Constantin Film
Sönke Wortmanns Kinder haben bislang keine Probleme in der Schule
Lebenslanges Lernen
Interview: Musterschüler Sönke Wortmann
"Der bewegte Mann" machte Regisseur Sönke Wortmann in Deutschland bekannt. Zudem liefert er uns im Jahr 2006 mit der Dokumentation "Deutschland. Ein Sommermärchen" ein überzeugendes filmische Erinnerungsstück zur Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. In der Komödie "Frau Müller muss weg" sorgen sich auf einem eskalierenden Elternabend Eltern um die zu schlechten Noten ihrer Brut. Sie wollen die vermeintlich schuldige Lehrerin aus dem Weg räumen. Ob er jemals so wütend auf die Lehrer seiner Kinder war, bekennt Wortmann im Interview mit Filmreporter.de. Zudem erläutert er, weshalb Schüler möglichst lange gemeinsam lernen sollten und weshalb er sich auf Elternabenden nie zu Wort meldet.
erschienen am 25. 01. 2015
Constantin Film
Was hat Hannelore Kraft aus Sönke Wortmanns "Frau Müller muss weg" wohl gelernt?
Schwierige Themen Schule und Bildung
Ricore Text: Sie haben "Frau Müller muss weg" bereits für die Theaterbühne inszeniert. Wie kam es zu der Entscheidung, aus dem Stoff auch einen Film zu machen?

Sönke Wortmann: Ich fand das sehr naheliegend, weil die Geschichte einfach so gut und überzeugend ist. Die schwierigen Themen Schule und Bildung verpackt in einer Komödie - das habe ich im Theater schon toll gefunden. Ich habe auch die Reaktionen beim Rest des Publikums beobachtet. Da habe ich gemerkt, wie gut der Stoff ankommt. Zudem ist es ja oft so, dass erfolgreiche Theaterstücke irgendwann verfilmt werden. "Frau Müller muss weg" wollte ich unbedingt selber machen, weil ich bis heute von der Geschichte so begeistert bin.

Ricore: Welches ist die zentrale Veränderung von der Theater- zur Kinoversion?

Wortmann: Die räumliche Ausweitung der Geschichte ist die einzige markante Veränderung. "Frau Müller muss weg" spielt nun nicht mehr ausschließlich im Klassenzimmer. Der Film hat den Vorteil, dass man auch mal raus kann und man so mal durchatmen kann. Ansonsten hat sich nicht viel verändert. Die Geschichte ist die gleiche geblieben.

Ricore: Aber die Dialoge mussten schon ein wenig angepasst werden, oder?

Wortmann: Die Dialoge von Lutz Hübner fand ich immer super, deshalb haben wir diese auch nicht geändert. Die sind mehr oder weniger eins zu eins übernommen worden.

Ricore: War die Nähe zum Original auch der Grund, weshalb Sie Ihren Cast als Vorbereitung auf den Film zunächst ins Theaterstück geschickt haben?

Wortmann: Ich weiß nicht mehr so genau wie es war. Ich bin mir lediglich sicher, dass ich es nicht zur Bedingung gemacht hatte, das Stück zu sehen, sondern lediglich empfohlen habe dies zu tun. Denn wenn man die Geschichte liest, ist das natürlich nicht so lebendig, als wenn man diese live vorgespielt bekommt. Ich wollte beispielsweise Ken Duken und Mina Tander unbedingt für meinen Film haben und dachte mir, dass die Chance sie für mein Projekt zu gewinnen höher ist, wenn sie bereits beim Theaterstück sehen, wie gut die Geschichte funktioniert. Das würde ich wieder so machen.

Ricore: Sie haben "Frau Müller muss weg" mit John Hughes' "Der Frühstücksclub" verglichen. Mich hingegen hat der Stoff von der Ausgangssituation her eher an "Der Gott des Gemetzels" erinnert. Was halten Sie von diesem Vergleich?

Wortmann: Der ist sicher naheliegend, aber wenn dieser Vergleich kommt, lege ich stets Wert darauf, darauf hinzuweisen, dass das Stück wesentlich älter ist, als der Film von Roman Polanski. Das ist mir wichtig, denn ich möchte nicht, dass die Leute denken, dass das Stück von diesem Film inspiriert wurde.

Ricore: Haben Sie die Lehrer Ihrer Kinder schon mal verflucht - etwa wegen schlechter Noten?

Wortmann: Ehrlich gesagt gar nicht. Ich habe das Glück, dass meine Kinder - ohne dass wir sie großartig dazu zwingen müssten - gerne in die Schule gehen und gute Noten haben. Meine Kids haben mir noch keinen Grund gegeben auf ihre Lehrer zu schimpfen. Dies würde ich aber natürlich machen, falls dies mal notwendig sein sollte. Aber wie gesagt, bisher habe ich Glück gehabt.
Constantin Film
Frau Müller muss weg
Sönke Wortmann: Es muss nicht immer eine 1 sein
Ricore: Wie sehr achten Sie auf gute Noten?

Wortmann: Kaum. Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber meine Kinder schreiben so gute Noten, dass ich ihnen manchmal sage: "Es muss nicht immer eine eins sein. Du darfst auch mal eine drei schreiben!"

Ricore: Sie können Zuhause also mit lockerer Hand regieren.

Wortmann: Ich weiß nicht woher meine Kinder das haben. Von mir jedenfalls nicht und von meiner Frau auch nicht. Vielleicht von den Großeltern...

Ricore: Waren Sie selbst nicht so gut in der Schule?

Wortmann: Ich war mittelmäßig. Meine Noten schwankten in den meisten Fächern zwischen zwei und drei.

Ricore: Haben Sie trotz ihres beruflichen Stresses Zeit, zu Elternabenden zu gehen?

Wortmann: Erst einmal habe ich gar nicht so einen Arbeitsstress. Ich habe sechs Wochen im Jahr Stress, wenn ich einen Film drehe. Ansonsten kann ich mir meine Zeit ziemlich gut einteilen. Zudem sind Elternabende ja auch nicht jedoch Woche, sondern an den Schulen unserer Kinder vielleicht zwei Mal im Jahr. Da gehe ich dann auch hin. Es gibt aufregendere Dinge, die man abends anstellen kann, aber zweimal im Jahr sollte man es schaffen können, so einen Termin wahrzunehmen. Es kann ja auch mal um etwas Wichtiges gehen.

Ricore: Sind Sie jemand, der sich bei einem Elternabend zu Wort meldet, oder jemand, der still im Hintergrund zuhört?

Wortmann: Ich halte mich eher zurück, weil ich von Natur aus schüchtern bin. Letztlich ist es auf Elternabenden immer das gleiche Ritual: es wird ein Elternsprecher gewählt und zunächst meldet sich niemand freiwillig, bis sich dann doch noch jemand notgedrungen dazu bereit erklärt. Außerdem dauern Elternabende so gut wie immer länger als geplant und werden gerne zu Zeitpunkten terminiert, wo im Fernsehen die Fußball Champions League läuft. Und genau dann kommt plötzlich doch noch jemand, der ein wichtiges Thema hat, dass er gerne unbedingt besprechen möchte.
Constantin Film
Sönke Wortmann mit Frau Müller alias Darstellerin Gabriela Maria
Der Druck wird größer
Ricore: Können Sie auf den Elternabenden feststellen, dass der Druck innerhalb der letzten Jahren tatsächlich immer weiter zugenommen hat - sowohl bei Schülern und Eltern als auch den Lehrkräften?

Wortmann: Ja. Der Druck wird insgesamt größer, in unserer Leistungsgesellschaft. Das tragen Eltern auch in die Familien hinein, das bleibt natürlich nicht aus. Selbst wenn man sich dessen bewusst ist, kann man das nicht komplett ausblenden. Dementsprechend wird der Druck bis zu den Kindern durchgereicht.

Ricore: Haben Sie eine Idee, was man ändern müsste, damit sich der Druck auf alle ein wenig verringert? Denn auch Lehrer müssen ja oftmals Aufgaben übernehmen, für die eigentlich die Eltern zuständig sind.

Wortmann: Es ist abendfüllend, was man alles ändern könnte. Ich finde unser Bildungssystem nicht schlecht, aber mit sehr viel Luft nach oben. Man könnte einfach noch viel machen. Unter anderem Aufklärung betreiben, den Eltern ein wenig die Sorge nehmen und ihnen sagen, dass es nicht so ist, dass sich die Zukunft des Kindes allein darüber entscheidet, ob es auf ein Gymnasium kommt, oder nicht. Es gibt auch noch andere Wege, um ein glückliches Leben zu führen.

Ricore: Ein beliebtes Streitthema ist ja auch immer wieder die Frage wie lange Schüler zusammen lernen sollten. Wie sehr beschäftigen Sie sich mit schulpolitischen Themen grundsätzlicher Natur? Sind Sie eher für ein langes oder ein kurzes Zusammenlernen der Kinder?

Wortmann: Bildung ist ja Ländersache. Bei uns in Nordrhein-Westfalen sind es derzeit vier Jahre, Berlin und Brandenburg sind die einzigen die sechs machen, was wissenschaftlich erwiesenermaßen besser ist, insbesondere natürlich für die etwas später zündenden Kinder. Der beste Beweis ist Finnland, die sind Pisa-Sieger geworden. Finnische Schüler lernen neun Jahre zusammen und sind trotzdem die besten in solchen Rankings. Langes gemeinsames Lernen bedeutet also nicht, dass das Gesamtniveau sinkt.

Ricore: Wo sehen Sie den größten Vorteil beim längeren gemeinsamen Lernen?

Wortmann: Manche Kinder sind im Alter von zehn Jahren einfach noch nicht so weit, ihnen wird dann die Gymnasialreife abgesprochen, obwohl sie diese zwei Jahre später hätten. Das gibt es ganz oft. Bei uns in Nordrhein-Westfalen gibt es viele Gesamtschulen, und deren Schüler sind nur minimal schlechter als die Gymnasiasten - gemessen bei einem gleichen Niveau der Fragen. Von denen machen letztlich 75 Prozent Abitur, die ursprünglich gar keine Gymnasialempfehlung hatten. Das muss man sich mal vorstellen! 75 Prozent werden doch noch mitgenommen, obwohl man ihnen zuvor die Fähigkeit dazu abgesprochen hatte.

Ricore: Sie kennen sich ja gut aus. Wäre es für Sie von Interesse nicht nur einfaches Mitglied einer Partei zu sein wie bisher, sondern auch aktiv in der Politik mitzugestalten?

Wortmann: Ich habe tatsächlich vor ein paar Jahren mal überlegt, ob ich in die Politik gehen soll, ob ich mich da irgendwo aufstellen lasse für die Bundestagswahl. Das habe ich dann aber doch nicht gemacht, weil ich festgestellt habe, dass mir der Film zu sehr fehlen würde.

Ricore: Welches Projekt steht jetzt bei Ihnen als nächstes an?

Wortmann: Das weiß ich noch nicht, das ist noch komplett offen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 25. Januar 2015
Zum Thema
Fußball gehört zu Sönke Wortmanns großen Leidenschaften. Als Junge träumte er davon, Profispieler zu werden. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 begleitet er die deutsche Nationalmannschaft bei ihrem Kampf um den Titel. Das Ergebnis ist die Doku "Deutschland. Ein Sommermärchen". Als seinen besten Film bezeichnet er selbst jedoch "Das Wunder von Bern", der sich ebenfalls um Fußball dreht.Die Päpstin", ein Film über die Legende um Papst Johannes Anglicus, der eine Frau gewesen sein soll. Mit..
Anke Engelke zieht in "Frau Müller muss weg" gegen eine Grundschullehrerin (Gabriela Maria Schmeide) in den Krieg, weil diese angeblich zu schlechte Noten vergibt. Sönke Wortmann hat das gleichnamige Theaterstück von Lutz Hübner aufführt. So wurde seine Bühnenfassung im Jahr 2012 beim 1. Privattheaterfestival Hamburg mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
2024