Ralf Hake/Ricore Text
Heino Ferch
"Ich bin sehr viel bodenständiger"
Interview: Heino Ferch mistet aus
Heino Ferch ist ein gefragter Film- und Fernsehschauspieler. Aufgrund seines Aussehens wurde er zu Beginn seiner Karriere Bruce Willis des Nordens genannt. Dabei ließ er sich nicht auf Rollenklischees festlegen. In "Ruhm" spielt er einen Star, der untertaucht. Über sein Privatleben spricht Ferch wenig. Im Interview mit Filmreporter.de verrät der passionierte Polospieler immerhin, dass er an Weihnachten und Neujahr die Ställe selber ausmistet.
erschienen am 21. 03. 2012
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Ruhm
Ricore Text: Wie lebt es sich mit einem der bekanntesten Gesichter Deutschlands? Welchen Preis müssen Sie dafür zahlen?

Heino Ferch: Gar keinen großen Preis. Wenn man ausstrahlt, dass man sein Leben so lebt, und akzeptiert, dass man angeschaut wird, lebt es sich sehr gut damit.

Ricore: Was bedeutet Ruhm für Sie?

Ferch: Ruhm bedeutet für mich auch die Sympathie des Publikums genießen zu können und sich Rollen aussuchen zu können, den Weg weiter gehen können, den man eingeschlagen hat. Armin Mueller-Stahl hat mal gesagt, Erfolg macht Erfolg. Ich glaube, wenn ich mir treu bleibe, ist das der einfachste und auch richtige Weg, um glücklich durchs Leben zu gehen.

Ricore: Was bedeutet sich selbst treu zu bleiben?

Ferch: Seine Werte nicht zu verraten. Mich auf meinen Instinkt zu verlassen, der immer schon dagewesen ist, der aber durch Erfahrung auch geformt wird. Instinkt hat etwas mit einer Lust zu tun, in bestimmte Stoffe einzutauchen. Es muss nicht immer die Hauptrolle sein, siehe "Ruhm". Das ist ein Episodenfilm, wo es sechs Hauptdarsteller gibt. Instinkt bedeutet, die richtige Linie beizubehalten, die Zuschauer manchmal sagen lässt, wenn sie dabei sind, schalten wir ein. Das ist ein schönes Kompliment.

Ricore: Können Sie sich an die Zeit erinnern, als man Sie das erste Mal auf der Straße erkannt hat? Was war das für ein Gefühl?

Ferch: Natürlich schmeichelt das, wenn viele Leute einen auf einmal erkennen.

Ricore: Haben Sie auch mal überlegt, mehr in Richtung Action zu gehen oder auf den internationalen Markt?

Ferch: Nach Amerika? Wer will uns denn da? Das sind immer einzelne Projekte, die da alle paar Jahre mal jemanden rüberspülen. In jeder Alterskategorie haben die 20 andere, die da drüben Boxoffice machen. International kommen Filme mit uns zustande, wenn aus jedem der beteiligten Länder bekannte Gesichter genommen werden, die auf die Rolle passen.
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Heino Ferch in "Ruhm"
Ricore: Konnten Sie sich mit dem Problem von Ralf Tanner identifizieren?

Ferch: Nein, mit dem Problem nicht. Ralf Tanner ist jemand, der sehr einsam und zurückgezogen, nur mit seinem Butler lebt. Er hat sich von der Welt abgeschottet, die ihn ja aufgrund seines Ruhmes unangenehm anmacht. Das ist nicht meine Welt. So würde ich nicht leben wollen. Ich bin sehr viel bodenständiger als Ralf Tanner.

Ricore: Er hat ja gar keine Freunde.

Ferch: Keine Frau, keine Freunde, keine Kinder. Das ist sehr traurig.

Ricore: Wie wichtig sind Ihnen Freundschaften. Was tun Sie dafür?

Ferch: Sehr wichtig. Man muss sich anstrengen, auch wenn man sich lange nicht sieht, Kontakt zu halten, wenigstens zu telefonieren. Man muss die Menschen, die einem wichtig sind, ehrlich und kontinuierlich im Gespräch halten.

Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, wie Ralf Tanner von heut auf morgen aus Ihrem Beruf auszuscheiden?

Ferch: Wir wissen ja nicht, wie es weiter geht. Aber Ralf Tanner wird nicht aus seinem Beruf ausscheiden. Und auch ich würde nicht aus meinem Beruf aussteigen. Das ist mein Leben. Wie jeder andere, der seinen Beruf liebt und mehr als nur einen Job macht, kann auch ich nicht einfach aufhören. Da wird man doch kreuzunglücklich. Soll ich dann Spreedampfer fahren?

Ricore: Oder Lockführer werden oder...

Ferch: ...wovon Jungs so träumen oder was? (lacht) Feuerwehrmann werden und in Pankow die Spritze halten? Nein, das ist etwas, was auch nicht so einfach geht.
Universum Film
CSI: NY - Season 7.1
Ricore: Haben Sie manchmal Angst, der jüngeren Generation weichen zu müssen?

Ferch: Im darstellenden Bereich werden sowohl Kinder, Teenies, Middleage und ältere Männer gebraucht. Aber man muss sich natürlich soweit unentbehrlich machen, dass man möglichst lange schöne Rollen angeboten bekommt. Man muss auch sozial kompatibel bleiben und gut mit Regisseuren und Kollegen zusammen arbeiten.

Ricore: "Ruhm" hat eine ungewöhnliche Struktur. Glauben Sie, dass das deutsche Publikum oft unterschätzt wird?

Ferch: Ja, auf jeden Fall. Es ist sicher anspruchsvoll, eine Episodengeschichte mit sechs Figuren zu verknüpfen. Das ist anders, als wenn linear erzählt wird, wo man das Publikum oft mit einer Hauptfigur sehr viel einfacher fesseln kann. Ich glaube aber, dass sich viel mehr solcher Filme platzieren ließen.

Ricore: In Amerika werden viele innovative Fernsehserien gedreht.

Ferch: Das wird auch bei uns möglich werden. Es setzt sich ein Trend zu komplizierteren Erzählweisen durch. Aber bei den Budgets, die hier bei einer Produktion zur Verfügung stehen ist das nicht einfach. Die Amerikaner können viel mehr Geld in die Hand nehmen.

Ricore: Würden Sie für eine gute Serienhauptrolle zur Verfügung stehen?

Ferch: Absolut. Es gibt einiges aus Amerika, was ich selber gerne sehe.

Ricore: Was denn?

Ferch: Geschichten wie "CSI" und "Criminal Intent" oder "24". Auch aus Skandinavien kommen schöne düstere Filme. Das sind toll erzählte Sachen.
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Senta Berger in "Ruhm"
Ricore: Möchten Sie selbst mal Regie führen oder produzieren?

Ferch: Ja, da hätte ich schon Lust zu.

Ricore: Haben Sie auch den Roman gelesen? Welche ist Ihre Lieblingsgeschichte?

Ferch: Natürlich ist die Geschichte von Ralf Tanner meine Lieblingsgeschichte (lacht).

Ricore: Würden Sie gern eine der Figuren kennenlernen. Die meisten werden doch eher negativ geschildert.

Ferch: Den Leo Richter finde ich gar nicht so negativ. Und ich mochte die Figur, die Julia Koschitz gespielt hat, wahnsinnig gerne. Das war eine Frau, die nicht mit großen Problemen behaftet war und eine unheimliche Frische in ihrer Geschichte hatte. Die hätte ich sofort kennen lernen wollen.

Ricore: Aber den meisten Figuren haftet doch eine gewisse Handlungsunfähigkeit an...

Ferch: Wenn Menschen schon lange ein bestimmtes Leben führen, dann ist das Ausbrechen fast unmöglich, glaube ich. Tanner hat einen Zufall genutzt. Sein Instinkt hat ihn ja zu dieser Disco getrieben. Er hat gewittert, dass ihn da irgendwas interessieren könnte. Natürlich haben sich einige gewundert, dass er mit dieser Frau nach Hause geht. Aber genau das hat Isabel Kleefeld ja gewollt. Es sollte ja nicht nur Sex sein. Mit dieser Ursula Strauss kommt eine eigenwillige und gestandene Frau auf ihn zu. Das ist es, was ihn da rauszieht. Aber bei Leo Richter und der Ärztin hatte ich das Gefühl, dass deren Geschichte kurz vor dem Ende steht.

Ricore: In Senta Bergers Episode geht es um Sterbehilfe. Haben Sie sich mit dem Thema auseinander gesetzt?

Ferch: Wenn jemand selbst sagt, er will nicht mehr, sollte man ihm die Möglichkeit geben. Keiner möchte ein Pflegefall werden und anderen zur Last fallen. Ich kann das, was sie macht, nachvollziehen.
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Heino Ferch
Ricore: Haben Sie sich schon mal wie Ralf Tanner gegoogelt?

Ferch: Natürlich guckt man nach, was im Netz steht, was irgendwelche Leute über einen geschrieben haben.

Ricore: Wie gehen Sie mit Kritik um?

Ferch: Mit konstruktiver Kritik gut. Wenn sich jemand intelligent mit mir auseinander gesetzt hat, ist es in Ordnung. Ich kenne ja auch meine Fehler. Natürlich freue ich mich über schöne Kritiken. Aber auch über jene, wo ich sehe, dass sich jemand mit dem Thema beschäftigt hat. Dann kann auch jemand anderer Meinung sein.

Ricore: Welche Fehler sind das?

Ferch: Das sage ich nicht. Aber jeder kennt ja seine Schwachstellen, zum Beispiel bei der Figur.

Ricore: Apropos Figur, früher haben Sie geturnt, jetzt spielen Sie Polo...

Ferch: Polo ist ein anspruchsvoller, konditionsstarker Sport. Früher bin ich um den Schlachtensee gelaufen. Aber jetzt hat mich der Pferdesport gepackt.

Ricore: Geht es ihnen dabei auch um die Pferde?

Ferch: Natürlich. Das schöne ist dabei, dass man mit sehr selbstbewussten Lebewesen zusammenarbeitet. Die Pferde sind das größte Potential für den Spieler.

Ricore: Misten Sie auch selber mal die Ställe aus?

Ferch: Immer an Weihnachten und Neujahr, damit die Pfleger frei haben. Aber sonst bin ich ja nicht immer da und es muss jeden Tag nach den Tieren geschaut werden.

Ricore: Während einer Produktion verzichten Sie auf den Sport?

Ferch: Ja, da spiele ich keine Turniere. Es ist ja doch ein sehr kontaktreicher Sport.

Ricore: Sie stehen selten in der Klatschpresse.

Ferch: Ich stehe zwar drin, aber ich habe noch nie eine Privatgeschichte gemacht. Ich halte Privates aus der Presse raus.

Ricore: Sind Sie schon einmal einem Leserreporter in die Falle gegangen?

Ferch: Ja, das war auf dem Oktoberfest. Das war ein Mädel, die wollte ein Foto von uns haben. Ein paar Tage später war ich dann in der Bildzeitung. Da rief mich dann mein Presseagent an und fragte, was ich denn da wieder gemacht habe. Aber ganz ehrlich, über so etwas muss man auch lachen können.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 21. März 2012
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