ARD Degeto/Erika Hauri/Grafik Evelyn Frey
Jutta Speidel als Emma in "Doppelgängerin"
Riester-Rente nutzlos?
Interview: Jutta Speidel skeptisch
Jutta Speidel kämpft mit sich selbst. Zumindest ist dies in der Fernsehproduktion "Doppelgängerin" der Fall. In der Komödie spielt die gebürtige Münchnerin sowohl Glaserin Emma Stöckel, als auch Geschäftsfrau Hedwig von Auenstedt. Welche der beiden Damen ihrer eigenen Persönlichkeit eher entspricht, erläutert Speidel im Interview mit Filmreporter.de. Darin erzählt sie auch, weshalb sich Politiker nicht wundern müssen, wenn sie von den Medien auseinander genommen werden und wieso sie die Riester-Rente verabscheut.
erschienen am 16. 03. 2012
ARD Degeto/Erika Hauri
Michael Fitz und Jutta Speidel in "Doppelgängerin"
Ricore: Können Sie sich eher mit Emma Stöckel oder mit Hedwig von Auenstedt identifizieren?

Jutta Speidel: Natürlich ist die Hedwig von meinem Charakter weiter entfernt als Emma. Generell fand ich es toll, zwei verschiedene Figuren in einem Film spielen zu können, die sonst für zwei Filme geschrieben werden. Von so etwas träumt man als Schauspieler natürlich. Da die Charaktere extra für mich geschrieben wurden und ich sehr gerne beobachte, habe ich mir diese Figuren richtig gebaut. Für Hedwig von Auenstedt waren beispielsweise drei real existierende Frauen meine Vorbilder, die ich zu einer einzigen Figur verarbeitet habe.

Ricore: Sind diese Frauen, Menschen aus Ihrem privaten Umfeld?

Speidel: Nein, es sind keine Frauen aus meinem Freundeskreis. Es sind einfach drei Personen denen ich mal begegnet bin oder die ich beobachtet habe. Die Hedwig ist so entsprechend gestylt, bewegt sich und guckt wie sie. Aber auch Emma ist eine Figur, die ich mir in ihrer Burschikosität zurecht gebaut habe und die anderen Personen entliehen ist.

Ricore: Können Sie wie Emma aus dem Stehgreif mitreißende Reden halten?

Speidel: Wissen Sie, ich habe seit 15 Jahren ein soziales Projekt. Da muss ich ganz oft aus dem Stand eine Rede schwingen. Ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich sage Ihnen auch weshalb: Wenn ich für eine Sache eintrete die mir am Herzen liegt, fallen mir aus dem Stand die passenden Worte ein. Dann argumentiere ich für die Sache, bringe die Dinge voran. Das ist mein Anliegen. Ich denke bei der Emma war das nicht anders. Sie hat sich gedacht: "Nutze die Chance!".
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Jutta Speidel und Katharina Müller-Elmau in "Doppelgängerin"
Ricore: Wie alltäglich sind die in "Doppelgängerin" dargestellten politischen Praktiken?

Speidel: [Überlegt lange] Ich denke, dass alles in der Realität noch viel schlimmer ist. Die Korruption ist gerade im Baubereich riesengroß. Im südlichen Schlossrondell vom Nymphenburger Schloss gibt es ein Haus, das auf dem freien Markt für zwölf Millionen Euro verkauft wurde. Der neue Besitzer hat dann nochmals die gleiche Summe in den Umbau des Gebäudes gesteckt. So wie das Gebäude jetzt innen aussieht, ist es eine Katastrophe. Das Haus hatte früher wunderschöne Gewölbe und Säulengänge. Es hatte zahlreiche aus dem 17. Jahrhundert unter Denkmalschutz stehende Elemente. Von dem früheren Haus, steht jetzt nur noch die Fassade. Nach hinten ist alles abgerissen worden. Wie kann so etwas nur passieren?

Ricore: Vielleicht, weil viele keinen Sinn für Kultur haben?

Speidel: Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall war das Gebäude denkmalgeschützt! Es ist wie mit dem Rieger-Gebäude. Das Haus haben sie auch abgetragen und nur die Außenmauer stehenlassen. Der haben sie dann einen kleinen Tritt gegeben, so dass sie zusammengefallen ist. Das ist Korruption, die hinter so etwas steckt! Diese Leute haben keinen Sinn für Kultur, weil sie nur auf schnelle Profite aus sind.

Ricore: Ist es nachvollziehbar, dass man als Politiker es nicht immer schafft, der Verführung zu widerstehen?

Speidel: Naja, das hängt immer mit der geistigen Haltung einer Person zusammen. Wenn jemand in die Politik geht, muss er wissen, wie er mit der Presse umzugehen hat und was auf ihn zukommt. Er muss einfach eine Haltung haben. Es gibt ganz gewisse Reglements, die eingehalten werden müssen - wie in anderen Berufen auch. Und wenn man dann sieht, was unser Bundespräsident [Christian Wulff] nicht eingehalten hat, wo er blauäugig war und Verführungen erlegen ist - dafür musste er natürlich gerade stehen.
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Michael Fitz und Jutta Speidel in "Doppelgängerin"
Ricore: Hätte Bundespräsident Wulff zurücktreten müssen?

Speidel: Schon bevor Herr Wulff Bundespräsident wurde, habe ich nicht sonderlich viel von ihm gehalten. Er gehört auch nicht meiner Partei an. Ich bin keine CDU- beziehungsweise CSU-Wählerin. Besonders negativ aufgestoßen ist mir, dass er mit einem Menschen wie Carsten Maschmeyer befreundet ist. Sie wissen, dass dieser Herr mit der Riester-Rente reich geworden ist, oder? Er hat wirklich viele Menschen mit dieser verdammten Riester-Rente in den Ruin getrieben. Man kann natürlich sagen, dass man selbst schuld ist, wenn man eine Riester-Rente abschließt. Aber die Menschen sind halt verführbar und werden zudem oft falsch beraten. Maschmeyer hatte außerdem eine ganz gezielte Kampagne gestartet, um Riester-Renten zu verkaufen. Er ist offensichtlich kalt wie eine Hundeschnauze. Als Bundespräsident, muss ich doch nicht meinen ersten Urlaub nach meinem Amtsantritt in der Villa von diesem Mann verbringen und mich dazu mit ihm und seiner Freundin Veronica Ferres fotografieren lassen. Für einen Bundespräsidenten ist das echt unter der Gürtellinie!

Ricore: Engagieren Sie sich politisch?

Speidel: Durch meine sozialen Projekte betreibe ich in gewisser Weise Gesellschaftspolitik. Aber wirklich politisch bin ich nicht, auch wenn ich genau darauf achte, was in dieser Welt passiert.
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Jutta Speidel in "Doppelgängerin"
Ricore: Gab es 1997 einen konkreten Anlass für die Gründung der Horizont e.V.?

Speidel: Ich bin durch Zufall auf obdachlose Kinder in München gestoßen. Ich war fassungslos, weil ich nicht wusste, dass es sie wirklich gibt. Deshalb habe ich mich vor 17 Jahren dazu entschlossen zu recherchieren und zu sehen, wie genau diese Kids leben, wie sie untergebracht und gefördert werden. Auf Grundlage meiner Rechercheergebnisse habe ich ein Konzept entwickelt, wie ich den Kindern helfen möchte. Unser ursprüngliches Konzept passen wir seit dem Start vor 15 Jahren natürlich immer wieder an die aktuellen Gegebenheiten an. Momentan haben wir mit ganz großen Traumatisierungen zu kämpfen. Das wird auch nicht besser werden. Die Obdachlosigkeit bei Kindern ist immer noch ein großes Thema. Darauf werden wir dieses Jahr in unserem 15. Jubiläumsjahr deshalb auch unser Augenmerk lenken, damit in ganz Deutschland darüber gesprochen wird.

Ricore: Passiert derzeit noch zu wenig?

Speidel: Absolut. Nach wie vor gibt es ganz viele Menschen, die noch nie etwas davon gehört haben. In Deutschland ein obdachloses Kind - das ist nicht tragbar!

Ricore: Ein obdachloses Kind ist nirgendwo tragbar...

Speidel: Nein. In Afrika oder Südamerika sehen Sie Hunderte innerhalb einer Stunde. Das es dies in Deutschland auch gibt und unter welchen Umständen die Kinder leben, darüber machen sich die meisten jedoch keine Gedanken.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. März 2012
Zum Thema
In "Die Lümmel von der ersten Bank" feiert Jutta Speidel als 15-jährige ihr Spielfilmdebüt. Seitdem ist sie regelmäßig in Fernseh-, Kino- und Theaterproduktionen zu sehen. Erfolgreich ist die gebürtige Münchnerin auch mit ihren Rollen in den Fernsehserien "Forsthaus Falkenau", "Alle meine Töchter" und "Um Himmels Willen". Bruno Maccallini liiert. Aus einer vorherigen Beziehung hat sie zwei Töchter.
Doppelgängerin (Kinofilm)
Wolter von Auenstedt (Heiner Lauterbach) ist im Stress, da er mit seiner Frau (Jutta Speidel) gleich zu einer Pressekonferenz fahren muss. Dort wollen die beiden den Abriss des beliebten Wiesenviertels offiziell bekanntgeben. Beim Einstieg ins Auto verwechselt Wolter jedoch seine Gattin mit Glasereibesitzerin Emma (Jutta Speidel in einer Doppelrolle). "Doppelgängerin" fügt sich nahtlos in die Reihe mäßig spaßiger Verwechslungskomödien wie "Dave" ein. So sind die Witze platt, die Darsteller..
2024