Universum Film
Olivier Megaton auf der Pressekonferenz zu "96 Hours - Taken 3" in Berlin
Für die Amis sind alle europäischer Metropolen gleich
Interview: Olivier Megaton zu "96 Hours - Taken 3"
Olivier Megaton, eigentlich Olivier Fontana, ist ein Zögling von Luc Besson. Der Produzent ermöglichte dem Action-Genre-Spezialist Megaton im Jahre 2000 dessen Spielfilmdebüt "Exit - Die Apokalypse in Dir", anschließend beauftragte er ihn mit "Transformers 3" sowie den Sequels "96 Hours - Taken 2" und "96 Hours - Taken 3". In dem Thriller wird der einstige Geheimagent Bryan Mills selbst zum Gejagten. Die Polizei von Los Angeles macht ihn für den Tod seiner Frau verantwortlich. Der Einzelgänger macht sich alleine auf die Suche nach den Mördern, dabei ist er der Polizei stets einen Schritt voraus. Filmisch ist Megaton dagegen ein Mann der alten Schule. Er dreht auf analogem 35mm-Film.
erschienen am 5. 01. 2015
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Liam Neeson in "96 Hours - Taken 3"
Nur bei einer Szene haben wir geschummelt
Ricore Text: Mills überlebt unter anderem den Sturz seines Autos in einen Canyon. Wie glaubhaft muss Action-Kino sein?

Olivier Megaton: Wir haben alle Szenen sorgfältig auf ihre Realisierbarkeit geprüft, bevor wir sie mit Stuntmen aufgenommen haben. Wir setzen doch keinen in ein Auto, stürzen es in eine Schlucht und wünschen dem Fahrer alles Gute. Nur bei einer Szene haben wir geschummelt. Ein Porsche kann kaum ein Flugzeug rammen ohne dass es Tote gibt. Aber ohne solch spektakulären Szenen würde keiner solche Filme sehen wollen.

Ricore: Wie viele Kompromisse machen Sie, um eine Altersfreigabe ab zwölf in Deutschland und ab 13 Jahren in den USA zu erhalten?

Megaton: Die "96 Hours"-Trilogie ist eine europäische Marke, doch ohne die Einnahmen aus den USA sind die Kosten nicht einzuspielen. Dafür brauchen wir eine Freigabe für Jugendliche. Unter den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten findet sich erst auf Platz 273 der erste Titel, der ab 17 Jahren zugelassen war. Für die Zulassung des ersten Teils brauchten die amerikanischen Behörden ein Jahr. Für Luc Besson war das keine Überraschung, er hat ständig Ärger mit den Altersfreigaben. Von "96 Stunden" reichte er mindestens zehn Fassungen ein. Was den Zensoren aufstieß, bleibt im Dunkel. Sie sagen nur, der Film sei zu gewalttätig. Auch ich musste bei "96 Stunden 2" erraten, was ihnen nicht gefällt. Ich hatte im Schnitt ständig die Altersfreigabe im Hinterkopf und irgendwie schafften wir es, die Hürde zu nehmen. Daraus habe ich gelernt. Jetzt gab es keine Beanstandungen. Letztlich ist das ganze System Blödsinn. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Kids meine Filme kennen.

Ricore: Mussten die Bösewichter ausgerechnet aus Russland stammen?

Megaton: Die Nationalität der Schurken interessiert mich nicht die Bohne. In den vergangenen 15 Jahren dienten meine Landsleute in amerikanischen Film oft als Bösewichter. Autor Luc Besson sieht das verständlicherweise anders. Bei ihm sind es halt die Russen. Wir dachten nie an Politik oder den Ukrainekonflikt. Die Gegenspieler von Mills hätten auch Chinesen, Bulgaren oder Rumänen sein können.

Ricore: Sie haben zwei Vorgaben für den dritten Teil gemacht, eine davon war, dass Sie nicht in Paris drehen wollten. Was schreckt Sie ab?

Megaton: Paris ist meine Heimat. Wenn ich eine Weile abwesend war, gönne ich mir einen nächtlichen Spaziergang an der Seine, um mich von den Lichtern verzaubern zu lassen. Dort zu drehen ist jedoch ein logistischer und finanzieller Alptraum. Ohne den Eiffelturm kommt kein Paris-Film aus. Er liegt auch so zentral, dass er auf vielen Bildern im Hintergrund zu sehen ist. Dafür muss der Produzent tief in die Tasche greifen. Die Preise sind unverschämt. Das Geld stecke ich lieber in den Film.
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Olivier Megaton mit Liam Neeson auf der Deutschlandpremiere von "96 Hours - Taken 3" in Berlin
Olivier Megaton: vertraglich von Luc garantieren lassen
Ricore: War es denn in Los Angeles einfacher?

Megaton: Ein Dreh in den USA ist für eine europäische Crew ein Alptraum. Man braucht Visa, Genehmigungen, der ganze bürokratische Kram frisst dich auf. Manchmal brauchen die Behörden Monate für eine Entscheidung und die Gewerkschaften verlangsamen die Arbeitsabläufe, um Geld aus den Produzenten rauszupressen. Auf diesen Nenner lassen sich meine Erfahrungen bei "96 Hours - Taken 2" und eines Fernsehfilms zusammenfassen, den ich in New York inszenierte. Dafür waren wir gewappnet, doch meine 25 Leute und ich wurden in Los Angeles und Atlanta mit offenen Armen empfangen. Auf sie hätte ich nie verzichtet. Wir sind ein effektives, perfekt aufeinander eingespieltes Team. Jeder kennt seine Aufgaben und fühlt sich für alles verantwortlich. Nach ein paar Tagen mochten auch die Amis unsere Herangehensweise. Sie hatten keine Langeweile mehr am Set.

Ricore: Warum haben Sie auf analogem 35mm-Filmmaterial bestanden?

Megaton: Das habe ich mir vertraglich von Luc garantieren lassen. Für die hohe Qualität des Bilds ist ein analoger Dreh das Mindeste, was ich tun kann. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe mit den digitalen Kameras Alexa und der Red Werbespots gedreht, aber für die große Leinwand bleibe ich bei 35mm. Die Emotionen der Schauspieler kommen besser rüber. Vor allem kann ich als Regisseur bestimmen, was ich im Bild durch die Fokussierung auf Vorder- oder Hintergrund betonen will. Im digitalen Bild verschwinden diese Unterschiede. Alle Informationen haben das gleiche Gewicht. Doch das menschliche Auge kann sie in so kurzer Zeit nicht verarbeiten. Daher gehen wichtige Informationen im digitalen Bild unter. Diese Einsicht setzt sich langsam durch. Auch Martin Scorsese wird seinen nächsten Film wieder in 35mm drehen.

Ricore: Der entscheidende Vorteil sind doch aber die Kosten?

Megaton: Diese Argumentation ist eine Mogelpackung. Wir sind dem Marketing der großen Hersteller-Firmen aufgesessen, die uns ihre neuen Kameras günstig zur Verfügung stellten. Aber nun zahlen wir den Preis. Eine digitale Kamera ist zwei bis drei Mal so teuer wie eine 35mm-Kamera. Warum, wenn doch die Produktion der Kamera preisgünstiger ist?

Ricore: Würden Sie mit einem vierten Teil von "96 Stunden" oder einem anderen Projekt nach Berlin kommen?

Megaton: Davon müssten sie die Geldgeber überzeugen, sie brauchen einen überzeugenden Grund. Die amerikanischen Studios schicken dich sonst nach Sofia oder Budapest. Für die Amis ist das Stadtbild europäischer Metropolen gleich. Sie haben keinen Schimmer vom verschiedenen Flair und Look der Städte. Man muss ihnen mühsam beibringen, dass sie nur in Berlin einen Film wie "Die Bourne Identität " drehen können. Der Filmstandort verfügt ja auch über viele Möglichkeiten und bietet gut ausgebildete Crews.
erschienen am 5. Januar 2015
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Die Fans der Filmreihe kommen voll auf ihre Kosten, denn Luc Besson bürgt für Qualität bei Thrill und spektakulären Verfolgungsjagden. Angeblich soll jetzt Schluss mit der Familiengeschichte sein. Doch in Hollywood sagt man niemals nie. Wenn die Zuschauerzahlen stimmen und sich Liam Neeson nicht zu alt fühlt, wird die Saga vielleicht weitergeführt.
Die Karriere von Olivier Megaton, der mit bürgerlichem Namen Olivier Fontana heißt, ist ohne Luc Besson nicht zu denken. Der einflussreiche Regisseur, Drehbuchautor und Produzent ermöglicht seinem Zögling im Jahr 2000 dessen Spielfilmdebüt "Exit - Die Apokalypse in Dir". Megaton überzeugt und sichert sich die Regie zu "Transporter 3", den ebenfalls Besson produziert. Aufsehen erregt der 1965 geborene Regisseur auch mit dem Actioner "Colombiana", in dem Zoë Saldaña als eiskalte Profikillerin zu..
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