Sony Pictures
Richy Müller auf der Premiere von "Die Vampirschwestern"
Richy Müller über seine Philosophie und die 68er
Interview: Jeder Moment hat seinen Reiz
Wenn alle diskutieren oder antiimperialistische Parolen skandieren, sitzt Eckardt lieber in der Ecke und denkt sich im Stillen seinen Teil. Er ist das schweigsamste und geheimnisvollste Mitglied der sympathischen Kommune, die Regisseur Lars Jessen in seinem Kinofilmdebüt "Am Tag als Bobby Ewing starb" liebevoll portraitiert. Auch Richy Müller ist kein Freund leerer Phrasen. Der gefragte Charakterdarsteller spielt den mysteriösen Kommunarden mit einer eindringlichen, körperlichen Präsenz. In einem dreistündigen Gespräch verriet der gebürtige Mannheimer, was ihn an seiner Rolle in "Am Tag als Bobby Ewing starb" gereizt hat und was von der 68er-Bewegung geblieben ist.
erschienen am 13. 05. 2005
Jetfilm
Richy Müller und Franz Dinda auf der Lauer
Ricore Medien: Herr Müller, wie ist es zur Zusammenarbeit mit Lars Jessen für "Am Tag als Bobby Ewing starb" gekommen?

Richy Müller: Ich habe irgendwann das Buch bekommen und fand die Geschichte ganz lustig. Die Figur des Eckhards fand ich ebenfalls lustig, wobei seine Geschichte nicht richtig aus erzählt war. Das hat mich aber nicht gestört. Dann habe ich Lars Jessen getroffen und fand die Begegnung ganz angenehm. Er ist sehr witzig, kommt ja aus der Ecke des Satiremagazins "Titanic" und hat diesen politischen, bissigen Witz. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und dann habe ich mich dazu entschieden, diesen Film zu machen. Mir hat die Mitarbeit viel Spaß gemacht.

Ricore: Die Figur des Eckhard ist ziemlich geheimnisvoll, vieles bleibt im Dunkeln. Wie gehen Sie in solchen Fällen vor, übernehmen Sie selbständig die Initiative und runden hier und da die Figuren ab?

Müller: Ich mache das immer aus dem Bauch heraus. Ich bin kein Schauspieler, der sich vom Leben abmeldet, wenn er zur Arbeit geht. Die Arbeit ist für mich ein Abschnitt meines Lebens - wie jetzt hier zu sitzen ein solcher Abschnitt ist. Ich gehe also nicht hin und sage, was ich hier und da noch vorhabe. Das einzige was ich in diesem Film machte, war, mir einen Bart wachsen zu lassen. Der Rest stand im Drehbuch. Ich versuche, das umzusetzen, was derjenige will, der den Film macht.
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Kampf gegen die Atomspaltung: Richy Müller und Eva Kryll
Ricore: Brauchen Sie dann einen Bezug zu der Figur, die sie spielen?

Müller: Sobald ich das Drehbuch gelesen habe, entsteht ein Bezug durch die Stimmung die in mir entsteht. Ich lege mir da nichts zurecht. Die erste Arbeit, die ich gemacht habe, war "Die Große Flatter" mit Günter Lamprecht. Damals sagte man mir, ich solle mir an ihm ein Beispiel nehmen. Er hat sich ganze Biographien der Figuren zurecht gelegt und ausgedacht. Das hat mich extrem beeindruckt, aber meine Vorgehensweise ist anders. Um einen Mörder zu spielen muss ich niemanden getötet haben. Genauer bereite ich mich vor, wenn es darum geht, äußere Merkmale der Figur heraus zu arbeiten.

Ricore: Haben Sie keine Angst amateurhaft auszusehen?

Müller: Nein, eher im Gegenteil sieht das Fiktive im Film professionell aus, während zum Beispiel echte Polizisten im Einsatz etwas amateurhaft aussehen. Das ist zwar sicher professionell und effektiv, leider sieht aber das Echte im Kino häufig optisch nicht ansprechend genug aus.

Ricore: Sie spielen in "Am Tag als Bobby Ewing starb" einen Angehörigen der 68er-Generation, der in einer Kommune lebt und sich als AKW-Gegner in der Friedensbewegung engagiert. Haben sie in frühen Jahren auch demonstriert?

Müller: Nicht in der Zeit wie Eckhard, dafür aber früher. Da war ich auch in Brokdorf demonstrieren, das war 1977. Was ich damals gesehen habe war schon ziemlich hart und hatte was von einem Polizeistaat.
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Arbeitet gerne mit jungen Regisseuren: Richy Müller als Eckardt
Ricore: War das ein Grund mehr, an diesen Film mitzuwirken?

Müller: Ich fand diesen Kostümfilm und die Geschichte einfach interessant. Diese Art Familie, die im Grunde kein wirkliches Problem hat, vegetiert ja fast schon vor sich hin. Der einzige Breakpoint ergibt sich erst gegen Ende der Geschichte als es zur Tschernobylkatastrophe kommt. An dieses Ereignis erinnert sich so ziemlich jeder und jeder war auch ähnlich davon betroffen. Ich kann mich zum Beispiel noch erinnern, wie man damals den Regen vermieden hat. Da war es für mich ganz interessant, in diesem Film mitzuspielen. Ich fand an meiner Figur auch die Tatsache interessant, dass sie so autark ist. Eckhard gehört zwar zu dieser WG, tut es aber letzten Endes dann doch nicht. Filme wie diesen liebe ich, denn ich merke, dass in ihnen viel Herz und Liebe steckt. Ich sehe wie die Leute am Ackern sind und etwas machen wollen. In solchen Fällen bin ich gerne dabei.

Ricore: Was ist von der 68er- Bewegung übrig geblieben?

Müller: Die Grünen, ansonsten hat sie sich tot gelaufen. Wenn ich mir meine Tochter anschaue, sehe ich, dass junge Menschen heute ganz andere Interessen haben. Man ist aufgeschlossener, jeder hat ein Handy und ein Internetanschluss. Man rauft sich mehr im Netz zusammen, als dass man auf die Strassen geht und demonstriert. Wobei sich jetzt wieder gezeigt hat, dass Demonstrationen erfolgreich sind, sobald das Thema alle betrifft, wie sonst hätte man die Kundgebung der NPD verhindern können? Also ein klares Ja, für Demonstrationen. Ende 1969 oder 1970 wurde in Heidelberg gegen die Fahrpreiserhöhung demonstriert und es gab zu diesem Anlass Krawalle ohne Ende. So etwas gibt es heute nicht mehr.
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Geht inzwischen gelassener durchs Leben: Schauspieler Richy Müller
Ricore: Haben sich die Ideale verändert?

Müller: Nein, es gibt einfach andere Mittel. Man darf ja auch nicht vergessen, dass in den letzten Jahren - wenn man vom Mauerfall absieht - nicht viel stattfand, was auf der Strasse wirklich Erfolg hatte. Man demonstriert ja auch nicht mehr für Dinge, die inzwischen selbstverständlich geworden sind, trotz allem sollte man das Mittel der Demonstration nicht vernachlässigen.

Ricore: Und was ist Ihnen im Leben wichtig?

Müller: Beweglichkeit, Freiheit und das Sein hier und jetzt und nicht am Ende eines weit verstrickten Plans. Es ist mir wichtig jetzt hier vor Ort zu sein und nicht daran zu denken, was morgen sein könnte, denn jeder Moment hat für mich seinen Reiz.
erschienen am 13. Mai 2005
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2024