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Tate Taylor auf der L.A.-Premire von "The Help"
Zeitreise mit Octavia Spencer
Interview: Tate Taylor und die Frauen
Wer Männer zu flach findet, der arbeitet eben mit Frauen. Regisseur und Drehbuchautor Tate Taylor ist da konsequent. In seiner Romanverfilmung "The Help" sind alle Hauptcharaktere Frauen - sehr zur Freude von Octavia Spencer. Als Haushaltshilfe Minny wehrt sich die Afroamerikanerin gegen den alltäglichen Rassismus der 1960er Jahre. Wie man so eine Zeitreise authentisch inszeniert, verraten Taylor und Spencer im Interview mit Filmreporter.de.
erschienen am 7. 12. 2011
Walt Disney
Octavia Spencer auf der LA-Premiere 2011 zu "The Help"
Ricore: Frau Spencer, wie war es, mit Tate Taylor zu arbeiten? Gibt es Unterschiede zu anderen Regisseuren?

Octavia Spencer: Absolut. Tate und ich sind sehr enge Freunde, er ist wie ein Bruder für mich. Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Film mit ihren Geschwistern. Da gibt es tolle Drehtage und andere, an denen man wegen etwas ausrastet, das in der Kindheit geschehen ist. Der Dreh war großartig. Tate versteht es, die richtige schauspielerische Leistung aus mir herauszukitzeln. Ich hatte volles Vertrauen in seine Fähigkeiten als Regisseur.

Tate Taylor: Und wenn Octavia Gedanken, Sorgen oder Einwände wegen einer Szene hatte, hielt sie sich sowieso nicht zurück.

Ricore: Hatten Sie Schwierigkeiten, Ihren 'Bruder' ernst zu nehmen?

Spencer: Diese Hürde haben wir schon vor Jahren genommen. Nach der ersten Zusammenarbeit mit ihm habe ich mir gedacht: "Ok, er ist ziemlich genial. Ihm kann ich vertrauen." Es ist ein sehr enges Verhältnis. Bei Emma Stone und Viola Davis war das anfangs natürlich anders. Aber im Laufe der Dreharbeiten haben sie eine sehr ähnliche Beziehung zu Tate aufgebaut.

Ricore: Die Buchvorlage stand über 100 Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times. Wann kamen Sie auf die Idee, den Roman zu verfilmen?

Taylor: Glücklicherweise konnte ich mir die Filmrechte sichern, bevor Autorin Kathryn Stockett einen Verleger für das Buch hatte. Sie ließ mich das Manuskript lesen, nachdem sie Absagen von 60 Verlagen erhalten hatte. Als ich anfing, das Drehbuch zu schreiben, spürte ich keinen Druck von Millionen Fans oder Leuten aus Hollywood. Damals wohnte ich mit Kathryn und Octavia zusammen. Gemeinsam versuchten wir, Investoren für das Projekt zu finden. Mit meinen Freundinnen Allison Janney und Octavia Spencer konnte ich zu diesem Zeitpunkt immerhin schon zwei von acht Hauptrollen besetzen. Das Ganze begann, um Kathryn dabei zu unterstützen, einen Verleger zu finden. Heute wissen wir, dass es anders kam.
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The Help
Ricore: Die Filmrechte waren also ziemlich günstig?

Taylor: Der Vorschuss war gering, ja. Aber Kathryn ist eine gute Freundin. Von vornherein garantierte ich ihr, dass sie mehr erhalten würde, sobald sich ein Studio finden ließe. An diesen Vertrag war auch Dreamworks gebunden.

Ricore: Für Sie ist es also auch in persönlicher Hinsicht ein Familienfilm?

Taylor: Ja, wir waren ständig von Freunden und Familie umgeben. Wir drehten in Greenwood, Mississippi und am Set waren ständig Leute, die wir kannten. Einigen von ihnen gaben wir sogar kleine Rollen. So konnten wir uns das Spielerische bewahren. Wir liefen ständig Gefahr, zu vergessen, dass wir einen Hollywood-Film machen.

Ricore: Wie schwierig war es, Optik und Atmosphäre der 1960er Jahre umzusetzen?

Taylor: Das liegt vor allem an Greenwood selbst. Meine Heimatstadt Jackson, die zwei Autostunden entfernt liegt, hat sich seit den 1960ern stark verändert. Aber in Greenwood scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Als ich den Produzenten Fotos der Stadt zeigte, waren sie begeistert. Die Tatsache, dass wir echte Häuser aus den 1960ern verwenden konnten, schafft Authentizität. Die Designabteilung hat auf dieser Grundlage etwas Großartiges geschaffen. Aber die Atmosphäre in Greenwood fühlt sich so echt an, das könnte man gar nicht von Grund auf selbst erschaffen.

Ricore: Frau Spencer, haben Sie mit ihren Eltern oder Großeltern darüber gesprochen, wie sie die 1960er erlebt haben?

Spencer: Meine Eltern und Großeltern leben nicht mehr. Mir wurde zwar viel über die Bürgerrechtsbewegung beigebracht, aber ich bin anders an den Film herangegangen. Meine Darstellung beruht nicht auf einer bestimmten Frau, die ich kenne und die diese Zeit erlebt hat. Ich habe versucht, alles von Minnys Standpunkt aus zu sehen und die Figur von Grund auf selbstständig entwickelt.
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Tate Taylor auf der LA-Premiere 2011 zu "The Help"
Ricore: Wie viel Einfluss hatten sie auf das Drehbuch?

Spencer: Tate hatte die Romanvorlage vor sich und gab dem Drehbuch seine eigene Note. Nur manchmal hielt ich ihn davon ab, Szenen zu streichen, die ich für wichtig hielt.

Ricore: Wie war es, so viele Frauen am Set zu haben?

Taylor: Es gibt nicht viele Filme, in denen es fast nur weibliche Hauptrollen gibt. Aber ich habe dazu ein anderes Verhältnis. In anderen Drehbüchern habe ich ursprünglich männliche Rollen oft zu weiblichen umgeschrieben. Männer müssen im Leben nicht so viele Hindernisse überwinden wie Frauen. Daher habe ich oft das Gefühl, dass männliche Figuren flacher wirken. Als ich "The Help" schrieb, dachte ich gar nicht in solchen Geschlechterdimensionen. Ich wollte vielseitige Figuren erschaffen, das ist alles.

Spencer: Es war herrlich, mit einem überwiegend weiblichen Ensemble zu drehen. Zwischen uns hat sich das gleiche schwesterliche Verhältnis entwickelt, wie es die Figuren im Film erleben. Vor allem Viola Davis und Jessica Chastain werde ich ein Leben lang freundschaftlich verbunden bleiben. Mit Viola spreche ich jeden Tag, sie ist wie eine Schwester für mich geworden.

Ricore: Schmeichelt es Ihnen, dass "The Help" als Oscar-Kandidat gilt?

Taylor: 'Schmeicheln' ist das Schlüsselwort. Ich glaube, es wäre wirklich gefährlich, sich in Fantasien hineinzusteigern. Daran zu denken, würde uns nur ablenken. Aber es ist sehr schmeichelhaft.

Spencer: Man sollte sich da nicht zu sehr hineinsteigern. Wir können ohnehin nicht beeinflussen, ob wir einen Preis gewinnen.
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Octavia Spencer in "The Help"
Ricore: Frau Spencer, gibt es jemanden, für den Sie wie in "The Help" einen Kuchen aus Exkrementen backen würden?

Spencer: Mir fällt keine lebende Person ein, für die ich solch einen Kuchen backen will. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von geschichtlichen Figuren, die den Kuchen verdient hätten. Allerdings esse ich so gerne, dass mich allein der Gedanke nervös macht.

Ricore: Wie fühlt es sich an, dass der Film so erfolgreich im Kino läuft?

Taylor: Das fühlt sich toll an. Wissen Sie, es werden viele wirklich gute Filme gemacht, die sich niemand anschaut. Das wäre ein schreckliches Gefühl.

Ricore: Stimmt es, dass Sie nie eine Schauspielschule besucht haben, Frau Spencer?

Spencer: Nur ganz am Anfang meiner Karriere war das so. Aber nachdem ich einmal komplett aus einem Film herausgeschnitten wurde, nahm ich gemeinsam mit Tate vier Jahre Unterricht. Heute arbeite ich mit einem privaten Schauspiellehrer. Mir fehlt die Zeit, regelmäßig den Unterricht an einer Schule zu besuchen.

Ricore: Sie sind mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Ist der ständige Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern eine gute Voraussetzung für eine Schauspielkarriere?

Spencer: Meine Geschwister und ich stehen uns sehr nahe. Wir mussten zuhause nie um Aufmerksamkeit kämpfen. Ich habe viele Schwestern und war von viel weiblicher Energie umgeben, als ich aufwuchs. Insofern hat der Dreh sich angefühlt, als wäre ich Zuhause.
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Viola Davis und Octavia Spencer in "The Help"
Ricore: Sie haben als Schauspieler angefangen, Herr Taylor. Wie kamen Sie auf die Idee, Regie zu führen?

Taylor: Nach meinem College-Abschluss war ich im Treibstoffhandel tätig. Als ich mit 26 nach Los Angeles zog, wusste ich nicht, ob ich den Beruf weiter ausüben oder mich als Schauspieler versuchen sollte. Ich schloss mich einer Theatergruppe an und fing an, selbst Texte zu schreiben. Daran fand ich Gefallen. An der Schauspielerei gefällt mir mittlerweile ohnehin am besten, dass sie mir als Regisseur eine besondere Perspektive eröffnet. Ich kann mich in die Darsteller hineindenken. So weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn eine Szene nicht funktioniert. Das hilft ungemein bei der Kommunikation mit den Schauspielern.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Produzent Chris Columbus?

Taylor: Chris hat mir immer den Rücken gestärkt. Er ist das Risiko eingegangen, einem unbekannten Regisseur und einer unbekannten Hauptdarstellerin zu vertrauen. Ich bin ihm dankbar, dass er an das Projekt geglaubt hat.

Ricore: Wurden Sie während Ihrer Karriere mit Rassismus konfrontiert, Frau Spencer?

Spencer: Nicht direkt, nein. Aber ich bin froh, dass der Roman "The Help" so erfolgreich war. Sonst hätten wir dieses Jahr keinen Film dieser Art. Rassismus ist der falsche Ausdruck. Aber wenn man nicht Will Smith, Wesley Snipes oder Denzel Washington ist, hat man es als Afroamerikaner an den internationalen Kinokassen schwer. Ich hoffe, dass es nach "The Help" mehr Rollen für schwarze Frauen geben wird.

Ricore: Der Oscar-Sieg von Halle Berry hat also nichts geändert?

Spencer: Halle Berry ist wunderschön und wird immer Arbeit finden. Sie spielt in einer ganz anderen Liga. Man wird mich nicht als Ehefrau von Denzel Washington besetzen. Wer wie ich eher normal oder gar ein bisschen komisch aussieht, hat es in Hollywood schwer. Man muss aktiv sein, unterschiedliche Dinge ausprobieren. Ich schreibe auch und verlasse mich nicht nur auf die Schauspielerei.

Ricore: Gibt es Unterschiede zwischen dem Film- und dem Fernsehgeschäft?

Spencer: Ja, auf jeden Fall. Im Fernsehen gibt es eine Fülle an Rollen für Frauen, Schwarze und Homosexuelle. Mit dem Aufkommen des Reality-TVs wird es allerdings ohnehin schwieriger für ausgebildete Schauspieler, einen Job zu finden.

Ricore: Welche Projekte stehen als Nächstes an?

Spencer: Nach der Promotion-Tour für "The Help" beginnen die Dreharbeiten zu "Smashed". Im Februar drehe ich mit Julianne Hough und Russell Brand den neuen Film von Diablo Cody.

Taylor: Ich schreibe derzeit an drei Drehbüchern. Etwas Genaues kann ich noch nicht verraten, aber ich gehe davon aus, nächstes Jahr nicht arbeitslos zu sein.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 7. Dezember 2011
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Octavia Spencer wächst mit sechs Geschwistern in Alabama auf. Ihr Filmdebüt gibt sie 1996 in "Die Jury". Es folgen Nebenrollen in zahlreichen Kinofilmen und Fernsehserien. Spencer verbindet eine enge Freundschaft mit Schauspieler und Regisseur Tate Taylor. In dessen Romanadaption "The Help" hat Spencer 2011 ihren ersten großen Leinwandauftritt. The Captain" und "The Unforgiving Minute" zeichnet sie zudem für Drehbuch und Regie verantwortlich.
Mit Ende 20 kehrt Tate Taylor dem Treibstoffhandel den Rücken, um Schauspieler zu werden. In Los Angeles schließt er sich einer kleinen Theatertruppe an und macht erste Erfahrungen als Autor. Nach Nebenrollen in Kino ("Winter's Bone") und Fernsehen ("Sordid Lives: The Series") steht er 2003 für den preisgekrönten Kurzfilm "Chicken Party" erstmals hinter der Kamera. The Help" adaptiert er den gleichnamigen Roman seiner engen Freundin Kathryn Stockett. Buch und Film befassen sich mit den..
The Help (Kinofilm)
"The Help" handelt von der Diskriminierung afroamerikanischer Haushälterinnen in den 1960er Jahren. Emma Stone spielt eine angehende Journalistin, die die Sichtweise dieser Frauen zu Papier bringen will. Allerdings macht sie sich aufgrund der rassistischen Ressentiments in Jackson, Mississippi eine Menge Feinde. Tate Taylors Romanverfilmung überzeugt vor allem aufgrund der starken Darstellerinnen. Leider fehlt es dem Drama angesichts der diffizilen Rassismus-Thematik an den nötigen Ecken und..
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