Paramount Pictures
Brad Bird auf der Dubai-Premiere von "Mission: Impossible - Ghost Protocol"
Unglaubliches glaubhaft machen
Interview: Brad Bird pfeift auf Realismus
Im Animationsfach macht Brad Bird keiner was vor. Das hat er mit Pixar-Werken wie "Ratatouille" und "Die Unglaublichen - The Incredibles" eindrucksvoll gezeigt. Wenn mit Schauspielern aus Fleisch und Blut gedreht wird, betritt der Regisseur Neuland. So ist das Agentenabenteuer "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" sein erster Realfilm. Im Gespräch mit Filmreporter.de berichtet Bird von seiner Arbeit an den spektakulären Action-Szenen. Wie sehr er nach wie vor den Animationsfilm schätzt, macht er falls nötig auch unter Androhung von Schlägen deutlich...
erschienen am 15. 12. 2011
Paramount Pictures
Mission: Impossible - Phantom Protokoll
Ricore: Wann kamen Sie mit Tom Cruise in Kontakt?

Brad Bird: Er kam auf mich zu, nachdem er "Die Unglaublichen - The Incredibles" und "Der Gigant aus dem All" gesehen hatte. Ich besuchte ihn und wir unterhielten uns ein paar Stunden über Filme. Wir haben uns auf Anhieb verstanden. J.J. Abrams kenne ich schon seit einigen Jahren. Wir planten schon länger eine Zusammenarbeit. Aus terminlichen Gründen hatte das bis dahin aber nie geklappt. Bei "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" konnte ich jetzt mit beiden zusammenarbeiten. Dem konnte ich nicht widerstehen.

Ricore: Haben Sie daran gedacht, aus "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" einen 3D-Film zu machen?

Bird: Ja, das wurde kurz diskutiert. Mir hat "Avatar - Aufbruch nach Pandora" sehr gut gefallen und ich bin gespannt, was Peter Jackson bei "Der Hobbit - eine unerwartete Reise" macht. Persönlich habe ich aber das Gefühl, dass das Publikum vergessen hat, wie ein großes, scharfes, helles Bild auf einer richtig großen Leinwand wirkt. Ich halte das für effektiver, als 3D.

Ricore: Haben Sie sich für "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" von anderen Filmen inspirieren lassen?

Bird: Oh ja. Ich liebe Filme. Das gilt auch für Tom Cruise und J.J. Abrams, deswegen war die Zusammenarbeit so toll. Tom verstand bei vielen Szenen sofort, von welchem Film ich mich inspirieren lasse. Da musste ich nur den Titel nennen und Tom wusste, was los war.

Ricore: Wie groß war Tom Cruise' kreativer Einfluss?

Bird: Das ist Toms Filmserie. Sonst hat er nie die gleiche Rolle in mehreren Filmen gespielt. Neben seinen Fähigkeiten als Schauspieler verfügt Tom über eine Menge Wissen über das Medium Film. Er hat mit vielen großen Regisseuren gedreht wie Stanley Kubrick, Steven Spielberg, Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Michael Mann. Von jedem hat er etwas gelernt, das hat die Zusammenarbeit für mich sehr interessant gemacht. Er mag Regisseure, die ihren Standpunkt vertreten können. Das hat ihm wohl an mir gefallen.
Pixar
Regisseur Brad Bird
Ricore: Im Film gibt es viele aufwendige Szenen. Dachten Sie manchmal, dass es einfacher wäre, die Szenen zu animieren?

Bird: Es ist ziemlich schwierig, etwas zu animieren [lacht]. Aber es ist auf andere Weise schwierig. Mir gefallen die Unterschiede zwischen Animations- und Spielfilmen.

Ricore: War der Wechsel vom Animations- zum Realfilm schwierig?

Bird: Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den beiden Welten. Es geht in erster Linie darum, eine Geschichte zu erzählen.

Ricore: Die Szene, in der das Auto von der Brücke stürzt, wird aus der Perspektive des Wageninneren gezeigt. Woher kam die Inspiration dafür?

Bird: Action-Regisseure entfernen sich mit der Kameraperspektive oft von den Emotionen der Figuren. Mir gefällt es nicht, wenn sich ein Auto in Zeitlupe mehrmals überschlägt und durch einen Feuerball fliegt. Ich habe ein paar Autounfälle erlebt. Da wird so viel Adrenalin ausgeschüttet, dass man viel mehr Informationen aufnimmt als sonst. Die Zeit scheint sich tatsächlich zu verlangsamen. Ich wollte die Desorientiertheit zeigen, die jemand empfinden würde, der einen solchen Unfall hat. Daher gibt es keine Außenperspektive.

Ricore: Woher stammt die Idee für die Kontaktlinsen mit integrierten Kameras?

Bird: Wir hatten einen Berater für den Film, der uns Ideen vorgestellt hat, an denen zurzeit wirklich gearbeitet wird. Die Kontaktlinsen funktionieren in der Realität ein wenig anders, aber die Grundidee hat mir sehr gefallen.
Paramount Pictures
Brad Bird am Set von "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" (2011)
Ricore: "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" enthält mehr Live-Stunts und weniger Effekte als andere Action-Filme.

Bird: Am Anfang dachten wir, dass wir für die Wolkenkratzer-Szene viel mehr Spezialeffekte bräuchten. Doch dann führten wir die Verhandlungen zum Dreh in Dubai. Dabei wurde schnell klar, dass wir oben auf dem Gebäude drehen durften. Computer-Effekte sind heutzutage wirklich gut. Aber es gibt eine gewisse Lebendigkeit, die man nur mit einem Live-Dreh erzeugen kann. Tom wollte die Kletterszenen unbedingt selbst machen.

Ricore: Was hat die Versicherung dazu gesagt?

Bird: Wenn es da Probleme gegeben hätte, hätte Tom den Versicherer gewechselt. Er wollte das unbedingt machen.

Ricore: In welchem Stockwerk haben Sie gedreht?

Bird: Wir haben in unterschiedlichen Stockwerken gedreht, weil Tom das Gebäude hochklettert. Außerdem gibt es verschiedene Perspektiven. Am Anfang wollten wir nur zwei Fenster rausnehmen, am Ende waren es 27. Wir haben wirklich ausgenutzt, was sie uns mit dem Gebäude machen ließen.

Ricore: Wie groß war der Druck für Sie als Regisseur, eine derart gefährliche Szene zu drehen?

Bird: Ich konnte Tom nicht davon abhalten, schließlich ist er der Produzent. Ich wollte nicht der Typ sein, der die Szene versaut.
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany)
Ratatouille
Ricore: Im Film ist ein massiver Sandsturm zu sehen. Haben Sie so etwas auch bei den Dreharbeiten erlebt?

Bird: In dieser Stärke nicht. Aber wir erlebten ein paar kleinere Sandstürme und mussten den Dreh unterbrechen. Wir mussten vorsichtig sein, die Kameras sind sehr empfindlich.

Ricore: "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" ist witziger als die ersten drei Teile. Wie kommt das?

Bird: Tom Cruise wollte, dass jeder der "Mission: Impossible"-Filme die Handschrift des jeweiligen Regisseurs trägt. Das gefiel mir sehr gut. So hatte ich die Möglichkeit, wirklich meinen eigenen Film zu machen. In den Filmen geht es um die ständige Anspannung. Anspannung hat in meinen Augen eine witzige Seite. Tom Cruise und J.J. Abrams unterstützten mich, als ich Vorschläge machte.

Ricore: Pixar hat das Ansehen von Animationsfilmen in Hollywood nachhaltig verändert. Wie kommt es, dass Animationsfilme nach wie vor als Genre und nur selten als anspruchsvolle Kunst betrachtet werden?

Bird: Ich halte Animation nicht für ein Genre. Ich habe Leuten schon Schläge angedroht, wenn sie es als Genre bezeichnen [lacht]. Es ist ein Medium, eine Kunstform, die jedes Genre bedienen kann. Dass viele Filmemacher mit dieser Kunstform Kinderfilme machen, liegt nicht an dem Medium. Man kann sehr ernste, düstere Animationsfilme machen. In Japan ist das oft der Fall. Auch die britische Zeichentrickversion von "Animal Farm" ist sehr düster.

Ricore: In Ihren bisherigen Filmen ging es eigentlich stets um mehr, als Unterhaltung. Ist das auch bei "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" so?

Bird: In erster Linie ist "Mission: Impossible" Popcornkino. Das heißt nicht, dass der Film oberflächlich oder dumm sein muss. Aber es ist kein ernster Film.
Pixar
Regisseur Brad Bird
Ricore: Sie wollten schon sehr früh Filme machen. Woher kam diese Leidenschaft?

Bird: Schon meine ersten Zeichnungen waren dazu gedacht, in einer bestimmten Abfolge gesehen zu werden. Da war ich drei Jahre alt. Ich wusste das damals natürlich nicht, aber anscheinend habe ich schon damals versucht, Filme zu machen.

Ricore: Wie schwierig ist es, einen Film wie "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" glaubwürdig zu machen?

Bird: Das ist bei fast jedem Film die Aufgabe. Auch wenn man ein Märchen erzählt, will man es so machen, dass es glaubwürdig ist. Filme haben viel mit Träumen gemein. Auch bei Dramen geht es nicht um die Realität, aber durchaus um reale Gefühle und Eindrücke. Man will das Publikum auf eine Reise mitnehmen. Es geht darum, Geschichten zu erzählen, unabhängig davon, wie ernst sie sein mögen. Bei Filmen geht es nicht darum, dass sie realistisch sind, sondern dass sie glaubwürdig sind. Das ist zum Beispiel das Geheimnis der alten Walt Disney-Filme: sie machen etwas Unglaubliches glaubhaft.

Ricore: Wie fühlten Sie sich, als Ihr erster Film "Der Gigant aus dem All" ins Kino kam?

Bird: Ich war glücklich, dass ich endlich einen Film machen durfte. Es hat lange gedauert, bis ich diese Chance bekam. Also habe ich alles gegeben.
Buena Vista
Die Unglaublichen - The Incredibles
Ricore: Haben Sie Ihr geplantes Filmprojekt über das Erdbeben von San Francisco zu den Akten gelegt?

Bird: Nein, nach "Ratatouille" habe ich daran gearbeitet. Nach zwei Jahren Planung wollte ich erst mal wieder einen Film machen, statt ihn nur zu planen. Aber ich möchte den Film nach wie vor realisieren.

Ricore: Ihre Filme sind bisher sehr gelobt worden. Wie groß ist der Druck bei einem neuen Projekt?

Bird: Wenn man sich zu viele Gedanken darum macht, fährt man gegen die Wand. Wenn man im Straßenverkehr in eine kritische Situation gerät und der Beifahrer anfängt zu schreien, macht es das nicht gerade besser. Diesen schreienden Beifahrer hat man auch im eigenen Kopf. Man muss einen Film machen, den man selbst sehen will. Sonst scheitert man.

Ricore: Welche Ideen haben Sie für die Fortsetzung von "Die Unglaublichen - The Incredibles"?

Bird: Sie denken also, dass ich eine Fortsetzung in jedem Fall machen werde [lacht]? Ich hatte mehrere Ideen für den ersten Teil, die ich verwerfen musste. Doch ich würde keine Fortsetzung machen, nur weil das Studio es will oder weil er leicht zu vermarkten wäre. Ich habe nichts gegen Fortsetzungen, aber die Story muss genauso gut oder besser als die des ersten Teils sein.

Ricore: Was steht als nächstes bei Ihnen an?

Bird: Ich arbeite wie gesagt an dem San-Francisco-Projekt und habe noch ein paar andere Ideen. Ich weiß noch nicht, welches Projekt ich als nächstes umsetzen kann. Das Studio will den Erdbebenfilm zwar unbedingt machen, aber die Story ist sehr komplex. Ich hoffe, dass ich diesen umfangreichen Stoff in einem Film unterbringen kann.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 15. Dezember 2011
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2024