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Rhys Ifans bei der Premiere von "The Amazing Spider-Man (3D)"
Bösewicht wider Willen
Interview: Gefährlicher Rhys Ifans
Rhys Ifans wurde uns als Julia Roberts' skurriler Mitbewohner Spike in der Komödie "Notting Hill" bekannt. In "The Amazing Spider-Man (3D)" verkörpert er nun Dr. Curt Connors, der vom engagierten Wissenschaftler zum bestialischen Reptil Lizard mutiert. Im Gespräch mit Filmreporter.de reflektiert Ifans gut gelaunt die Gefahren wissenschaftlichen Fortschritts, die Helden seiner Kindheit und das Problem, beliebt sein zu wollen.
erschienen am 28. 06. 2012
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The Amazing Spider-Man (3D)
Ricore: Wie fühlte es sich an, in "The Amazing Spider-Man (3D)" zum Lizard zu werden?

Rhys Ifans: Was das Visuelle angeht, musste ich nicht sonderlich viel machen, da es Spezialisten und Kostümdesigner für die visuellen Effekte gab. Was den Charakter vom Lizard angeht, musste ich lediglich einen Mann spielen, der zwar einen neuen Arm bekommt, dafür jedoch seinen Verstand verliert. Insofern musste ich mich vor allem auf das Traumatische, die Brutalität und das Böse des Reptils konzentrieren.

Ricore: Ist der zum Lizard mutierte Dr. Connors in Wirklichkeit gar kein Bösewicht?

Ifans: Wenn es in "The Amazing Spider-Man (3D)" einen wirklichen Bösewicht gibt, dann ist es die Firma, für die Dr. Connors arbeitet. Die Wissenshaft die er betreibt, ist eigentlich eine sehr gute. Aber sowohl im Film, als auch im echten Leben, kann man sehen, wie destruktiv gute Wissenschaft eingesetzt werden kann, wenn sie in die falschen Hände gerät. Dr. Connors beispielsweise, hat offensichtlich gute Absichten mit seinen genetischen Untersuchungen zur Kreuzung von Genen. Zum einen möchte er sich selbst helfen und sich einen neuen Arm schaffen. Zum anderen möchte er Millionen anderer Amputierter helfen, die eventuell durch Einsätze im Krieg oder durch Landminen verletzt wurden. Wenn man dann aber an so moralisch korrupte Unternehmen wie Oscorpe gerät, die planen, seine Therapie unter Ausschluss jeglicher Kontrolle frühzeitig auch an Menschen zu testen, gibt es Probleme. Das Connor eigentlich ein Guter ist, zeigt sich darin, dass er sich quer stellt und sich selbst zur Laborratte macht, um das Leben anderer zu schützen.

Ricore: Sind Sie der Meinung, dass Wissenschaftler in ihren Forschungen generell zu sehr unter Druck stehen?

Ifans: Ich denke schon. Das Problem ist auch, dass sich unser technisches Wissen so dermaßen schnell entwickelt, dass nur selten die Zeit bleibt, die moralischen Hintergründe in der breiten Öffentlichkeit ausführlich zu diskutieren. Hinzu kommt, dass das Militär wissenschaftliche Kenntnisse oder Errungenschaften für seine eigene Zwecke missbraucht. Das spalten von Atomen war etwa eine sehr interessante und aufregende Sache, hat jedoch in Hiroshima eine entscheidende Rolle gespielt.
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The Amazing Spider-Man
Ricore: Das Problem besteht doch auch darin, dass man generell nie erahnen kann, ob das, was man schafft irgendwann für negative Zwecke genutzt wird, oder nicht.

Ifans: Ja, absolut.

Ricore: Was hat Sie daran gereizt, an "The Amazing Spider-Man (3D)" mitzuwirken?

Ifans: Dieses Jahr feiert "Spider-Man" bekanntlich sein 50-jähriges Jubiläum. Teil von etwas zu sein, das so sehr in unserer westlichen Kultur verankert ist, ist eine große Ehre, zumal "Spider-Man" auch ein wichtiger Teil meiner Kindheit war.

Ricore: Wie ist es zu Ihrem Engagement gekommen?

Ifans: Für das Casting mit Marc flog ich extra von Utah herüber. Zuvor hatten sie mir vier oder fünf Seiten des Drehbuchs geschickt. Das ganze Skript bekommt man nie. Aber auch bei den erhaltenen Seiten war nicht alles zu lesen. Einiges wurde geschwärzt beziehungsweise mit bestimmten Markern versehen, so dass man die Zettel nicht kopieren, oder etwas Entscheidendes von der Geschichte verraten kann. Das Schwärzen war bei mir allerdings so stark, dass ich nur den Anfang und das Ende dieser Seiten einigermaßen lesen konnte. Deswegen habe ich, als ich beim Casting ankam, gesagt: "Leute, soweit es geht, habe ich alle Zeilen gelernt. Aber den Mittelteil konnte ich nicht lesen. Deswegen muss ich beim Spielen improvisieren."

Ricore: Was für eine Szene mussten Sie darstellen?

Ifans: Eine Szene, die so nicht im Film vorkommt, die ich jedoch intensiv einstudiert hatte: Als Dr. Connors das erste Mal zum grünen Lizard wird, denkt er für kurze Zeit über seinen Wandel nach: "Ich fühle Euphorie. Ich habe zwei Arme und bin stark. Ich bin schön und möchte, dass die Welt genauso fühlt wie ich in diesem Moment, aber ich weiß, dass es schlecht ist, was mit mir passiert. Trotzdem will ich mehr." Diese Szene spielte ich dann, ohne zu wissen was wirklich im Mittelteil stand. Als wir danach über meine Szene sprachen, wollte ich mich für mein Abdriften entschuldigen. Marc sagte hingegen nur: "Kannst du das bitte nochmal machen? Dann kann ich die Produzenten holen, damit sie dir auch zuschauen können." Nachdem Avi und Matthew sich die Szene auch noch angesehen hatten, musste ich noch ein paar Wochen warten, bis ich schließlich die Rolle bekam.

Ricore: Wie oft haben Sie sich die Bösewichte der anderen "Spider-Man"-Filme angesehen, um Ihren eigenen Stil von dem der anderen abzusetzen?

Ifans: Natürlich habe ich die anderen "Spider-Man"-Filme gesehen. Sie haben mir auch gut gefallen. Aber ich habe sie mir nicht nochmals extra angesehen, als ich die Rolle in "The Amazing Spider-Man (3D)" bekommen hatte. Denn das, was wir nun gedreht haben, ist ein ganz anderer Spider-Man als die vorigen. Insofern war ein direkter Vergleich nicht nötig. Zudem wird bereits in den Comics deutlich, dass Connors eine ganz andere Art von Bösewicht ist. Das ist auch das Spezielle, das mich an dieser Rolle gereizt hat. Dr. Connors ist sehr menschlich und geerdet in seinem Verhalten. Zwar ist er, wie viele andere Bösewichte auch eine gebrochene Persönlichkeit. Im Gegensatz zu den meisten anderen hat er jedoch wirklich das Ansinnen, der Menschheit zu dienen und helfen zu wollen. Außerdem fand ich an Dr. Connors seine enge emotionale Beziehung zu Peter Parker interessant. Dieser hat seinen Vater verloren und findet in dem Wissenschaftler einen Vaterersatz, der ihm dazu noch viele Antworten geben kann, die er bezüglich des Verschwindens seines Vaters hat.
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Rhys Ifans in "The Amazing Spider-Man (3D)"
Ricore: Was mögen Sie grundsätzlich am Filmemachen?

Ifans: Letztlich ist das Herstellen von Filmen immer das Gleiche: Man übt seinen Text, erscheint pünktlich zu den Dreharbeiten, gibt dann 150 Prozent, um eine tolle Geschichte zu erzählen. Was mich am Filmemachen aber besonders reizt, ist die Tatsache, dass unfassbar viele Personen aus den verschiedensten fachlichen Bereichen ihr Bestes geben, um am Ende eine einzelne gelungene Sache zu erschaffen.

Ricore: Wie ist es sich selbst auf der großen Leinwand zu sehen?

Ifans: Ich habe es noch nie gemocht. Vor allem deshalb, weil man jedes Mal noch Sachen entdeckt, die man gerne noch ändern würde, man jedoch nicht mehr ändern kann. Da ist der Blick in den Spiegel bei weitem entspannter. Wenn dir der Anblick nicht gefällt, kannst du ihn durch eine einzige Handbewegung verändern.

Ricore: Haben Sie die "Spider-Man"-Comics in Ihrer Kindheit gelesen?

Ifans: Schon, aber ich war kein großer Fan, der jeden Winkel des "Spider-Man"-Universums intellektuell durchdringen musste. Ich habe die Comics vor allem aus Spaß gelesen, weil ich es toll fand, dass ein junger Mensch durch die Gegend fliegen konnte. Ich erinnere mich daran, dass mir als Sieben- oder Achtjähriger ein "Spider-Man"-Comic geschenkt wurde und auf dessen Rückseite eine Spider-Man-Maske abgebildet war, die man ausschneiden und mit einem Band um sein Gesicht binden konnte, was ich dann auch gemacht habe. Ich hatte die "Spider-Man"-Maske also schon lange getragen, bevor Andrew Garfield überhaupt geboren wurde [lacht].

Ricore: Wer waren die größten Helden Ihrer Kindheit?

Ifans: Ich fand Steve Austin in "Der Sechs Millionen Dollar Man" super. Als ich neun Jahre alt war und die Schule wechseln musste, war es für mich eine sehr schwierige Zeit. Als ich in der neuen Schule ankam und niemanden kannte, überlegte ich, wie ich bei den anderen Kindern beliebt werden könnte. Ich entschloss mich so zu tun, als hätte ich wie Steve Austin ein bionisches Auge. Dieser hatte mit seinem Auge immer ein ganz bestimmtes Verhalten drauf. Das versuchte ich dann nachzumachen. Jeden Morgen, wenn ich in die Schule gegangen bin, habe ich das wiederholt, bis ich irgendwann einen Unfall hatte und damit aufhörte.

Ricore: Hat Ihr Ansinnen funktioniert?

Ifans: Ich hatte gehofft, dass mich meine Mitschüler lieben würden. Tatsächlich dachten sie jedoch, dass ich verrückt sei.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. Juni 2012
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2024