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Für sein Traumprojekt scheut er keine Mühen: Regisseur und Hauptdarsteller Til Schweiger
Til Schweiger über Romantik und Freiheit
Interview: Liebeserklärung an die Liebe
Nach seinem Regiedebüt "Der Eisbär" dauerte es sieben Jahre bis Til Schweiger ein weiteres Filmprojekt auf die Beine stellte. "Barfuss" inszenierte und produzierte er und schrieb sogar mit Jann Preuss das Drehbuch. Ganz nebenbei spielt der Frauenliebling auch noch die Hauptrolle der romantischen Komödie. Til Schweiger erzählte uns nicht nur von seinem Beruf, sondern auch von seiner Vaterrolle, seiner Zeit als armer Schauspielstudent und was Freiheit für ihn bedeutet.
erschienen am 1. 04. 2005
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Von seinen Kindern inspiriert: Til Schweiger
Ricore: Sie bezeichnen "Barfuss" als ihren bisher erwachsensten Film. Wie meinen Sie das?

Til Schweiger: Es stimmt, dass ich "Barfuss" als den erwachsensten und zudem besten meiner Filme ansehe. Von der Emotionalität her geht er in dieselbe Richtung wie "Knocking on Heaven's Door", wobei "Barfuss" nicht ganz so albern ist. Ich würde ihn als eine Liebeserklärung an die Liebe bezeichnen. Der Film hat märchenhafte Züge. Er soll den Zuschauer mit auf eine Reise nehmen, von der er träumen kann. Ich möchte dass mein Publikum mit meinen Hauptfiguren lachen, aber auch weinen kann.

Ricore: Was denken Ihre Töchter über Leila?

Schweiger: Meine zwei älteren Töchter lieben den Film. Sie sind acht und sechs Jahre alt und identifizieren sich total mit Leila. Eigentlich ist Leila ja auch ein Kind, das die Welt entdeckt. Ob Busfahrt, Computer oder Telefon - ein Kind hat immer etwas zu entdecken. Leila ist kein geistig zurückgebliebenes Mädchen. Vielmehr ist sie eine Frau, die unsere Welt nicht kennt.

Ricore: Haben Ihre Kinder Sie für den Film inspiriert?

Schweiger: Der Satz "Ich möchte meine Füße nicht einsperren" stammt von meinen Kindern. Das ist übrigens Johanna Wokaleks Lieblingssatz aus dem Film. Mir persönlich gefällt, "Der Mond hat ein Licht angeknipst" am besten. Diesen Satz hat eine meiner Töchter gesagt, als sie vier Jahre alt war und in den Sternenhimmel schaute. Als ich das aus ihrem Mund hörte, hatte ich Schmetterlinge im Bauch. Dieser Satz war so kraftvoll! Er fiel mir beim Schreiben des Drehbuches wieder ein.

Ricore: Wie weit haben Ihre Kinder Ihr Leben verändert?

Schweiger: Wenn man Kinder kriegt, ändert sich das Leben komplett. Plötzlich trägt man eine riesige Verantwortung. Wenn ich nach einem langen Tag nach Hause komme und die Kinder endlich alle im Bett sind, bin ich meist viel zu erschlagen um noch auszugehen oder Freunde zu treffen.

Ricore: Sind Ihre Kinder denn frech?

Schweiger: Sie sind charmant-frech. Wenn jemand zu Besuch ist, stellen Sie sich auch ein bisschen zur Schau. Jeder der Kinder hat, wird das kennen. Sie wollen erst Mal sehen wie der Besucher so drauf ist.
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Til Schweiger mit Johanna Wokalek in "Barfuss" auf der Flucht.
Ricore: Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?

Schweiger: Vor "Barfuss" habe ich einige andere Regieangebote bekommen. Diese habe ich aber alle, ohne zu zögern, abgelehnt. Der Beruf ist äußerst arbeitsintensiv. Wir sind von den USA nach Deutschland zurückgekommen, damit ich mehr Zeit für die Familie habe. "Barfuss" wollte ich aber trotzdem unbedingt machen. Jetzt werde ich aber für längere Zeit keine weiteren Filme mehr produzieren. Nach "Der Eisbär" dauerte es sechs oder sieben Jahre bis ich mein zweites Filmprojekt in Angriff nahm. Bis zu meinem nächsten Film wird es wahrscheinlich noch mal sieben Jahre dauern.

Ricore: In "Barfuss" wird die problematische Beziehung zwischen Nick Keller und seinem Stiefvater geschildert. Was für ein Verhältnis haben Sie zu ihrem Vater?

Schweiger: Die Beziehung von Nick und seinem Stiefvater beruht nicht auf eigene Erfahrungen. Ich habe keinen Stiefvater, sondern einen leiblichen Vater. Wir verstehen uns sehr gut, dass heißt natürlich nicht, dass wir uns nie streiten.

Ricore: Wie weit beziehen Sie Ihre Familie und Freunde in Ihre Arbeit mit ein?

Schweiger: Wer Lust hat, darf das Drehbuch lesen. Es gibt Regisseure, die zeigen bis zur Premiere niemanden ihren Film, außer vielleicht ihrem Produzenten. Wenn ich ein Projekt verwirklichen möchte, schicke ich das Drehbuch vielen Leuten, die Lust und Zeit haben es zu lesen. Je mehr Feedback ich bekomme, desto besser.

Ricore: Die Hauptfigur Nick Keller ist immer wieder arbeitslos und nagt am Hungertuch. Gab es Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie selbst in Geldnöten steckten?

Schweiger: Arbeitslos war ich nie. Phasen des Geldmangels kenne ich aber nur zu gut. Manchmal konnte ich an einem Tag nicht so viel rauchen wie sonst, damit ich auch für den nächsten Tag noch Zigaretten übrig hatte. Manchmal hatte ich nur noch vier Mark in der Tasche. Zum Essen kaufte ich mir dann eine Dose Ravioli von Aldi.

Ricore: Wann genau durchlebten Sie diese Phase?

Schweiger: Vor und während meiner Zeit an der Schauspielschule.
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Endlich frei...und nun? Die Welt ist ihr so fremd: Leila (Johanna Wokalek)
Ricore: Was war Ihr bisher schlimmster Job?

Schweiger: Mein allerschlimmster Job war bei Wertkauf, wo ich einen Sommer lang arbeitete. Ich habe dort Regale aufgefüllt. Sie mussten immer schön penibel eingeräumt sein. Irgendein Trottel hat mir gezeigt, wie genau ich die Dosen aufbauen muss, damit das Regal immer voll aussieht. Er genoss die Macht, die er über mich hatte. Er hätte mich jederzeit feuern können. Ich hätte diesen Typen erwürgen können, aber ich war auf das Geld angewiesen. Auch einige meiner Kneipenjobs waren schlimm. Ich musste manchmal für zehn Mark die Stunde, ohne Nachtzuschlag, bis fünf Uhr früh arbeiten. Oft musste ich mich mit arroganten Gästen rumärgern, immer in der Gefahr gefeuert zu werden. Am nächsten Morgen musste ich dann zur Schauspielschule gehen.

Ricore: In "Barfuss" erlebt Leila zum ersten Mal in ihrem Leben Freiheit. Was bedeutet Freiheit für Sie?

Schweiger: Freiheit bedeutet für mich, wenn ich mit meiner Familie im Urlaub bin und an nichts anderes denken muss. Den Traum vom Aussteigen habe ich auch schon öfters gehabt, meine Frau übrigens auch.

Ricore: Wie genau sieht dieser Traum aus?

Schweiger: Danas Traum ist es in Hawaii Kaffee anzupflanzen. Das macht eine Freundin von ihr, die ganz bescheiden in einer kleinen Hütte auf Hawaii lebt und sehr zufrieden ist. Mich selbst spricht Hawaii nicht sonderlich an, es ist mir zu amerikanisch.

Ricore: Wie schwer war es für Sie sich von Amerika wieder auf Deutschland einzustellen. Das Leben dort ist völlig anders.

Schweiger: In Kalifornien kann man lässiger als hier rumlaufen, weil es dort eine "Open-Air" Gesellschaft gibt. Anfangs habe ich die Amerikaner gegenüber den Deutschen immer verteidigt. Ich warf den Deutschen vor viel zu boniert zu sein und dass sie die Amerikaner nur als oberflächlich bezeichnen, weil sie sich selbst nicht so gut öffnen können. Nachdem ich aber sechs Jahre in Amerika lebte, muss ich zugeben, dass an diesen Vorurteilen etwas Wahres dran ist. Ich weiß nicht, ob das vielleicht mit dem Regierungswechsel zu tun hat, aber anfangs fühlte ich mich in Amerika wohler als zum Schluss.

Ricore: Schlägt Dana Ihnen Filmideen vor?

Schweiger: Ja, sie lag mir schon oft in den Ohren, dass ich einen Kinderfilm machen soll. Das möchte ich auch gerne, aber das ist natürlich auf Anhieb nicht so leicht. Man muss erst Mal einen Stoff finden, der stark genug für eine guten Kinderfilm ist.
Ricore: Sie waren gleichzeitig Regisseur und Hauptdarsteller von "Barfuss". Wie konnten Sie beiden Funktionen gerecht werden?

Schweiger: Das fiel mir nicht schwer, war aber mit der Zeit sehr anstrengend. Ich wusste allerdings vorher, auf was für ein hohes Arbeitspensum ich mich da einlasse. Nachdem ich eine Szene mit mir abgedreht hatte, sah ich sie mir danach sofort auf Video an. Das kostet natürlich viel Zeit, die man später wieder aufholen muss. Wir haben den Film deshalb sehr exakt geplant.

Ricore: Ist Ihnen schon jemals eine Frau so hartnäckig gefolgt wie Nick von Leila?

Schweiger: Nein, zum Glück nicht. Wenn es allerdings so eine Frau wie Leila wäre, würde ich ihr helfen wollen und Dana wahrscheinlich auch. Leila ist wie ein Engel. Ihr Charakter ist rein. Sie ist rundweg ehrlich.

Ricore: Wie weit würden Sie für die Liebe gehen?

Schweiger: Bis ans Ende der Welt.

Ricore: Sehen Sie selbst gerne romantische Filme?

Schweiger: Ja, auf jeden Fall. Ich sehe selbst gerne Filme wie "Barfuss" und weine auch gerne im Kino.

Ricore: Was für Traumprojekte haben Sie für die Zukunft?

Schweiger: Ich würde wirklich gerne einen Kinderfilm machen - ein Film der eine Geschichte aus der Sicht von Kindern erzählt, so etwas wie "Stand By Me". So einfach ist das natürlich nicht. Man kann sich nicht einfach hinsetzten und ad hoc ein gutes Drehbuch schreiben. Wenn das wirklich so einfach wäre, würde es nur noch gute Filme geben.
erschienen am 1. April 2005
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2024