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Bruce Beresford ("Maos letzter Tänzer")
Zwischen allen Stühlen?
Interview: Bruce Beresford in Film, Oper, Ballett
Bruce Beresford feiert 1989 mit "Miss Daisy und ihr Chauffeur" seinen ersten großen Erfolg. Er selbst findet, dass seine Regieleistung in dem Drama nicht hervorstach. Der Film überzeuge vor allem wegen seines großartigen Drehbuchs. Für seine beste Arbeit hält der Australier "Black Robe - Am Fluß der Irokesen". Seine bislang erste Oscar-Nominierung erhält er jedoch 1982 für "Tender Mercies - Comeback der Liebe". Neben seiner Arbeit für den Film ist der leidenschaftliche Liebhaber klassischer Musik auch Opern-Regisseur. Mit "Maos letzter Tänzer" kehrt Beresford nach vier Jahren Abwesenheit zum Kino zurück. Filmreporter.de hat er verraten, was er in der Zwischenzeit gemacht hat.
erschienen am 4. 11. 2010
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Maos letzter Tänzer
Ricore: Herr Beresford, "Maos letzter Tänzer" ist Ihr erster Film seit vier Jahren. Ist dieser Film als Comeback zu betrachten oder waren Sie gar nicht abgetaucht?

Bruce Beresford: Nein, eigentlich habe ich gearbeitet. Den letzten Film, den ich gemacht habe, war "The Contract". Danach habe ich ein Theaterstück und eine Oper inszeniert. Außerdem habe ich drei Drehbücher geschrieben, darunter auch ein Mehrteiler für das Fernsehen.

Ricore: Was war das Besondere am Drehbuch zu "Maos letzter Tänzer", dass Sie ausgerechnet mit diesem Stoff ins Kino zurückkehren?

Beresford: Ich habe natürlich schon versucht, das eine oder andere Projekt auf die Beine zu stellen. Doch es ist heute sehr schwer, Geld für einen Film aufzutreiben. Dass es ausgerechnet "Maos letzter Tänzer" sein sollte, liegt einfach daran, dass ich die Geschichte sehr gut fand. Ich las schon die Autobiografie von Li Cunxin. Als die australische Produzentin Jane Scott die Rechte für den Stoff erworben hatte, fragte sie mich, ob ich den Film machen möchte. Ich sagte sofort zu. Es war eine sehr gute Geschichte.

Ricore: Der Film war in Australien besonders erfolgreich. Mögen die Australier das Ballett oder wie erklären Sie sich diesen überragenden Erfolg.

Beresford: Nein, ich glaube nicht, dass das der Grund ist. Die Erklärung ist denkbar einfach: Sie mochten einfach den Film.

Ricore: Haben Sie Li Cunxin vor dem Projekt gekannt?

Beresford: Nein, ich habe ihn vorher nicht gekannt.
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Harte Schule für die jungen Tänzer
Ricore: Haben Sie mit ihm zusammen am Film gearbeitet?

Beresford: Ja, Drehbuchautor Jan Sardi hat mit ihm am Skript gearbeitet. Auch ich bin dann jedes Detail nochmal mit ihm durchgegangen. Ich stellte ihm alle Fragen der Welt, schließlich handelt es sich um sein Leben.

Ricore: War er mit dem Konzept einverstanden?

Beresford: Ja, er ist sehr stolz auf den Film. Er promoted ihn überall auf der Welt. Vor kurzem war er deswegen in Amerika.

Ricore: Sie hatten sich mit "Die Windsbraut" schon mal der klassischen Musik gewidmet. Warum die Tendenz zu diesem Thema?

Beresford: Das ist etwas, das mich sehr interessiert. Ich mag Musik, was sich auch darin spiegelt, dass ich viele Opern inszeniert habe. Dennoch habe ich mit "Maos letzter Tänzer" doch Neuland betreten. Ballett-Musik unterscheidet sich erheblich von Opernmusik.

Ricore: Sie planten auch einen Film über Sergei Rachmaninow, nicht?

Beresford: Ja, das stimmt. Das Projekt ist noch aktuell. Die Dreharbeiten sollen im November 2011 in Polen beginnen. Ich hoffe, dass es nicht wieder an der Finanzierung scheitert. Seit fünf Jahren versuchen wir schon, das Geld für den Film aufzutreiben, doch geklappt hat es bis jetzt noch nicht. Das Drehbuch ist jedenfalls sehr gut.
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Li Cunxin setzt sich in den USA bald durch...
Ricore: Sie sagten, Sie sind auch als Opern-Regisseur tätig. Was fasziniert sie an Opern?

Beresford: Ich liebe die emotionale Kraft der Oper sowie die Kombination aus Sprache und der großartigen Musik. Eine Oper kann sehr bewegend sein. Ich war schon immer nach Opern verrückt.

Ricore: Hatten Sie auf der Bühne schon mal mit Ballett zu tun?

Beresford: Nein, ich weiß nicht wirklich viel über Ballett und Choreografie. Ich bleibe lieber bei der Oper. Eine Oper zu inszenieren ist wie ein Theaterstück oder einen Film zu inszenieren. In allen drei Kunstgattungen geht es um Dramen. Außerdem ist das Schauspiel ein weiteres verbindendes Element. Ich versuche, das Schauspiel immer so gut wie möglich zu machen. Aus diesem Grund bemühe ich mich immer, gute Schauspieler zu engagieren.

Ricore: War es schwierig, den passenden Schauspieler für "Maos letzter Tänzer" zu finden?

Beresford: Ja, das war sehr schwierig. Wir mussten einen chinesischen Schauspieler finden, der ein großartiger Tänzer ist und auch Schauspielen kann. In Chi Cao, der für das Birmingham Royal Ballett tanzt, haben wir nach langer Suche den Richtigen gefunden. Wir waren sehr glücklich darüber. Wenn wir ihn nicht gefunden hätten, hätten wir nicht weiter gewusst.

Ricore: Ein Teil der Dreharbeiten fand in China statt. Hatten Sie Schwierigkeiten mit den chinesischen Behörden? Hat man Druck auf Sie ausgeübt?

Beresford: Das stimmt, wir drehten unter anderem in China. Wir dachten, dass wir große Schwierigkeiten bekommen würden. Die Regierung war unglücklich, dass wir auch über Madame Mao sprechen. Sie wollten, dass wir diesen Aspekt ändern. Wir konnten das aber nicht tun, also haben wir den Einspruch einfach ignoriert. Ich dachte, sie würden uns deswegen aus dem Land jagen, was jedoch nicht geschehen ist.
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Chi Cao als erwachsener Li Cunxin ("Maos letzter Tänzer")
Ricore: Glauben Sie, dass die chinesische Regierung gegenüber der Kunst heute liberaler geworden ist?

Beresford: Sie ist toleranter, würden ich sagen. Doch "Maos letzter Tänzer" wird in China nicht gezeigt, das ist sicher. Immerhin ist er auf DVD erhältlich. Er wird auf der Straße vermarktet. Der Vaters des Jungen, der in "Maos letzter Tänzer" den kleinen Li Cunxin verkörpert, hat hundert Kopien gekauft (lacht).

Ricore: Warum drehen Sie Filme, Herr Beresford?

Beresford: Das ist etwas, das ich seit meiner frühesten Kindheit machen wollte. Ich liebe es einfach, Geschichten zu erzählen. Außerdem habe ich die Möglichkeit, durch die Welt zu reisen. Das liebe ich sehr.

Ricore: Was würden Sie als Leitmotiv Ihrer Arbeit bezeichnen?

Beresford: Es sind die interessanten Charaktere, die mich faszinieren. Ich mache Filme über Charaktere, Ereignisse und Konflikte, die mir unbekannt sind.
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Der echte Li CunXin
Ricore: Sie sind schon seit Jahren im Filmgeschäft tätig. Ist es heute schwieriger, einen Film zu inszenieren. Kann man als Regisseur heute noch die kreative Kontrolle über einem Film behalten?

Beresford: Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, es ist abhängig davon, wer den Film produziert. Große Studios oder das Fernsehen versuchen immer, die Kontrolle über ein Projekt zu gewinnen. Insofern ist es immer schwierig, in diesem Umfeld einen Film zu machen, ohne dass Änderungen erzwungen werden. Oft zwingen sie einen auch, Schauspieler zu engagieren, die für das Projekt einfach falsch sind. Es kann oft sehr stressig sein. Aber wenn man mit dem richtigen Produzenten zusammenarbeitet, dann funktioniert es gut. Ich hatte einige schreckliche aber auch einige gute Erfahrungen gemacht. Heute ist es vielleicht schwieriger, Geld für ein Projekt aufzutreiben. Vor allem in den letzten fünf Jahren hat sich das zugespitzt. Der Grund dafür ist, dass die Leute sich die Filme immer seltener im Kino als vielmehr im Internet anschauen.

Ricore: Dann gibt es die immer größer werdende Konkurrenz durch die neuesten technischen Errungenschaften wie das CGI oder das 3D-Kino. Hat eine Technik wie 3D eine Zukunft?

Beresford: Es ist schwer zu sagen, ob diese Technik bestehen wird. Sie kam und ging und das schon drei Mal. Heute ist die Technik natürlich ausgereifter und auch die 3D-Brillen sind besser.

Ricore: Sie würden also solche technische Errungenschaften nicht per se ablehnen.

Beresford: Nein, alles was für das Erzählen einer Geschichte nützlich ist, würde ich begrüßen. Ich würde auch gerne mal einen 3D-Film drehen.

Ricore: Aber wir werden nicht weitere vier Jahren warten, bis Sie den nächsten Film drehen?

Beresford: Ich habe gerade einen fertiggestellt. Er heißt "Peace, Love, & Misunderstanding" und Jane Fonda spielt die Hauptrolle. Anschließend gehe ich nach Australien, wo ich eine Oper inszenieren werde.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 4. November 2010
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Bruce Beresford wird 1940 in Sydney geboren. Bereits als Jugendlicher inszeniert er erste Kurzfilme. 1962 geht er nach England, wo er eine Regie-Karriere anstrebt. Weil sich der Erfolg nicht einstellt, zieht er bald nach Nigeria weiter, wo er zwei Jahre als Cutter arbeitet. Wieder in England, arbeitet er zunächst als Produzent von Kurzfilmen, bevor er 1972 in Australien mit "The Adventures of Barry McKenzie" seinen ersten Kinofilm inszeniert. Der Fall des Lieutnant Morant" entwickelt sich..
2024