Ulrich Blanché /Ricore Text
Jackie Earle Haley
Grenzen der Technik
Interview: Kritischer Jackie Earle Haley
Jackie Earle Haley ist mit Filmen wie "Lincoln", "Dark Shadows" und "RoboCop" momentan gut im Geschäft. Das war aber nicht immer so. Von 1993 bis 2006 war der frühere Kinderdarsteller in keinem einzigen Film zu sehen, seine Schauspielkarriere schien am Ende. Wie Haley mit dieser Zeit zurecht kam, verrät er im Interview mit Filmreporter.de. Dabei erfahren wir auch, was er über Paul Verhoevens Klassiker denkt und weshalb er neuen Technologien grundsätzlich skeptisch gegenübersteht.
erschienen am 9. 02. 2014
StudioCanal
"RoboCop" Joel Kinnaman und Jackie Earle Haley
Der Typ weiß, was er will und wie er es bekommt
Ricore Text: "RoboCop" hat ja eine ziemlich lange Produktionsphase hinter sich. Wie froh sind Sie, dass der Film nun fertiggestellt ist?

Jackie Earle Haley: Leider konnte ich den Film noch nicht sehen. Aber es war eine tolle Zeit, die ich mit dem Projekt verbracht habe. José, Joel und die anderen waren sehr angenehme Kollegen.

Ricore: Hat man José Padilha angemerkt, dass er seinen ersten Hollywood-Film dreht?

Haley: Für mich war es ehrlich gesagt überraschend, dass "RoboCop" Josés erster Film in Hollywood ist. Er ist einer der besten Regisseure, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Der Typ weiß exakt was er will und wie er es bekommt. Er umgibt sich mit sehr guten Leuten, vor allem dem Kameramann und dem Cutter. Bei den dreien geht alles Hand in Hand, alles hat kurze Wege. Er ist zudem ein schlauer, smarter und witziger Kerl, mit dem man gerne abhängt.

Ricore: Was hat Padilha im Vergleich zum Original geändert?

Haley: Das ist eigentlich eine Frage, die José besser beantworten kann. Ich kann aber schon sagen, dass der Film sich ein wenig im Ton ändert. Die großartige Action-Science-Fiction-Entertainment-Kombination bleibt allerdings natürlich weiterhin erhalten, gepaart mit einem intelligenten Drehbuch.

Ricore: Ist "RoboCop" ein Action-Kracher oder Sozialkritik?

Haley: Der Film ist beides.

Ricore: Ihre Figur Maddox ist im "RoboCop"-Universum neu. Weshalb braucht der Titelheld dieses Mal einen Trainer?

Haley: Maddox arbeitet mit Hunderten von Robotern weltweit. Er weiß genau, wozu sie in der Lage sind und wie sie sich in jeder erdenklichen Situation verhalten werden. Das Problem ist aber, dass der Kongress den USA nicht erlaubt, Roboter zur Unterstützung der Polizei zu verwenden. Das ist der Grund, weshalb OmniCorp sich dazu entscheidet, Menschen in die Hülle eines Roboters zu stecken, um so diese beiden Welten miteinander zu verschmelzen. Das zu tun, ist allerdings ein sehr schwieriger Prozess. Da braucht es jemanden wie Maddox, der das alles kontrolliert. Er trainiert Robocop mit dem Ziel, dass dieser immer schneller und effizienter agiert. Dabei ist Maddox eigentlich überhaupt nicht von der Idee begeistert, Menschen in diese Maschinen zu stecken, denn er weiß genau, dass das irgendwann schlimme Konsequenzen haben wird. Insofern ist er nicht wirklich zufrieden mit seinem Job, und dennoch macht er ihn aus Pflichtgefühl, um Robocop bestmöglich auf die Außenwelt vorzubereiten.
StudioCanal
José Padilha am Set von "RoboCop"
Überwachungs- und Polizeistaat
Ricore: Ist Maddox dementsprechend eher ein guter oder ein böser Kerl?

Haley: Ich glaube Maddox selbst würde sich und sein Handeln nicht in die Kategorien 'gut' oder 'schlecht/böse' einordnen. Er fühlt sich lediglich als Angestellter OmniCorp verpflichtet, und will seinen Job gut erledigen.

Ricore: Inwieweit können Sie sich mit Maddox' Werten identifizieren?

Haley: Ich teile seine Werte insofern, als dass er nicht davon begeistert ist, Menschen in Maschinen zu stecken. Aber der Angestellte beziehungsweise Militärtyp, der er nun einmal ist, folgt trotzdem den Anweisungen.

Ricore: Was halten Sie privat von der immer größeren Technisierung der Polizei und der Welt? Muss man alle technisch verfügbaren Mittel nutzen, oder gibt es auch moralische Grenzen?

Haley: Jeder wird zwangsweise von technischen Neuerungen beeinflusst und mitgerissen. Jede neue Technologie verändert die gesamte Welt immer mehr in die Richtung eines Überwachungs- beziehungsweise Polizeistaats. Diese Entwicklung ist kaum mehr aufzuhalten und geschieht immer schneller. Das halte ich allerdings nicht für gut, unter anderem, weil die Menschen dadurch zu sehr in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden.

Ricore: Insofern kann man doch sagen, dass sich das Szenario von "RoboCop" hervorragend auf die reale Welt übertragen lässt, oder?

Haley: Ja klar. Sehen Sie sich die Gegenwart doch einmal an: bereits jetzt es gibt unbemannte Drohnen, die der Überwachung oder dem Transport von Waffen dienen. Es würde mich daher nicht überraschen, wenn es in der Zukunft auch dazukommen würde, dass Roboter die Jobs von echten Polizisten übernehmen beziehungsweise diese in Robotertechnik gesteckt werden.
Warner Bros
Little Children
Jackie Earle Haley: ich versuchte, mich selbst zu finden
Ricore: Sie haben bereits sehr früh mit der Schauspielerei begonnen. Haben Sie dennoch das Gefühl, eine normale Kindheit durchlebt zu haben?

Haley: Ich würde meine Kindheit als ziemlich normal einstufen. Doch auch wenn ich ein positives Beispiel bin, kann es für Kinder ziemlich gefährlich werden, wenn sie so früh mit der Schauspielerei anfangen und dabei erfolgreich sein wollen. Denn das Problem ist, dass du dein Selbstwertgefühl und dein Selbstbewusstsein sehr stark mit deinem Erfolg als Schauspieler verknüpfst. Als ich älter wurde, in meine 20er kam und meine Karriere nicht mehr wirklich so erfolgreich war, ging damit einhergehend auch mein Selbstwertgefühl verloren. Ich benötigte einige Jahre, um damit zurecht zu kommen, mit mir selbst wieder im Reinen zu sein und meinen Platz in der Welt zu finden. Danach war es echt toll, als meine Filmkarriere nach einer längeren Pause endlich wieder losging und ich wieder in der Lage war, als Schauspieler zu arbeiten. Als Erwachsener bin ich mittlerweile in der Lage, mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen nicht über meinen Erfolg als Schauspieler zu definieren.

Ricore: War Ihre Firma JEH-Productions ein Kompromiss den Sie eingingen, weil es mit der Schauspielerei nicht mehr so erfolgreich lief?

Haley: Als meine Karriere immer weiter den Bach runter ging und ich versuchte mich selbst zu finden, ging ich nach Texas. Dort gründete ich diese Produktionsfirma, mit der wir unter anderem Fernsehwerbung, Firmenvideos und Internetvideos herstellen. Das hat mir sehr geholfen und meine Partner von damals sind noch immer mit von der Partie.

Ricore: Welche Funktion nehmen Sie derzeit in der Firma ein?

Haley: Ich beaufsichtige Projekte und sorge dafür, dass alles gut läuft. Manchmal mache ich auch das ein oder andere selbst. Aber im Großen und Ganzen machen die ganzen kreativen Leute die Arbeit unabhängig von mir und halten den Laden dadurch am Laufen.

Ricore: Wie kam es zu Ihrem Comeback als Schauspieler?

Haley: Es begann alles mit Steven Zaillian. Ich traf ihn zufällig auf meiner Hochzeitsreise in Frankreich. Er lies mich dann für "Das Spiel der Macht" vorsprechen und beförderte mich damit nach ungefähr 15 Jahren Pause wieder zurück ins Filmgeschäft. Direkt danach drehte ich "Little Children", der mir sehr viel Anerkennung verschaffte. Seitdem habe ich wieder die Möglichkeit, kontinuierlich als Schauspieler zu arbeiten.

Ricore: Möchten Sie diesen Beruf für immer ausüben, oder planen Sie hinsichtlich Ihrer Karriere noch anderes?

Haley: Ich möchte so lange wie es meine Gesundheit zulässt, definitiv als Schauspieler arbeiten. Pausen, in denen ich mehr Zeit für meine Familie habe, ergeben sich dabei ganz automatisch. Parallel tue ich gerade allerdings auch alles dafür, damit ich sehr bald mein Debüt als Regisseur feiern kann.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 9. Februar 2014
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2024