Michael Winter/Ricore Text
Hauptdarsteller Jannis Niewöhner auf der Münchner Weltpremiere von "Rubinrot"
"Früher ein stärkerer Zusammenhalt"
Interview: Mit Jannis Niewöhner durch die Zeit
Jannis Niewöhner steht als Elfjähriger erstmals vor der Kamera. Nach einigen Nebenrollen in Spiel- und Fernsehfilmen, spielt er nun eine Hauptrolle in der Literatur-Verfilmung "Rubinrot". Der Auftakt einer aufwendig produzierten deutschen Filmreihe wird die Kino-Karriere des 20-Jährigen voranbringen. Das Fantasy-Abenteuer handelt von zwei Teenagern, die Zeitreisen unternehmen, um den sagenumwobenen Rubinrot ausfindig zu machen. Im Interview mit Filmreporter.de verrät Niewöhner uns, in welche Zeit er am liebsten reisen würde und wie viel er mit der Figur des unnahbaren Gideon gemein hat.
erschienen am 15. 03. 2013
Michael Winter/Ricore Text
Jannis Niewöhner auf der Premiere von "Rubinrot"
Ricore: Sie stehen noch am Anfang Ihrer Schauspiel-Karriere und spielen bereits in einer aufwendigen deutschen Produktion die Hauptrolle. Wie empfanden Sie die Herausforderung?

Jannis Niewöhner: Das ist tatsächlich die erste große Hauptrolle, die ich spiele. Und das auch noch in einem Genre, das wenig typisch für das deutsche Kino ist. Ich bin mit großem Respekt an die Arbeit herangegangen, weil mir bewusst war, dass dies eine große Herausforderung ist. Dadurch, dass ich relativ früh mit der Schauspielerei angefangen habe, fühle ich mich am Set mittlerweile wie zu Hause. Angst spüre ich keine, vielmehr Spaß am Spielen. Das war bei "Rubinrot" auch der Fall. Im Großen und Ganzen war das ein spannendes und großes Abenteuer.

Ricore: War die Arbeit an der Seite großer Schauspiel-Persönlichkeiten wie Katharina Thalbach, Gottfried John und Rüdiger Vogler nicht einschüchternd?

Niewöhner: Es war schon Wahnsinn, zu erleben, wie man plötzlich mit jemandem zusammen spielt, den man schon als Kind im Kino erlebt hat. Aber auch diesen Druck kann man so kanalisieren, dass er einem hilft. Außerdem waren die älteren Schauspieler so entgegenkommend, dass sie einem die Last von der Schulter genommen haben. Ich wusste sehr schnell, dass ich mit ihnen ganz locker umgehen konnte. Man hatte auf dem Set alle Freiheiten und es war überhaupt nicht schlimm, wenn man sich mal versprochen hat. Ich hatte zum Beispiel einen besonders langen Satz, bei dem ich bestimmt an die fünfzehn Mal neu ansetzen musste. Uwe, Gottfried und Rüdiger waren im Raum und ich dachte nur: 'Oh Man, die warten alle und ich vergeude ihre Zeit'. Dann kam Uwe auf mich zu und sagte: 'Sei ganz entspannt'. Das hat mir sehr geholfen. Es ist sehr schön, mit solch erfahrenen Leuten zu drehen.

Ricore: Neben der schauspielerischen gab es sicher auch eine körperliche Herausforderung. Die Rolle, die Sie in "Rubinrot" spielen, ist ja sehr körperlich.

Niewöhner: Ja, die Kampf- und Fechtszenen waren definitiv eine große Herausforderung. Aber auch das bin ich mit viel Spaß angegangen. Ich hatte große Lust auf diese physischen Szenen. Ich war dafür mit meinem Stuntteam eine Woche in Budapest, wo ich jeden Tag mit erfahrenen Leuten kämpfen durfte. Das war etwas Neues für mich, aber es hat mir viel gebracht. Schauspielerisch war es herausfordernd, mal in einem Fantasy-Abenteuer mitzuspielen. Im deutschen Film wird meist alles sehr realistisch dargestellt. In einem Popcorn-Film wie "Rubinrot" ist es erlaubt, auf die Kacke zu hauen und bestimmte Charakter-Eigenschaften sehr deutlich herauszuarbeiten. So agiert der stolze Gideon immer mit geschwellter Brust und hat diesen Macho-Blick drauf. Andererseits musste ich eine Balance finden und diese Überzeichnung nicht zu weit treiben.

Ricore: Gideon gibt sich einerseits stolz und unnahbar, andererseits hat er auch warme Charakterzüge. Wo würden Sie sich in diesem Spektrum einordnen?

Niewöhner: Gideon und ich sind von Grund auf unterschiedlich. Ich gehe ganz anders auf Menschen zu, als das Gideon machen würde: mit weniger Vorurteilen, aber auch mit weniger Selbstsicherheit. Das heißt zwar nicht, dass ich nicht selbstbewusst bin, aber sicher nicht in dem Übermaße wie Gideon. Im Großen und Ganzen bin ich viel lockerer als Gideon. Er ist doch sehr verkrampft.
Michael Winter/Ricore Text
Jannis Niewöhner und Maria Ehrich auf der Weltpremiere von "Rubinrot" in München
Ricore: In "Rubinrot" geht es um Zeitreisen. In welche Zeit würden gerne reisen.

Niewöhner: Ich würde gerne in den 1960er Jahre reisen, um die Studenten-Revolte hautnah mitzuerleben. Mein Vater hat diese Zeit aktiv als junger Mann erlebt. Ich finde, die 1960er Jahre waren viel interessanter als unsere Zeit. Heute gibt es ein Überangebot an Medien, es gibt zu viele verschiedene Gruppierungen, sodass sich die Menschen allmählich voneinander entfernen. Ich habe das Gefühl, dass es früher einen stärkeren Zusammenhalt zwischen den Menschen gab. Das haben wir ein bisschen verloren und ich fände es interessant, das wiederzuentdecken.

Ricore: Wie ist ihr Verhältnis zur Popkultur der 1960er Jahre?

Niewöhner: Durch meinen Vater bin ich mit der Musik der 1960er Jahre groß geworden und bin ein Riesenfan davon.

Ricore: Gab es in Ihrem Leben den Moment, in dem Sie sich entschieden haben, Schauspieler zu werden?

Niewöhner: Nein, den gab es nicht. Es war ein allmählicher Prozess. Mein Vater ist in einem Kinder- und Jugendtheater in Duisburg engagiert. Deshalb hatte ich schon von klein auf einen Bezug zur Schauspielerei. Ich schlüpfte schon immer gerne in unterschiedliche Rollen. Als sich klein war, hatte ich mich immer verkleidet, nachdem ich irgendwelche Filme gesehen hatte. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal auf der Bühne gespielt habe, hatte ich aber nie den Wunsch geäußert, dass ich mal Schauspieler werden will.
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Jannis Niewöhner auf der Berliner "Gangs"-Premiere
Ricore: Wie kam es dann zum ersten Schauspiel-Engagement?

Niewöhner: Mein Vater erhielt im Theater irgendwann ein Fax, in der Kinder zum Casting eingeladen wurden. Ich stellte mich vor, bekam die Rolle zwar nicht, wurde aber in die Agentur aufgenommen. Irgendwann kamen die ersten kleineren Projekte, die mit der Zeit immer größer wurden. Pro Jahr machte ich zwei bis drei Projekte. Am Anfang war das noch ein Abenteuer. Es war neu und spannend für mich. Später wurden die Rollen größer und ich ging ernster an sie heran. Später merkte ich immer deutliche, dass es in diesem Beruf unglaublich viel zu entdecken gibt. Nachdem ich die Schule beendet hatte, wusste ich, dass ich damit weitermachen will.

Ricore: Sie wollten nach der Schule Schauspielerei studieren. Hat sich diesbezüglich etwas getan?

Niewöhner: Das habe ich noch immer vor und halte es mir offen. Mit meiner Karriere läuft es derzeit ziemlich gut. Ich habe viele Projekte, in die ich über längere Zeiträume eingebunden bin. Weil das Schauspielstudium eine zeitaufwändige Angelegenheit ist, würde es sich mit dem Beruf schwer in Einklang bringen lassen. Hinzu kommt, dass meine Liebe eher dem Film gilt, die Leidenschaft für das Theater habe ich noch nicht entdeckt. Die meisten Schauspiel-Schulen sind auf das Theater ausgerichtet. Das finde ich interessant und vielleicht werde ich irgendwann darauf zurückgreifen müssen, wenn es im Film nicht so gut laufen wird. Insofern will ich das Theater noch entdecken, im Moment ist aber einfach das Kino mein Ding.

Ricore: Findet man Ihre Vorbilder entsprechend eher auf der Leinwand als auf der Bühne?

Niewöhner: Ja, ich bin vor allem ein Fan von Benicio Del Toro und Sean Penn. Das sind große Schauspieler, von denen man viel lernen kann. Außerdem liebe ich die Filme von Alejandro González Inárritu. "21 Gramm" und "Biutiful" haben mich wirklich umgehauen. Ich finde es toll, wie Iñárritu mit der Kamera umgeht, wie er die Geschichte aufbaut und die Charaktere zeichnet. Ich möchte im Laufe meiner Karriere sehr gerne Popcorn-Kino wie "Rubinrot" machen, aber auch solche Projekte. Sie haben eine andere Intensität und andere Zielsetzungen.

Ricore: Einer Ihrer nächsten Filme weist stilistisch in diese Richtung, nämlich "Eltern" von Robert Thalheim.

Niewöhner: Das stimmt. Ich spiele in "Eltern" eine kleine Rolle, hatte nur etwa zwei, drei Drehtage. Aber wenn man sich die Filme von Robert anschaut, dann merkt man, dass jede Rolle in ihnen, auch die kleinen, einen Sinn hat. Es war sehr schön und wichtig für mich, mit ihm zu arbeiten. Er ist ein toller deutscher Filmemacher. Zuvor habe ich mit Aelrun Goette für das Fernsehen "Ein Jahr nach morgen" gemacht, bei dem ich auch sehr intensiv an der Rolle gearbeitet habe. Solche Filme möchte ich auch in Zukunft gerne machen, und ich hoffe, dass man mir das zutrauen wird.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 15. März 2013
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