Warner Bros.
Ryan Reynolds auf der "Green Lantern"-Premiere in Berlin
Lieber lebend begraben?
Interview: Ryan Reynolds sieht grün
Für seine fesselnde Solo-Vorstellung in "Buried - Lebend begraben" bekam Ryan Reynolds begeisterte Kritiken. Nun hat er die Enge seines Sarges gegen die unendlichen Weiten des Weltalls eingetauscht, um als Green Lantern zum intergalaktischen Superhelden zu werden. Im Interview mit Filmreporter.de spricht der Schauspieler über die Unberechenbarkeit des europäischen Kinos und die Vorhersehbarkeit von Hollywood-Produktionen. Zudem erzählt Reynolds von seinen Ängsten sowie seinen Regieambitionen.
erschienen am 28. 07. 2011
20th Century Fox
Erstmals im Horrorfach: Ryan Reynolds
Ricore: Mussten Sie für "Green Lantern 3D" besonders hart für einen durchtrainierten Körper trainieren oder sehen Sie immer so aus?

Ryan Reynolds: Oh nein, ich muss ja auch noch Zeit für mein Leben haben. Wenn man für so einen Film aussehen muss wie eine Action-Figur, was genetisch eigentlich unmöglich ist, muss man eine Menge Zeit dafür aufwenden, um dem wenigstens nahe zu kommen. Normalerweise sehe ich nicht so aus, obwohl ich gerne trainiere.

Ricore: Sie sind der erste Schauspieler, der Green Lantern auf der Leinwand verkörpert. Sie mussten also keinem Vorgänger gerecht werden.

Reynolds: Ja, ich bin froh, dass nicht schon Olivier die Rolle gespielt hat. Das wären große Fußstapfen gewesen. [lacht] Im Ernst, das hat Vor- und Nachteile. Green Lantern ist ein weniger bekannter Charakter aus dem DC-Universum, der zwar viele Fans hat, aber dem breiten Publikum nichts sagt. Das macht es schwieriger, die Figur zu etablieren, da man viel mehr erklären muss. Bei Superman oder Batman ist das nicht so nötig, da jeder die beiden kennt. Was man bei diesen Filmen in drei Minuten ausbreiten kann, dauert bei uns 30 Minuten.

Ricore: Da Sie gerade Laurence Olivier erwähnten: Gehen Sie an eine Rolle wie Green Lantern ähnlich heran, wie Sie sich Hamlet annähern würden?

Reynolds: Nun, ich bin kein komplettes Arschloch, also nein. [lacht] Aber es gibt viele Schauspieler, die das tun. Damit würde ich an die Rolle allerdings zu intellektuell herangehen. Bei so einem Film will ich am Set eine gute Zeit haben, denn ich weiß, dass vieles ironisch gemeint ist. Der Film soll vor allem den Comics gerecht werden.
Ascot Elite
Ryan Reynolds in "Buried - Lebend begraben"
Ricore: Die Rolle in "Buried - Lebend begraben" war dagegen sehr herausfordernd, nicht wahr?

Reynolds: Als Schauspieler ist eine Rolle wie die in "Buried - Lebend begraben" sehr viel erfüllender. In so einem Film spielen zu können, ist ein Traum für einen jungen Schauspieler. Jeder sagt dir, dass es unmöglich ist und dass du es nicht tun solltest, doch du machst es trotzdem und es funktioniert. Doch Film ist das Medium des Regisseurs. So sehr ich die Anerkennung schätze, liegt das Gelingen vor allem an der Arbeit mit Rodrigo Cortés, einem der derzeit besten jungen Regisseure in diesem Geschäft.

Ricore: Der Dreh muss sehr anstrengend gewesen sein.

Reynolds: Ja, wir haben 17 Tage gedreht, was eine unglaublich kurze Zeitspanne ist. Dabei befand ich mich dauernd in einem Sarg. Bei "Green Lantern" hätte ich 500 Tage drehen können, ohne dass es körperlich auch nur annähernd so anstrengend gewesen wäre. Als ich vom Drehort in Barcelona nach Hause geflogen wurde, war ich ein anderer Mensch. Es dauerte Wochen, bis ich wieder runterkam. Es hört sich in gewisser Weise esoterisch und lächerlich an, doch wenn man als Schauspieler so tut, als ob man langsam sterben würde, erkennt dein Körper nicht wirklich den Unterschied. Dein Verstand weiß es, doch dein Körper nicht.

Ricore: War "Green Lantern" also eine Art Erholungsprogramm?

Reynolds: Ja, das war es. Wir hatten bei diesem Film ein ziemlich extravagantes Budget zur Verfügung. Man hat viel mehr Zeit, um sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. Es ist schon schräg, dass man bei einem Film wie "Buried - Lebend begraben" ein Budget von 1,4 Millionen zur Verfügung hat. Das entspricht bei "Green Lantern" dem Budget, das man für den Kaffee hat. Die Probleme sind allerdings dieselben. Man diskutiert mit dem Produzenten und dem Regisseur, warum eine Szene nicht funktioniert und wie man das Problem lösen kann.

Ricore: Zudem mussten Sie sich in "Green Lantern" in einen sehr engen Anzug zwängen.

Reynolds: Ja, ich fühlte mich wie ein Crashtest-Dummy. [lacht] Es war merkwürdig. Normalerweise helfen Kostüme, sich in den Charakter hineinzuversetzen, doch hier hatte ich nicht die Gelegenheit dazu. Das erste Mal, dass ich sah, wie mein Kostüm auf der Leinwand aussehen würde, war neun Monate nach dem Dreh. Ich dachte mir: "Oh, so sieht das also aus. Das habe ich also getragen..." [lacht]
Warner Bros
Green Lantern 3D
Ricore: "Green Lantern" war nicht Ihr erster Ausflug ins Superhelden-Fach.

Reynolds: Nun, Hannibal King in "Blade: Trinity" war kein Superheld, sondern nur ein Mensch. Auch Deadpool ist kein Superheld, sondern ein Arschloch. Er würde dich wahrscheinlich töten, wenn du ihn als Superhelden bezeichnen würdest. [lacht] Und in "R.I.P.D." geht es um zwei Polizisten.

Ricore: Was diese Filme gemeinsam haben sind ihre Comic-Wurzeln.

Reynolds: Ja, wobei Comic-Adaptionen heutzutage ein eigenes Genre sind. Die Comic-Industrie durchdringt momentan nahezu alle Bereiche. Demnächst geht das wahrscheinlich wieder zurück, weil sich so etwas zyklisch entwickelt.

Ricore: Welche Superhelden bevorzugten Sie als Kind?

Reynolds: Meine Helden waren aus "Star Wars". Zudem liebte ich David Lynchs Film "Dune", als ich Kind war. Der erste Film, den ich sah und der meinen Wunsch weckte, Schauspieler zu werden, war "Stand by Me". Ich liebte es, dass der Film so bewegend, charmant und gleichzeitig lustig war.

Ricore: Ein zentrales Thema in "Green Lantern" ist die Überwindung der eigenen Furcht. Was ist Ihre größte Angst und ihr größtes Ziel?

Reynolds: Meine größte Angst ist, mich selbst zu enttäuschen. Andere zu enttäuschen, macht mir nichts aus, denn es geht dabei normalerweise bloß um Erwartungen, die man auf mich projiziert. Was mein größtes Ziel ist, weiß ich nicht. Früher rollte ich mit den Augen, wenn ein Schauspieler sagte, dass sein größter Traum die Regie bei einem Film wäre. Das klang für mich oft ziemlich eitel. Doch je länger ich in dieser Industrie arbeite - inzwischen sind es um die 21 Jahre - desto mehr erkenne ich, wie frustrierend es manchmal sein kann. Der beste Weg dagegen anzugehen, besteht darin, es selbst zu machen. Ich habe bereits in einigen Filmen gespielt, bei denen ich mit dem Endresultat sehr unzufrieden war. Ich hätte vieles anders gemacht und mache mich selbst damit verrückt. Daher muss ich irgendwann mal selbst einen Film inszenieren. Möglicherweise falle ich damit auf die Nase, vielleicht wird es brillant oder es wird ein bisschen von beidem.
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Ryan Reynolds auf der "Green Lantern"-Premiere in Berlin
Ricore: Wann denken Sie, dass es soweit sein wird?

Reynolds: Es ist schwierig, Agenten und Manager davon zu überzeugen, da es ein Jahr in Anspruch nimmt, einen Film zu inszenieren, manchmal auch länger. Dadurch verschwindet man eine Weile von der Bildfläche. Inzwischen habe ich aber genug unterschiedliche Sachen gemacht, um für eine Weile weg zu sein und dann wiederzukommen.

Ricore: Trotz Ihrer Flugangst haben Sie in "Green Lantern" einen Piloten gespielt. Wie war das für Sie?

Reynolds: Das haben wir vor einer Green Screen gedreht, es war also kein Problem. [lacht] Ich wünschte, ich hätte auf diese Weise auch heute nach Berlin fliegen können.

Ricore: Was machen Sie, um Ihre Angst an Bord eines Flugzeugs zu überwinden?

Reynolds: Ich habe einige Rituale, vor allem das Trinken von Alkohol. [lacht] Als ich klein war, habe ich nie verstanden, warum man die Leute an Bord sofort mit Alkohol versorgt. [lacht]

Ricore: In welche Richtung würde ein von Ihnen inszenierter Film gehen?

Reynolds: Es würde ein Independent-Film werden, da dabei der finanzielle Erfolg nicht so eine große Rolle spielt. Solche Filme sollen eher provozieren und mutig sein. Das wäre ein Traum für mich. Nichtsdestotrotz muss man auch genügend Geld haben, um so einen Film zu realisieren und die Mitarbeiter zu bezahlen. Wenn man das außerhalb des Studio-Systems machen kann, ist es toll. Manchmal ist das Studio-System aber auch fantastisch und inspirierend.
Warner Bros. Ent. Inc. TM & DC Comics
Ryan Reynolds als Superheld Green Lantern
Ricore: Könnten Sie ein Beispiel dafür nennen?

Reynolds: Mit meiner Produktionsfirma haben wir mehrere Projekte bei verschiedenen Studios. Bei einem Film hat einer der Studioverantwortlichen gesagt, dass wir viel mehr Freiheiten hätten, wenn die Altersfreigabe angehoben wird. Ich fand das großartig, weil bei einer höheren Altersfreigabe zwar ein Teil des Publikums ausgeschlossen wird, gleichzeitig aber eine andere Darstellung der Welt möglich ist.

Ricore: Sie waren mehrfach in Berlin. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Reynolds: Ich liebe die Stadt. Ich war hier wohl öfter, als in jeder anderen europäischen Stadt. Ich bin zum zehnten Mal in Berlin. Ich habe hier auch einen Freund, mit dem ich mich treffen kann. Meistens habe ich aber keine Zeit, da ich hier zum Arbeiten bin. Wenn ich Urlaub mache, laufe ich durch die Stadt und treffe mich mit Freunden. So erlebt man die Stadt aus deren alltäglicher Perspektive. Vor ein paar Jahren habe ich eine unglaubliche, bizarre Erfahrung gemacht. Ich war in einem Restaurant, das vollkommen dunkel ist. Der Chefkoch und das Bedienpersonal sind blind. Deine Sinne werden geschärft, man hat einen gesteigerten Geschmackssinn. Das war ein einzigartiges und chaotisches Erlebnis. Ich glaube, ich habe mir ein Stück Fleisch ins Auge gerammt. [lacht] Der Verschwörungstheoretiker in mir sagt mir, dass da jemand mit einer Infrarot-Kamera sitzt und das Ganze aufnimmt. Das würde ich gerne sehen, denn alle haben dort so viel gelacht. [lacht]

Ricore: Wo liegen die kreativen Unterschiede zwischen einer Produktion in Spanien, wie im Falle von "Buried - Lebend begraben", im Gegensatz zur Herangehensweise innerhalb des Hollywood-Systems?

Reynolds: Das Ende von "Buried - Lebend begraben" hätte man in Hollywood nie zugelassen. Zumindest sieht man so ein Ende bei Hollywood-Filmen sehr selten. In Amerika werden die Erwartungen normalerweise erfüllt. In Europa werden die Erwartungen dagegen auf den Kopf gestellt. Wenn das passiert, ist das eine tolle Sache, sowohl für den einzelnen Film, als auch für das Filmschaffen im Allgemeinen. Wir sind in Amerika so daran gewöhnt, Happy Ends zu sehen. Wenn ich dort ins Kino gehe, weiß ich genau, was mich erwartet. In Europa sitze ich unvoreingenommen im Kino und beobachte, was passiert, ohne zu urteilen. In Amerika ist es andersherum. Ich liebe das am europäischen Kino und auch in Spanien machen sie unglaubliche Filme.

Ricore: Wie frustrierend ist es, in Hollywood immer wieder so vorhersehbare Drehbücher zu bekommen?

Reynolds: An sich ist das ein Luxusproblem. Allein die Tatsache, dass man Drehbücher geschickt bekommt, ist ein gutes Problem. [lacht] Es sind viele Sachen dabei, die ich nicht machen würde. Es gibt aber auch Popcornfilme, die ich mag. Ich schaue sie mir manchmal gerne an und spiele auch gerne darin mit. Doch es ist schön, auch Alternativen zu haben, Filme, die den Erwartungen nicht entsprechen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. Juli 2011
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Ryan Reynolds kommt 1976 im kanadischen Vancouver zur Welt und verbringt dort seine Kindheit. Zu Beginn seiner Schauspielkarriere in den 1990ern spielt er in erster Linie in Fernsehproduktionen. Im darauffolgenden Jahrzehnt ist er überwiegend auf der Leinwand zu sehen. Dabei variiert seine Rollenwahl zwischen Komödien wie "Selbst ist die Braut" und Action-Filmen wie "Green Lantern 3D". Begeistert zeigt sich die Kritik von seiner eindringlichen Darstellung des im Sarg eingesperrten..
Mit "Green Lantern 3D" bringt Martin Campbell die Verfilmung eines Ryan Reynolds), der dank eines außerirdischen Ringes übermenschliche Fähigkeiten erhält und zum Mitglied des intergalaktischen Green Lantern Corps wird. Als es die Gruppe mit einem neuen mächtigen Gegner zu tun bekommt, muss sich Jordan als Superheld bewähren. Erschaffen wurde die Titel gebende Comic-Figur bereits 1940 von Bill Finger und Martin Nodell. Neben Batman, Superman und Wonder Woman ist sie eine der beliebtesten..
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