Gareth Cattermole/Getty Images For The BFI
Andrea Riseborough auf der "W.E."-Premiere beim BFI London Film Festival
Hoffnungslos romantisch
Interview: Andrea Riseboroughs Beziehungen
Dank Madonna hat Andrea Riseborough ihren Traumprinzen gefunden. So schlüpft sie in der Romanze "W.E." in die Rolle von Wallis Simpson und verliebt sich als geschiedene Bürgerliche in den designierten britischen König Edward VIII. Im Interview mit Filmreporter.de berichtet Riseborough von ihrer Arbeit mit "W.E."-Regisseurin Madonna. Zudem spricht sie über den Mangel an ausgearbeiteten Frauenrollen und vernichtende Fragen am Roten Teppich.
erschienen am 20. 06. 2012
Senator Film Verleih
W.E.
Ricore: Was haben Sie beim ersten Lesen des Drehbuchs zu "W.E." gedacht?

Andrea Riseborough: Ich fand es einzigartig, wie sich das Drehbuch der historischen Persönlichkeiten angenommen und die lebhafte Seele von Wallis Simpson eingefangen hat. Zudem ist es interessant, dass sich die Protagonistin der Gegenwartshandlung in einer vergleichbaren Position wie Wallis befindet. Ich dachte mir, dass es unglaublich ist, dass wir heute immer noch nicht sehr viel weiter sind.

Ricore: Wie haben Sie sich auf die Rolle der Wallis Simpson vorbereitet?

Riseborough: Ich habe alles gelesen, was über sie und von ihr geschrieben wurde. Zudem habe ich mir Bilder und vor allem Videos angeschaut. Fotos sagen viel über die Körpersprache aus, während Videos bei der Charakterisierung und in Bezug auf die Bewegungsabläufe sehr nützlich sind. Beim Lesen von Interviews muss man mit Bedacht vorgehen, da die öffentliche Person sich meist von dem Mensch unterscheidet, der sich dahinter verbirgt. Bei einem Abendessen würden wir beispielsweise ein ganz anderes Gespräch führen. Nach all der Recherche muss man die Informationen hinter sich lassen und einen Moment im Leben des Charakters kreieren, in welchem man vollkommen aufgeht.

Ricore: Ist es schwieriger, eine Person zu spielen, die wirklich existiert hat?

Riseborough: Ich denke nicht, dass es einfacher oder schwieriger ist. Der Unterschied ist, dass die Zuschauer bei berühmten historischen Persönlichkeiten eine Meinung zu der Person haben. Diese Verantwortung kann zur Bürde werden, man kann aber auch seine eigene Beziehung zu der Figur entwickeln. Bei einem fiktiven Charakter sind die Möglichkeiten der Interpretation endlos. Das kann manchmal beunruhigender sein, allerdings ist es aufregend, herauszufinden, wer dieser Charakter ist. Die Gemeinsamkeit besteht in beiden Fällen darin, die Wahrhaftigkeit der Figur herauszuarbeiten. Gemeinsam mit dem Regisseur muss man den Charakter kreieren, der der Geschichte am besten dient.

Ricore: Warum hat sich der britische Thronfolger Edward Ihrer Ansicht nach in Wallis verliebt?

Riseborough: Warum nicht? Ich kann auch nach der Lektüre ihrer zahlreichen Briefe nicht sagen, warum er sich in Wallis verliebt hat. Ich glaube, es ist unmöglich, genau zu sagen, warum sich zwei Menschen ineinander verlieben. Das gilt wohl für jeden von uns. Manchmal verlieben wir uns in Menschen, die schlecht für uns sind. Oft verlieben wir uns auch in Menschen, die gut für uns sind und an denen wir das Interesse verlieren, weil sie zu gut für uns sind. Wir Menschen sind sehr merkwürdige Kreaturen.
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Andrea Riseborough beim Filmfest Venedig
Ricore: Edward hat für Wallis seinen Thron geopfert. Wie viel würden Sie für die Liebe opfern?

Riseborough: Ich weiß es nicht. Ich bin am glücklichsten, wenn ich die Art von selbstloser Liebe verspüre, bei der mir das Glück des anderen wichtiger ist als mein eigenes. Ich hatte das große Glück, dieses Gefühl zu empfinden. In diesem Sinne kann ich mir nicht vorstellen, jemandem irgendetwas auszuschlagen, den ich auf diese Weise liebe. Doch wenn ich mit jemandem zusammen bin, der dasselbe für mich empfindet, will er ja ebenfalls, dass ich glücklich bin, bei dem, was ich tue. Wenn man den jeweils anderen bedingungslos liebt, kann wahre Liebe alles überwinden. Daran glaube ich. Das mag hoffnungslos romantisch klingen, doch so wie ich es erklärt habe, ist es logisch [lacht].

Ricore: Wie würden Sie Madonna als Regisseurin beschreiben?

Riseborough: Regisseure bringen immer sehr viel von sich selbst in ihre Kunst ein. Sie sind von ihrer Kunst fast nicht zu trennen. Madonna ist sehr hingebungsvoll, leidenschaftlich und gut vorbereitet. Sie ist zudem klug, witzig und innovativ - einfach bewundernswert. Sie hat bereits eine lange, unglaublich erfolgreiche Karriere als Künstlerin vorzuweisen, so dass ich das Gefühl hatte, sehr viel von ihr lernen zu können. Sie hat einen Instinkt dafür, das Gesamtbild im Auge zu behalten. Daher hatte ich das Gefühl, immer zu ihr gehen zu können.

Ricore: Wie schwierig ist es heutzutage, komplexe Frauenrollen im Filmbereich zu ergattern?

Riseborough: Wir bekommen nur wenige Möglichkeiten, echte Menschen zu spielen. Ich denke, das ist oft das Problem, wenn man Schauspielerin ist. Es gibt zwar durchaus tolle weibliche Charaktere, doch meistens handelt es sich dabei nicht um wirklich ausgearbeitete Personen. Man muss sehr viel Arbeit investieren, um sie auszuarbeiten und oft ist das den Regisseuren bewusst. Bei "W.E." hatten wir etwa immer wieder Geschlechter-Diskussionen, es ist die Rede von einem Frauenfilm, einem feministischen Film. Obwohl ich die Frage danach verstehe, macht es mich im Prinzip traurig, dass wir überhaupt darüber sprechen, denn es zeigt, dass wir nicht sehr weit gekommen sind. Wenn es in dem Film um zwei männliche Protagonisten ginge, würden wir über die Gender-Frage gar nicht erst reden.

Ricore: Denken Sie, dass der Mangel an ausgearbeiteten weiblichen Charakteren damit zusammenhängt, dass männliche Regisseure ihre Fantasien auf die Frauen-Figuren projizieren?

Riseborough: Die Regisseure haben oft nicht das Drehbuch geschrieben. Es ist eher eine Frage des Autors. Je nachdem ist es eher eine Frage des Produktionsstudios und dann wiederum eine Frage des Geldes. Ich kann darauf nicht wirklich eine Antwort geben, doch wenn man immer wieder Drehbücher liest, erkennt man sofort, dass die männlichen Charaktere komplett ausgearbeitet sind und die weiblichen oft Instrumente sind, um die Geschichte des männlichen Protagonisten voranzubringen. Es kann Spaß machen, solche Figuren zu spielen, weil man in gewisser Hinsicht mehr Arbeit investieren muss. Doch manchmal lassen sie einen diese Arbeit nicht machen. Sie wollen bloß, dass man seine Zeilen vorträgt. Das ist sehr traurig. Es ist vernichtend, wenn man über den Roten Teppich geht und immer wieder eine einzige Frage zu hören kriegt: 'Was für ein Kleid tragen Sie heute?'

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 20. Juni 2012
Zum Thema
Andrea Riseborough wird am 20. November 1981 im britischen North Tyneside geboren. Der Vater ist Autohändler, die Mutter Sekretärin. Schon in jungen Jahren spielt Andrea am Londoner Party Animals" und ist im darauffolgenden Jahr im TV-Mehrteiler "Die Mätresse des Teufels" zu sehen. Auf der Leinwand macht sie unter anderem durch den Thriller "Brighton Rock" sowie Madonnas Liebesdrama "W.E." auf sich aufmerksam.
W.E. (Kinofilm)
Für Wally Winthrop (Abbie Cornish) ist die Romanze zwischen dem angehenden britischen König Edward VIII. (James D'Arcy) und der geschiedenen Wallis Simpson (Andrea Riseborough) die größte Liebesgeschichte aller Zeiten. Während sie unter ihrem gewalttätigen Ehemann (Richard Coyle) leidet, schöpft sie immer wieder Kraft aus Wallis' faszinierender Biographie. Weit weniger mitreißend ist die Inszenierung Madonnas, die weder dramaturgisch noch ästhetisch überzeugt. Besonders banal sind die..
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