Universum Film
Matthew McConaughey in "Der Mandant"
Schauspielerei statt Jura
Interview: Anwalt Matthew McConaughey
Matthew McConaughey muss erneut vor Gericht. Nachdem er in "Die Jury" einen Anwalt gespielt hat, übernimmt er auch im Thriller "Der Mandant" die Verteidigung eines Angeklagten. Passenderweise hatte McConaughey vor seiner Schauspielkarriere die Absicht, Anwalt zu werden. Warum es doch anders kam, erläutert er im Interview mit Filmreporter.de. Zudem erzählt uns der reisefreudige Schauspieler, wie er sich in der Fremde zurecht findet, obwohl er meist kein Wort versteht.
erschienen am 22. 06. 2011
Universum Film
Matthew McConaughey als Anwalt in "Der Mandant"
Ricore: Wie gefällt Ihnen Berlin?

Matthew McConaughey: Sehr gut. Wir hatten gestern einen wundervollen Tag und sind abends ausgegangen. Dabei haben wir eine tolle Band entdeckt und die ganze Nacht getanzt. Wenn man aus Amerika kommt, realisiert man nicht, dass diese Stadt in dieser Form - vereinigt nach dem Fall der Mauer - gerade mal 22 Jahre jung ist. Von dem zu urteilen, was ich lese und anhand der Leute, die mir begegnen, herrscht hier eine große Vitalität.

Ricore: Haben Sie diese Atmosphäre selbst gespürt?

McConaughey: Ja, ich weiß noch nicht, was es ausmacht. Doch eine gewisse Vitalität ist zu spüren. Es hat den Anschein, dass dieser Ort gerade aufblüht, was wirklich cool ist.

Ricore: Sie verreisen generell gerne, nicht wahr?

McConaughey: Ja, das Reisen war für mich die beste Form der Ausbildung. Ich ging zur Schule und habe an der Universität meinen Abschluss gemacht. Doch am stolzesten bin ich auf meinen Pass. Ich finde, dass es eines der besten Zeugnisse ist, um zu sehen, was man für ein Mann oder eine Frau ist - wo man gewesen ist und was man getan hat. Ich liebe es, zu reisen. Wenn man für Interviews umherreist, lernt man eine Kultur nicht wirklich kennen. Was ich eben über Berlin erzählt habe, ist unüblich bei Interview-Touren. Normalerweise ist man vor Ort, doch man erfährt nichts über die Leute, die dort leben.

Ricore: Wie ist es, wenn Sie privat verreisen?

McConaughey: Ich liebe es, an einen Ort zu reisen, an dem ich mich zunächst wie ein Außenseiter fühle. Nach etwa zwei Wochen und viel Frustration macht es dann auf einmal 'Klick' und man fühlt sich fast wie ein Einheimischer. Sobald ich das Gefühl verspüre, dass ich dort mein Leben verbringen könnte, weiß ich, dass es Zeit für mich ist, nach Hause zu gehen.
Universum Film
Der Mandant
Ricore: Wie kommt es zu diesem 'Klick'?

McConaughey: Normalerweise geschieht das dadurch, dass man nicht mehr darüber nachdenkt, wie es funktionieren könnte. Man muss sich einfach anschauen, was vor einem liegt und es annehmen. Auf einmal klappt es dann mit der Kommunikation und es läuft. Man erkennt neue Dinge um einen herum. Normalerweise dauert es etwa zwei Wochen.

Ricore: Ist das in manchen Ländern schwieriger?

McConaughey: Ja, das ist es. Es geht dabei um den Rhythmus. Nordafrika war für mich ein toller Ort. Die Frustration in den ersten zwei Wochen kommt daher, dass einem die Freunde, das Essen, das Auto, das eigene Bett und das Telefon abgehen. Zudem spricht man die Sprache nicht, so dass man frustriert ist, wenn man nicht mal weiß, wie man ein Glas Wasser kriegt. Doch dann lauscht man einem Gespräch und versteht es. Man selbst spricht zwar Englisch, doch die Leute verstehen einen trotzdem. Sie verstehen den Punkt, um den es geht, auch wenn sie kein Wort verstanden haben. Man bekommt ein Gefühl für den Rhythmus.

Ricore: Versuchen Sie an einem Ort wie Berlin unerkannt zu bleiben?

McConaughey: Nein. Es gab schon Orte auf der Welt, an denen ich mich als jemand anderes ausgegeben habe. Unter anderem habe ich erzählt, dass ich Autor oder Boxer sei. [lacht] Doch hier in Berlin und Deutschland bin ich im Allgemeinen stets mit offenen Armen empfangen worden. Ich versuche nicht, unerkannt zu bleiben.

Ricore: Sprechen Sie deutsch?

McConaughey: [auf Deutsch] Kleiner Scheißkopf. [lacht] Die Mutter eines Freundes tätschelte mir früher den Kopf und sagte: "Oh, kleiner Scheißkopf". [lacht]
Warner Bros. Pictures
Matthew McConaughey
Ricore: Hat es auch bei Ihrer Rolle als Anwalt in "Der Mandant" 'Klick' gemacht?

McConaughey: Ich liebe es, Anwälte zu spielen. Sie eignen sich hervorragend für gute Geschichten über Schuld und Unschuld, Recht und Unrecht. Es gibt einen Richter und Geschworene, die objektiv urteilen sollen. Es ist wie das politische System. Bei Anwälten spielen Moral und der Glaube an die Menschlichkeit eine Rolle, aber sie spielen auch Spiele und handeln Deals aus. Für den Anwalt, den ich in dem Film verkörpere, gelten all diese Dinge. Er ist ein Spieler, der auf der Straße seine Deals aushandelt. Trotzdem steht er am Ende eines Tages auf der richtigen Seite, ist aber auch auf seinen eigenen Vorteil aus.

Ricore: Haben Sie sich mit Hilfe von Anwälten auf die Rolle vorbereitet?

McConaughey: Ich saß in den Büros einiger Verteidiger und beobachtete sie bei der Arbeit. Es ist unglaublich, wie sie Geschäfte machen. Es ist fast wie bei einem Buchmacher, dauernd werden am Telefon Deals ausgehandelt. Das hat mir die Augen geöffnet.

Ricore: Das klingt nach Geschäftemacherei. Was halten sie vom Justizsystem im Allgemeinen?

McConaughey: Es funktioniert. Obwohl es Mängel hat, ist es ein gutes System. Es ist keineswegs perfekt. Ich selbst frage mich, wo bei dem System die Vernunft bleibt. Die Frage wirft der Film auf. Man hat einen Mandanten, der hundertprozentig schuldig ist und man darf es nicht zur Sprache bringen? Man kann nicht sagen, dass der Fall abgeschlossen ist, obwohl man die Wahrheit herausgefunden hat? Doch ich verstehe durchaus, warum es diese Regeln gibt. Davon abgesehen gehen zu viele Leute zu ihrem Anwalt, wenn sie ein Problem mit jemandem haben, anstatt mit der Person zu reden. Jahre später hat man sein ganzes Geld ausgegeben und keine der Parteien hat etwas davon. Es stört mich, dass es zu viele leichtfertige Klagen gibt.

Ricore: Vor Ihrer Schauspielkarriere wollten Sie selbst Anwalt werden, stimmt's?

McConaughey: Ich wollte ursprünglich an der Southern Methodist University in Dallas, Texas, Jura studieren. Mein Bruder überzeugte mich jedoch davon, an die University of Texas in Austin zu gehen, weil er der Meinung war, dass ich die Stadt mögen würde. Zudem kostete es ein Drittel dessen, was die andere Universität gekostet hätte. Es war eine schwere Zeit für meinen Vater, auch wenn er mich das nicht wissen ließ. Ich bezweifle, dass ich heute hier sitzen würde, wenn ich auf die Southern Methodist University gegangen wäre.
Universum Film
Matthew McConaughey als cleverer Jurist in "Der Mandant"
Ricore: Was für ein Anwalt wären Sie wohl geworden?

McConaughey: Wenn ich Anwalt geworden wäre, würde ich wohl nicht das tun, was mein Charakter Mick im Film macht. Ich denke, ich hätte mich geweigert, meine Ideale aufzugeben. Ich hätte etwas machen müssen, an das ich hundertprozentig glaube. Bei Anwälten wie Mick geht es nicht darum, ob jemand unschuldig ist. Meistens wissen sie, dass ihr Klient schuldig ist.

Ricore: Wie weit vertrauen Sie Anwälten?

McConaughey: Mein Anwalt ist einer meiner besten Freunde. In den ersten drei Jahren arbeitete er für mich, ohne dass ich ihn dafür bezahlen musste und er ist nach wie vor für mich da. Er hat sich die Haare lang wachsen lassen, er ist ein Revolutionär und ein toller Kerl. Ich mag ihn als Freund, aber ich sage ihm auch immer wieder, dass Anwälte nerven. [lacht] Anwälte haben eine eigene Sprache kreiert, um ihre Jobs zu sichern. [lacht]

Ricore: Wie wichtig sind Anwälte wie der in "Der Mandant"?

McConaughey: Leute wie Mick verteidigen Menschen, die ansonsten niemand verteidigen würde, die sich nicht selbst verteidigen können und denen die Gesellschaft den Rücken zukehrt.

Ricore: Wie haben Sie Ihre Leidenschaft für die Schauspielerei entdeckt?

McConaughey: Ich stamme aus einer Familie von Geschichtenerzählern. Bei uns ist es üblich, dass die ganze Familie beim Essen Geschichten erzählt. Zur Schauspielerei kam ich, weil ich mich zur richtigen Zeit in der richtigen Bar befand und den richtigen Typen traf, der mich fragte, ob ich für eine Rolle vorsprechen wollte. Das tat ich und ich bekam die Rolle in "Confusion - Sommer der Ausgeflippten", meinem ersten Film.
Warner Bros. Pictures
Matthew McConaughey
Ricore: Wie ging es dann weiter?

McConaughey: Die Leute kamen auf mich zu und sagten mir, dass ich gut darin sei. Zudem bekam ich 320 Dollar am Tag. Ich fragte mich: "Ist das legal?" [lacht] Dann ging ich wieder an die Universität, machte meinen Abschluss im Filmbereich und fuhr mit meinen ersparten 4.000 Dollar nach Los Angeles. Ich hatte zunächst keinen Job als Schauspieler, sondern als Produktionsassistent in Aussicht. Bevor ich den Job annahm, rief man mich an, um für eine Rolle in "Kaffee, Milch und Zucker" vorzusprechen. Schließlich erhielt ich die Rolle.

Ricore: Was war das für ein Gefühl?

McConaughey: Es war sehr aufregend. Es war alles ganz neu für mich. Ich hatte nicht den Plan, Schauspieler zu werden, als ich aufwuchs und ich habe mir auch nicht dauernd Filme angeschaut. Meine Mutter sagte immer: "Mach den Fernseher aus. Schau dir nicht an, wie andere etwas machen, sondern mache es stattdessen selbst." Ich dachte also nicht über ein Image nach, als ich aufwuchs. Das hat großen Einfluss darauf, wer ich bin, auch als Schauspieler. Ich blicke nicht zurück und zerbreche mir den Kopf darüber, was ich mache. Stattdessen sage ich: "Lasst uns an die Arbeit gehen."

Ricore: Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie sich für die Schauspielerei entschieden haben?

McConaughey: Ich erinnere mich, als ich mit meinem Vater telefoniert habe, um ihm zu sagen, dass ich anstelle des Jurastudiums an die Filmhochschule gehen will. Etwa zehn Sekunden lang herrschte Stille am Telefon. Dann fragte er mich, ob es das sei, was ich machen wolle. Ich sagte: "Ja, Sir." Darauf antwortete er: "Okay. Mach es nicht halbherzig." Das ist alles, was er dazu sagte.

Ricore: Waren Ihre Eltern über Ihre Entscheidung glücklich?

McConaughey: Sie freuten sich und unterstützten mich. Sie waren froh, dass ich meine eigene Entscheidung traf und sie anrief, obwohl sie wussten, dass es mir schwerfallen würde. Mein Vater verstarb fünf Tage, nachdem ich meinen ersten Job gekriegt hatte. Er war begeistert von dem, was ich begonnen hatte. Zuvor waren es immer nur irgendwelche Kindheitsfantasien. Ich sagte ihm zum Beispiel mal, dass ich Skateboarder werden wollte. Eigentlich wollte ich das gar nicht, ich dachte bloß, dass es so wäre. [lacht] Daher war er froh über das, was ich angefangen hatte und schließlich zu meiner Karriere und meinem Leben wurde.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 22. Juni 2011
Zum Thema
Wie viele Schauspielkollegen bricht auch Matthew McConaughey sein Jurastudium ab und schreibt sich stattdessen an der Filmhochschule ein. Nach kleineren Rollen schafft er sein Durchbruch in "Die Jury". Während der Dreharbeiten verliebt er sich in Kollegin Sandra Bullock, mit der er fünf Jahre lang liiert ist. Nach mehreren romantischen Komödien wie "Zum Ausziehen verführt" ist er 2011 in "Der Mandant" wieder in einem Drama zu sehen. Camila Alves verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.
Der Mandant (Kinofilm)
Strafverteidiger Mich Haller (Matthew McConaughey) verdient seine Brötchen, indem er für Kriminelle günstige Deals aushandelt. Als er den Sprössling einer reichen Familie verteidigen soll, ahnt er nicht, dass ihm sein größter und gefährlichster Fall bevorsteht. Seinem neuen Mandanten Louis Roulet (Ryan Phillippe) wird versuchter Mord und Vergewaltigung vorgeworfen. "Der Mandant" wirft einen nüchternen Blick hinter die Fassade des amerikanischen Justizsystems. Der Thriller ist routiniert..
2024