Fischer Verlage
Jörg Maurer
Vorbilder eines Job-Hoppers
Interview: Humoriger Jörg Maurer
Humor ist kennzeichnend für Jörg Maurers Schaffen. So integriert er sowohl in seine Kabarett-Auftritte, als auch in seine Romane viel Witz. Sein Erstling "Föhnlage" verkaufte sich seit 2009 über 200.000 Mal und auch die Nachfolger sind erfolgreich. Weshalb er an der Adaption seines Debüt-Romans, "Föhnlage. Ein Alpenkrimi", nur wenig mitwirkte, erklärt der Schriftsteller Filmreporter.de im Interview. Außerdem erläutert Maurer, worüber er am meisten lachen kann und weshalb es für ihn wichtig war, seinen geliebten Lehrerjob aufzugeben.
erschienen am 29. 09. 2011
Bayrischer Rundfunk/ Jürgen Olczyk
Georg Friedrich in "Föhnlage. Ein Alpenkrimi"
Ricore: Wann sind Sie wegen der Adaption Ihres Romans "Föhnlage" angesprochen worden?

Jörg Maurer: Eigentlich schon zwei, drei Wochen, nachdem das Buch erschienen ist. Ich wurde von der Filmgesellschaft Bioskop angesprochen, ob eine Adaption möglich wäre. Ich habe sofort zugesagt, weil die Firma einen sehr guten Ruf besitzt. Das alte Bioskop hat auch "Die Blechtrommel" auf sehr gelungene Weise verfilmt.

Ricore: Haben Sie beim Schreiben des Drehbuchs mitgewirkt?

Maurer: Ich hätte durchaus am Drehbuch mitschreiben, oder es komplett selbst verfassen können. Dann hätte ich aber nochmal ganz von vorne anfangen müssen, da ich kein professioneller Drehbuchautor bin. Es gibt Leute, die das wesentlich länger und besser machen, als ich. Deshalb habe ich lediglich den Vorschlag angenommen, mir das Drehbuch immer wieder mal anzuschauen und Bemerkungen zu machen. Das habe ich allerdings vor allem deshalb gemacht, weil ich wissen wollte, wie so ein Drehbuch überhaupt entsteht.

Ricore: Was war daran interessant?

Maurer: Film ist ein ganz anderes Medium als Literatur. Man kann nicht jedes Detail übernehmen. Auch wenn der Romanautor am Drehbuch mitschreibt, läuft es nicht auf eine eins-zu-eins-Adaption des Buches hinaus. Bei der Umsetzung kam es mir nicht darauf an, dass eine bestimmte Figur oder ein bestimmter Satz im Film enthalten ist. Wichtiger war mir die Gesamtstimmung, die mir bei "Föhnlage. Ein Alpenkrimi" passend umgesetzt scheint.

Ricore: Welches sind die entscheidenden Veränderungen zwischen Roman und Film?

Maurer: Da gab es viele. Bei einem Roman mit 400 Seiten können nicht alle Figuren oder Nebenhandlungen übernommen werden. Wenn man sich nicht auf die wichtigsten Bestandteile des Buches beschränken würde, könnte man gleich einen zwölfteiligen Fernsehfilm drehen, der wahrscheinlich sehr langweilig sein würde. So gibt es in meinem Roman ein recht großes Ermittlerteam, welches für den Film zu wenigen Personen zusammengefasst wurde. Die Anzahl der drei Bösewichte blieb jedoch bestehen.
Erol Gurian
Jörg Maurer
Ricore: Weshalb haben Sie den sicheren Lehrerjob für den finanziell unsicheren Beruf des Autors aufgegeben?

Maurer: Ich bin begeisterter Job-Hopper und habe mich schon immer künstlerisch betätigt. Mal hatte ich sichere, mal nicht so sichere Berufe. Der Lehrerjob gehört natürlich zum ersteren. Ich habe den Beruf sehr gerne ausgeübt, wollte aber einfach noch etwas anderes kennenlernen. Vor einem künstlerischen Beruf sollte man generell viele nicht-künstlerische Sachen gemacht haben. Wer mit 18 Künstler wird und ansonsten noch nichts gesehen hat, kann eigentlich über nichts Interessantes schreiben oder malen. Ich habe damals auch schon Kabarett gemacht und wollte später mein eigenes Theater gründen. Das wäre als Lehrer nicht gegangen. Insofern musste ich fast würfeln, da mir der Lehrberuf sehr viel Spaß gemacht hatte.

Ricore: Hat Sie Ihre Zeit als Lehrer zu konkreten Stücken inspiriert?

Maurer: Ich habe Deutsch und Englisch gelehrt. Davon habe ich sehr viel mitgenommen. Als Lehrer ist man gezwungen, Literatur zu vermitteln. Während des Studiums macht man kluge Sprüche, wie alles funktionieren wird. Am Ende steht man aber vor den Schülern und überlegt, was man eigentlich sagen soll. Und die manchmal scheinbar dummen Fragen der Schüler, sind meist gar nicht so dumm. Dadurch habe ich einen anderen Blick auf das künstlerische Arbeiten bekommen: Man sollte sich dabei nicht zu sehr in sich selbst verschrauben.

Ricore: Wieso?

Maurer: Ansonsten geht einem der Nachwuchs verloren. Wenn man die Jugendlichen durch eine zu verstiegene Literatur zurückweist, lesen sie irgendwann nicht mehr oder zumindest nicht mehr die Hochliteratur. Das habe ich an der Schule gelernt. Autoren, die nicht bierernst schreiben, sondern einen leisen Schatten der Ironie über ihr Werk legen, werden in der Regel positiver aufgenommen, als Gedichte, in denen der Ernst der Literatur bebt.
Bayrischer Rundfunk/ Jürgen Olczyk
Katharina M. Schubert und Martin Feifel ermitteln in "Föhnlage. Ein Alpenkrimi"
Ricore: Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Maurer: In der Erwachsenenliteratur geht es um die Probleme der Erwachsenen. Wenn man wie Hesse und Mann mit einem gewissen Augenzwinkern schreibt, können sich die Jugendlichen besser auf die erwachsenen Themen einlassen. Wenn jemand aber ein klassisches Sonett präsentiert, indem auch noch politische Inhalte integriert sind, wird es einfach selten positiv angenommen.

Ricore: Haben Sie deshalb das Krimi-Genre für Ihre Romane gewählt?

Maurer: Ich lese selber sehr gerne Krimis. Der eigentliche Grund ist jedoch das strenge Regelwerk des Genres. Der Leser fordert ganz bestimmte Punkte, die erfüllt werden müssen. Zum Beispiel muss der Böse stets seine Strafe erhalten. Der Aufbau der Geschichte ist relativ streng. Der Gag dabei ist, dass der Leser gleichzeitig fordert, dass man dieses Korsett immer wieder variiert und etwas Neues hineinbringt, dass das Alte aber nicht verfälscht wird. Die Gratwanderung ist interessant. In anderen Genres ist es nicht so einfach, sich von einem Vorbild zu lösen und einen eigenen Stil zu entwickeln.

Ricore: Sie haben schon mehrfach Georg Kreisler und Helmut Qualtinger als Ihre Vorbilder genannt. Was gefällt Ihnen an den beiden?

Maurer: Ich habe die beiden stets in Bezug zum Kabarett genannt. An ihnen gefällt mir, dass sie Musik in ihre Bühnenauftritte integrieren. Ich mochte auch, dass sie sich über die Musik selbst lustig gemacht haben, denn dies entspricht meinem eigenen Musik-Kabarett. Kreisler ist ein hervorragender Pianist, Qualtinger ein guter Sänger und Parodist, der musikalische Stile genommen hat, um etwas satirisch anzugreifen oder zu parodieren. Das ist ein Nischen-Genre im Kabarett, das mir sehr gut gefallen hat.

Ricore: Inwieweit unterscheidet sich das Schreiben eines Romans vom Schreiben für die Bühne?

Maurer: Wenn man für die Bühne schreibt, glaubt man meist für ein bestimmtes Publikum schreiben zu können. Man weiß, dass Herr Meier und Frau Müller zur Premiere kommen. Deswegen stellt man sich beim Schreiben vor, was diesen gefallen könnte. Während der Aufführungen merkt man dann, was das Publikum mag und was nicht. Dies passt man im Laufe der Aufführung an seine Darbietung an. All das ist in einem Roman nicht möglich. Da kenne ich mein Publikum nicht und weiß nicht wo sie sitzen und was sie schon gelesen haben. Nach dem Abgabetermin des Buches kann ich nichts mehr verändern. Außerdem ist der Zeitunterschied sehr groß. An einem Roman sitze ich sechs Monate. Eine Bühnen-Szene ist wesentlich schneller und lockerer geschrieben. Wenn man in Form ist, schreibt man sie schon mal an einem Tag herunter.
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Jörg Maurer
Ricore: Wie läuft für Sie der eigentliche Schreibprozess eines Romans ab?

Maurer: Von Frühjahr bis Herbst schreibe ich. Zunächst gibt es ein Exposé, damit man überhaupt weiß, mit was für einem Kriminalfall man sich beschäftigt und welche Figuren in der Geschichte vorkommen. Die letzten drei bis vier Monate wird dann nur noch geschrieben. Dazwischen mache ich relativ selten Pause.

Ricore: Wie stehen Sie heute zu Ihrer Aussage: "Der Titel eines Buches darf nicht zu gut sein"?

Maurer: An diesen Satz kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Auf jeden Fall darf der Titel nicht zu konkret sein. Die langen Titel sind ja zum Glück wieder aus der Mode gekommen. Er muss also mysteriös bleiben. Aber zu geheimnisvoll darf er wiederum auch nicht sein. "XP5" wäre beispielsweise kein guter Titel für einen Kriminalroman. Wenn der Titel aber schon gleich eine Pointe ist, denkt man oft: "So muss das jetzt auch im Roman weitergehen". Deshalb finde ich schlichte, manchmal auch etwas nichtssagende Titel besser. Mehrdeutigkeit ist immer gut und wichtig. "Föhnlage" ist ein Glücksgriff. Es bezeichnet die Wetterlage, die Stimmungslage und die Lage des Kurorts.

Ricore: Durch Ihr gesamtes Schaffen zieht sich ein roter Faden: die Komik. Worüber können Sie selbst am besten lachen?

Maurer: Bei meinen eigenen Sachen lache ich nicht so sehr, weil ich an den Pointen ja oftmals sehr lange gearbeitet habe. Wenn ich eine witzige Szene schreibe, geht es vielmehr um Technik. Lachen kann ich über andere, gerade bei Krimis. Ich denke, Raymond Chandler hat als erster den Humor in die Krimi-Welt eingeführt. Über den coolen Schreibstil hinaus, hat er sich sehr witzige Metaphern einfallen lassen. Zudem hat er auch merkwürdige Figuren in die Geschichte integriert. Ganz heimlich, still und leise, drängen sie sich in die Geschichte hinein. Über Chandler kann ich sehr gut lachen.

Ricore: Wird Ihr Roman in Deutschland überall gleich aufgenommen?

Maurer: Ich kann es statistisch nicht nachprüfen, aber ich habe den Eindruck, dass er überall von Anfang an recht ordentlich gelaufen ist. Bei meinen Lesungen in Hamburg und Bremen konnte ich in den Publikumsreaktionen kaum Unterschiede zu denen in München feststellen. Es gibt also keine großen regionalen Unterschiede in der Wahrnehmung.
Erol Gurian
Jörg Maurer
Ricore: Ich hätte vermutet, dass viele Norddeutschen nichts mit dem bayrischen Humor anfangen können.

Maurer: Nein, das konnte ich nicht feststellen.

Ricore: Um zu entspannen, kochen Sie gerne. Was bereiten Sie am liebsten zu?

Maurer: Derzeit leider generell zu wenig, da ich gerade sehr viel zu tun habe. Wenn ich mal zum Kochen komme, dann koche ich ganz Verschiedenes, auch für Freunde. Aber es ist nicht so, dass ich jeden Tag koche. Wenn man es richtig macht, ist es sehr zeitraubend. Es ist einfach mein Hobby zu kochen, weil es mich entspannt. Die Nahrungsaufnahme ist eine wichtige Sache des Alltags. Wenn es einem Spaß macht, Essen zuzubereiten, sollte man das ausnutzen.

Ricore: Sie haben im Theater und im Kabarett sowohl an festen Standorten, als auch auf Tour gespielt. Was gefällt Ihnen besser?

Maurer: Beides gefällt mir sehr gut, hat aber jeweils Vor- und Nachteile. Als ich an einem festen Standort gearbeitet habe, habe ich in einem Kabarett am Klavier gespielt. Da ist es natürlich von großem Vorteil, wenn man weiß, dass das Klavier gestimmt und die gesamte Ausstattung da ist. Außerdem kenne ich die Leute, die zu Besuch kommen.

Ricore: Und die Nachteile?

Maurer: Der Nachteil eines festen Standorts ist, dass es sehr schwer ist, seinen Horizont zu erweitern. Man lernt kaum andere Meinungen kennen. Beim Herumfahren gibt es viele Leute, die vielleicht mal versehentlich in die Show kommen und so ein Musik-Programm wie ich es biete gar nicht kennen oder sich etwas anderes darunter vorstellen. Sie haben eine ganz andere Sichtweise. Am festen Standort kommen ganz selten Leute, die etwas kritisieren. Wirklich andere Meinungen hört man erst außerhalb.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. September 2011
Zum Thema
Jörg Maurer wird am 13. Juni 1953 in Garmisch-Partenkirchen geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaften arbeitet er mehrere Jahre als Lehrer. Zum Missfallen seiner Eltern wechselt er den Beruf, geht ans Kabarett und wird Krimi-Autor. Ab 1980 tritt er in Stücken von Münchner Kleintheatern wie dem Föhnlage. Ein Alpenkrimi" von Rainer Kaufmann verfilmt.
Als in Garmisch-Partenkirchen bei einem Konzert ein Mann von der Decke ins Publikum stürzt und dabei einen Zuschauer mit in den Tod reißt, ist Kommissar Jennerwein (Martin Feifel) gefragt. War es Unfall oder Mord? Bei der Klärung des Falls deckt er üble Machenschaften auf. Die Adaption von Jörg Maurers gleichnamigen Romans "Föhnlage. Ein Alpenkrimi" ist von Rainer Kaufmann zurückhaltend inszeniert. Der Fall steht eher im Hintergrund. Die detaillierte Figuren-Zeichnung ist dem Regisseur..
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