Nina Klofac/Ricore Text
Regisseur Jaco van Dormael
Menschenaffen im Liebestaumel
Interview: Jaco Van Dormael: belgische Extravaganzen
In Jaco van Dormaels "Das brandneue Testament" wird den Menschen von der frustrierten Tochter Gottes das Datum ihres Todes mitgeteilt. Das führt zu ganz unterschiedlichen Reaktionen unter den Erdenbürgern. Beispielsweise verliebt sich eine vernachlässigte Ehefrau in einen Gorilla und ein Mörder verliert die Lust am Töten. Mit Filmreporter.de spricht der belgische Regisseur über die spannende Zusammenarbeit mit Catherine Deneuve, die belgische Filmlandschaft und animalische Liebesgeschichten.
erschienen am 25. 01. 2016
NFP marketing & distribution/Kris Dewitte
Männer- und Frauenphantasien in "Das brandneue Testament"
Ricore Text: Was würden Sie tun, wenn Sie das genaue Datum Ihres Todes kennen würden?

Jaco van Dormael: Wahrscheinlich würde ich gar nichts tun, weil ich es liebe, gar nichts zu tun. Eventuell würde ich die Vögel beobachten und meine Zeit mit den Menschen verbringen, die ich liebe.

Ricore: Nach welchen Kriterien haben Sie das Schauspiel-Ensemble für "Das brandneue Testament" zusammengestellt?

Van Dormael: Die meisten Mitwirkenden sind Freunde und Bekannte von mir, die ich schon sehr lange kenne. Catherine Deneuve habe ich immer schon für Ihren Mut und Ihre Eigenständigkeit bewundert. Sie sagt, was Sie denkt. Allein deswegen wollte ich Sie für die Rolle der Martine unbedingt haben, denn es ist eine Rolle für eine starke Schauspielerin.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Catherine Deneuve?

Van Dormael: Es war fantastisch. Sie ist eine großartige Schauspielerin - da sitzt jede Einstellung. Ich musste als Regisseur nur vereinzelt Ihre Darstellung modifizieren. Zudem hat Sie viel Humor und man kann gut mit Ihr lachen, speziell bei der Liebesszene mit dem Gorilla. Die Zusammenarbeit war eine tolle Erfahrung für mich.
NFP marketing & distribution/Fabrizio Maltese
Jaco Van Dormael (oben) am Set von "Das brandneue Testament"
Jaco van Dormael: eifersüchtiger Affe
Ricore: Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Gorilla?

Van Dormael: Ich habe einen Freund in Brüssel, der irgendwann in den 1970er Jahren mal Besuch von einem Sänger hatte, der zusammen mit einem Affen auftrat. Der Affe war sehr eifersüchtig und immer wenn eine Frau dem Sänger zu nah kam, wurde der Affe aggressiv. Diese verrückte Geschichte hat mich inspiriert.

Ricore: Was ist für Sie das Charakteristische an belgischen Filmen?

Van Dormael: In Belgien gibt es viele Filmemacher, mit ganz unterschiedlichen Ideen. Wir haben keine klassische Filmindustrie in Belgien, deshalb erwartet auch keiner etwas von uns. Es gibt nur wenig Geld für Filmprojekte. Da wir keinerlei Vorgaben haben, wie unsere Filme ungefähr auszusehen haben, kreieren wir im Grunde nur Prototypen, die in kein Raster passen.

Ricore: Wie erklären Sie sich den Erfolg von belgischen Filmen speziell in den letzten Jahren?

Van Dormael: Dafür habe ich keine grundsätzliche Erklärung. Ich denke, der Erfolg rührt nicht allein von den Filmen, sondern in erster Linie von den Zuschauern, welche die Filme sehen und weiterempfehlen. Wir Filmemacher aus Belgien kennen uns zumeist untereinander. Wir sind schnell, kommen ohne viel Geld aus und sind kreativ. Mittlerweile gehöre ich schon wieder zur alten Generation, aber es kommt immer wieder etwas nach. Ich gebe mein Wissen an einer Filmschule weiter - wobei ich manchmal das Gefühl habe, ich lerne von den Schülern mehr, als sie von mir. Beispielsweise wie man das Internet miteinbeziehen kann, um seine Werke noch schneller zu verbreiten. Im übertragenen Sinn könnte man sagen: Wenn ich ein Philharmoniker bin, dann sind meine Schüler eine Ansammlung von gitarrenspielenden Rockstars.

Ricore: Spielt die Unterteilung in Flamen und Wallonen in Belgien auch eine Rolle für Ihre Arbeit als Regisseur?

Van Dormael: Nein, das spielt keine Rolle. Die beiden Kulturen sind in der belgischen Filmlandschaft und in der Gesellschaft weitestgehend vermischt. Vor allem in Brüssel ist die Unterscheidung in Flamen und Wallonen quasi aufgehoben. Mein Vater ist Flame, meine Mutter spricht französisch. Das ist kein Problem mehr. Beide Kulturen sind sich im Grunde sehr nah.

Ricore: Herr Van Dormael, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 25. Januar 2016
Zum Thema
Der belgische Autor und Regisseur Jaco van Dormael liebt Außenseiter - zumindest in seinem künstlerischen Werk. Seine Filme zeigen das Leben derjenigen, die sich nicht anpassen können oder wollen. Sein erster Spielfilm "Toto der Held" aus dem Jahr 1991 wird prompt bei den Am achten Tag" ebenfalls mit dem goldenen Pflänzchen gewürdigt, van Dormael führt abermals Regie. Der Film handelt von einem Mann mit Down-Syndrom, der sich auf die Suche nach seiner Mutter macht.Mr. Nobody". Sein Bruder, der..
Gott (Benoît Poelvoorde) lebt in Brüssel und ist von despotischer Natur. Er piesakt die Menschheit mit allerhand Gemeinheiten. Dies bringt ihm mächtig Ärger mit seiner rebellischen Tochter Ea (Pili Groyne) ein. Diese möchte ihren Vater entmachten und ein brandneues Testament etablieren. Origineller Filmbeitrag vom belgischen Regisseur Jaco van Dormael. Mit eigenwilligem Humor und philosophischem Tiefgang wird der Zuschauer gekonnt eingefangen.
2024