Nucleus Management, Edith Held
Bürger Lars Dietrich
Wochenlang unter Gartenzwergen
Interview: Fußkranker Bürger Lars Dietrich
Bürger Lars Dietrich humpelt zur Tür herein, sein Fuß ist von einer massigen Plastikschiene geschützt. Filmreporter.de berichtet der Sänger und Comedian von einem bekloppten Unfall und seiner klassischen Ballettausbildung. Für die Synchronrolle des Zwergenhelden Gnomeo im Disney-Abenteuer "Gnomeo und Julia (3D)" hat er zur Vorbereitung wochenlang Gartenzwerge in ihrer natürlichen Umgebung studiert. Doch wie ist es zu der Verletzung gekommen?
erschienen am 24. 03. 2011
Walt Disney
Gnomeo und Julia (3D)
Was ist mit Ihrem Fuß passiert?

Bürger Lars Dietrich: Ich hab Ballett getanzt, war Stuntman, hab ganz viele verrückte Sachen gemacht in meinem Leben. Jetzt wollte ich einfach nur die Treppe runtergehen, knicke um und breche mir den Mittelfuß! Das musste auch noch operiert werden. Jetzt ist ein Draht um die Bruchstelle gewickelt, der dann wieder raus muss, wenn alles verheilt ist. Völlig bekloppt. Das war überhaupt nichts Spektakuläres. Und ich finde es schon mutig von mir, das zuzugeben. Bei den gefährlichen Sachen denkt man über das nach, was man da macht. Aber doch nicht beim Treppensteigen...

Ricore: Tanzen Sie heute noch?

Dietrich: Nein, ich geh nicht mehr jeden Tag an die Stange. Ich war ganz froh, dass das irgendwann zu Ende war. Es war ja auch harte Arbeit. Als Solist im Gemüt ist es in einem Ensemble und im Pulk auch schwierig. Ich wollte den Beruf nicht wirklich ausüben. Ich habe die Möglichkeit bekommen, die Ausbildung zu machen und habe sie genutzt. Dann wollte ich - noch zu Ostzeiten - an die Schauspielschule gehen und mich dort professionell zum Entertainer ausbilden lassen. Doch dann kam die Wende dazwischen und alles hat sich ganz anders entwickelt.

Ricore: Was halten Sie von dem Oscarprämierten Tanzfilm "Black Swan"?

Dietrich: Den habe ich noch nicht gesehen, werde ihn mir aber demnächst reinziehen.

Ricore: Haben Sie bei Breakdance, Ballett und Stunts körperliche Extremerfahrung gesucht?

Dietrich: Oh ja. Das war mir schon anzumerken, als ich zwei oder drei Jahre alt war. Ich war schon immer sehr körperlich, sehr hibbelig. Auch den Drang, mich in den Mittelpunkt zu spielen und die Leute zu unterhalten, hat man schon sehr früh bei mir festgestellt. Ich hätte aber nie gedacht, dass das mal zu einem Beruf wird. Das hat sich so ergeben, weil mich alles, was ich gesehen habe, sofort faszinierend hat. Dann habe ich versucht, das nachzumachen. So war es auch mit dem Breakdance, den ich im Fernsehen gesehen habe. Eigentlich hatte ich als junger DDR-Bürger gar keine Mittel, um dieses Hobby auszuleben, weil das unterbunden wurde. Ich hab es aber trotzdem gemacht. Im Nachhinein wundere ich mich, was man mit elf Jahren so alles auf die Beine stellen kann.
Walt Disney
Bürger Lars Dietrich spricht Gnomeo
Ricore: Wie kam der Wechsel vom tänzerischen und körperlichen zur Musik?

Dietrich: Das hing alles miteinander zusammen und das eine hat sich durch das andere ergeben. Beim Breakdance hat man zum Beispiel Rapmusik gehört. Und dann habe ich angefangen selber welche zu machen. Ich wollte auch lustige Texte schreiben. Außerdem wurde ich durch die Hitparade und meinen Opa sehr geprägt, der mir einiges an Volksliedern mit auf dem Weg gegeben hat. Ich bin eine wandelnde Jukebox. Ich könnte aus dem Stehgreif aus jedem Genre etwas vorsingen.

Ricore: Wer hat Ihre Stimme für die Synchronisation entdeckt?

Dietrich: Walt Disney. Es ist der erste Film für den ich synchronsprechen darf. Mir war klar, dass ich dafür ziemlich gut geeignet bin. Aber da musste natürlich auch erstmal jemand drauf kommen. Ich spreche schon seit Jahren Werbespots, was keiner weiß, weil meine Stimme da ganz anders klingt. Schon als Kind habe ich immer mit meinem Tonbandgerät Hörspiele gemacht.

Ricore: Wie war Ihre erste Synchronerfahrung bei "Gnomeo und Julia"?

Dietrich: Es war Spaß und Befriedigung pur. Weil ich das schon immer mal ausprobieren wollte. Jetzt durfte ich das endlich mal. Gnomeo ist wirklich eine süße Figur.

Ricore: Wie lange haben Sie vor dem Mikrofon gestanden?

Dietrich: Es waren drei Tage am Stück. Ist schon irre, da machst du innerhalb von drei Tagen einen ganzen Spielfilm. Gnomeo ist ja eine Hauptrolle, der in fast jeder Szene mit dabei ist.
Nucleus Management, Photos by Edith Held
Bürger Lars Dietrich
Ricore: Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Dietrich: Ich habe wochenlang Gartenzwerge studiert, habe in Gärten gelebt um sie zu beobachten (lacht). Nein, da musste ich mich nicht groß vorbereiten. Ich habe gelesen, welche Eigenschaften der Charakter hat, habe mir diesen Gnomeo angesehen und wusste gleich: mit dem kann ich mich gut identifizieren, da muss ich mich nicht groß verstellen.

Ricore: Gibt es Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und dem Gartenzwerg?

Dietrich: Wir sind beide abenteuerlustig, aber auch sehr menschenfreundlich. Ich kann mich sehr gut mit ihm identifizieren - nicht nur optisch (lacht). Wir tragen beide gerne Mützen und ich rasiere mich wie ein Gartenzwerg. Er ist wirklich ein sympathischer Kerl, der gerne für andere Leute und die Gerechtigkeit einsteht. Und dabei ist er auch sehr facettenreich - nicht nur romantisch. Der kann, wenn es drauf ankommt, auch ganz anders...

Ricore: Mussten Sie, wie ihre Filmfigur Gnomeo, schon mal alles geben, um eine Frau zu erobern?

Dietrich: Ich habe schon öfters nach den Sternen gegriffen und mich in Mädchen oder Damen verliebt, die für mich nicht zu haben waren - weil ich zum Beispiel viel jünger war. Ich hab mich oft zum Klops gemacht. Diese Erfahrungen waren schon schmerzhaft. Aber man hat auch daraus gelernt, ist realistischer geworden. So richtig große Risiken bin ich aber für die Liebe nicht eingegangen.

Ricore: Haben Sie Gartenzwerge bei sich zu Hause?

Dietrich: Ich finde Gartenzwerge äußerst sympathisch und niedlich, auch weil ich ein verspielter Typ bin. Die sehen immer sehr freundlich aus und sie tun ja keinem was. Aber ich muss selber keine haben. Gartenzwerge gehören in Gärten und ich selbst habe keinen. Ich freue mich, wenn Leute diese Tradition pflegen und sich immer wieder Gedanken machen, wie sie ihre Zwerge neu platzieren können. Manche erzählen ja auch kleine Geschichten.
Walt Disney
Gnomeo
Ricore: Wie hat Ihnen die Musik von Elton John gefallen?

Dietrich: Ich bin nicht wirklich ein Elton John-Fan, finde ihn aber gut. Seine Songs passen zum Film. Und schließlich ist er ja der Gartenzwerg unter den Rocklegenden. Der war früher genauso schrill und verrückt, wie die Zwerge in dem Film. Das passt doch. Ich kenne ihn aus dem Fernsehen, aus der Zeit, als er bei jedem Auftritt ein anderes, besonderes Brillengestell trug. Und seine Schuhe.... Der war schon immer ein schräger Typ.

Ricore: Wann sind Sie zum ersten Mal mit William Shakespeare in Berührung gekommen?

Dietrich: Das muss in der Ballettschulzeit gewesen sein. Da haben wir dieses Thema natürlich auch durchgekaut. Eigentlich ist der Stoff actionreicher, als er einem manchmal so vorgesetzt wird. Deswegen finde ich gut, dass "Gnomeo und Julia (3D)" diesen Stoff so aufgreift. Ich glaube, dass die jüngere Generation dadurch mehr Interesse an der Originalgeschichte "Romeo und Julia" haben könnte.

Ricore: Welches Shakespearesstück ist Ihr Favourit?

Dietrich: Puh, da muss ich erstmal überlegen, welches ich überhaupt kenne. "Othello" kenne ich, das war doch von Shakespeare, oder? Genau. Den habe ich mal im Theater gesehen. War eine interessante Story. Aber "Romeo und Julia" ist schon eher mein Ding.

Ricore: Sie arbeiten viel mit Kindern zusammen. Was reizt Sie daran?

Dietrich: Ich kann gut auf Augenhöhe mit Kindern. Weil ich mir so eine gewisse Kindlichkeit bewahrt habe. Die kriege ich auch nicht weg, das wurde schon oft versucht, hat aber nicht geklappt (lacht). Es inspiriert mich, mit Kindern zu arbeiten. Und es macht Spaß. Die lachen so gerne und mögen meinen Humor. Ich bin mit "Dick und Doof" und ähnlichem Slapstick-Humor groß geworden. Das ist für Kinder immer das Tollste. Trotzdem sind Kinder, wie es schon viele vor mir richtig erkannt haben, auch ein kritisches Publikum. Deshalb freue ich mich besonders, wenn ich Kinder erreiche.

Ricore: Ist es schon vorgekommen, dass Sie von Kindern kritisiert worden sind?

Dietrich: Nein, eigentlich hab ich noch keine schlechten Erfahrungen mit Kindern gemacht. Außer, dass die mir vielleicht mal die Luft zum Atmen genommen haben. Weil sie mir zeigen, dass sie mich toll finden. Und weil die keine Berührungsängste haben, kommen sie ganz nah ran.
Walt Disney
Bürger Lars Dietrich im Synchronstudio
Ricore: Machen Frauen das bei Ihnen auch?

Dietrich: Nicht so wie Kinder. Frauen haben Berührungsängste. Deswegen schicken sie oft die Kinder vor.

Ricore: Welche Projekte sind in diesem Jahr geplant?

Dietrich: Sehr viele. Hätte ich nicht gedacht. Erst dachte ich, es würde ein ruhiges Jahr. Aber jetzt kommt alles auf einmal. Demnächst werde ich an der Komödie in Dresden Theater spielen. Ein Vier-Personen-Stück. Das ist auch wieder etwas Neues, das ich vorher noch nicht gemacht habe. Aber diese Herausforderung habe ich gerne angenommen. Dann mache ich weiterhin Kinderfernsehen. Gerade kommt die vierte Staffel von "Dein Song", einer Kindercastingshow, in der auch viele prominente Musikgrößen mitmachen.

Ricore: Gibt es von Ihnen nach Rap, Schlagern und Bigbandsound musikalisch bald etwas ganz anderes zu hören?

Dietrich: Ja, vielleicht. Auf jeden Fall werde ich musikalisch weitermachen. Ich habe vor, auch mal wieder was für Kinder zu machen. Mal gucken. Ich versuche, die Generationen zu verbinden. Nichts nur für Kinder, aber etwas, das auch Kinder hören können.

Ricore: Apropos Kinder: Wie viele Zwerge möchten Sie denn mal haben?

Dietrich: Ich habe ja schon ein paar Zwerge. Welche zu kriegen macht immer wieder Spaß, deshalb kann ich da keine Grenze setzen. Das ist immer wieder schön.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 24. März 2011
Zum Thema
Bürger Lars Dietrich wird 1973 in Potsdam geboren. Als Kind ist er hibbelig, will im Rampenlicht stehen und unterhalten. Erste Synchronübungen macht er zuhause, mit seinem Tonbandgerät. Bis zu seiner ersten Kino-Sprechrolle in "Gnomeo und Julia (3D)" (2011) vergehen aber noch Jahre, in denen Dietrich etwa eine Breakdance-Gruppe gründet. Nach der Schule macht er eine Ballettausbildung und arbeitet als Stuntman.Die Sendung mit der Maus" und "Löwenzahn". Die Kindercastingsendung "Dein Song"..
Gnomeo und Julia stammen aus verfeindeten Gartenzwerge-Clans. Sie verlieben sich ineinander und versuchen in einem verwilderten Garten ihre Gefühle füreinander vor ihren Familien geheim zu halten. Doch unterdessen bekriegen sich die blauen und die roten Gartenzwerge immer heftiger. In "Gnomeo und Julia (3D)" wird vereinzelt gekalauert, die Komödie kann aber nicht ihren eigenen Humor etablieren. Dafür wurde kein Raum gelassen. Stattdessen erschöpft sich der Animationsfilm in den Rache-Feldzügen..
2024