20th Century Fox
Gugu Mbatha-Raw auf der New-Yorker-Premiere von "Dido Elizabeth Belle"
Zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung
Interview: Gugu Mbatha-Raw hat Identität gefunden
Dass sie Schauspielerin werden will, steht für Gugu Mbatha-Raw früh fest. Als die Tochter eines südafrikanischen Arztes und einer englischen Krankenschester mit elf Jahren zum ersten Mal auf der Bühne steht, ist sie Feuer und Flamme. Nach einigen Bühnen- und Fernsehrollen ist sie nun in dem Historiendrama "Dido Elizabeth Belle" erstmals in der Hauptrolle eines Spielfilms zu sehen. Filmreporter.de spricht mit der 31-Jährigen Gugu Mbatha-Raw über die Anfänge ihrer Karriere, starke Frauen und wandlungsfähige Schauspielerinnen.
erschienen am 13. 08. 2014
20th Century Fox
Gugu Mbatha-Raw ist "Dido Elizabeth Belle"
Identität und Rassefragen
Ricore Text: Wie viel vom Charakter Dido Elizabeth Belles haben Sie in der Geschichte gefunden und wie viel mussten Sie hineininterpretieren?

Gugu Mbatha-Raw: Der Ausgangspunkt für die Autoren und die Produzenten war das Gemälde, auf dem Dido und ihre Halbschwester abgebildet sind. Ansonsten sind wenige Fakten über sie überliefert. Es gibt einige Dokumente, die uns von ihr berichten. Etwa über ihre Stellung im Haushalt oder einen Amerikaner, der sie besuchte. Oder die Tatsache, dass sie mit der Familie nicht essen durfte, wenn diese Besuch hatte. Es gibt einige Fragmente, aber kein zusammenhängendes Bild. Übrigens, demnächst wird ein Buch zu dem Thema veröffentlicht, das einige Details über Dido enthält. Es diente uns aber nicht als Vorlage, insofern mussten wir uns einige künstlerische Freiheiten erlauben.

Ricore: Amma Asante sagte gerade, dass das Thema heute zum Geschichtsunterricht gehöre. Haben Sie den Stoff auch durchgenommen?

Mbatha-Raw: Nein, ich gehöre nicht mehr zu der Generation. Insofern fand ich es faszinierend, mich über die Rolle mit dem Thema auseinanderzusetzen. Als ich noch in der Schauspielschule war, lebte ich in Highgate in der Nähe von Hamsted Heath. Als ich durch Heath ging und das Kenwood House [das heute öffentlich zugänglich Haus von Earl of Mansfield] besuchte, hätte ich mir niemals erträumen lassen, dass ich eines Tages Dido spielen würde.

Ricore: Was war Dido für ein Mensch oder anders gefragt: Was für ein Mensch war Dido laut Ihrer Interpretation?

Mbatha-Raw: Mit war bewusst, dass es wenige Darstellungen von farbigen Frauen in der Kunst gibt. Es sei denn, man stellte sie als Sklavinnen dar. Mir war wichtig, sie als facettenreichen Menschen darzustellen. Schließlich hat sie ja existiert. Es war eine große Verantwortung, jemand Reales zu verkörpern.

Ricore: "Dido Elizabeth Belle" ist nicht nur ein in der Vergangenheit behaftetes Historiendrama, sondern spricht viele zeitgenössische Themen an.

Mbatha-Raw: Es geht unter anderem um die Gleichberechtigung der Frau. Das Thema ist in vielen Kulturen heute noch sehr aktuell. Es gibt da noch einiges nachzuholen. Selbst in der Filmindustrie ist die Gleichberechtigung noch nicht durchgesetzt. Es gibt noch immer sehr wenige Filme, in denen Frauen Hauptprotagonistinnen sind. Außerdem geht es in "Dido Elizabeth Belle" um Identität und Rassefragen. Dido ist nicht nur eine schwarze Frau, sie ist ein Mischling, was ihre Situation noch ambivalenter macht. Dido ist schwarz und weiß, das macht ihre Suche nach ihrer gesellschaftlichen Stellung noch schwieriger. Nicht zuletzt erzählt der Film eine Liebesgeschichte. Nichts macht einen Film zeitloser, als zwei Menschen zu zeigen, die sich ineinander verlieben (lacht).
20th Century Fox
"Dido Elizabeth Belle"-Darsteller Tom Felton und Gugu Mbatha-Raw
Gugu Mbatha-Raw: Zwiespalt Selbstwahrnehmung
Ricore: Dido hat einen großen Einfluss auf ihren Großvater, der mit seinen juristischen Entscheidungen in der Zong-Frage den Lauf der Welt maßgeblich prägt. Glauben Sie an das Konzept, dass das Private die Geschichte beeinflussen kann?

Mbatha-Raw: Das ist die große Frage. Wer weiß? Ich habe mich mit den Nachfahren von Lord Mansfield getroffen. Sie mögen den Gedanken, dass Dido einen großen Einfluss auf ihren Großvater ausübte. Wir kennen nicht die Gedankengänge von Mansfield, aber wir wissen, dass es eine innige Verbindung zwischen den beiden gab. Die Verundenheit war nicht zuletzt dadurch bedingt, dass sich auch Mansfield als Mann mit schottischen Wurzeln als Außenseiter fühlte. Das schweißte sie zusammen. Ich mag den Gedanken, dass Dido ihn beeinflusst hat.

Ricore: Sie sind die Tochter eines südafrikanischen Arztes und einer englischen Krankenschwester. Haben sie sich vor diesem Hintergrund mit Didos Situation identifiziert?

Mbatha-Raw: Ja, ich kenne durchaus die Ambiguität von Didos Situation, den Zwiespalt wie man sich selbst wahrnimmt und wie einen die Menschen sehen. Wenn man eine Farbige ist, muss man sich seiner Selbst sicher sein. Ich wollte mich niemals für eine Seite entscheiden. Ich wollte das eine und das andere sein. Genau das definiert mich.

Ricore: Stimmt es, dass sie ursprünglich in die Fußstapfen Ihres Vaters treten und ebenfalls Medizin studieren wollten?

Mbatha-Raw: Nein, das ist ein Gerücht. Ich wollte immer Schauspielerin werden, von Kindheit an. Ab meinem vierten Lebensjahr nahm ich Ballettunterricht. Als ich elf war, hatte ich meinen ersten Bühnenauftritt. Ich spielte in einer lokalen Theatergruppe die Rolle Dorothys in "Der Zauberer von Oz". Das hat mich infiziert. Von da an drängte ich meine Mutter immer wieder dazu, mich auf die Schauspielschule zu lassen. Sie sagte mir, ich solle erst die Schule beenden. Als ich 18 war, sagte ich. 'Ok, kann ich jetzt in die Schauspielschule gehen?' (lacht).
20th Century Fox
Erste Hauptrolle in Spielfilm: Gugu Mbatha-Raw
Das Theater ist mein Zuhause
Ricore: Ihre Karriere begannen Sie dann auf der Bühne.

Mbatha-Raw: Ja, meine erste Rolle war Celia in Shakespeares "Wie es euch gefällt". Dann spielte ich in "Romeo und Julia" die Julia und war in andereren Shakespeare-Inszenierungen dabei wie "Antonius und Cleaopatra". Im Fernsehen spielte ich unter anderem in "Doctor Who" und "Spooks - Im Visier des MI5" mit. Am National Theatre war ich bei einem politischen Stück dabei und im West End wirkte ich an der Seite von Jude Law in "Hamlet" mit. Meine erste Reise in die USA war in einem Broadwaystück. Das war für mich ein Türöffner für weitere US-Produktionen.

Ricore: Und nun der große Durchbruch mit "Belle"?

Mbatha-Raw: Ja, das ist meine erste Hauptrolle in einem Spielfilm.

Ricore: Was Sie sicher nicht davon abhalten wird, auf der Bühne zu stehen.

Mbatha-Raw: Nein, das Theater ist mein Zuhause, ihm gehört mein Herz. Nichtsdestotroz genieße ich es, den Film zu entdecken. Die Möglichkeit ist jetzt gegeben. Film ist ein kraftvolles Medium. Es wäre schön, wenn ich in Zukunft weiterhin beides machen könnte. So wie Helen Mirren und Judi Dench, die seit Jahren sowohl am Theater als auch bei Film und Fernsehen tätig sind. Diese Vielfältigkeit halte auch ich für erstrebenswert.

Ricore: Sind Helen Mirren und Judi Dench auch schauspielerisch ihre Vorbilder?

Mbatha-Raw: Absoulut. Außerdem bewundere ich Meryl Streep und Cate Blanchett. Beide spielen immer wieder starke Frauenfiguren. Die Fähigkeit, sich wie ein Chamäleon in Rollen zu versetzen, ist auch mein Ziel.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. August 2014
Zum Thema
Dido Elisabeth Belle (Gugu Mbatha-Raw) ist die uneheliche Tochter eines englischen Admirals (Matthew Goode) und einer afrikanischen Sklavin. Als junges Mädchen kommt sie in die Obhut ihres aristokratischen Großonkels Lord Mansfield (Tom Wilkinson) und seiner Frau Lady Mansfield (Emily Watson), wo sie mit ihrer Kusine Elisabeth (Sarah Gadon) aufwächst und deren beste Freundin wird. "Dido Elizabeth Belle" schafft die Balance zwischen Kritik an der englischen Adelsgesellschaft des 18...
Dass sie Schauspielerin werden will, steht für Gugu Mbatha-Raw früh fest. Als die Tochter eines südafrikanischen Arztes und einer englischen Krankenschester mit elf Jahren zum ersten Mal auf der Bühne steht, ist sie Feuer und Flamme. Nach einigen Bühnen- und Fernsehrollen ist sie in dem Historiendrama "Dido Elizabeth Belle" zum ersten Mal in der Hauptrolle eines Spielfilms zu sehen.
2024