Majestic Filmverleih
Regisseur Marcus H. Rosenmüller
Das Leben ändert sich, das Glück bleibt
Interview: Romantischer Marcus H. Rosenmüller
Sechs Jahre nach "Beste Gegend" vollendet Marcus H. Rosenmüller mit "Beste Chance" seine wunderbare Trilogie über Freundschaft, Familie und Heimat. Im Gespräch mit Filmreporter.de sinniert der Regisseur und Drehbuchautor über die Koordinaten der populären Reihe. Wir unterhielten uns zudem über die Dreharbeiten in Bayern und Indien sowie den Konflikt zwischen Heimat und den Fluss des Lebens. Dabei hat uns Rosenmüller versichert, dass er als Romantiker kein Mann fürs Grobe sei.
erschienen am 25. 06. 2014
Majestic Filmverleih
Vom kalten Bayern (Rosalie Thomass und Volker Bruch in "Beste Chance")
Lange Pause...
Ricore Text: Herr Rosenmüller, der zweite Teil ihrer "Beste"-Trilogie erschien unmittelbar nach dem ersten. Warum hat es so lange bis zum dritten Teil gedauert?

Marcus H. Rosenmüller: Weil wir mit dem Buch recht lange gebraucht haben und es doch schwieriger ist, einen Film zu finanzieren, als man denkt. Es waren ursprünglich vier Jahre Abstand geplant. Die ersten beiden Teile waren in Tandern angesiedelt, insofern waren sie sehr preiswert. "Beste Chance" war vergleichsweise teurer, weil er in Indien spielt. Aber auf diese Weise konnte die Geschichte reifen und wir mit den einzelnen Ideen schwanger gehen.

Ricore: Wessen Idee war Indien?

Rosenmüller: Die Idee kam ursprünglich von der Autorin und mir. Wir wollten, dass der dritte Teil aus Deutschland hinausführt. Da ich meinen Abschlussfilm in Indien drehte und die Erfahrung machte, dass es ein total wildes Land ist, kam mir dieser Gedanke in den Sinn.

Ricore: Mit der ersten Szene in Indien wird die schnellere Erzählweise bemerkbar. Filmt man in einem Land wie Indien anders als in Bayern?

Rosenmüller: Durchaus. Bei den Szenen auf dem Land, wo es etwas behäbiger ist, dauern die Einstellungen länger. Außerdem ist in Tandern Winter, in Indien herrschen sommerliche Temperaturen. In Deutschland geht alles ein bisschen ruhiger zu, in Indien wuselt es, alles ist im Fluss. All das hat einen enormen Einfluss auf die formale Gestaltung eines Films.

Ricore: Die Erzählweise der "Beste"-Trilogie ist generell ruhiger als Ihre anderen Filme, die oftmals sehr überbordend daherkommen. Mussten Sie sich in Ihrer Kreativität bremsen.

Rosenmüller: Nein, gar nicht. Das macht der Ort mit mir. Ich wollte schöne lange Einstellungen haben, um einen Blick auf die beeindruckende Natur zu gewährleisten. Die Landschaft in Tandern finde ich eh sehr filmisch. Das war am Anfang ganz anders. Als ich dort zum ersten Mal war, fand ich den Ort etwas fade und langweilig. Doch dann entdeckte ich seine Poesie. Wenn ich dort bin, werde ich automatisch etwas ruhiger.
Majestic Filmverleih
...ins warme Indien (Anna Maria Sturm mit dem kleinen Muskaan Khan in "Beste Chance")
Marcus H. Rosenmüller zurückgekehrt
Ricore: Sie kehrten für "Beste Chance" nach Indien zurück, obwohl Sie die Erfahrung während Ihres Abschlussfilmes als furchtbar empfunden haben sollen.

Rosenmüller: Die Filmarbeit fand ich tatsächlich furchtbar, nicht aber die Freundschaften, die dort entstanden. Die Arbeit war unglaublich anstrengend. Auch dieses Mal war es nicht anders. Ich hatte ein ums andere mal gedacht, warum wir nicht Szenen geschrieben haben, die auf der Alm oder anderen Orten spielen, wo schönes Wetter vorherrscht, man seine Ruhe hat und bei seiner Familie ist. Ich bin auf allen Vieren zurückgekommen (lacht).

Ricore: In "Beste Chance" lässt Kati alles zurück, um aus Sorge ihrer Freundin hinterher zu reisen. Hätte sich auch ein Mann zu einer so impulsiven Entscheidung durchringen können? Sie zeichnen die Männer als Ruhepol, sie repräsentieren das vernünftige Element.

Rosenmüller: Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass es auch anders geht. Ohne dass ich jetzt Namen nennen möchte, kenne ich aus meinen Bekanntenkreis jemand, der auch alles hingeschmissen hat und seinem Freund nachgereist ist. Es geht in "Beste Chance" nicht um das Gegensatzbild Mann und Frau, sondern darum, wie sehr man sich einem Menschen verbunden fühlt. Wir zeigen am Beispiel zweier Frauen eine tiefe Freundschaft.

Ricore: Im weiteren Verlauf der Handlung schicken Sie die beiden Väter nach Indien, die sich die Suche nach ihren Töchtern machen. Ihre Abenteuer in der Ferne gehören zu den komischsten Szenen des Films. Brauchten Sie die Männer wegen des comic reliefs?

Rosenmüller: Mir war schnell bewusst, dass ich dadurch eine Komödie erzählen kann. Darüber hinaus geht es in allen drei Filmen auch um Vater-Kind-Beziehungen. Es geht um das Glück der Kinder, um das sich ab der Geburt jemand kümmert. Es geht um die Sorge der Eltern darum, ob ihr Kind sich geborgen fühlt, ob es Freunde hat oder allein ist. Das hat alles mit Heimat und Geborgenheit zu tun. Es hat auch sehr viel mit Glück zu tun, ob man im Leben gute Freunde und Familie hat, auf die Man sich verlassen kann. Solidarität macht eine Gesellschaft aus und garantiert die Zufriedenheit jedes Einzelnen.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Marcus H. Rosenmüller
Auf der Suche nach Harmonie
Ricore: Würden Sie sich als Romantiker bezeichnen?

Rosenmüller: Absolut, das ist auch der Grund, wieso ich in meinen Filmen oft das Harmonische suche. Ich will nicht die krasse Wirklichkeit zeigen, vielmehr greife ich zu Metaphern, mit denen ich das Abgründige andeute. In "Beste Chance" zeige ich am Anfang das Geradlinige und am Schluss das Bild mit dem großen heiligen Fluss. Damit ist für mich das Dilemma des Lebens beschrieben, ohne dass ich grob werden muss. Ich bin immer auf der Suche nach Gott und dem Sinn in allen Dingen. Daher trifft der Begriff Romantiker durchaus auf mich zu.

Ricore: Andererseits geht es in der "Beste"-Reihe auch um Veränderungen.

Rosenmüller: Das ist das Dilemma der Hauptfiguren. Einerseits wollen sie, dass sich nichts ändert, andererseits sehnen sie eine Veränderung herbei. Ihnen fällt die Decke auf den Kopf und sie wollen aus ihrer Welt ausbrechen. Im ersten Teil der Trilogie habe ich sehr stark mit der Metapher 'Vertreibung aus dem Paradies' gearbeitet. Ich zeigte, dass es zum Leben Veränderung und Tod gehören, man das Glück nicht bewahren muss und alles im Fluss ist. Der Mensch muss begreifen, dass man das Glück nicht halten kann und man sich verändern muss. Das ist ein schwieriger Prozess, weil der Aufbruch immer mit Abschied einhergeht. Auf der positiven Seite steht das Neue und die Tatsache, dass die Bindungen und die Erfahrung trotz aller Veränderungen bleiben. Damit sind wir wieder bei der Romantik angelangt (lacht).

Ricore: Wird es einen vierten Teil geben?

Rosenmüller: Ich hätte schon große Lust dazu. Für mich könnte es immer weitergehen, bis ich damit alt werde. Beim ersten Film wussten wir noch nicht, ob wir die Geschichte von Jo und Kati weitererzählen werden. Daher hat Karin [Drehbuchautorin Karin Michalke, Red.] eine in sich abgeschlossene Erzählung geschrieben. Als Karin am zweiten Teil arbeitete, dachten wir an einen dritten Film. Insofern war "Beste Gegend" so angelegt, dass die Geschichte weitergeführt werden könnte. Mittlerweile habe ich die Figuren so sehr ins Herz geschlossen, dass ich wissen will, wie es mit ihnen weitergeht. Eine Idee für einen weiteren Film haben wir allerdings noch nicht.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 25. Juni 2014
Zum Thema
Beste Chance (Kinofilm)
In "Beste Chance" erzählt Marcus H. Rosenmüller die Geschichte der Freundinnen Jo (Rosalie Thomass) und Kati (Anna Maria Sturm) zu Ende. Jo schafft es, sich von ihrer bayerischen Heimat zu lösen und bricht nach Indien auf. Kati bleibt zurück, sie will ihr Studium abschließen. Trotz der räumlichen Distanz bleiben die beiden miteinander verbunden. Bald reist Kati aus Sorge der Freundin hinterher, während Jo aber schon wieder auf dem Weg nach Hause ist. Der Abschluss von Marcus H. Rosenmüllers..
Marcus H. Rosenmüller beginnt 1995 sein Studium an der Wer früher stirbt, ist länger tot" erstmals das Kinopublikum auf sich aufmerksam. Für das Werk erhält der Regisseur und Drehbuchautor unter anderem den Schwere Jungs", "Räuber Kneißl", "Sommer in Orange" und "Sommer der Gaukler" profiliert sich Rosenmüller als einer der interessantesten jungen Regisseure Deutschlands. 2014 schließt er mit "Beste Chance" seine wunderbare "Beste"-Trilogie ab, die sich durch einen ruhige, fast kontemplativen..
2024