Camino Filmverleih
Peri Baumeister in "Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden"
Prosaische Vorlieben
Interview: Peri Baumeisters Tabu
erschienen am 1. 06. 2012
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Peri Baumeister auf der Berlin-Premiere von "Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden"
Ricore: Wissen Sie, was aus Grete Trakl geworden ist?
Peri
Baumeister: Ja, Grete Trakl hat sich drei Jahre und 18 Tage nachdem sich schon ihr Bruder umgebracht hat, erschossen.
Ricore: Ist künstlerisch etwas von ihr geblieben?
Baumeister: Nein, ich glaube nicht.
Ricore: Hat sie nicht musikalisch etwas hinterlassen?
Baumeister: Also der Grund für Georg und Gretes Symbiose besteht auch in ihrer Genialität, in ihrem Künstler- und Andersartigsein. Grete war eine große Pianistin. Sie hat Unterricht in Berlin genommen, aber wie viel und was sie komponiert hat, weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass sie dies - wie es auch der Film zeigt - leider nicht weitergeführt hat. Zumindest nicht in der Größe, wie sie es hätte tun können.
Ricore: Sind die Stücke, die vor dem Gremium gespielt werden, von ihr?
Baumeister: Nein. Die sind von Otto Lechner. Das ist der blinde Akkordeonist, den man mehrmals sieht. Er ist auch der Komponist, der die Stücke geschrieben hat.
Ricore: Könnte was Grete gemacht hat so klingen?
Baumeister: Ja, vielleicht.
Ricore: Haben Sie das selbst gespielt?
Baumeister: Ja. Als klar war. dass ich für die Rolle besetzt werde, habe ich morgens und abends Unterricht gehabt.
Ricore: Seit wie vielen Jahren sind sie bei dem Projekt dabei?
Baumeister: Gar nicht so lange. Vor einem Jahr haben wir fertig gedreht und drei Monate bevor wir angefangen haben hat mich der Regisseur Christoph Stark kontaktiert. Es war ja mein erstes Drehbuch, mein erstes Casting, mein erster Film. Dann rief mich Christoph an und fragte, ob ich mit ihm in einem Cafe Eis essen wolle. Ich war tierisch aufgeregt und habe nicht geglaubt, dass ich die Rolle bekommen werde. Und dann hat er zugesagt. Ich konnte es gar nicht glauben und hab beim Telefonat mit meiner Mutter nur noch gequietscht vor Freude.
Baumeister: Ja, Grete Trakl hat sich drei Jahre und 18 Tage nachdem sich schon ihr Bruder umgebracht hat, erschossen.
Ricore: Ist künstlerisch etwas von ihr geblieben?
Baumeister: Nein, ich glaube nicht.
Ricore: Hat sie nicht musikalisch etwas hinterlassen?
Baumeister: Also der Grund für Georg und Gretes Symbiose besteht auch in ihrer Genialität, in ihrem Künstler- und Andersartigsein. Grete war eine große Pianistin. Sie hat Unterricht in Berlin genommen, aber wie viel und was sie komponiert hat, weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass sie dies - wie es auch der Film zeigt - leider nicht weitergeführt hat. Zumindest nicht in der Größe, wie sie es hätte tun können.
Ricore: Sind die Stücke, die vor dem Gremium gespielt werden, von ihr?
Baumeister: Nein. Die sind von Otto Lechner. Das ist der blinde Akkordeonist, den man mehrmals sieht. Er ist auch der Komponist, der die Stücke geschrieben hat.
Ricore: Könnte was Grete gemacht hat so klingen?
Baumeister: Ja, vielleicht.
Ricore: Haben Sie das selbst gespielt?
Baumeister: Ja. Als klar war. dass ich für die Rolle besetzt werde, habe ich morgens und abends Unterricht gehabt.
Ricore: Seit wie vielen Jahren sind sie bei dem Projekt dabei?
Baumeister: Gar nicht so lange. Vor einem Jahr haben wir fertig gedreht und drei Monate bevor wir angefangen haben hat mich der Regisseur Christoph Stark kontaktiert. Es war ja mein erstes Drehbuch, mein erstes Casting, mein erster Film. Dann rief mich Christoph an und fragte, ob ich mit ihm in einem Cafe Eis essen wolle. Ich war tierisch aufgeregt und habe nicht geglaubt, dass ich die Rolle bekommen werde. Und dann hat er zugesagt. Ich konnte es gar nicht glauben und hab beim Telefonat mit meiner Mutter nur noch gequietscht vor Freude.
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Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden
Ricore: Sie waren zur der Zeit noch auf der Everding-Theaterakademie?
Baumeister: Ja.
Ricore: Warum sind die Grete und der Georg so verstrickt? Was macht diese Liebe so unabdingbar aber auch so unlebbar?
Baumeister: Die Beziehung ist unlebbar, weil es Bruder und Schwester sind. Das ist ein gesellschaftliches Tabu. Durch ihre Andersartigkeit, Genialität und Sensibilität sind sie seit ihrer Kindheit sehr eng miteinander verbunden. Es war bekannt, dass die Familie wenig Wärme gegeben hat. Das hat die Geschwister zusammengeschweißt und irgendwann kommt dann die Sexualität dazu. Und dann geht es nicht mehr, weil sich die Umstände verändern. Beide gehen sehr unterschiedlich damit um.
Ricore: Das heißt, dass jeder Mensch, der in dieses Beziehungskarussell als Dritter dazukommt, nur scheitern kann? So auch der Professor?
Baumeister: Ja, es kommt immer nur zu kläglichen Versuchen.
Ricore: Aber Grete will sich auch nicht helfen lassen...
Baumeister: Das kann man so nicht sagen. Ich glaube die Geschwister haben eine so intensive Liebe und eine große sexuelle Sehnsucht. Dieses symbiotische Band hindert sie daran, sich auf andere Menschen einzulassen. Und das Verbot fördert dieses Zusammengehörigkeitsgefühl noch.
Ricore: Kennen Sie selbst eine solch starke, große Liebe?
Baumeister: Nein bisher noch nicht. Ich war zwar auch schon verliebt, aber nicht in dieser Intensität. Aber ich kenne das von Freunden. Was ich auch toll finde ist, dass die Figur, die ich spiele, aus dem 19. Jahrhundert ist. Aber das Thema ist absolut zeitlos.
Ricore: Wann sind sie zum ersten Mal mit Trakl in Berührung gekommen?
Baumeister: Ich weiß nicht mehr wie alt ich war, aber ich glaub es war im Deutsch-Leistungskurs in der Schule.
Baumeister: Ja.
Ricore: Warum sind die Grete und der Georg so verstrickt? Was macht diese Liebe so unabdingbar aber auch so unlebbar?
Baumeister: Die Beziehung ist unlebbar, weil es Bruder und Schwester sind. Das ist ein gesellschaftliches Tabu. Durch ihre Andersartigkeit, Genialität und Sensibilität sind sie seit ihrer Kindheit sehr eng miteinander verbunden. Es war bekannt, dass die Familie wenig Wärme gegeben hat. Das hat die Geschwister zusammengeschweißt und irgendwann kommt dann die Sexualität dazu. Und dann geht es nicht mehr, weil sich die Umstände verändern. Beide gehen sehr unterschiedlich damit um.
Ricore: Das heißt, dass jeder Mensch, der in dieses Beziehungskarussell als Dritter dazukommt, nur scheitern kann? So auch der Professor?
Baumeister: Ja, es kommt immer nur zu kläglichen Versuchen.
Ricore: Aber Grete will sich auch nicht helfen lassen...
Baumeister: Das kann man so nicht sagen. Ich glaube die Geschwister haben eine so intensive Liebe und eine große sexuelle Sehnsucht. Dieses symbiotische Band hindert sie daran, sich auf andere Menschen einzulassen. Und das Verbot fördert dieses Zusammengehörigkeitsgefühl noch.
Ricore: Kennen Sie selbst eine solch starke, große Liebe?
Baumeister: Nein bisher noch nicht. Ich war zwar auch schon verliebt, aber nicht in dieser Intensität. Aber ich kenne das von Freunden. Was ich auch toll finde ist, dass die Figur, die ich spiele, aus dem 19. Jahrhundert ist. Aber das Thema ist absolut zeitlos.
Ricore: Wann sind sie zum ersten Mal mit Trakl in Berührung gekommen?
Baumeister: Ich weiß nicht mehr wie alt ich war, aber ich glaub es war im Deutsch-Leistungskurs in der Schule.
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Peri Baumeister in "Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden"
Ricore: Haben sie da gut aufgepasst?
Baumeister: Nein, also in der Schule habe ich oft nicht aufgepasst, aber dieses Thema fand ich wirklich interessant. Und das sag ich nicht nur, weil ich diesen Film gemacht habe. Das ging auch nicht nur mir so, die komplette Klasse war gebannt. Goethe und Schiller sind natürlich auch großartig. Aber der Lebenslauf von Trakl ist dermaßen dramatisch, auch weil alles tatsächlich passiert ist. Und Trakls Gedichte haben mich gefesselt, auch weil ich Gedichte im Allgemeinen liebe.
Ricore: Das war für sie also auch ein Grund, das Rollenangebot anzunehmen?
Baumeister: Also ganz ehrlich, ich war noch im dritten Jahr und habe mein erstes Angebot für eine Kinorolle bekommen. Da sagt man einfach nur ja. Die Sympathie für Trakl kam dazu.
Ricore: Auch die Inzestgeschichte hat sie nicht abgeschreckt?
Baumeister: Was heißt abgeschreckt? Also erst mal ist das für mich gar nicht das Thema. Natürlich habe ich mich darüber informiert. Aber meine Figur liebt Georg nicht als ihren Bruder, sondern als Mann. Auch mit dem gesellschaftlichen Aspekt setzt sich eher ihr Bruder auseinander.
Ricore: Wofür ist das Inzest-Tabu gesellschaftlich sinnvoll?
Baumeister: Abgesehen davon, dass es genetische Probleme bei den Kindern gibt, weiß ich auch nicht genau, warum es ein Tabu ist. Es ist etwas, worauf ich bis heute keine Antwort gefunden habe. Finde ich es nur eklig und schrecklich oder kann ich nach meiner Auseinandersetzung mit diesem Thema auch etwas Positives daran finden. Ich wünsche mir, dass man nach Sichtung unseres Films nicht für oder gegen Inzest ist, sondern einfach darüber nachdenkt.
Ricore: Und das kann man machen, indem man die Figuren sympathisch gestaltet?
Baumeister: Es funktioniert durch Empathie.
Ricore: Und was macht den Bruder so sympathisch. Er ist ja ein ziemlich heruntergekommener Drogenabhängiger.
Baumeister: Da ist es ja schon. Er muss kämpfen. Nicht nur mit ihr, sondern mit dem ganzen Leben. Und es gibt so viele Menschen, die kämpfen müssen, wenn auch nicht in dieser Extremform. Jeder muss sich mit der Realität und seinen Träumen auseinandersetzen. Und wen man bedingungslos liebt, kann man sich nicht aussuchen.
Baumeister: Nein, also in der Schule habe ich oft nicht aufgepasst, aber dieses Thema fand ich wirklich interessant. Und das sag ich nicht nur, weil ich diesen Film gemacht habe. Das ging auch nicht nur mir so, die komplette Klasse war gebannt. Goethe und Schiller sind natürlich auch großartig. Aber der Lebenslauf von Trakl ist dermaßen dramatisch, auch weil alles tatsächlich passiert ist. Und Trakls Gedichte haben mich gefesselt, auch weil ich Gedichte im Allgemeinen liebe.
Ricore: Das war für sie also auch ein Grund, das Rollenangebot anzunehmen?
Baumeister: Also ganz ehrlich, ich war noch im dritten Jahr und habe mein erstes Angebot für eine Kinorolle bekommen. Da sagt man einfach nur ja. Die Sympathie für Trakl kam dazu.
Ricore: Auch die Inzestgeschichte hat sie nicht abgeschreckt?
Baumeister: Was heißt abgeschreckt? Also erst mal ist das für mich gar nicht das Thema. Natürlich habe ich mich darüber informiert. Aber meine Figur liebt Georg nicht als ihren Bruder, sondern als Mann. Auch mit dem gesellschaftlichen Aspekt setzt sich eher ihr Bruder auseinander.
Ricore: Wofür ist das Inzest-Tabu gesellschaftlich sinnvoll?
Baumeister: Abgesehen davon, dass es genetische Probleme bei den Kindern gibt, weiß ich auch nicht genau, warum es ein Tabu ist. Es ist etwas, worauf ich bis heute keine Antwort gefunden habe. Finde ich es nur eklig und schrecklich oder kann ich nach meiner Auseinandersetzung mit diesem Thema auch etwas Positives daran finden. Ich wünsche mir, dass man nach Sichtung unseres Films nicht für oder gegen Inzest ist, sondern einfach darüber nachdenkt.
Ricore: Und das kann man machen, indem man die Figuren sympathisch gestaltet?
Baumeister: Es funktioniert durch Empathie.
Ricore: Und was macht den Bruder so sympathisch. Er ist ja ein ziemlich heruntergekommener Drogenabhängiger.
Baumeister: Da ist es ja schon. Er muss kämpfen. Nicht nur mit ihr, sondern mit dem ganzen Leben. Und es gibt so viele Menschen, die kämpfen müssen, wenn auch nicht in dieser Extremform. Jeder muss sich mit der Realität und seinen Träumen auseinandersetzen. Und wen man bedingungslos liebt, kann man sich nicht aussuchen.
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Leidenschaftlich: Peri Baumeister und Lars Eidinger in "Tabu"
Ricore: Ist das etwas, was Sie mit der Figur gemeinsam haben?
Baumeister: Nein. Natürlich kann man sich bis zu einem gewissen Grad mit der Figur identifizieren, man macht sie ja auch lebendig. Ich finde es aber grundsätzlich schwierig mich selbst genauso wie eine Figur zu charakterisieren und dann Parallelen zu finden. Für mich macht sich der Charakter einer Figur daran fest, wie sie sich in einer bestimmten Situation verhält. Also das Temperamentvolle und Aufbrausende von Grete kenne ich von mir. Andere Sachen würde ich hingegen nie machen.
Ricore: Spielt die Atmosphäre des beginnenden 20. Jahrhunderts für den Konflikt eine Rolle?
Baumeister: Für mich als Figur nicht, da diese gar nicht so nach Anerkennung ringt. Georg hingegen möchte mit seinen Gedichten bekannt werden. Im Gegensatz zu ihm schämt sie sich nicht für die Beziehung und würde sie öffentlich machen.
Ricore: Will sie sich nicht verwirklichen?
Baumeister: Doch, aber sie würde ihre Leidenschaft des Klavierspielens für ihn aufgeben.
Ricore: Und die Vernunft kann nicht gewinnen?
Baumeister: Sie versucht es ja, aber er lässt sie nicht. Mal verstößt er sie, dann kommt er zurück. Sie sind voneinander abhängig.
Ricore: Sie haben auch Geschwister.
Baumeister: Ja ich habe eine große Schwester, einen kleinen Bruder und eine kleine Schwester.
Ricore: Wie ist Ihr Verhältnis zu beiden?
Baumeister: Ich habe ein ganz normale enge Beziehung zu meinen Geschwistern.
Baumeister: Nein. Natürlich kann man sich bis zu einem gewissen Grad mit der Figur identifizieren, man macht sie ja auch lebendig. Ich finde es aber grundsätzlich schwierig mich selbst genauso wie eine Figur zu charakterisieren und dann Parallelen zu finden. Für mich macht sich der Charakter einer Figur daran fest, wie sie sich in einer bestimmten Situation verhält. Also das Temperamentvolle und Aufbrausende von Grete kenne ich von mir. Andere Sachen würde ich hingegen nie machen.
Ricore: Spielt die Atmosphäre des beginnenden 20. Jahrhunderts für den Konflikt eine Rolle?
Baumeister: Für mich als Figur nicht, da diese gar nicht so nach Anerkennung ringt. Georg hingegen möchte mit seinen Gedichten bekannt werden. Im Gegensatz zu ihm schämt sie sich nicht für die Beziehung und würde sie öffentlich machen.
Ricore: Will sie sich nicht verwirklichen?
Baumeister: Doch, aber sie würde ihre Leidenschaft des Klavierspielens für ihn aufgeben.
Ricore: Und die Vernunft kann nicht gewinnen?
Baumeister: Sie versucht es ja, aber er lässt sie nicht. Mal verstößt er sie, dann kommt er zurück. Sie sind voneinander abhängig.
Ricore: Sie haben auch Geschwister.
Baumeister: Ja ich habe eine große Schwester, einen kleinen Bruder und eine kleine Schwester.
Ricore: Wie ist Ihr Verhältnis zu beiden?
Baumeister: Ich habe ein ganz normale enge Beziehung zu meinen Geschwistern.
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Sehnsuchtsvoll: Peri Baumeister in "Tabu"
Ricore: In wie weit glauben Sie, dass es die Inzestgeschichte zwischen den Geschwister Trakl wirklich gegeben hat?
Baumeister: Also ich habe ja alle Gedichte von Georg gelesen und glaube persönlich, dass es diese Inzest-Beziehung wirklich gegeben hat. Die Schuldfrage, ein Gedicht heißt ja auch "Blutschuld", kommt in seiner Prosa immer wieder zum Tragen. Daher kann ich mir fast nicht vorstellen, dass es nie passiert ist. Wir spinnen den Gedanken nur weiter. Die Familie hat alle Briefe bis auf einen von Grete vernichtet. Den habe ich sogar dabei. Ich kann ihn ja mal vorlesen.
Ricore: Sehr gerne.
Baumeister: (liest den Brief vor) "Die Einsamkeit hat ja gar nicht Erhabenes. Sie ist schmutzig und elend und ich bin sehr einsam ohne dich Georg. Alle nennen dich krank, wenn du einen Teil von dir verlierst. Merkwürdig, denn man selbst ist doch vielleicht gar nicht krank. Das Leben in einem ist krank. Man kann nicht existieren. Alle Wasser gehen auf in einem großen Ganzen, das sich nie erschöpft. Und jeder trägt einen Teil dazu bei. Das ist eine schöne Vorstellung. Dein Gesicht ganz nahe, Georg. Alle Wasser laufen ins Meer, auch wir halten sie nicht auf. Diese Vorstellung gibt mir jetzt Trost, wenn ich gehe. Und natürlich hoffe ich dich bald wieder zu sehen, in diesem ganz großen Meer. Georg, alle Wasser laufen dahin, es ist Zeit."
Ricore: Das ist ein Abschiedsbrief, oder?
Baumeister: Ja. Guck mal, ich bekomme eine Gänsehaut. Also bei so Sätzen wie "Alle nennen dich krank, wenn du einen Teil von dir verlierst. Merkwürdig, denn man selbst ist doch vielleicht gar nicht krank" ist die Nähe zu einer intimen Beziehung doch sehr deutlich. Die beiden haben sich so sehr damit auseinandergesetzt, dass ich glaube die Geschichte ist wahr.
Ricore: Glauben Sie, dass die beiden religiös waren?
Baumeister: Ich denke nicht. Das ist wohl auch nicht das Thema. Sie haben eher diesen Freigeist, sich von Konventionen abzusetzen. Es ist auch Rebellion.
Ricore: Auch gegen die Eltern?
Baumeister: Die Kälte der Eltern war sicher ein Nährboden für das, was sich zwischen den Kindern abgespielt hat. Da waren schon Strukturen, die von Missbrauch gekennzeichnet sind. Auch die Mutter hat Drogen genommen. So hat sich die enge Bande zwischen den beiden entwickelt. Allerdings hatte sie auch Geschwister, zu denen sie ein weniger enges Verhältnis hatte.
Ricore: Schon seltsam, da ja alle die gleiche Sozialisierung mitbekommen haben.
Baumeister: Ja, das wäre mal interessant zu erforschen. Deshalb haben wir in der Vorbereitung diese Familienaufstellung gemacht, was ich jedem nur empfehlen kann. Ich erzähle jetzt nicht, was da wirklich passiert ist, weil das sehr intim ist. Da haben wir die ganze Familie, auch jedes ungeborene Kind, aufgestellt. Was dabei rausgekommen ist, war unglaublich. Das hat Lars und mich umgehauen. Wir haben dadurch unsere Rollen viel authentischer spielen können. Als Grete wurde mir bewusst, welche große Eifersucht ich auf die Mutterfigur hatte, auf die Georg völlig fixiert war. So konnte ich die Wut und die Kraft, die Grete hatte, absolut authentisch darstellen.
Ricore: Sie tendieren jetzt mehr in Richtung Film, oder?
Baumeister: Eigentlich habe ich mein Leben lang zum Theater tendiert. Als nächstes wäre ein Theaterstück das Tollste.
Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
Baumeister: Also ich habe ja alle Gedichte von Georg gelesen und glaube persönlich, dass es diese Inzest-Beziehung wirklich gegeben hat. Die Schuldfrage, ein Gedicht heißt ja auch "Blutschuld", kommt in seiner Prosa immer wieder zum Tragen. Daher kann ich mir fast nicht vorstellen, dass es nie passiert ist. Wir spinnen den Gedanken nur weiter. Die Familie hat alle Briefe bis auf einen von Grete vernichtet. Den habe ich sogar dabei. Ich kann ihn ja mal vorlesen.
Ricore: Sehr gerne.
Baumeister: (liest den Brief vor) "Die Einsamkeit hat ja gar nicht Erhabenes. Sie ist schmutzig und elend und ich bin sehr einsam ohne dich Georg. Alle nennen dich krank, wenn du einen Teil von dir verlierst. Merkwürdig, denn man selbst ist doch vielleicht gar nicht krank. Das Leben in einem ist krank. Man kann nicht existieren. Alle Wasser gehen auf in einem großen Ganzen, das sich nie erschöpft. Und jeder trägt einen Teil dazu bei. Das ist eine schöne Vorstellung. Dein Gesicht ganz nahe, Georg. Alle Wasser laufen ins Meer, auch wir halten sie nicht auf. Diese Vorstellung gibt mir jetzt Trost, wenn ich gehe. Und natürlich hoffe ich dich bald wieder zu sehen, in diesem ganz großen Meer. Georg, alle Wasser laufen dahin, es ist Zeit."
Ricore: Das ist ein Abschiedsbrief, oder?
Baumeister: Ja. Guck mal, ich bekomme eine Gänsehaut. Also bei so Sätzen wie "Alle nennen dich krank, wenn du einen Teil von dir verlierst. Merkwürdig, denn man selbst ist doch vielleicht gar nicht krank" ist die Nähe zu einer intimen Beziehung doch sehr deutlich. Die beiden haben sich so sehr damit auseinandergesetzt, dass ich glaube die Geschichte ist wahr.
Ricore: Glauben Sie, dass die beiden religiös waren?
Baumeister: Ich denke nicht. Das ist wohl auch nicht das Thema. Sie haben eher diesen Freigeist, sich von Konventionen abzusetzen. Es ist auch Rebellion.
Ricore: Auch gegen die Eltern?
Baumeister: Die Kälte der Eltern war sicher ein Nährboden für das, was sich zwischen den Kindern abgespielt hat. Da waren schon Strukturen, die von Missbrauch gekennzeichnet sind. Auch die Mutter hat Drogen genommen. So hat sich die enge Bande zwischen den beiden entwickelt. Allerdings hatte sie auch Geschwister, zu denen sie ein weniger enges Verhältnis hatte.
Ricore: Schon seltsam, da ja alle die gleiche Sozialisierung mitbekommen haben.
Baumeister: Ja, das wäre mal interessant zu erforschen. Deshalb haben wir in der Vorbereitung diese Familienaufstellung gemacht, was ich jedem nur empfehlen kann. Ich erzähle jetzt nicht, was da wirklich passiert ist, weil das sehr intim ist. Da haben wir die ganze Familie, auch jedes ungeborene Kind, aufgestellt. Was dabei rausgekommen ist, war unglaublich. Das hat Lars und mich umgehauen. Wir haben dadurch unsere Rollen viel authentischer spielen können. Als Grete wurde mir bewusst, welche große Eifersucht ich auf die Mutterfigur hatte, auf die Georg völlig fixiert war. So konnte ich die Wut und die Kraft, die Grete hatte, absolut authentisch darstellen.
Ricore: Sie tendieren jetzt mehr in Richtung Film, oder?
Baumeister: Eigentlich habe ich mein Leben lang zum Theater tendiert. Als nächstes wäre ein Theaterstück das Tollste.
Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 1. Juni 2012
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Als Schwester der deutsch-österreichischen Schauspielerin Muriel Baumeister kommt Peri Baumeister schon früh mit ihrem späteren Beruf in Kontakt. Von 2007 bis 2010 macht sie eine Schauspielausbildung an der Lars von Triers "Dogville" und "Manderlay". Danach ist sie in Ulrike Arnolds "Ganze Tage, ganze Nächte" auf der Bühne zu sehen. Die Schauspielerin mit dem leichten Berliner Akzent beschränkt sich nicht nur aufs Theater, sondern übernimmt auch Nebenrollen im Fernsehen, etwa in der..
"Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden" handelt von der angeblichen inzestuösen Beziehung zwischen dem österreichischen Dichter Georg Trakl (Lars Eidinger) und seiner Schwester Margarethe (Peri Baumeister). Das Drama erzählt, wie der Künstler und die selbstbewusste Klavierspielerin zwischen Liebe und gesellschaftlichem Druck aufgerieben werden. Vorzüglich fotografiert, überzeugt der Film auch durch das gelungene Spiel seiner beiden Hauptdarsteller.