Concorde Film
Maximilian Brückner auf der Premiere von "Spieltrieb"
Bulgakow verschlungen
Interview: Bücherwurm Maximilian Brückner
Maximilian Brückner lebt auf einem Dorf in Oberbayern, zum hektischen Stadtleben bleibt er auf Distanz. Ein provinzieller Schauspieler ist er trotzdem nicht. Das beweist nicht nur seine Rolle in Steven Spielbergs Anti-Kriegsdrama "Gefährten". In Gregor Schnitzlers "Spieltrieb" verkörpert er einen Lehrer, der von seinen Schüler erpresst wird, bis er sich gewaltsam aus der Abhängigkeit befreit. Das Drama knüpft gedanklich an Fjodor Michailowitsch Dostojewski und Friedrich Nietzsche an und thematisiert Grundlegendes wie Freiheit, Schuld und Sühne. Im Interview mit Filmreporter.de spricht Brückner über seine Lesegewohnheiten, seine erste Erfahrung als Theaterregisseur und darüber, wie er mit Nacktszenen zurechtkommt.
erschienen am 11. 10. 2013
Concorde Film
Richy Müller und Maximilian Brückner in "Spieltrieb"
Manipuliert und erpresst!
Ricore: Sie spielen in Spieltrieb einen Lehrer, der von zwei Schülern manipuliert und erpresst wird, bis er sich gewaltsam befreit. Welche Parallelen und Unterschiede zu Ihrer Person sahen Sie in der Rolle?

Maximilian Brückner: Parallelen gab es überhaupt keine und das war gerade der Reiz dieser Rolle. Im Hinblick der Tatsache, dass ich mit Gregor Schnitzler vorher "Resturlaub" gedreht hatte, ist "Spieltrieb" eine Kehrtwende von 180 Grad. Es sind zwei völlig unterschiedliche Filme. Es ging mir hier vor allem um die Lust des Spielens. Die Lust, herauszufinden, wie man einigermaßen glaubhaft so einen Charakter darstellen kann.

Ricore: Ist es eine größere Herausforderung, etwas zu spielen, dass Sie kennen oder das von Ihnen weit weg ist?

Brückner: Es ist reizvoller, etwas zu spielen, das einem nicht vertraut ist.

Ricore: Zum Beispiel eine zwielichtige Figur wie Smutek in "Spieltrieb".

Brückner: Nein, als ich das Drehbuch las, hat sich die Frage bei mir gar nicht erst gestellt. Ich denke, Smutek wäre das alles nicht passiert, wenn in seinem Leben nicht schon die Basis dafür geschaffen wäre. Wäre er mit seiner Frau glücklich, wären die beiden Schüler bei ihm machtlos oder zumindest nicht in dem Maße.

Ricore: Wie hätten Sie sich an Stelle Smuteks verhalten?

Brückner: Das ist schwer zu beantworten. Smuteks ganzes Leben steht auf dem Spiel. Er steht vor dem Abgrund. Als Schauspieler stelle ich mir vor, wie sich die Figur verhält. Sich selbst lässt man komplett raus.

Ricore: Es gibt in "Spieltrieb" einige explizite Nacktszenen. Mussten Sie sich überwinden, die zu spielen?

Brückner: Ja. Es gibt Schauspieler, die an Nacktszenen locker herangehen. Ich bin nicht der Typ dafür. Andererseits will ich meine Grenzen finden, auch wenn diese Grenzen für andere lächerlich sein mögen. Ich fand das nicht leicht, drei Tage lang halb nackt am Set herumzulaufen. Man ist zwar vorne abgeklebt, aber der Rest war sichtbar. Hinzu kommt der moralische Aspekt, schließlich geht es im Film um Sex mit einer Minderjährigen. Es war sehr gewöhnungsbedürftig.

Ricore: Wie kommen Sie mit Nacktszenen auf der Bühne zurecht.

Brückner: Wenn es für das Stück Sinn macht, dann habe ich keine Probleme mit Nacktszenen. Sie sollen nur keine Effekthascherei sein. Wenn ich merke, dass dem Regisseur nichts anderes einfällt und dafür seine Schauspieler sinnentleert ausziehen lässt, dann bin ich nicht dafür zu haben. Dafür bräuchte man keinen Schauspieler, das könnte jeder machen.
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Maximilian Brückner ist Lehrer Smutek ("Spieltrieb")
Maximilian Brückner: von Kant bis Nietzsche?
Ricore: Sowohl der Roman als auch der Film "Spieltrieb" haben einen komplexen philosophischen Überbau. Die gedanklichen Anspielungen reichen von Fjodor Dostojewski über Immanuel Kant bis hin zu Friedrich Nietzsche. Haben Sie das Drehbuch vor diesem Hintergrund gelesen oder fokussieren Sie sich nur auf die Rolle?

Brückner: Es gibt kein Rezept, wie man sich eine Rolle erarbeitet. Ich musste allerdings nicht Nietzsche lesen, um die Rolle Smuteks zu verstehen. Ich lese viel und in guten Büchern gibt es immer Referenzen zu Philosophen und philosophischen Anschauungen. In der Schule hatte ich Latein und Griechisch. Ein bisschen kenne ich mich mit Philosophie also aus. Letztendlich muss ich als Schauspieler einen Menschen verkörpern, mit all seinen Höhen und Tiefen. Hier muss ich ansetzen und es glaubwürdig hinkriegen. Es gibt sicher Schauspieler, die im Vorfeld Unmengen an Büchern durchlesen oder Biografien über ihre Figuren schreiben. Ich gehöre nicht dazu (lacht).

Ricore: Sie sagten mal, dass sie nicht gerne Fernsehen, sondern viel lieber lesen. Lesen Sie lieber anspruchsvolle Literatur oder suchen Sie eher die Entspannung und Unterhaltung?

Brückner: Leichte Lektüre zur Entspannung ist manchmal ganz schön. Da gibt es ganz schöne Sachen. Zum Beispiel ist "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" ein wunderschöner Roman. Er ist nicht besonders tiefgründig, war aber trotzdem sehr unterhaltsam. Ich habe aber auch einiges von Dostojewski gelesen. Michail Afanassjewitsch Bulgakows "Meister und Margarita" habe ich verschlungen. Aber nur weil man Schauspieler ist, muss man nicht unbedingt den Oberliteraten und Intellektuellen mimen.

Ricore: Haben Sie neben dem Beruf genug Muße fürs Lesen?

Brückner: Wenn ich zu Hause bin, habe ich weniger Zeit. Wenn ich drehe, habe ich viel Zeit zu lesen (lacht).

Ricore: Sie haben sich mit Regiearbeiten am Theater ein neues Berufsfeld erschlossen. War die erste Erfahrung eher abschreckend oder motivierend?

Brückner: Es war eine der härtesten Zeiten meines Lebens. Ich habe durch die Erfahrung sehr viel gelernt, bin mir aber noch nicht sicher, ob ich das kann. Den Leuten hat die Arbeit sehr gut gefallen. Die Kritiken waren zweigeteilt. Es waren auch schlechte Kritiken dabei, die ich absolut nachvollziehen konnte. Ich muss ein zweites Mal Regie führen, damit ich weiß, ob es das Richtige für mich ist. Ich habe ein Paar grundlegende Fehler gemacht, die mir einiges gekostet haben. Ich habe daraus gelernt und werde sie nicht wiederholen. Trotz allem bin ich froh, dass ich das gemacht habe.

Ricore: Wollen Sie auch beim Film Regie führen?

Brückner: Die Frage habe ich mir noch gar nicht gestellt. Ich finde die Antwort darauf immer sehr schwer. Wenn man sagt, dass man das nicht machen will, grenzt das an Hybris. Wenn man es macht, sieht das nach Anbiederung aus. Im Moment denke ich nicht darüber nach. Wenn das richtige Angebot kommt, werde ich mir darüber Gedanken machen.

Ricore: Lesen Sie Ihre Drehbücher mit dem Auge eines Schauspielers oder auch dem eines Regisseurs?

Brückner: Ich lese entweder gute oder schlechte Bücher. Eines habe ich dabei gelernt: Wenn ein Buch schlecht ist, dann man es auch mit dreifachem Umschreiben nicht besser machen. Darauf fällt man am Anfang immer rein. Wenn man die Chance kriegt, Regie bei einem tollen Filmprojekt zu führen, sollte man das auch machen.
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Maximilian Brückner spielt in "Spieltrieb" einen Lehrer
Alles , was den eigenen Horizont übersteigt...
Ricore: Das Fernsehen wäre zum Beispiel ein guter Einstieg, oder?

Brückner: Ich finde grundsätzlich, man sollte alles machen, was den eigenen Horizont übersteigt.

Ricore: Im Fernsehen sind Sie demnächst wieder in einem "Tatort" zu sehen. Können Sie uns etwas davon erzählen?

Brückner: Es handelt sich um eine Gastrolle. Dominik Graf hat den Film inszeniert. Er hatte eine kleine Rolle für mich und die habe ich mit Freuden gespielt. Ich bin ein wahnsinnig großer Fan von Dominik. Er ist einer der besten Regisseure, die wir in Deutschland haben.

Ricore: Würde es Sie reizen, wieder eine feste Rolle bei einem "Tatort"-Projekt mitzuspielen?

Brückner: Es kommt darauf an, was mir angeboten wird. Es ist schwierig über ungelegte Eier zu reden. Das wichtigste ist immer das Drehbuch. Hier steht alles Schwarz auf Weiß, von dem aus man Entscheidungen fällt. Wenn mich ein tolles "Tatort"-Angebot anspricht, wäre es keine Frage, ob ich das tun würde. Ich möchte allerdings nicht wieder drei Mal im Jahr für ein Projekt vor der Kamera stehen. Einmal im Jahr könnte ich mir vorstellen, nicht mehr.

Ricore: In der Öffentlichkeit gelten Sie als Heimatverbundener Schauspieler und werden gelegentlich auch mit dem Etikett Heimatilm-Darsteller belegt. Was halten Sie von dieser Klassifizierung?

Brückner: Solche Klassifizierungen kriegt man einfach und ich versuche nicht einmal, mich dagegen zu wehren. Ich lebe halt gerne auf dem Land und es stört mich nicht, in die Heimat-Schublade gesteckt zu werden. Es stimmt ja irgendwie.

Ricore: Das heißt aber nicht, dass Sie nicht wieder in einer internationalen Produktion wie "Gefährten" von Steven Spielberg mitspielen würden?

Brückner: Die Erfahrung mit Spielberg war toll. Ich bin mit seinen Filmen aufgewachsen. Plötzlich hatte ich die Chance, mit ihm zu drehen. Es wäre dämlich gewesen, es nicht zu machen. Es war eine neue Erfahrung. Als ich auf dem Set stand, da schlotterten mir ganz schön die Beine. Ich verschließe mich nicht gegen internationale Produktionen. Es wäre aber ein Fehler, zu sagen: Ich will jetzt unbedingt eine internationalen Karriere starten. Das passiert einfach. Genau wie Christoph Waltz die Chance hatte und sie in "Inglourious Basterds" grandios genutzt hat. Das kam auf ihn zu, er hat es nicht forciert. Letztlich war er auch der richtige Mann dafür.

Ricore: Zum Schauspielerleben gehört eben auch viel Glück

Brückner: Natürlich. Sehr viel sogar.

Ricore: Wohin führt Sie das Glück als nächstes hin.

Brückner: Ich drehe einen kleinen Film an der Nordsee auf der Insel Föhr. Ich spiele einen Schriftsteller, der seine Brille nicht finden kann. Eine etwas skurrile Rolle. Danach stehe ich an der Seite von Katharina Schüttler in einem historischen Film vor der Kamera.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 11. Oktober 2013
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2024