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Avi Arad bei der Premiere von "The Amazing Spider-Man (3D)"
Spider-Man ein Vorbild?
Interview: Comicfans Avi Arad und Matthew Tolmach
Avi Arad ist längst ein Comicexperte. Er produzierte mehr als 20 Adaptionen, darunter "X-Men - Der Film", "Iron Man" und die "Spider-Man"-Trilogie von Sam Raimi. Weshalb "The Amazing Spider-Man (3D)" keine Wiederholung der Reihe geworden ist, erläutert er mit Kollege Matthew Tolmach Filmreporter.de. Die beiden erklärten uns auch, weshalb sie Marc Webb für den Regie-Posten engagierten und ob es Zeit für erwachsene Superhelden ist.
erschienen am 29. 06. 2012
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The Amazing Spider-Man (3D)
Ricore Text: Weshalb haben Sie bei "The Amazing Spider-Man (3D)" alles auf Anfang gesetzt?

Avi Arad: Warum sollten wir es nicht tun? "The Amazing Spider-Man (3D)" ist nicht wirklich ein Neustart oder ein Remake. Die Mystik der Comicwelt ermöglicht uns von ein und derselben Figur immer wieder komplett neue Geschichten zu erzählen. Bei Spider-Man funktioniert das nun schon seit über 50 Jahren. Die ersten drei "Spider-Man"-Filme waren brillant, sie zeigten die Ursprünge der Figur, welche Probleme er mit seiner Verantwortung hat und wie er schließlich zur bösen Seite wechselt. Für "The Amazing Spider-Man (3D)" hatten wir schon seit einer Weile eine bestimmte Idee, die jedoch nicht in die vorangegangene Trilogie zu integrieren war. Wir wollten uns nicht auf die Ursprünge von Spider-Man konzentrieren, sondern auf die Ursprünge von Peter Parker. Für viele von uns war die Geschichte von Peter wesentlich interessanter, da sie intimer und authentischer ist und wir dessen Probleme so besser nachvollziehen können. Vermutlich hat genau wie er, jeder von uns als Fünf- oder Sechsjähriger ein traumatisches Erlebnis gehabt.

Ricore: Was ist für Sie in diesem Zusammenhang ein traumatisches Erlebnis?

Arad: Die Eltern werden geschieden, jemand hat einen schweren Unfall oder die Familie zieht um und man muss seine vertraute Umgebung verlassen. Dieses Alter ist dasjenige, welches für unser späteres Leben die größten Probleme verursachen kann. Wir waren dementsprechend der Meinung, dass Peter Parkers Entwicklung dadurch geprägt wurde, dass er sich wie ein Waisenjunge fühlte und der Meinung war, für das geheimnisvolle Verschwinden seines Vaters verantwortlich zu sein. Für mich ist Peter ein einfacher Junge, mit dem sich jeder identifizieren kann und der sich in "The Amazing Spider-Man (3D)" auf eine Reise begibt, um herauszufinden, wer er eigentlich ist, was sein Wesen definiert. Dadurch, dass Peter selbst die Büchse der Pandora öffnet, wird er Herr seines eigenen Schicksals. Das ist ein Unterschied zwischen "The Amazing Spider-Man (3D)" und Sam Raimis Trilogie. Einen weiteren markanten Unterschied macht Regisseur Marc Webb, der großen Wert auf Realismus legte.

Matthew Tolmach: "The Amazing Spider-Man (3D)" ist sehr modern inszeniert, Natürlich und geerdet sein sind entscheidende Faktoren. Der neue Film ist mit den vorherigen Werken überhaupt nicht vergleichbar und entstammt quasi einer anderen Welt. Die Welt in der wir 2012 leben, ist eine ganz andere, als noch vor zwölf Jahren. Die Leute verhalten sich anders, speziell junge Menschen. Das ikonische Bild des Nerds, der einen Kuchen in sein Gesicht geklatscht bekommt, stimmt heute nicht mehr. Ein Teil von Marcs Realitätsanspruch war deshalb, dass Peter so fühlen musste, wie junge Leute von heute. Peter hat das Herz eines Helden, noch bevor er durch einen Spinnenbiss zu Spider-Man wird. Er ist ein aktiver Charakter, noch mehr als der Peter in der Raimi-Trilogie.
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Matthew Tolmach bei den Dreharbeiten zu "The Amazing Spider-Man (3D)"
Ricore: In Filmen wie "The Amazing Spider-Man (3D)" und "X-Men: Erste Entscheidung" stehen junge Helden im Vordergrund. Viele Comicfans sind jedoch weit über 30 Jahre alt. Wird es Zeit für ältere Superhelden?

Arad: Eigentlich haben wir sie schon, wenn man sich beispielsweise "Thor 3D" ansieht. Der ist schon mehrere tausend Jahre alt. Von mir selbst ausgehend, kann jedoch eigentlich kein Mensch sagen, wie alt er wirklich ist. Die dramatischste Zeit die wir durchleben, ist die Zeit zwischen einem Alter von vier bis 16 Jahren. Danach akzeptieren wir wer wir sind, was wir machen und wie alt wir sind. Wenn ich über verschiedene zeitliche Epochen nachdenke, denke ich automatisch an Peter Parker aus dem ersten "Spider-Man"-Film, als er auf dem Campus seiner Universität steht und von einem öffentlichen Telefon spricht. Heute ist so etwas kaum mehr vorstellbar. Nun hat man ein Handy. Wenn man das mal vergisst, gibt es immer jemanden, der einem ein Telefon leihen kann. Telefonzellen sind fast verschwunden. Ich finde das sehr amüsant, aber auch das ist ein Teil der ständigen Veränderung unserer Gesellschaft. Dazu gehört auch, dass die Terroranschläge vom 11. September passierten, während "Spider-Man" gedreht wurde. Wir mussten den Film deshalb beim Schnitt verändern.

Ricore: "Spider-Man" ist doch vor dem 11. September 2001 fertiggestellt gewesen...

Arad: Richtig. Deshalb mussten wir das World Trade Center ja auch nachträglich herausschneiden. Seitdem ist die Welt gereift. Heldentum ist heute keine hervorstechende Ausnahmequalität mehr, sondern eine Notwendigkeit. Das macht Peter Parker etwas kantiger. Er hilft nicht nur, weil er Lust dazu hat, sondern auch aus Pflichtgefühl.

Ricore: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Marc Webb?

Arad: Ich werde nie den Tag vergessen, als ich Matt [Tolmach] anrief und ihm sagte, dass wir uns treffen müssen, da ich ihm jemanden vorstellen wolle. Es war Marc Webb, auf den ich durch "(500) Days of Summer" aufmerksam geworden war.
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Heldenhaftes Paar: Emma Stone und Andrew Garfield
Ricore: Also haben Sie Marc Webb vor allem wegen dieses Films ausgesucht?

Tolmach: Naja, es war der einzige Film, den er bisher gedreht hatte.

Arad: Das ist korrekt. Mich beeindruckte, wie erwachsen, feinfühlig und ohne Klischees er die Beziehungen zwischen den Charakteren inszeniert hatte.

Tolmach: Als wir den ersten "Spider-Man"-Film drehen wollten, gab es viele Regisseure, die Interesse bekundeten. Die Liste war ein Who's Who Hollywoods. Da waren namhafte Profis wie Steven Spielberg dabei. Trotzdem haben wir Sam Raimi ausgesucht, der damals nur einer eingefleischten Gruppe bekannt war. Wir hatten ihn wegen seiner Liebe zu Peter Parker und den anderen Charakteren ausgesucht. Marc Webb wählten wir aus denselben Gründen aus. Denn "Spider-Man"-Filme haben zwei wichtige Faktoren: Einerseits sind es natürlich enorme Spektakel. Das Visuelle muss beeindruckend sein, du musst das Gefühl bekommen, genau wie Spider-Man fliegen zu können. Aber das Ganze bringt dir nichts, wenn du keine emotionale Beziehung zu Peter Parker aufbaust. Marcs Fähigkeit war, eine intime Geschichte zu schaffen, die sehr realistisch wirkt und trotzdem genügend Platz für Spektakel bietet.

Ricore: Unverwundbarkeit und Macht ist etwas, dass viele Jugendliche in Videospielen suchen. Inwieweit haben Videospiele unsere Wahrnehmung von Superhelden seit dem ersten "Spider-Man"-Film verändert?

Arad: Ich glaube, dass Kinder vor allem gut sein wollen. Kinder mögen keine Bösewichte. Diese verhalten sich oft erst gut, nachdem ihnen etwas Schreckliches passiert. Kinder wollen Helden lieben. Deshalb ist es auch bei allen Computerspielen so - auch bei Ego-Shootern - dass der Protagonist immer jemand Gutes ist. Selbst wenn er tötet, mag man den Charakter, da er die Bösen erledigt. Insofern hat sich durch Videospiele nicht geändert, was für Kinder wichtig ist. Dafür gibt es zwischen Videospielen von früher und heute einen großen Unterschied. Heute sind Kinder wesentlich anspruchsvoller, sie wollen möglichst viel über die von ihnen gespielte Figur wissen. Früher hieß es nur: Bewegen, kämpfen, schießen, töten. Heute haben erfolgreiche Videospiele - wie Filme - richtige Geschichten, welche die Spielfigur weiterbringt. Ich bin froh, dass die neue Generation - die zwischen Videospiel und Filmen hin und her wechselt - mehr Wert auf ausgefeilte Charaktere und Geschichten legt.

Ricore: Was können Sie uns über die Fortsetzung von "The Amazing Spider-Man (3D)" verraten?

Tolmach: Zunächst kann ich Ihnen mitteilen, dass der Starttermin des zweiten Teils feststeht. Die Fortsetzung wird im Mai 2014 in die Kinos kommen. Zudem haben wir bereits Drehbuchautoren engagiert, die sich im Schreibprozess befinden. Schon bevor wir angefangen haben "The Amazing Spider-Man (3D)" zu drehen, war uns klar, dass wir eine Filmreihe schaffen wollen. Das es noch genug zu erzählen gibt und Peters Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, ist das ja auch einleuchtend. Vor allem seine Beziehung zu Gwen ist noch nicht detailliert genug behandelt worden. Insofern werden wir Ihnen im nächsten "Spider-Man"-Film noch einiges bieten können.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. Juni 2012
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Matthew Tolmach ist langjähriger Vizepräsident der Produktionsabteilung von Das Millionen-Ding". In der Krimikomödie spielt John Cusack einen arbeitslosen Hafenarbeiter, der einen Sack mit 1,2 Millionen US-Dollar findet. Zwei Jahre darauf produziert Tolmach die pechschwarze Komödie "Cold Blooded", in welcher der schüchterne Buchhalter eines Mafiaclans unverhofft zum Profi-Killer wird. The Amazing Spider-Man (3D)". In Marc Webbs Comic-Verfilmung von 2012 spielt Andrew Garfield den Titelhelden..
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