 2010
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Günther Maria Halmer geht erst 24-jährig zur Münchner Münchner Geschichten" von Helmut Dietl Erfolg. "Lucky Star" ist 1979 die erste Kinoproduktion, an der Halmer mitwirkt. Es folgen internationale Produktionen wie "Gandhi" (1982) sowie der "Die innere Sicherheit" (1986). Von den vielen TV-Produktionen sind vor allem seine Auftritte in "Das Traumschiff", "Der Kriminalist" und "Der Alte" hervorzuheben. Halmer hat in über 100 Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt.
Ein Steuerbeamter macht Milchbäuerin Ariane Ostler das Leben schwer. Er überreicht ihr eine Rechnung von 150.000 Euro, weil sie ihre Steuererklärungen nicht ordnungsgemäß eingereicht habe. Aus Verzweiflung wendet sich die Sennerin an den Bürgermeister (Alexander Held). Mit Freuden will er der Frau in Not helfen, doch seine Absichten sind alles andere als nobel. Vor einem Alpenpanorama stehen Michaela May und Günther Maria Halmer für die Komödie erstmals seit knapp dreißig Jahren wieder..
2024