Frenetic Film
Bruno Ganz in "Der große Kater"
Keine Ermüdungserscheinungen
Interview: Ganz Schauspieler - Bruno Ganz
Bruno Ganz gehört zu den renommiertesten Film- und Theaterdarstellern im deutschsprachigen Raum. Der Schweizer ist präsent wie eh und je, Ermüdungserscheinungen zeigt er nicht. Seit 2010 ist Ganz mit Iris Berben Präsident der deutschen Filmakademie. Die Politik überlässt der Schauspieler lieber den Politikern. Er selbst tut lieber das, was er am besten kann: Schauspielen. Darüber spricht der 69-Jährige am liebsten, so auch im Gespräch mit Filmreporter.de anlässlich des Kinostarts von "Der große Kater".
erschienen am 27. 10. 2010
Constantin Film
Bruno Ganz in "Der Baader Meinhof Komplex"
Ricore: Herr Ganz, in "Der große Kater" spielen Sie einen Politiker, der in politischen Machtgefüge mitmischt, aber auch menschliche Züge aufweist. Ist das ein neuer Rollentypus in ihrer Karriere?

Bruno Ganz: Nein, nein. Ich las den Roman von Thomas Hürlimann und dachte,, dass daraus ein guter Film werden könnte. Damit war diese Sache auch beendet. Entscheidend war diese erste Annäherung. Ob ich damit mein Rollenrepertoire ändere, spielte bei meiner Entscheidung keine Rolle. Ich mochte die Idee von einer Figur, die plötzlich das Vertrauen in die Welt und in sich selbst verliert, aber trotzdem weitermacht, als handele es sich um ein Spiel. Außerdem befindet sich Kater in einer persönlich schwierigen Situation mit seinem kranken Kind und seiner schwierigen Ehe. Das war der Rahmen, der mich interessiert hat. Ein interessanter Aspekt war auch die Tatsache, dass es sich bei der Figur um den Präsidenten meines Vaterlandes handelte.

Ricore: Auch in "Der Untergang - Hitler und das Ende des 3. Reichs" haben sie einen Politiker, nämlich Adolf Hitler, gespielt, und ihm menschliche Züge verliehen...

Ganz: Sie suchen nach einem Trend, den man bei mir nicht findet, ich habe nichts mit Trends zu tun.. Ich wollte Hitler damals auch keine menschlichen Züge geben. Das ist einfach passiert, nachdem ich mich an den Charakter durch die Lektüre angenähert habe. Es war Folge der simplen Überlegung, dass der Mann vor seinem Untergang einen riesigen Aufstieg geschafft hat, wobei ihn die Liebe des Volkes, das sage ich ganz bewusst, dahin getragen hat. Schließlich trat Hitler nicht an und verkündete den Leuten, dass er sechs Millionen Juden umbringen wird. So hätte das nicht funktioniert. Der Mann hatte die Fähigkeit, die Massen zu verzaubern. Sehr viele Menschen glaubten an ihn, also muss etwas von ihm ausgegangen sein. Es leuchtet mir ein, dass man ein Monster auch als monströs bezeichnen muss, vor allem nach dem, was man über ihn nach 1945 wusste. Aber in der Zeit davor haben viele Deutsche und auch viele im Ausland nicht gewusst, was in Deutschland passiert. In diesem Sinne denke ich, dass Hitler damals in vielen Dingen ein anziehender und attraktiver Politiker für die Wähler war. Also kein Monster, kein sichtbares Monster. Der Kater ist ein ganz anderer Charakter. Das Thema in "Der Große Kater" ist unter anderem eine Zerstörung in der unmittelbaren Umgebung des Politikers. Das Amt des Schweizer Bundespräsidenten ist auch nicht vergleichbar mit dem etwa der deutschen Kanzlerin. Ich sehe diese Menschen, immerhin Minister der Bundesregierung, am Zürcher Hauptbahnhof aussteigen und sie haben keinen einzigen Bodyguard an ihrer Seite.
Constantin Film
Bruno Ganz - hier mit Juliane Köhler - in seiner schwierigsten Rolle
Ricore: In der realen politischen Welt gab es kürzlich den Vorfall, als Frank-Walter Steinmeier öffentlich verkündete, dass er die politische Bühne wegen der Gesundheit seiner Frau vorübergehend verlassen will. Ein sehr menschlicher Zug mit deutlicher Parallele zu "Der große Kater", wo es eine ähnliche Szene gibt. Ist es das Anliegen des Films, zu zeigen, dass Politiker auch Menschen mit Stärken und Schwächen sind?

Ganz: Ich hatte nichts im Sinn mit Stärken oder Schwächen, ich bemühte mich um diesen einen Menschen, mein Spielmaterial sozusagen. Ich spielte einfach die Rolle. Mit Botschaften habe ich wenig im Sinn. Ich möchte einfach, dass die Leute an dem Anteil nehmen, was ich spiele. Es kann ja sein, dass in einem Film eine Botschaft steckt, aber ich spiele nicht auf ein Ziel hin. Auch wenn ich selbst ins Kino gehe, bin ich nicht primär an dem, was Sie Botschaft nennen, interessiert.

Ricore: Sollten Politiker ihrer Meinung nach auf der politischen Bühne menschliche Züge zeigen, oder sollen sie sachlich bleiben?

Ganz: Steinmeier hat sich entschlossen, mit einem Teil seines Körpers seiner Frau zu helfen. Das ist für eine Ehegemeinschaft ein unglaubliches Zeichen. Mich rührt das, ich finde das großartig. Er opfert einen Teil von sich, damit seine Frau mit ihm weiter gesund leben kann. Das ist eine Entscheidung von ihm und man kann von einer Frau Merkel nicht auch verlangen, dass sie ihre Niere opfert. Das sind verschiedene Sachen und verschiedene Leute. Herr Steinmeier hat das getan, aber daraus die Forderung abzuleiten, dass Politiker in der Politik menschlicher sein sollten, das mache ich nicht.

Ricore: Sind sie selbst ein politischer Mensch?

Ganz: Ja.
Schwarz Weiss Filmverleih
Bruno Ganz
Ricore: Betrachten sie die Schauspielerei als Berufung oder eher als Beruf?

Ganz: Ich wollte immer Schauspieler werden und das habe ich auch durchgesetzt. Den Rest müssen Sie selbst beurteilen, Sie können mir ja zugucken.

Ricore: Sie sind im Laufe ihrer Karriere vielfach ausgezeichnet worden. Sind für Sie Preise eigentlich noch wichtig?

Ganz: Ja.

Ricore: In Ihrer Karriere haben Sie überwiegend Figuren aus der klassischen Literatur verkörpert? Warum diese Tendenz zu den großen Figuren der Weltliteratur?

Ganz: Weil das großartig ist. Die Stoffe der Weltliteratur sind einfach großartig. Solange ich mir leisten konnte, diese Sachen zu machen, solange habe ich sie auch gemacht. Das gehört zu den interessanteren Eindrücken meines Lebens.

Ricore: Spielt bei großen Rollen auch der persönliche Ehrgeiz eine Rolle? Je größer und tiefer die Figur, umso größer die Herausforderung?

Ganz: Das möchte wohl so sein.
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Bruno Ganz in "Der große Kater"
Ricore: Haben Sie eine Lieblings-Theaterrolle?

Ganz: Nein, nicht wirklich. Aber es gibt ein paar, vor allem bei Shakespeare. Einige habe ich spielen dürfen, Hamlet, Macbeth zum Beispiel.

Ricore: Wie sehen Sie als Filmschauspieler die Situation des deutschen Films?

Ganz: Wir sind wieder bei Politik und Botschaften. Ich kümmere mich nicht darum. Mit Trends haben Produzenten und Journalisten mehr zu tun, als ich. Ich muss mich damit - Gott sei Dank - nicht so beschäftigen. Ich habe auch nicht das Gemüt dafür.

Ricore: Inwiefern sind sie als Präsident der Deutschen Filmakademie in die Filmpolitik involviert?

Ganz: Ich kann mich da involvieren, aber ich muss es nicht tun. Es ist ein Amt, bei dem ich zwei Mal pro Jahr vor die Kamera trete und etwas vorlese. Da ist es egal wie sehr ich mich darum kümmere oder nicht. Es interessiert mich schon, aber wirklich involviert in die ganze Filmpolitik ist der Vorstand, nicht so sehr der Präsident.

Ricore: Welches Projekt steht bei Ihnen als nächstes an?

Ganz: Ich drehe demnächst einen Kinofilm in Frankreich mit dem Titel "Mädchensport".

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 27. Oktober 2010
Zum Thema
Geboren wurde der Schweizer Bruno Ganz in Zürich-Seebach. Nach der Schauspielausbildung in Zürich spielt Bruno Ganz zunächst in einigen Schweizer Kinoproduktionen mit. 1962 arbeitet er am Peter Zadek, Kurt Hübner und Peter Stein. Schnell gehört Ganz zum Kern des Ensembles der Edith Clever, Jutta Lampe, Michael König und Werner Rehm. Eric Rohmers "Die Marquise von O...", Wim Wenderss' "Der amerikanische Freund", Werner Herzogs "Nosferatu - Phantom der Nacht" oder Volker Schlöndorffs..
Keine noch so peinliche Krise konnte dem politischen Leben des Schweizer Bundespräsidenten Kater (Bruno Ganz) schaden. Nicht umsonst wird er der große Kater genannt. Die aktuellen Turbulenzen machen jedoch auch dem gewieften Profi Sorgen. Die Umfragewerte sind im Keller und die Kritik in den eigenen Reihen wird immer lauter. Privat bleibt Kater von Schicksalsschlägen nicht verschont. Sein Sohn ist todkrank und die Ehe mit Marie (Marie Bäumer) hat ihren Tiefpunkt längst erreicht. Einfallsloses..
2024