Paramount Pictures
Oliver Welke
Würstchenmodel wird Brad-Pitt-Double
Interview: Ernsthafter Komiker Oliver Welke?
Oliver Welke wirbt als Vierjähriger für Dosenwürste. Das war's dann mit der Modelkarriere. Der studierte Publizist wird später Moderator des Fußballmagazins ran bei Sat.1 und schreibt mit den Comedy-Kollegen Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka das Drehbuch zu "Der Wixxer - er kommt!" Seit 2009 moderiert er die Nachrichtensatire "Heute show". In "Megamind 3D" spricht er einen selbstverliebten Superhelden. Der 44-Jährige wäre kein guter Held. Schon beruflich bedingt kommt er nicht in die Verlegenheit, die Welt retten zu müssen, gesteht er Filmreporter.de im Interview.
erschienen am 2. 12. 2010
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Megamind 3D
Ricore: Waren ihre Kollegen neidisch, dass Sie den deutschen Part von Brad Pitt sprechen durften?

Oliver Welke: Nein, jeder wurde von Anfang an für eine bestimmte Rolle gecastet. Aber sie haben mich damit aufgezogen, dass ich der deutsche Brad Pitt sei.

Ricore: Wie groß ist der Druck, dem englischen Original mit Brad Pitt als Sprecher gerecht zu werden?

Welke: Der Druck ist nicht groß, weil er ein Sexsymbol ist oder mit Angelina Jolie verheiratet ist, sondern weil er ein wirklich guter Schauspieler ist - besonders was den Humor angeht. Ich finde ihn in den lustigen Rollen am besten, wie in "Burn After Reading", wo er diesen Fitnesscoach spielt. Das ist extrem lustig. Da läuft er zur Höchstform auf und nicht in diesen klassischen Actionrollen, romantischen Komödien oder beim Kinderadoptieren. Deswegen hatte ich eine gewisse Ehrfurcht. Denn mein Verständnis vom Synchronsprechen ist, dass man versuchen sollte, dem Original so nah wie möglich zu kommen.

Ricore: Die Rolle des supercoolen Megahelden ist doch eigentlich perfekt für Sie?

Welke: Das täuscht. Er sieht natürlich gut aus, kann durch Häuser fliegen und hat den Röntgenstrahl. Aber er ist nicht der Sympathieträger. Der findet sich so unfassbar geil und ist in sich selbst verliebt, dass man ihn von der ersten Minute an weder ernst nehmen, noch wirklich mögen kann. Die Herzen fliegen immer dem Verlierer zu, so ist das Hollywoodkino nun mal angelegt.
Lena Pauli/Ricore Text
Oliver Welke bei der Megamind-Premiere
Ricore: Würden Sie die Welt retten oder sind Sie eher der Typ, der sich im Kämmerchen versteckt?

Welke: Am sympathischsten ist die Metroman-Figur, wenn sie unrasiert zu Hause rumhängt, sich Cocktails macht und schlechte Musik anhört. Das ist der Teil, den ich mit meinem eigenen Leben noch am ehesten in Einklang bringen kann. Bei den Sachen, die ich beruflich mache, kommt man nicht in die Verlegenheit, die Welt zu retten. Das ist noch nicht an mich herangetragen worden.

Ricore: Welche Superkräfte hätten Sie denn gerne?

Welke: Fliegen wäre ganz schön, vor allem während des Berufsverkehrs. Für die meisten Superkräfte hat man im täglichen Leben eigentlich nicht so viel Verwendung. Da ich leidenschaftlicher Zapper bin, wäre vielleicht eine Superheldengehirnfunktion praktisch, damit ich fünf Kanäle gleichzeitig verfolgen kann, ohne wahnsinnig zu werden.

Ricore: Wie entsetzt sind Sie vom deutschen Fernsehen?

Welke: Das ist eine Frage für den Herrn Kalkofe. Er ist der Scharfrichter des deutschen Fernsehens. Kalkofe ist dazu verurteilt, als Deutschlands schärfster TV-Kritiker jedes Jahr sagen zu müssen, dass es noch schlechter geworden ist. Ich sehe eher eine Stagnation und kann keinen kompletten Verfall von Jahr zu Jahr feststellen. Das liegt bei mir allerdings daran, dass ich Fußball bedingt auch in anderen europäischen Ländern abends im Hotel von Sender zu Sender zappe. Ich kann nur sagen, niemand ist in Deutschland gezwungen, Scheiße zu gucken. Man hat zu jeder Uhrzeit die Möglichkeit, sich eine Dokumentation oder Filme anzusehen.

Ricore: Sie finden das deutsche Angebot also gar nicht so schlecht?

Welke: Das Angebot ist weit besser als in anderen europäischen Ländern und auch den USA. Was ich im Freundeskreis verstärkt mitkriege, ist, dass sich viele von dem Medium entfremden und sich im Internet Serien bestellen und runterladen. Man ist nicht mehr bereit, sich vom Fernsehen vorschreiben zu lassen, wann man welche Sendung sehen kann. Das merke ich auch bei meinen Söhnen. Der Bedeutungsverlust des Mediums Fernsehen geht viel schneller, als die Macher es sich schönreden. Aber dem allgemeinen Chor, dass alles schlechter wird, kann ich mich nicht anschließen. Sonst gäbe es nicht die "Heute show".
Lena Pauli/Ricore Text
Oliver Kalkofe, Bastian Pastewka, Oliver Welke bei der "Megamind"-Premiere
Ricore: Sprechen Sie mit Kollegen wie Oliver Kalkofe über Ihre Arbeit?

Welke: Lustigerweise redet man immer nur über Sendungen, wenn sie gerade neu rauskommen. Ich würde Kalkofe aber nicht Fragen:[mit verstellter Stimme] "Wie fandest du Folge 27. Haben wir es nicht ein bisschen zu bunt getrieben, mein Lieber?" Solche Gespräche finden nicht statt. Am Anfang hat er mir gesagt, was er gut und was schlecht findet. Ich weiß nicht mehr, ob ich ihn auch danach gefragt habe, aber er hat es auf jeden Fall gesagt.

Ricore: Sie machen sich in der "Heute show" über Missstände im Fernsehen und der Politik lustig. Was ärgert Sie persönlich?

Welke: Die "Heute show" ist im klassischen Sinne keine Nachrichtenparodie. Wir nehmen die aktuelle Nachrichtenlage und bereiten sie satirisch auf. Wir sehen aus wie Nachrichten und nutzen die Stilmittel. Letztendlich sind wir aber eine Satire. Ich bin auch als Autor bei der Sendung tätig. Alles was mich im Moment aufregt, wird verarbeitet. Wenn zum Beispiel der Innenminister sagt: Es gibt Grund zur Unruhe, aber nicht zur Hysterie. Dann stelle ich mir vor, wie er vor die Presse tritt und sagt: ab jetzt gibt es Grund zur Hysterie. Diesen Satz will man eigentlich nie hören. Solche sprachlichen Absurditäten fallen einem erst auf, wenn man als Autor ständig auf Materialsuche ist. Wir können nicht mehr normal fernsehen, weil wir immer nach irgendwelchen Pannen suchen.

Ricore: Sie machen Comedy und Sportmoderation. Wie lässt sich das vereinbaren?

Welke: Mir ist die Trennung nie schwer gefallen. Bei mir ist diese Form von Schizophrenie seit vierzehn Jahren vorhanden. Ich habe damals schon mit Kalkofe humorvolle Programme gemacht. Seit 1996 bin ich gleichzeitig in sportiven Formaten zu sehen. Für mich war es nie ein Problem, das zu trennen - ich bin auch Fußball Fan. Wenn ich im Stadion bin und Borussia Dortmund spielt, dann würde ich niemals auf die Idee kommen, mich ironisch zu distanzieren. Denn Fan sein ist immer das Gegenteil von Distanz. Fußball ist Emotion. Als Journalist muss man sich wiederum distanzieren und dem Verein, den man mag, die nötigen kritischen Fragen stellen. Ich glaube, wenn man ein Fußballspiel ironisch kommentieren würde, dann würden einen die Fans hassen.

Ricore: Wollen Sie sich in absehbarer Zeit auf eine Sparte festlegen?

Welke: Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ich das zeitlich einteilen kann und meine Familie es gestattet [lacht], dann würde ich gern so weiter machen. Ich bemerke beispielsweise bei Kollegen, die ausschließlich Sport machen, dass sie Gefahr laufen, betriebsblind zu werden. Ich kann jedem gerade in Medienberufen nur raten, sich mehrere Standbeine zu schaffen.
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Oliver Welke
Ricore: Haben Sie keine Angst, dass ihre Seriosität unter dem Komikerdasein leidet?

Welke: Mit dem Restrisiko muss man leben. Wenn man beispielsweise einen Trainer oder Manager verärgert, suchen die in den seltensten Fällen den Fehler bei sich. Dann sind meist 'die Medien' schuld. Ich will nicht ausschließen, dass sich der eine oder andere schon mal gedacht hat, was will der Komiker mir von Fußball erzählen. Das war in den ersten Jahren so. Aber mittlerweile mache ich das seit vierzehn Jahren und die kennen mich. Zumindest würden sie mir es nicht mehr ins Gesicht sagen. Wenn man eine Marktforschung zu meiner Person durchführen würde, dann würde mich die Mehrzahl mit Fußball assoziieren.

Ricore: Würden Sie gerne weitere Drehbücher für Kinofilme schreiben, wie bei den beiden "Wixxer"-Filmen?

Welke: Fürs Fernsehen habe ich zwischendurch schon etwas geschrieben. Das Problem bei einem Drehbuch für das Kino ist das Zeitbudget. Bei einer Kinoversion mit 90 bis 100 Minuten sind das andere Dimensionen. Man muss bis zu acht verschiedene Fassungen schreiben, bevor es Drehreife hat. Diese Zeit muss man sich erst einmal nehmen. Das ist fast unmöglich für Zwischendurch. Aber das Tolle beim Kino ist, dass es etwas Bleibendes hat. Das Fernsehen ist ein flüchtiges Medium. Die meisten Sendungen sind vor Ende des Abspanns zu Recht vergessen. Kinofilme hat man vielleicht noch als Trägermedium in Form von einer DVD zu Hause stehen und denkt: Ich habe hier mitgearbeitet.

Ricore: Was gefällt Ihnen am Drehbuch schreiben?

Welke: Wenn man an ein Set kommt, an dem deine Ideen umgesetzt wurden, ist das ein extrem erhebendes Gefühl und du denkst: Die Wahnsinnigen haben das tatsächlich aufgebaut, was wir uns ausgedacht haben. Das ist wirklich toll.

Ricore: Macht Ihnen das Synchronsprechen Spaß?

Welke: Ja, das macht großen Spaß und es ist mal wieder eine ganz andere Arbeit. In meinem Fall waren es nicht so viele Takes. Ich war vielleicht drei Tage im Studio. Die Arbeit an sich ist sehr angenehm, das habe ich bei "Little Britain" [britische Sketch-Show] auch genossen. Man ist in einem dunklen geschützten Raum ohne zu überlegen, wie man dabei aussieht und kann stimmlich die Sau raus lassen. Das macht wirklich Spaß, gerade wenn man overacten und extrem spielen kann.
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Oliver Welke
Ricore: Wie muss man sich Ihren Arbeitsprozess vorstellen? Stehen Sie um acht Uhr morgens auf und sind lustig?

Welke: Sie kennen wohl keine Comedy-Autoren [lacht]. Um acht gehen die nicht einmal ans Telefon. Ich kann nur für die "Heute show" sprechen. Einige Mitarbeiter kommen sehr früh und gehen spät, das sind aber nicht die Autoren. Die müssen dafür oft bis spät abends da bleiben, je nachdem, was aktuell in der Welt passiert.

Ricore: Ist es einfach eine Figur zu spielen, die völlig abwegig ist oder eine, die der eigenen Person ähnelt?

Welke: Es ist viel einfacher etwas zu spielen, dass weit von einem weg ist, wie eine Figur, die schon eine Karikatur ist. Hier geht vieles über das Overacting und man kann fast nicht zu viel machen. Für einen dramatischen Stoff oder Film, welcher der Realität ähnelt, muss man ein echter Schauspieler sein. Da geht es um Nuancen. Richtige Schauspieler geben bei realistischen Themen sehr viel von sich selbst preis. Da bin ich ganz dankbar, dass mir das erspart wurde.

Ricore: Wie sieht es mit dem Drehbuch zum dritten "Wixxer"-Film aus?

Welke: Da müsste ich mich erst mit dem Kollegen Kalkofe absprechen. Nicht dass er eine andere Version verbreitet. Wenn man aber ganz ehrlich ist, besteht das Konzept derzeit nur aus dem Titel. Wir haben im Abspann des letzten Films großspurig einen dritten Teil angekündigt und uns damit selbst unter Druck gesetzt. Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass wir schon eine Idee haben. Er wird sicherlich irgendwann kommen, die Frage ist nur wann. Bei vielen Trilogien hat man eine natürliche Verfallskette, die von Mal zu Mal schlechter wird, wie bei "Der Pate". Das soll uns nicht passieren.

Ricore: Wie notieren Sie sich Ihre ganzen Ideen? Haben Sie Bücher für jede Sparte?

Welke: Es ist tatsächlich so, dass man verschiedene Methoden ausprobiert. Gerade in der Phase kurz vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen hat man ganz tolle Ideen. Eine Zeit lang hatte ich ganz peinlich ein Diktiergerät neben mein Bett liegen. Aber oft sind diese Ideen doch nicht so toll und am nächsten Morgen denkst du dir: Wer hat sich denn den Mist ausgedacht. Das hat nicht funktioniert. Zwischenzeitlich habe ich meine Ideen auf dem Laptop gespeichert. Jetzt versuche ich es aber ganz klassisch mit einer Notizkladde und bin wieder ein großer Fan des Notizbuches geworden. Auch wenn ich manchmal meine eigene Schrift nicht mehr lesen kann. Für die Ideensammlung ist das klassische Aufschreiben immer noch eine Bank.
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Oliver Welke
Ricore: Metroman und Megamind kommen aus dem All auf die Erde. Glauben Sie an außerirdisches Leben?

Welke: Ich bin kein Astrophysiker. Erst heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass die statistische Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass es woanders Leben gibt. Wie intelligent oder wie weit weg das sein soll, weiß ich nicht. Das logische Empfinden sagt einem, dass sehr viele Faktoren zusammenkommen müssen, bevor irgendwelche Lebensbedingungen auf einem Planeten entstehen können. Wenn man bei guter Sicht mal nach oben schaut und sieht, was da alles blinkt, wäre es komisch, wenn die Erde der einzige Stein wäre, auf dem etwas keimt.

Ricore: Haben Sie einen persönlichen Helden?

Welke: 'Held' ist ein großes Wort, man sollte sich gut überlegen, wie man es einsetzt. Menschen, die alleine oder in einer kleinen Gruppe Zivilcourage zeigen, wie Dominik Brunner, verdienen dieses Wort 'Held' in Europas komfortablen Zeiten noch am ehesten. Wir sind wirklich privilegiert, denn hier finden weder Naturkatastrophen statt, noch sind bewaffnete Konflikte in unserer unmittelbarer Nähe. Im Alltag gibt es wenig klassisches Heldentum. Langweilig, aber wahr [lacht].

Ricore: Was würden Sie als Nächstes am liebsten machen? Gibt es noch ein Traumprojekt?

Welke: Borussia Dortmund - Der Kinofilm.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 2. Dezember 2010
Zum Thema
Oliver Welke studiert Publizistik und arbeitet als freier Mitarbeiter für verschiedene Medien in Nordrhein-Westfalen. Zudem ist er als Box- und Fußballmoderator tätig. 2003 folgt er Rudi Carrell als Stammschauspieler im Comedy-Wochenrückblick "Sieben Tage, sieben Köpfe". Welke moderiert verschiedene Fernseh-Shows, darunter Events von Stefan Raab. Der Wixxer - er kommt!" (2004) und "Neues vom Wixxer" (2007) schreibt er zusammen mit Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka das Drehbuch und übernimmt..
Megamind 3D (Kinofilm)
Megamind ist der brillanteste Bösewicht, der jemals existierte. Doch seinem Ziel, die Stadt Metro City zu erobern, steht Superheld Metroman im Weg. Nachdem Megamind diesen endlich besiegt hat, gerät er in eine Existenzkrise. Um seinem Leben wieder einen Sinn zu geben, erschafft er mit Titan einen neuen Helden. Doch dieser denkt nicht daran, der Gute zu sein. Mit "Megamind" möchte Brad Pitt und Will Ferrell sorgen.
2024