Neue Visionen
Arthur Abraham
Boxer ohne Schmerzen
Interview: Arthur Abraham kämpft sich durch
Arthur Abraham ist Box-Weltmeister im Mittelgewicht. Für "Max Schmeling - Eine deutsche Legende" wechselt der Sportler kurzfristig ins Filmgeschäft. Der gebürtige Armenier kam als 15-jähriger nach Deutschland. Hier lernte er 2003 seinen Boxtrainer Ulli Wegner kennen. Er hat von 32 Profikämpfen nur einen verloren und gewann einen mit gebrochenem Kiefer. Zu Boxkollegen und Filmpartner Henry Maske hat Abraham ein gutes Verhältnis. Die beiden gönnen sich ihre Erfolge. Weitere Filmangebote würde der 30-Jährige nicht abschlagen. Vor einer Sache hat Abraham Angst: dem Verlieren.
erschienen am 13. 10. 2010
Central Film
Max Schmeling - Eine deutsche Legende
Ricore: Wie war es für Sie, das erste Mal an einem Kinofilm mitzuwirken?

Arthur Abraham: Es war sehr anstrengend.

Ricore: Inwiefern?

Abraham: Es war mein zweiter Film. Ich habe davor schon einen Dokumentarfilm über meinen Kieferbruch gedreht. Etwas Erfahrung hatte ich also schon, aber es war nur eine Dokumentation. Bei "Max Schmeling" musste ich sehr lange warten. Ich konnte eine Minute drehen und musste dann wieder warten. Aber ich habe es gerne gemacht und hatte auch viel Spaß dabei. Außerdem lernt man viele nette Leute kennen - wie Uwe Boll oder die Anderen.

Ricore: Im Film spielen Sie Richard Vogt, der einen anderen Kampfstil hat, als sie. Wie haben sie sich darauf vorbereitet?

Abraham: Ich musste üben, wie Richard Vogt geschlagen hat. Aber was das Boxen angeht, bin ich ein Profi und das haben wir schnell hingekriegt.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Henry Maske?

Abraham: Er ist ein absoluter Profi. Wir haben uns super verstanden. Bei uns ging das sehr schnell. Wir haben an einem Tag alles im Griff gehabt.

Ricore: Kannten Sie sich schon vorher?

Abraham: Ja, schon lange.

Ricore: Welches Verhältnis haben Sie zu Henry Maske?

Abraham: Wir verstehen uns sehr gut. Jeder macht seine Sache und wir freuen uns für die Erfolge des Anderen.
Neue Visionen
Arthur Abraham
Ricore: Welchen Bezug hatten Sie zu Max Schmeling vor dem Film?

Abraham: Ich habe ihn leider nie getroffen, aber ich weiß sehr viel über ihn. Mich hat interessiert, was dieser Mensch alles getan hat. Wie er sich zum Beispiel für Kinder und kranke Leute eingesetzt hat. Ich habe viele Journalisten getroffen, die mit ihm befreundet waren. Sie haben mir einiges über ihn erzählt. Was dieser Mensch bewegt hat, war schon etwas Besonderes.

Ricore: Sie nennen auf ihrer Homepage den jungen Mike Tyson als Vorbild. Was macht ihn besonders?

Abraham: Sein Box-Stil hat mich beeindruckt, wie er die anderen Boxer K.O. geschlagen hat. Das hat mich zum Boxen gebracht.

Ricore: Haben Sie ein Vorbild?

Abraham: Als Sportler ist Michael Schumacher mein Vorbild. Er ist der Ausnahmesportler und -mensch auf diesem Planeten.

Ricore: Wie hat bei Ihnen die Leidenschaft für den Boxsport angefangen?

Abraham: Bevor ich mit dem Boxen angefangen habe, war ich Radfahrer. Dann habe ich irgendwann mal Kämpfe gesehen und die haben mich innerlich motiviert. Ich bin zu einem kleinen Verein in Bamberg, dem ETSV Bamberg 1930. Dort habe ich meinen Trainer Uwe Schulz kennengelernt.
Werner Dittmair
Arthur Abraham in "Max Schmeling - Eine deutsche Legende"
Ricore: Was macht den Reiz dieser Sportart aus?

Abraham: Man steht alleine in einem Ring und muss zeigen, ob man ein Mann ist oder nicht und das vor einem Millionenpublikum. Das ist etwas Besonderes.

Ricore: Haben Sie außerhalb des Boxringes auch Momente erlebt, in denen sie sich beweisen mussten?

Abraham: Das, was man beim Sport erlebt, ist was Anderes. Das erlebt man außerhalb eher nicht. Aber ich denke, jeder Mensch muss sich seinen Platz auf dieser Welt erkämpfen, egal in welcher Hinsicht. Wenn man irgendwas im Leben erreichen will, muss man etwas dafür tun.

Ricore: Wie hat sich Ihr Leben verändert, als Sie vom Amateur- zum Profilager gewechselt haben?

Abraham: Ich musste sehr viel lernen und es war anstrengend. Da hat sich vieles verändert.

Ricore: Wie hat es sich auf Ihre Karriere ausgewirkt, dass Sie 2003 von Ulli Wegner aufgenommen worden sind?

Abraham: Dass ich ihn und meinen Manager Wilfried Sauerland getroffen habe, war mein größtes Glück.
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Arthur Abraham
Ricore: Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Ulli Wegner beschreiben?

Abraham: Wie ein Vater-Sohn-Verhältnis.

Ricore: Was war das für ein Gefühl, als Sie 2003 ihren ersten Profikampf bestritten?

Abraham: Ich war sehr aufgeregt. Meine Beine waren schwach und ich musste mich zusammenreißen, dass ich in den Ring gehen konnte.

Ricore: Wie überwindet man so ein Gefühl? Wie bereiten Sie sich mental auf einen Kampf vor?

Abraham: Man muss einfach sehr stark sein und sich konzentrieren. Man muss sich sagen: Ich bin stark, ich bin der Beste und er kann mich nicht schlagen. Dann geht das.

Ricore: Kurz bevor Sie in den Ring steigen, woran denken Sie da?

Abraham: Dass man keine Fehler macht und gewinnen möchte.

Ricore: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie 2005 erstmals Weltmeister im Mittelgewicht geworden sind?

Abraham: Ich habe vor Freude geweint.
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Arthur Abraham
Ricore: Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert?

Abraham: Da hat mein Leben richtig angefangen. Ich konnte meiner Familie helfen und habe meinen Eltern ein Haus und ein Auto gekauft.

Ricore: Wie wichtig ist die Familie für Sie?

Abraham: Die ist für mich alles, erst dann kommt der Rest.

Ricore: Sie haben eine außerordentliche Boxbilanz. Nach ununterbrochenen Siegen, haben Sie dieses Jahr erstmals gegen Andre Dirrell verloren. Wie fühlte sich die erste Niederlage an?

Abraham: Das war ein ganz großer Schmerz. Das tut mir heute noch weh.

Ricore: Wie motivieren Sie sich für den nächsten Kampf?

Abraham: Man muss für den Sport leben. Kein Geld, Auto oder Haus bringt mir da was. Für mich sind Gesundheit und Erfolg am wichtigsten. Ich habe versucht es zu vergessen, aber das geht leider nicht. Daher will ich mich verbessern. Ich trainiere härter. Ich gebe immer 200 Prozent, damit ich nicht mehr verliere.

Ricore: Besonders beeindruckend war der Kampf, in dem Sie gegen Edison Miranda geboxt und einen Kieferbruch erlitten haben. Sie standen blutend im Ring und haben trotzdem weitergekämpft. Was hat Sie dazu bewegt?

Abraham: Ich wollte einfach nicht in die Knie gehen. Ich habe gekämpft, wie es nur ging und am Schluss hat es zum Sieg gereicht.
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Arthur Abraham
Ricore: Haben Sie den Schmerz während des Kampfes gespürt oder kam das erst danach?

Abraham: Natürlich. Danach habe ich eine Spritze bekommen und habe nichts mehr gespürt. Wenn ein Mensch in harten Phasen keinen Schmerz ertragen kann, dann sollte er diesen Sport nicht machen.

Ricore: Womit können Sie besser umgehen: physischer oder emotionaler Schmerz?

Abraham: Wahrscheinlich der physische Schmerz.

Ricore: Was war die schmerzhafteste Erfahrung außerhalb des Ringes?

Abraham: Da gab es viele. Man muss sich gegen andere Leute durchsetzten. Der schwerste Kampf war mein Kieferbruch und der Schmerzhafteste die letzte Niederlage.

Ricore: Als Fünfzehnjähriger sind Sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Deutschland gekommen. Wie war das für Sie, als Jugendlicher in einem fremden Land zu leben?

Abraham: Es war sehr schwierig, da wir kein Deutsch sprachen. Aber wir haben es gelernt. Nach zwei Jahren auf der Schule konnte ich fast perfekt Deutsch und habe meinen Hauptschulabschluss gemacht und danach eine Schreinerlehre begonnen. Ich bin auch noch auf die Realschule gegangen.

Ricore: Momentan gibt es in Deutschland eine Diskussion über Migration und Integration. Wie erleben Sie das?

Abraham: Diese Diskussion wird nie aufhören. Ich habe kein Problem mit Menschen, dafür sind die Politiker zuständig. Da halte ich mich komplett raus. Ich mag alle Menschen, die gut sind. Es gibt kein schlechtes Land, nur schlechte Menschen.
Central Film
Arthur Abraham und Yoan Pablo Hernández
Ricore: Haben Sie selbst schon Diskriminierung erlebt?

Abraham: Natürlich habe ich das früher erlebt, inzwischen nicht mehr.

Ricore: Wie sind Sie damit umgegangen?

Abraham: Das macht einen noch stärker. Man muss sich durchkämpfen, um Anerkennung zu bekommen.

Ricore: Kehren Sie öfters in ihre Heimat zurück?

Abraham: Ein oder zweimal im Jahr fliege ich zurück. Ich habe zum Beispiel eine Aktion mit einem Sporthersteller gemacht. Wir haben für 100.000 Euro Kleidung nach Armenien geschickt. Für Kinder und Leute, die Sport machen, damit sie auch etwas zum Anziehen haben.

Ricore: Für welche anderen Organisationen engagieren Sie sich noch?

Abraham: Ich habe meine Arthur Abraham Stiftung in Deutschland und Armenien und helfe mit vielen Dingen. Aber darüber muss ich nicht reden, dass mache ich nur für mich.

Ricore: Könnten Sie trotzdem erläutern, worum es bei Ihrer Stiftung geht?

Abraham: Ich helfe Kindern in Waisenhäusern und unterstütze Kinder, die Sport machen, aber nicht die finanzielle Möglichkeit haben.

Ricore: Sie hatten eine Zeit lang das Schlumpf-Lied als Einmarschsong. Warum haben Sie dieses Lied gewählt?

Abraham: Das hat mein Management gemacht und es hat gut gepasst, weil es von Vader Abraham ist.
Central Film
Arthur Abraham
Ricore: Wie viel Mitspracherecht haben Sie auf die Festlegung Ihres Images?

Abraham: Ich habe sehr viel Mitspracherecht. Es ist mein Image. Wir sprechen alles ab. Das Management denkt an mich, so dass alles gut läuft.

Ricore: Wie wichtig ist es Ihnen, wie Sie von anderen Personen und der Öffentlichkeit wahrgenommen werden?

Abraham: Ich möchte einfach einen positiven Eindruck hinterlassen und dass die Öffentlichkeit mich als positiven und sauberen Mensch wahrnimmt.

Ricore: Wie wäre Ihr Leben verlaufen, wenn es mit dem Boxsport nicht geklappt hätte?

Abraham: Ich habe in Armenien Internationales Management studiert und hätte wohl auch gearbeitet, wer weiß, vielleicht als Geschäftsmann.

Ricore: Sind das Ihre Pläne nach der Boxkarriere?

Abraham: Natürlich, das sind meine Pläne nach dem Boxen.

Ricore: Machen Sie sich öfters Gedanken darüber, was nach dem Boxensport aus Ihnen wird?

Abraham: Ich habe mich schon versorgt. Ich habe zum Beispiel meine eigene Fluglinie gekauft, die Charterflüge anbietet. Ich beschäftige mich also schon ein bisschen damit.
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Arthur Abraham
Ricore: Wie sieht es mit der Schauspielerei aus, nachdem Sie jetzt ihren ersten Spielfilm gedreht haben? Wäre das was für Sie?

Abraham: Ich würde sehr gerne wieder etwas machen, wenn ich ein gutes Filmangebot bekomme.

Ricore: Was für eine Rolle würden Sie am liebsten spielen, wenn Sie es sich aussuchen könnten?

Abraham: Jedenfalls keine böse Rolle.

Ricore: Welche Filme schauen sehen Sie sich gerne an?

Abraham: Ich gucke alles, nur keine Horrorfilme. Die mag ich nicht.

Ricore: Hat da Arthur Abraham auch mal Angst?

Abraham: Jeder normale Mensch hat Angst, nur dumme Leute nicht. Meine größte Angst im Ring ist es, zu verlieren.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. Oktober 2010
Zum Thema
Arthur Abraham wird am 20. Februar 1980 als Awetik Abrahamjan geboren. Als er 15 Jahre ist, zieht seine Familie nach Deutschland. Er macht den Hauptschulabschluss, anschließend eine Schreinerlehre und besucht die Realschule. 2003 stellt er sich mit seinem Bruder Alexander bei Wilfried Sauerland und Ulli Wegner vor. Wegner wird fortan sein Trainer. Mit 25 Jahren wird Abraham im Dezember 2005 Es geht um alles") ist er in "Max Schmeling - Eine deutsche Legende" erstmals in einem Spielfilm zu sehen.
In "Max Schmeling" spielt Henry Maske den titelgebenden früheren Box-Weltmeister. Das Drama zeigt die wichtigsten Kämpfe aus Schmelings Karriere, seine größten Erfolge sowie die bittersten Niederlagen. Mit der Wahl von Henry Maske als Hauptdarsteller hat Uwe Boll seinem Drama keinen Gefallen getan. Der ehemalige Boxer macht natürlich in den Kampf-Szenen eine gute Figur. Ansonsten fehlt dem hölzern agierenden Ex-Boxer an Charisma und dem notwendigen Handwerkszeug, um zu überzeugen.
2024