Sony Pictures
Tom Hanks ist "Captain Phillips"
Filmdreh trotz Übelkeit
Interview: Kapitän Tom Hanks
Oscarpreisträger Tom Hanks spielt oft Figuren, die für ihr Überleben kämpfen. Im auf einer wahren Begebenheit beruhenden Actionthriller "Captain Phillips" spielt der Schauspieler einen Kapitän, der seine Mannschaft vor somalischen Piraten rettet, als diese im April 2009 den Frachter im Golf von Aden kapern. Hanks war zuletzt mit "Cloud Atlas" in den Kinos und ist Anfang 2014 als Walt Disney in "Saving Mr. Banks" zu sehen. Er erzählt Filmreporter.de, wie es ist, einen echten Kapitän zu spielen, der in sechs Tagen Gefangenschaft durch sein Verhandlungsgeschick, seine Gerissenheit und die Hingabe zu seiner Crew überlebt. Der Film basiert auf Kapitän Richard Phillips' Buch "A Captain's Duty: Somali Pirates, Navy SEALs, and Dangerous Days at Sea". Regie führt Paul Greengrass ("Die Bourne Verschwörung").
erschienen am 13. 11. 2013
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Tom Hanks ist "Captain Phillips"
Held ist heute eine Markenbezeichnung
Ricore Text: Wie hat sich Ihre Definition von Männlichkeit durch Ihre Heldenrollen verändert?

Tom Hanks: Sehen Sie, ich bin nur ein Typ, der gut so tun, er sei ein anderer. Held ist heutzutage fast schon eine Markenbezeichnung. Davon wird ständig geredet. Die Leute kriegen dieses Label pausenlos aufgedrückt.

Ricore: Was ist für Sie ein wahrer Held?

Hanks: Für mich ist ein Held jemand, der freiwillig in das Unbekannte geht und versucht, das Richtige zu tun. Das ist alles relativ. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Manchmal definiert sich das über den Tod, manchmal aber auch darüber, Erwartungen gerecht zu werden.

Ricore: Waren Sie schon mal in einer Situation, in der Sie ein Held sein mussten - oder ein Feigling?

Hanks: Wir erleben alle Zeiten in unserem Leben, in denen wir entweder Held, Bösewicht oder Feigling sein können. Ich hoffe, dass ich selten feige bin. Auch möchte ich nie ein Bösewicht sein. Und wenn ich es doch sein müsste, würde ich darauf hoffen, etwas Heldenhaftes zu tun. Allerdings habe ich mich noch nie in einer solchen Situation befunden.

Ricore: Die Marine spielt in "Captain Phillips" eine große Rolle. Würden Sie diese Soldaten als Helden bezeichnen?

Hanks: Absolut. Ich war überwältigt von ihrer Professionalität, ihrem Expertenwissen und ihrem Training. Ein Schiff wie dieses beheimatet Leute, die Experten in dem sind, was sie tun, und was sie tun, ist hart. Das gilt auch für die Köche, die vier Mahlzeiten am Tag zubereiten müssen. Sie machen nichts anderes, als den ganzen Tag zu kochen, und die Präzision, mit der sie das tun, ist erstaunlich. Es gibt da diese falsche Vorstellung, dass die Marine so etwas wie ein Kreuzfahrtschiff wäre. Man zieht los, segelt ein bisschen rum und putzt nur ab und zu das Deck. Aber nein, das ist eine beeindruckende Gruppe junger Leute, die auf See an diesem unbequemen Ort arbeiten und leben. Sie strahlen eine Art Stolz aus, den sie sich mehr als verdient haben.

Ricore: Haben Sie Zeit mit dem echten Captain Phillips verbracht?

Hanks: Ich habe mich zweimal mit ihm getroffen. Ich habe ihm erklärt, dass ich im Film Dinge sagen werden, die er nie gesagt hat, und dass es Orte geben wird, an denen er nie gewesen ist. Aber wenn wir es thematisch richtig machen, wird er im richtigen Licht dargestellt.
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Piraten in "Captain Phillips"
Tom Hanks: Magen in der Kniekehle
Ricore: Der Film wurde größtenteils auf einem Boat gedreht. Sind Sie seekrank geworden?

Hanks: Wenn man auf offener See ist und das Schiff plötzlich drei bis fünf Meter absackt, sinkt einem der Magen schon in die Kniekehlen. Dann hat man ein Problem. An einem Tag, als wir im Rettungsboot vor Malta gedreht haben, haben sich alle an Board außer den Schauspielern übergeben.

Ricore: Am Ende des Jahres werden drei Filme von Ihnen erschienen sein. Sie sind ziemlich beschäftigt.

Hanks: Ich muss raus aus diesem Stress. Der bringt mich um.

Ricore: Aber im Ernst: haben Sie je daran gedacht, aufzuhören?

Hanks: Wissen Sie, ich denke darüber nach, alles etwas zurückzuschrauben, aber ich liebe einfach das, was ich tue. Warum also aufhören? Was soll ich sonst tun? Ich bin einer der wenigen, der es gar nicht erwarten kann, wieder zur Arbeit zu gehen.

Ricore: Haben Sie sich in Phillips Situation hineinversetzt und überlegt, wie es wäre, die eigene Familie nie wieder zu sehen?

Hanks: Manchmal macht man so etwas als Schauspieler. Aber allzu oft sollte man es nicht tun. Außerdem sollte es mehr eine mitfühlende Reaktion mit den wirklich Betroffenen sein. Ich liebe meine Familie. Ich liebe meine Kinder, aber wenn diese Momente kommen, ist es nicht so, als könnte man sein eigenes Leben mit dem ersetzen, das man im Film spielt. Man muss sich an einen Ort begeben, der größer als das eigene Leben ist. Dann hat es mehr Durchschlagskraft.

Ricore: Sie sind ein Filmstar, müssen aber manchmal unter schlechten Bedingungen arbeiten. Wie gehen Sie damit um?

Hanks: Für diesen Film mussten wir auf einem sehr beengten Rettungsboot drehen. Ich leide eigentlich nicht unter Platzangst, aber es war wirklich nur sehr wenig Raum. Wir konnten es aber nicht anders machen. Das Boot war sehr ungemütlich. Es hat furchtbar gerochen. Die Luft war schlecht. Es war heiß. Und man hockte die ganze Zeit aufeinander. Es gab vielen Stellen, an denen man sich den Kopf oder das Knie anstoßen konnte. Jeder hatte Narben. Und wir waren sehr, sehr lange in diesem Boot. Damit muss man einfach klarkommen. Ich werde nicht die Diva spielen und sagen, dass ich das nicht machen will. So bin ich nicht.
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Tom Hanks wurde beim Dreh Seekrank
Schnitte und Prellungen vom Dreh
Ricore: Wurden Sie auf dem Boot viel herumgeschubst?

Hanks: Gott, ja. Es gab viele Stellen, an denen man sich verletzen konnte. Jeden von uns hat es erwischt. Irgendwann haben sie Gummisitze für einige Kampfszenen gebaut, in denen diese Sitze dann buchstäblich durch die Gegend flogen. Wir hatten alle Schnitte und Prellungen.

Ricore: Das hat bestimmt schlecht gerochen.

Hanks: Es hat furchtbar gestunken. Es war stickig und eng, aber das Rettungsboot an sich stinkt noch viel mehr. Es riecht nach Dieselabgasen. Hier und da hat sich immer wieder jemand übergeben. Das war immer sehr lustig. Als wir fertig waren, sah es dort echt schmutzig aus.

Ricore: Sie wollen also unbedingt nochmal auf ein Boot?

Hanks: Ich kann's kaum erwarten!

Ricore: Warum, glauben Sie, liebt die gesamte Welt Sie so sehr?

Hanks: [lacht] Wow, das ist ein großes Kompliment. Ich weiß nicht, ob die ganze Welt mich liebt. Ich kann mir einige Leute vorstellen, die mich nicht mögen. Aber um Ihre Fragen zu beantworten: ich glaube, ich bin jemand, mit dem sich die Leute identifizieren. Ich lebe ein normales Leben in einer normalen Nachbarschaft. Ich verstecke mich nicht. Ich bin Teil der Gesellschaft. Mein Leben ist sehr echt. Ich spiele halt nur in Filmen mit. Mehr nicht.

Ricore: Danke für das Gespräch.
erschienen am 13. November 2013
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2024