Michael Domke/Ricore Text
Heiner Lauterbach bei Premiere von "Reality XL"
Missratene Rollenwahl?
Interview: Heiner Lauterbach will mehr Anspruch
Heiner Lauterbach kommt gut gelaunt zur Münchner Premiere von "Reality XL". Kodarsteller Max Tidof und Regisseur Thomas Bohn begrüßt er mit einer freundschaftlichen Umarmung. Schnell ist klar, dass Lauterbach viel an dem kleinen Independent-Projekt liegt. Energisch fordert er ein paar Kinobesucher auf, den Film in den ersten Tagen anzuschauen. Vor der Filmvorführung nimmt er sich Zeit, mit Filmreporter.de über eine besonders reizvolle Rolle und sein Interesse an Wissenschaft und Religion zu sprechen.
erschienen am 16. 01. 2012
Michael Domke/Ricore Text
Heiner Lauterbach mit Kollegen auf der Premiere von "Reality XL" in München
Ricore: Es wurde berichtet, Sie hätten für "Reality XL" auf Ihre Gage verzichtet.

Heiner Lauterbach: Nicht verzichtet, zurückgestellt. Das ist ein entscheidender Unterschied.

Ricore: Machen Sie das öfter?

Lauterbach: Öfter ist relativ. Ich habe das schon ein paar Mal gemacht. Die Regel ist das aber natürlich nicht.

Ricore: Was muss ein Projekt denn haben, damit Sie so etwas machen?

Lauterbach: Zunächst einmal muss man feststellen, dass man heutzutage andere Wege gehen muss. Nur so kann man die Filme drehen, die man gerne machen möchte und nicht nur das, was man halbherzig macht.

Ricore: Worin lag der besondere Reiz ihrer Rolle in "Reality XL"?

Lauterbach: Das Entscheidendste ist das Drehbuch. Da geht es nicht nur um die Rolle, sondern darum, wie das ganze Paket geschnürt ist. Sprich: wie spannend ist so eine Geschichte? Das Drehbuch zu "Reality XL" habe ich in einem Rutsch gelesen. Das ist bei mir immer ein sehr gutes Zeichen, wie spannend ich etwas finde. Wenn ich das Buch zwei, drei oder sechs Mal weglegen muss und dann irgendwann weiterlese, dann weiß ich schon, dass da etwas nicht stimmt. In diesem Fall war ich von den ganzen Twists und Wendungen sofort begeistert. Das fand ich verrückt und spacig. Hinzu kommt, dass ich mich für Astrophysik interessiere.
ZDF/Graeme Hunter
Heiner Lauterbach und Kollege Tom Schilling in Ken Folletts "Eisfieber"
Ricore: Wie äußert sich dieses Interesse?

Lauterbach: Man liest, was man so in die Hände kriegt. Artikel in Magazinen, Tageszeitungen oder zum Beispiel "Der große Entwurf" von Stephen Hawking. Wenn im Fernsehen etwas dazu kommt, sehe ich mir das auch gerne an.

Ricore: Waren Sie dabei, als das Filmteam das CERN in Genf besucht hat?

Lauterbach: Leider nicht. Ich wurde eingeladen, habe aber gerade im Ausland gedreht. Mir wurde aber versichert, dass ich jederzeit kommen darf.

Ricore: Wie weit geht dieses Interesse zurück?

Lauterbach: Zehn, fünfzehn Jahre. Eine grundsätzliche Faszination war schon länger da. Aber das dürfte bei jedem Menschen so sein. Man nimmt doch an, dass jeder gerne wissen würde, wie groß das Weltall wirklich ist. Und wenn man da mal eintaucht in die Welt der Roten Riesen, Zeitreisen und Paralleluniversen, dann ist das einfach unglaublich interessant.

Ricore: Im Film wird in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Schöpfer aufgeworfen. Wie sehen Sie das?

Lauterbach: Ich bin Agnostiker. Ich schließe die Existenz Gottes nicht aus, würde sie vom wissenschaftlichen Standpunkt aus aber eher für unwahrscheinlich halten. Man kommt zwangsläufig zu der Frage: wenn es einen gibt, der in zehn Millionen Köpfe hineinschauen kann und alles geschaffen hat - wer hat den dann erschaffen. Die Religion - egal welche - ist eine wissenschaftlich fragwürdige Theorie. Aber man kann die Nicht-Existenz Gottes auch nicht beweisen.
ZDF/Graeme Hunter
Heiner Lauterbach in Ken Folletts "Eisfieber"
Ricore: Wie kommunizieren Sie ihre Ansichten zu solchen Themen gegenüber ihren Kindern?

Lauterbach: Meine Kinder sind getauft, können aber jederzeit aus der Kirche austreten. Wir haben sie mal taufen lassen. Wenn sie das später für richtig halten, sollen sie drinbleiben, wenn nicht, dann eben nicht. Wir haben mit all meinen Kindern Weihnachten gefeiert, als sie klein waren auch mit Christkind. Aber wir haben nicht jeden Tag vor dem Essen gebetet oder so. Wenn meine jüngeren Kinder mich nach dem lieben Gott fragen, dann kompliziere ich die Sache nicht unnötig und gehe drauf ein. Fragen sie mich dann in einem reiferen Alter, dann werde ich ihnen die Sache genauso sagen, wie ich sie eben formuliert habe. Ich würde nicht vorheucheln, ausschließlich und unbedingt an Gott zu glauben.

Ricore: Wie teilen Sie und Ihre Frau Victoria sich solche Erziehungsfragen auf?

Lauterbach: Ich versuche genauso streng zu sein wie meine Frau. Wenn ich sie nach der Arbeit sehe, will ich nicht nur der liebe Papi sein, sondern Verantwortung übernehmen. Wir wechseln uns so Good-Cop-Bad-Cop-mäßig ab. Mal bin ich streng, mal Victoria. Das nächste Mal ist es dann wieder umgekehrt.

Ricore: Im Film geht es auch um Träume. Haben Sie schon einmal so real geträumt wie Professor Carus im Film?

Lauterbach: So real nicht, nein. Es gibt schon Träume - meist die Alpträume - die sehr intensiv sind. Da wacht man dann mit Herzklopfen auf. Das zeigt, wie involviert man da ist.

Ricore: Wie weit verfolgen Sie ihre Filmstoffe?

Lauterbach: Das kommt auf den Film an. Wenn es ein trivialer Film ist, dann verfolgt mich das genau bis zur Tür des Wohnmobils oder ins Auto. Bei einem solchen Film verfolgt mich das über Jahre hinweg. Das finde ich das Schöne an "Reality XL". Da kommt man raus und beginnt zu diskutieren. Den sieht man sich mit Freunden an und nachher geht man etwas essen und unterhält sich darüber.
Warner Bros.
Inception
Ricore: Wählen Sie ihre Rollen heute anders aus als vor zehn oder 20 Jahren?

Lauterbach: Ja, eigentlich schon. Teilweise habe ich meine Rollen nach dem Bestimmungsort ausgesucht. Da kamen ein paar Drehbücher. Und wenn eins davon in Thailand gedreht werden sollte, hab ich mir gesagt: oh toll, Thailand, da war ich noch nicht. Das war ziemlich wahllos. Heute sage ich solche Sätze wie: ich möchte nur noch Filme machen, die ich mir selbst anschauen würde. Das zeigt, dass sich da etwas verändert hat. Aber mit Kunst und Qualität hat das nichts zu tun. Ich habe einen ziemlich biederen Geschmack. Wenn ich einen Film nicht mag, dann heißt das nicht, dass er Schrott ist. Dann muss er nicht mal in meinen Augen schlecht sein, sondern gehört vielleicht einfach nicht zu der Sorte Film, die ich mir gerne anschaue. Zum Beispiel habe ich im Kino "Inception" gesehen. Nach einer halben Stunde hat mich meine Frau gefragt: weißt du, ob der jetzt träumt oder nicht? Und ich wusste es auch nicht. Das ging dann alle zehn Minuten so. Irgendwann sind wir dann rausgegangen.

Ricore: Wobei es durchaus thematische Ähnlichkeiten zwischen "Reality XL" und "Inception" gibt.

Lauterbach: Ich finde "Reality XL" wesentlich einfacher zu verstehen. Natürlich führt einen der Film in die Irre, aber durchaus bewusst. Bei "Inception" hatte ich das Gefühl, dass der Zuschauer durchaus hätte wissen sollen, ob die Figuren träumen oder nicht.

Ricore: Sie haben einen Imagewandel durchgemacht. Hat sich auch ihr Umgang mit der Öffentlichkeit geändert?

Lauterbach: Es gibt einen persönlichen Wandel. Dann wird man automatisch anders wahrgenommen. Das hat wiederum eine andere Berichterstattung zur Folge und schließlich reagiert man selbst anders auf die Berichterstattung.
ARD Degeto/Erika Hauri
Heiner Lauterbach in "Doppelgängerin"
Ricore: In "Reality XL" bleibt die Frage, was Traum und was Realität ist, letztendlich unbeantwortet. Muss das so sein?

Lauterbach: Müssen nicht. Aber dieser Schluss trifft eine Aussage, die auch die Physiker machen und die auf die griechische Philosophie zurückgeht. Wir wissen eigentlich nur, dass wir nichts wissen. Wir kennen die kleinsten Teilchen, die doch nicht die kleinsten sein sollen. Wir wissen nicht, wo wir herkommen. Es wäre vermessen, den Film mit einer festen Behauptung enden zu lassen.

Ricore: Haben Sie mit Tom Bohn über dieses Thema viel diskutiert?

Lauterbach: Nein. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir zum Beispiel die gleiche Analyse des Schlusses hätten. Ich finde da sollte jeder seine eigene Meinung behalten.

Ricore: Ist es nicht wichtig, dass Schauspieler und Regisseur einer Meinung sind?

Lauterbach: Eigentlich schon. Aber auf einem solchen Gebiet, das so offen zu interpretieren ist, ist das nicht so. Wir müssen natürlich einer Meinung sein, was die Darstellung der Figuren betrifft und die Emotionen, Lautstärke und was weiß ich alles. Aber die Interpretation dessen, was da abläuft, kann mir kein Regisseur oktroyieren.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. Januar 2012
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2024