Constantin Film
Nina Hoss am Set von Die weiße Massai
Nina Hoss zu Die weiße Massai
Interview: Frau kommt nach der Ziege
Hermine Huntgeburth ("Das Trio") verfilmte Corinne Hofmanns autobiographischen Bestseller "Die weiße Massai" an den kenianischen Originalschauplätzen. Der gleichnamige Film erzählt die Geschichte Hofmanns, auch wenn die im Film Carola heißt. Sie heiratet gegen alle Widerstände von einer großen Liebe angetrieben in eine ihr völlig fremde Kultur ein. Nina Hoss wurde 1996 mit dem Fernsehfilm "Das Mädchen Rosemarie" über Nacht bekannt. Im Interview erzählt sie vom Dreh und ihrer Sicht der Dinge.
erschienen am 10. 09. 2005
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Nina Hoss und Jacky Ido beim interkulturellen Austausch der Ringe
Ricore: "Die weiße Massai" ist ein Liebesfilm. Was bedeutet Liebe für Carola?

Nina Hoss: Schwer zu sagen. Ich denke, dass die Liebe, die ihr so blitzartig begegnet, eine solche Kraft auf sie ausübt, dass sie ihr ganzes Leben verändert. Für diese Liebe gibt sie alles auf. Liebe bedeutet ihr also zu diesem Zeitpunkt sehr viel, eigentlich alles.

Ricore: Leider hat diese Liebe nicht gehalten.

Hoss: Wenn man die Geschichte schon kennt, das Buch gelesen hat oder von der Geschichte weiß, besteht natürlich die Gefahr, dass man als Betrachter immer schon am Anfang denkt: ich weiß doch sowieso, wie es ausgeht. Ich als Schauspielerin gehe so nicht an die Geschichte heran, sondern schaue mir die Stationen an, die eine Figur durchläuft. In dem Moment, in dem sie sich entscheidet, ihm nachzufahren, ist auch nicht mehr. Sie fährt ihm zunächst nach und schaut, was passiert. Sie weiß noch nicht, dass sie schlussendlich vier Jahre dort leben wird. Es entwickelt sich alles.

Ricore: Ist dies in Bezug auf die Annäherung unterschiedlicher Kulturen ein pessimistischer Film?

Hoss: Der Film zeigt, dass es sehr schwer ist. Er erzählt, dass man sehr viel mehr Anstrengung aufbringen muss, als bei einer Liebesbeziehung innerhalb einer Gesellschaft. Ich glaube, es wäre genauso schwierig gewesen, wenn er hierher gekommen wäre.

Ricore: Ist es aber nicht auch so, dass weniger die kenianische Gesellschaft ihr einen Strich durch die Rechnung macht, als ihr Bedürfnis, dieser Gesellschaft etwas aufzuzwingen?

Hoss: Das stimmt. Aber ich würde es weniger einseitig sehen. Ein Problem ist natürlich, dass sie durch dieses Leben durchgeht und sagt: 'wie kann ich hier existieren? Ich möchte hier sein, aber ich weiß auch, ich kann nicht nur von Ziegenfleisch und Ziegenmilch leben, ich muss mich also um andere Nahrungsmittel kümmern. Sie ist pragmatisch und weiß, was sie zu tun hat. Damit überfordert sie allerdings diese Gesellschaft, weil das eine Frau einfach nicht tut. Da beginnt die Gesellschaft, ein Problem für die Beziehung darzustellen.

Ricore: Handelt sie aus Naivität oder aus Ignoranz?

Hoss: Sicherlich ist sie naiv. Ignorant finde ich ein bisschen zu hart für Carola. Ich spreche immer von Carola, weil ich über Corinne Hofmann nichts sagen kann. Ich kenne sie nicht wirklich. Ich hab aber auch das Gefühl, dass sie das auch muss, sonst hätte sie dort nicht leben können. Du hast dich entschieden, hier zu heiraten und da kannst du nicht davon ausgehen, dass du in zehn Tagen deine Vorstellungen von Recht und Unrecht in diese Jahrhunderte alte Traditionen umwandeln kannst. Das ist nicht möglich.
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Hoss: Sicherlich ist sie naiv
Ricore: Handelt sie aus Naivität oder aus Ignoranz?

Hoss: Sicherlich ist sie naiv. Ignorant finde ich ein bisschen zu hart für Carola. Ich spreche immer von Carola, weil ich über Corinne Hofmann nichts sagen kann. Ich kenne sie nicht wirklich. Ich hab aber auch das Gefühl, dass sie das auch muss, sonst hätte sie dort nicht leben können. Du hast dich entschieden, hier zu heiraten und da kannst du nicht davon ausgehen, dass du in zehn Tagen deine Vorstellungen von Recht und Unrecht in diese Jahrhunderte alte Traditionen umwandeln kannst. Das ist nicht möglich.

Ricore: Im Film, ist mir die Solidarität zwischen den Frauen aufgefallen.

Hoss: Ja, das ist auch so. Seine Mutter stellt sich auf ihre Seite und sagt ihm: 'Du spinnst! Sie hat keine Freundin.'

Ricore: Haben Sie diese Mann-Frau-Hierarchie vor Ort direkt mitbekommen?

Hoss: Ja.

Ricore: Wie äußerte sich das?

Hoss: Man merkt, dass es keinen Respekt gibt. Es ist tatsächlich so, wie die Elisabeth sagt: 'Die Frau kommt nach der Ziege.' Sie haben sich vor uns natürlich immer zurückgehalten.

Ricore: Haben sich die Frauen mit diesem Schicksal abgefunden?

Hoss: Natürlich haben sie sich damit abgefunden. Der Mensch ist unglaublich anpassungsfähig. Sie kriegen ja keine Alternativen vorgelegt. Ich habe oft gedacht: Was haben wir dort angerichtet? Wie wir miteinander umgegangen sind, zum Beispiel, dass man sich manchmal auch als Mann und Frau umarmt, weil man sich begrüßt und es nicht gleich heißt, man ist ein Paar, das ist für sie völlig fremd. Die fassen sich gar nicht an. Das hat ihnen aber auch Freude gemacht. Da hast du gemerkt, das haben sie mit Interesse angeguckt. Da waren wir die Exoten.

Ricore: Gab es mit dem Kenianischen Teil der Crew Kommunikationsschwierigkeiten?

Hoss: Nein, sie sprechen sehr gut Englisch. Man muss unterscheiden. Samburu steht dort für etwas ganz Eigenes. Nairobi und Mombasa und so weiter sind Kikuiu. Das ist ein anderer Stamm. Die kennen sie gar nicht. Sie waren also selber gespannt, wohin es ging. Für sie ist das eine andere Welt, genauso wie für uns. Eigentlich ist es wirklich europäisch. Sie leben wie wir.

Ricore: Würden Sie selbst so ein Wagnis auf sich nehmen?

Hoss: Nein. Wenn ich das Gefühl hätte, ich möchte ein ursprüngliches Leben führen oder ich möchte im Busch sein oder so, dann... Als ich dort war und den Alltag erlebte, habe ich einfach festgestellt, dass ich mich irgendwann schrecklich langweilen würde. Es gibt kein Buch, keine Musik, es gibt überhaupt keine Ablenkung. Das würde ich vielleicht ein halbes Jahr ertragen, wenn überhaupt, dann müsste ich raus. So bin ich nicht aufgewachsen.

Ricore: Frau Hoss, vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 10. September 2005
Zum Thema
Nina Hoss wird am 7. Juli 1975 als Tochter von Theaterintendantin Heidemarie Rohweder und Politiker Willi Hoss geboren. Bereits mit sieben Jahren sammelt sie Hörspielerfahrungen, mit 14 steht sie zum ersten Mal auf der Bühne. Nach ihrer Ausbildung an der Michael Thalheimer ("Emilia Galotti"), Barbara Frey ("Medea") Stefan Pucher ("Hedda Gabler") und Stephan Kimmig ("Der Kirschgarten").Joseph Vilsmaiers "Und keiner weint mir nach". Ihren großen Durchbruch feiert sie 1996 mit Bernd Eichingers..
Corinne Hofmann verliebte sich während eines Urlaubs Knall auf Fall in einen Massai. Sie ließ ihren Freund, Freunde und Familie hinter sich und folgte dem exotischen Krieger in den kenianischen Busch. Über ihre dort verbrachten Jahre schrieb sie den Roman "Die weiße Massai", der zum internationalen Bestseller avancierte und in 19 Sprachen übersetzt wurde. Ihr Lebensbericht hat Regisseurin Hermine Huntgeburth mit Nina Hoss in der Hauptrolle kongenial verfilmt.
2024