Senator Filmverleih
Sonniger Armin Rohde am Set von "Im weißen Rössl - Wehe, du singst!"
"Im Spiel kenne ich keine Befangenheit"
Interview: Armin Rohde: der Schublade entkommen
Armin Rohde stammt aus Wuppertal und wird gewöhnlich nicht mit der Hochkultur in Verbindung gebracht. In seinen Film- und Fernsehrollen wird der Schauspieler eher als Raubein besetzt. Im Gespräch mit Ricore Text zeigt sich Armin Rohde von seiner sensiblen Seite und gerät in Schwärmen, als er von seiner ersten Pina-Bausch-Aufführung erzählt. Außerdem erklärt er aufgrund eigener Erfahrungen recht fachmännisch, wie bei einer Augen-OP die Netzhaut angetackert wird.
erschienen am 9. 11. 2013
Senator Filmverleih
Armin Rohde in "Im weißen Rössl - Wehe, du singst!"
Alles echt!
Ricore Text: Hat es Spaß gemacht, zu tanzen?

Armin Rohde: Sehr viel Spaß. Alles was sie im Film sehen ist echter Spaß. Bei "Im Weißen Rößl" ist es, als würde ich einen Urlaubsfilm von mir sehen. Wir hatten eine echt gute Zeit.

Ricore: Stimmt es, dass Pina Bausch den Ausschlag gegeben hat, dass Sie zum Theater wollten?

Rohde: Ja. Ich bin ja in Wuppertal aufgewachsen. Das Opernhaus, in dem sie ihre Vorstellungen hatte, lag direkt auf meinem Schulweg. Das erste Mal bin ich nur hingegangen, um ein Mädchen zu beeindrucken. Ich habe in meinem Leben viel gemacht, um Frauen zu beeindrucken.

Ricore: Aber irgendwas muss Pina Bauschs Kunst doch in Ihnen angesprochen haben.

Rohde: Allerdings. Dass ich eigentlich eine Frau beeindrucken wollte, geriet ganz schnell in Vergessenheit, nachdem die Vorstellung angefangen hatte. Da war ich wie vom Blitz getroffen. So etwas hatte ich noch nicht erlebt.

Ricore: Welche Aufführung sahen Sie denn?

Rohde: "Le Sacre du Printemps" - Frühlingsanfang. Ein atemberaubender Abend. Den Brecht-Weil-Abend "Die sieben Todsünden des Kleinbürgers" fand ich auch toll. Solch eine Poesie!

Ricore: Stimmt es, dass Sie sich kürzlich einer Augenoperation unterziehen mussten?

Rohde: Ja, ich hatte eine Netzhautablösung. Ich saß abends hier in Berlin im Hotelzimmer, weil ich am nächsten Tag viele Pressetermine hatte und dann denke ich, was laufen denn da für kleine schwarze Tierchen überall rum. Und als ich mich wieder aufrichtete sah ich solche Schlieren, wie wenn man Tinte in Wasser träufelt, aber in der Farbe von dunklem Blut. Ich dachte, scheiße, irgendwas stimmt hier nicht. Doch mein Hausarzt beschwichtigte mich nur und meinte, das sei bloß Stress. "Ruh dich mal aus und in den nächsten Tagen gehst du dann mal zum Augenarzt", sagte er. Doch mitten im Pressetermin am nächsten Tag ging es nicht mehr. Die Augenärztin hat mich sofort in die Charité überwiesen. Sie warnte mich, dass es nicht gut aussehe. Ich dachte dann zunächst noch, naja, dann geben die mir ein paar besonders starke Augentropfen und dann wird das wieder. Doch ich wurde gleich da behalten und es gab eine Notoperation.

Ricore: Was war denn passiert?

Rohde: Die Netzhaut hatte sich wie eine Tapete von der Wand geschält. Und wenn das Sehzentrum, das ganz winzig ist, von der Netzhaut freigelegt wird, ist das Auge unwiderruflich blind. Es hätte sich also nur noch um wenige Stunden gehandelt und ich wäre auf dem Auge blind gewesen. Ich wurde von Frau Professor Joussen operiert, die auf dem Gebiet eine der größten Spezialistinnen überhaupt ist.

Ricore: Was wird denn bei einer so komplizierten Operation gemacht?

Rohde: Zunächst wird Öl ins Auge gepumpt, Silikonöl, um die Verunreinigungen herauszubekommen. Dann wird das Auge mit Gas gefüllt, als Tamponage. Als nächstes wird die Netzhaut hochgeklappt und per Laser befestigt. Und dann wird ein Silikonband unter dem Augenmuskel hergeführt und auf jeder Seite mit vier Stichen befestigt.

Ricore: Es ist also alles gut gegangen?

Rohde: Letztendlich habe ich nur ein paar Dioptrien Sehstärke eingebüßt und trage jetzt eine weiche Linse. Gott sei Dank ist das so eine, die man ein paar Wochen drin lassen kann. Denn jeden Morgen und Abend ins Auge fassen, würde mich wahnsinnig machen.

Ricore: Wie passiert denn so eine Netzhautablösung?

Rohde: Ich bin ein rein statistischer Fall, jetzt mit 58 Jahren. Im Alter zwischen 50 und 60 verlängert sich das eigentlich runde Auge ein wenig. Bei den meisten Menschen führt das allerdings nur dazu, dass sie eine stärkere Lesebrille brauchen. Doch bei mir hat diese Streckung des Augapfels dazu geführt, dass die Netzhaut abgerissen ist. Einer von Tausend hat so etwas und ich war Nummer 1.000 - shit happens.
3L Filmverleih
Armin Rohde am Set zu "Unter Bauern - Retter in der Nacht"
Armin Rohde: mit den Coen-Brothers wäre ein Traum
Ricore: Hat das etwas bei Ihnen verändert?

Rohde: Ja. Ich bin dadurch ruhiger geworden, auch wenn ihnen das vielleicht gerade nicht so vorkommt. Ein bisschen nachdenklicher. Man fühlt sich älter nach so etwas. Allein weil man dadurch die eigene Verwundbarkeit so vor Augen geführt bekommt. Im einen Moment sitzt man noch gut gelaunt im Hotelzimmer und im nächsten denkt man, die Welt geht unter. Der größte Schreck kam allerdings, als alles schon vorbei war. So lange alles in Ordnung ist, vergisst man manchmal dankbar zu sein.

Ricore: Wann hatten sie denn eigentlich ihre erste Begegnung mit dem "Weißen Rössl"?

Rohde: Als mir das Drehbuch geschickt wurde. Bestimmt habe ich auch mal die Verfilmung mit Peter Alexander an einem verregneten Sonntagnachmittag gesehen. Aber daran erinnerte ich mich nicht mehr und wollte es dann auch nicht. Wenn ich einen Film drehe, mache ich mich gerne von allem frei, was ich zuvor darüber gesehen oder gehört habe.

Ricore: Hat Sie das Singen Überwindung gekostet?

Rohde: Nö, überhaupt nicht. Immer wenn's ums Spielen geht, liegt meine Schamgrenze sehr, sehr niedrig. Privat ist das anders, aber beruflich ist sie so gut wie nicht vorhanden.

Ricore: Wie funktioniert es, dass Sie das einfach ausschalten?

Rohde: Das weiß ich nicht und das will ich auch gar nicht wissen, sonst funktioniert es vielleicht nicht mehr. Da wo ich privat noch Bedenken hätte, verliert es sich, sobald die Klappe fällt. Wahrscheinlich ist das bei Schauspielern einfach so.

Ricore: Sind Sie manchmal in eine Rolle geschlüpft, um Frauen zu beeindrucken?

Rohde: Nein, nie. Das klingt jetzt vielleicht unglaubwürdig, aber ich bin ein wahnsinnig schlechter Lügner. Weil das Ganze im echten Leben stattfindet, wo man dann auch die echten Konsequenzen zu tragen hat. Was ja im Film nie so ist, egal, ob man sich verliebt oder jemand umbringt, im Film kommt man immer ungeschoren davon. Im Spiel kenne ich, anders als im Leben, also keine Befangenheit. Außer man verlangt etwas Dummes von mir.

Ricore: Etwas Dummes?

Rohde: Ich habe schon mal mit jemand Dummen in der Regie zusammengearbeitet. Die hat ein sehr mittelmäßiges und dummes Spiel von mir verlangt, versuchte also mich unter Niveau zu drücken. Da haben wir Ärger miteinander bekommen, denn so etwas halte ich nicht gut aus. Denn dann habe ich plötzlich Hemmungen. Ich mag es nicht, wenn im Film dümmlich miteinander umgegangen wird, wenn einer Situation nicht wirklich auf den Grund gespürt wird, wenn es eigentlich um etwas anderes geht und die Schauspieler aber Larifari machen sollen und Polonaise tanzen. Ein kluger Regisseur würde das aber nie von einem Schauspieler verlangen. Mit jemandem zusammenarbeiten zu müssen, der nicht bis zu Ende denkt und einen mittelmäßigen Geschmack hat, das ist Quälerei.

Ricore: Was haben Sie denn schon gemacht, um Frauen zu beeindrucken?

Rohde: Ich bin Buddhist geworden. In unsere damalige WG in Wuppertal kam da ein tibetischer Lama. Ich hielt das für eine gute Idee, mich vor den Augen dieser Frau zum Buddhismus bekehren zu lassen. Ich bin auch mal einer Frau hinterhergefahren, die fuhr auf Klassenfahrt nach Italien, und da hab ich mich einfach eingeklinkt. Mit den Lehrern hat das natürlich richtig Ärger gegeben, denn die wollten mich rausschmeißen. Aber ich habe gesagt: Ihr könnt mich gar nicht rausschmeißen, ich hab ja eine Fahrkarte.

Ricore: Wie alt waren Sie da?

Rohde: Sie war noch Schülerin, kurz vorm Abitur. Ich war 20 und war bereits vom Gymnasium gegangen worden, auch kurz vorm Abi. Und ich war gerade aus den USA zurück, wo ich ein Jahr gelebt hatte und mit einer Band durch die Gegend getingelt war.

Ricore: Apropos USA, streben Sie nach einer internationalen Karriere?

Rohde: Sagen wir mal so, ich tue nichts dafür. Die Rolle in "Contagion" hatte sich eher zufällig ergeben. Ich bin da aber auch schon ein bisschen zu alt für und nicht mehr bereit, Klinken zu putzen. Und das müsste ich tun. Fast alle, die da rüber gegangen sind, leben in winzigen überteuerten Appartements und sind froh, wenn sie drei Drehtage für Gewerkschaftsgage haben, was dann nicht mal für die Miete reicht. Da nochmal ein Leben anzufangen, wo ich mich auf 13 Castings die Woche stürzen müsste und bibbernd am Telefon sitze, ob da jemand was von mir will, das kann man mit 20 oder 30 machen. Aber nicht mehr mit 58 Jahren als verwöhntes Bengelchen, was ich in unserem Land ja mittlerweile bin. Mich da nochmal hinten anzustellen, dafür fehlt mir die Portion Demut, die es dafür braucht. Und wenn ich hier mal jemandem auffalle, ist das gut, aber ich lege es nicht darauf an.

Ricore: Wenn Sie die Wahl hätten, mit wem würden Sie gerne arbeiten?

Rohde: Mit den Coen-Brothers zu drehen wäre natürlich ein Traum. Oder wie Christoph Waltz mit Tarantino. Das ist überhaupt unvorstellbar, was da passiert ist. Im einen Jahr bekommen wir noch den Grimme-Preis für "Dienstreise - Was für eine Nacht" und im Jahr darauf wird er Hollywoodstar und hat inzwischen zwei Oscars! Dabei galt er in Deutschland als schwierig zu besetzender Typ. Nur, so etwas kann man nicht planen. Ich kann ja jetzt nicht sagen, ich mach's wie der Christoph.
Constantin Film
Armin Rohde als: Räuber Hotzenplotz
"Mittlerweile sind die Rollen vielschichtiger"
Ricore: Haben Sie manchmal das Gefühl auf einen bestimmten Typ festgelegt und gecastet zu werden?

Rohde: Vielleicht, obwohl ich mir bis heute nicht im Klaren darüber bin, was für eine Art Typ ich eigentlich bin. Ich bin kräftiger und sehe eher wie jemand aus, der kein Abitur hat. Wie jemand, der sein Geld mit der Arbeit seiner Hände verdient und keinen Satz mit zwei Nebensätzen bilden kann. Doch mittlerweile sind die Rollen vielschichtiger. Eine Zeit lang wurde versucht, mich in so eine Schublade zu stecken, auf der stand Proll oder Edelproll. Das waren immer Prädikate, mit denen ich nie viel anfangen konnte. Für mich selbst weiß ich ja, wie ich fühle und denke.

Ricore: Und das unterscheidet sich von der Wahrnehmung der Zuschauer?

Rohde: Die Zuschauer und Kritiker nehmen bestimmte Eigenschaften wahr, die einem selbst vielleicht gar nicht so bewusst sind. Ich habe jahrelang gekämpft, um nicht in so einer Schublade zu landen und dafür auf ein paar schöne Rollen verzichtet. Manchmal nehme ich eine Rolle nur deswegen an, weil sie völlig anders ist als das, was ich davor gespielt habe.

Ricore: War das auch bei "Weißen Rössl" der Fall?

Rohde: So einen melancholisch lächelnden Vater habe ich noch nicht gespielt. Der erinnert auch ein bisschen an einen Zauberer. Wenn er seine Tochter anlächelt, geht auf einmal die Sonne auf, die Fenster öffnen sich und alle fangen an zu singen und zu tanzen. Ein bisschen wie Don Genaro aus den Büchern von Carlos Castaneda.

Ricore: Empfinden Sie es als mutig, heutzutage ein Musical zu drehen?

Rohde: Ja, denn als Genre hat sich das bei uns ja nun nicht gerade durchgesetzt. In den 50er Jahren gab es mehr Singspiele. Allerdings ist es kein mutiger Film, sondern ein reiner Unterhaltungsfilm, Kitsch as Kitsch can. Aber wer ihn gesehen hat, wird ganz schnell feststellen, dass er sich dabei amüsiert. Es soll erstmal jemand versuchen, da schlecht gelaunt aus der Vorstellung zu kommen.

Ricore: Mögen Sie Musicals?

Rohde: Ja klar. Ich liebe "Grease". Nachdem wir den Film gesehen hatten, haben wir uns alle Lederjacken gekauft und T-Birds hinten draufgesprüht.

Ricore: Im Film gibt es viele romantische Gesten. Sind Sie ein Mensch, der so etwas pflegt?

Rohde: Ich glaube ja. Ich bin ein höflicher Mensch. Ich halte Frauen die Tür auf und helfe ihnen in den Mantel. Ich finde es auch selbstverständlich, dass der Mann bezahlt, wenn es geht. Grundsätzlich bin ich da eher altmodisch. Ich halte es für die Aufgabe des Mannes für eine gewisse Absicherung zu sorgen.

Ricore: Wie entspannen Sie zwischen Drehs.

Rohde: Ich mache gerne Wellness. Da könnte ich den ganzen Tag vom Dampfbad in den Whirlpool und in die Sauna gehen. Und dann zwischendurch nochmal zehn Minuten unter die Dusche. Und dann gemütlich auf eine beheizte Liege legen.

Ricore: Gönnen Sie sich auch mal Gesichtsbehandlungen?

Rohde: Nein, das macht mich nervös! An meinen Kopf darf keiner. Küssen ist das einzige, was bei mir am Kopf geht. Aber wenn mir jemand an die Wange fasst, oder an die Nase oder Stirn, das mag ich alles nicht.

Ricore: Dann ist es für Sie sicher schrecklich, in der Maske zu sitzen.

Rohde: Ja, aber das ist beruflich. Da muss ich dann durch. Ich sag dann immer, dass ich kopfscheu bin (lacht). Als Kind hatte ich einen Onkel, der mir immer zur Begrüßung seine warme fleischige Hand auf den Kopf legte. Vor dem Mann hat es mich gegruselt.

Ricore: Dann stoßen Sie beruflich sicher öfter an ihre Grenzen?

Rohde: Sobald es beruflich ist und ich es nur spiele, kann ich Sachen, die ich sonst privat nicht kann oder mag oder will. Da geht es dann komischerweise. Zum Glück.

Ricore: Was für Rollen wünschen Sie sich noch?

Rohde: Keine, weil es keinen Sinn macht. Sich irgendeine Rolle zu wünschen nützt doch nichts, wenn keiner ein Drehbuch dafür hat. Oder es hat jemand ein Drehbuch und sieht mich aber nicht in der Rolle. Außerdem fand ich es immer spannender, was anderen Leuten zu mir eingefallen ist. Ich wäre damals schon nicht auf die Idee gekommen, mich als Bierchen in "Kleine Haie" zu besetzen. Oder als Räuber Hotzenplotz und als Albert Einstein. Das ist anderen Leuten eingefallen. Mann frisst sich doch selber das Herz aus, wenn man in sich Wünsche trägt und sich dann fragt, warum keiner darauf kommt, einen für eine bestimmte Rolle zu besetzen. Das ist unproduktiv.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 9. November 2013
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Armin Rohde wird 1955 als Sohn von Bergmann Kurt Rohde in Gladbeck geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums entwickelt er seine Begeisterung für das Theater. Es folgt eine Ausbildung an der renommierten Essener Folkwang Hochschule und der Besuch einer Clowns-Schule. 1992 schafft er als 'Bierchen' in Sönke Wortmanns "Kleine Haie" seinen Durchbruch im Kino. Sein Mitwirken in "Der bewegte Mann", "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" und "Lola rennt" weißt auf seinen..
2024